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Veröffentlicht am 26.09.2023

Nur die Stilistik verhindert ein Highlight

Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben
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„Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben“ ist mir mehrfach begegnet, ehe ich dann wirklich auch mal zugeschlagen haben. Das mag daran liegen, dass der Titel jetzt nicht unbedingt eine romantische Geschichte ...

„Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben“ ist mir mehrfach begegnet, ehe ich dann wirklich auch mal zugeschlagen haben. Das mag daran liegen, dass der Titel jetzt nicht unbedingt eine romantische Geschichte versprochen hat und der Klappentext hat das dann auch noch bestätigt. Aber das Cover war dagegen einfach süß. Jetzt ist es nicht so, dass ich nur süße Liebesgeschichten lesen würde, aber die verschiedenen Signale haben mich schon etwas stutzig gemacht. Aber letztlich habe ich eben doch dem Buch eine Chance gegeben.

Das Buch ist für Fans von Sally Rooney und Colleen Hoover beworben worden. Während ich Erstere nur vom Namen her kenne und das vor allem wohl wegen ihrer Serienadaptionen, ist Hoover für mich tatsächlich eine Art Queen und das eben nicht, weil sie nur klassische Liebesgeschichten schreibt. In diesem Sinne hat das Marketing also recht, denn Genevieve Wheeler hat auch eine Geschichte geschaffen, die sich abseits von klassischen Normen bewegt. Es geht schon irgendwo um Liebe, aber um keine Bildbuchliebe, sondern um eine Liebe mit vielen tiefen Nuancen, wo es Schmerz genauso wie schöne Momente gibt. Tatsächlich liest man genau solche Geschichten viel zu wenig, wofür ich Wheeler sehr gerne lobe. Ihre Dankesworte lassen auch darauf schließen, dass „Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben“ eine sehr persönliche Geschichte ist und das erfordert eben dann auch noch Mut, zumal eben nichts beschönigt wird, sondern stattdessen eine ganz reale Erzählung geboten wurde.

Nun flippe ich bei „Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben“ aber nicht völlig aus und das liegt am Schreibstil. Schon während des Lesens, aber jetzt auch im Nachhinein habe ich mir viele Gedanken gemacht, was mir das Lese manches Mal erschwert hat. Der Stil ist auf jeden Fall ungewöhnlich. Wenn ich nicht gerade wissenschaftliche Lektüre lesen, so sind mir wahrscheinlich noch nie so viele Sätze in Klammern begegnet. Das war sicherlich schon einmal der erste Punkt, über den ich gestolpert bin. Zumal die Umklammerungen sehr unterschiedliche Funktionen übernommen haben. Mal ging es um direkte Kommentierungen, mal gab es Einblicke in die Zukunft und dann wieder sind andere Perspektiven eingeschoben worden. Ja, es war schon irritierend, zumal diese Technik dann auch noch einen anderen Eindruck verschärft haben. Dass eben die Autorin eine Stilistik gewählt hat, die sie von ihrer Geschichte oft genug entfernt hat. Ich hatte wirklich den Eindruck einer distanzierten Geschichte, was mich dann wiederum sehr überrascht hat, eben weil es für Wheeler ja persönlich zu sein scheint. Aber vielleicht brauchte sie dadurch umgekehrt die Distanz zu Adelaide, um diese Geschichte schreiben zu können. Das ist alles natürlich nur spekulativ, aber für die emotional doch so zugepackte Handlung habe ich nicht immer genug Nähe gespürt, um wirklich alles nachfühlen zu können.

Kommen wir aber nun noch zum Inhalt, denn eigentlich mochte ich sehr, was Wheeler durch Adelaide zu erzählen hatte. Denn es ist im Grunde nur ihre Geschichte. Ich habe gar nicht damit gerechnet, worauf die Handlung am Ende hinauswollte, weil ich eben mehr en Fokus auf toxischen Liebesgeschichten gesehen habe, da Adelaide eben schon als Jugendliche schwer missbraucht wurde und nun mit Rory auch in einem Sog steckt, der ihr sichtlich nicht gut tut. Deswegen habe ich wohl auch die ganzen Zeichen übersehen, was dann aber wiederum sinnbildlich ist, weil wir eben zu oft die Augen vor mentaler Gesundheit verschließen, entweder weil wir ihre Ernsthaftigkeit verleugnen oder weil wir als Teil eigener Unzulänglichkeiten sagen, kann ich nicht gebrauchen, kann ich mich nicht mit aufhalten. Ja, vielleicht ist es auch entlarvend. Aber das macht die Geschichte deswegen auch so gut. Auch wenn es mir die Stilistik oft genug erschwert hat und ich mindestens ein Drittel brauchte, um richtig reinzufinden, aber wenn ich am Ende komplett weiß, was passiere, dann ist eine wirklich gut ausgearbeitete Entwicklung gelungen, mit vielen Themenschwerpunkten, wo es stets um Realität statt um romantische Träumereien ging und wo trotz vielem Negativen immer das Positive doch blieb und andere Perspektiven noch angeboten hat.

Fazit: „Jedes Herz ist ein Puzzle aus Scherben“ könnte wirklich richtig gut sein, wäre die Stilistik nicht. Sie ist etwas, woran man sich erstmal gewöhnen muss. Sie ist aber auch etwas, was unnötig Distanz schafft, was speziell in dieser tiefgründigen und vielschichtigen Handlung einfach schade ist. Dennoch würde ich das Lesen empfehlen, denn Wheeler hat eine sehr persönliche Geschichte verfasst, die mich trotz der Hindernisse berührt hat.

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Veröffentlicht am 13.09.2023

Guter Settingwechsel nach London

Immortality
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„Anatomy“ hat die Buchwelt im vergangenen Jahr definitiv wegen des beeindruckenden Covers verrückt gemacht. Und ja, auch ich bin verführt worden, das Buch von Dana Schwartz deswegen zu lesen. Ich habe ...

„Anatomy“ hat die Buchwelt im vergangenen Jahr definitiv wegen des beeindruckenden Covers verrückt gemacht. Und ja, auch ich bin verführt worden, das Buch von Dana Schwartz deswegen zu lesen. Ich habe danach viele Stimmen gelesen, die doch enttäuscht waren und ich muss zugeben, ich hätte bei „Anatomy“ aufgrund des Covers und des Untertitels „Eine Liebesgeschichte“ auch nicht diese Geschichte erwartet. Aber enttäuscht war ich nicht, denn ich habe stattdessen etwas bekommen, was mich überrascht hat und das sehr positiv, weswegen mir immer klar war, dass ich gerne wieder in die Welt eintauchen werde und das ist mit „Immortality“ nun der Fall.

Der zweite Band steigt mit einem kleinen Zeitsprung ein, aber tatsächlich hat sich die Ausgangslage nicht drastisch verändert, denn Hazel wartet auf die Rückkehr von Jack, der den Unsterblichkeits-Trank bekommen hat, der aber natürlich dennoch tot sein könnte und in der Wartezeit hat sie ihren Ruf als Ärztin einfach weiter ausgebaut, so dass sie ständig für Behandlungen gefragt ist. Das wiederum löst dann das zweite Abenteuer aus, das geschickterweise ganz anders konstruiert ist als das erste. So wird Hazel aus Edinburgh rausgerissen und es geht raus nach London an den königlichen Hof. Ich musste zwischendurch doch sehr grinsen, weil es inhaltlich ähnliche Parallelen wie zum Prequel von „Bridgerton“ gibt, wo es um Königin Charlotte und ihre Nachfahren geht, und in dem Kontext finden wir uns auch wieder. Da Hazel als Frau schon etwas neues verkörpert, ist es nun wenig verwunderlich, dass wir auch einen recht modernen Eindruck zu London und den dort lebenden Menschen bekommen. Die Geschichte wird dort auf jeden Fall auf den Kopf gestellt, aber das finde ich nicht schlimm, weil es einfach zu Hazel und ihrer ganzen Art passt.

Hazel ist sowieso weiterhin der große Gewinn der Reihe, eben weil sie nicht klein beigibt, weil sie ihre Träume verfolgt und weil sie sich nicht wegen gesellschaftlichen Konventionen in eine Ehe treiben lässt. Sie ist auch keine Figur, die schnell durch Versprechungen verführt ist, sondern immer erst ihren Kopf einschaltet. Sie ist für die damalige Zeit sicherlich ein Unikum, aber selbst für unsere moderne Zeit ist sie noch keine Selbstverständlichkeit. Neben ihren diversen Aufträgen als Ärztin kommt sie dann auch mit einem Geheimbund in Kontakt. Der ist inhaltlich nicht unbedingt mein Fall, weil das eben in eine Richtung geht, die mir schon im ersten Band nicht unbedingt gefallen hat, weil es mehr übernatürlich wird. Aber es fügt sich insgesamt schon passend ins Geschehen ein und ich hatte nicht den Eindruck, dass wild irgendetwas zusammengeschrieben wird, was dann nicht zusammenpasst. Die Geschichte hat auch mehrere Handlungsbögen mit gut verteilten Höhepunkten. Vielleicht ist es etwas am Anfang zäh, aber spätestens in London geht es dann wieder rund und am Ende ist es richtig spannend. Da kamen mir dann auch wieder ganz deutlich die Analogien zu Enola Holmes in den Sinn. Hazel löst zwar keinen Fall, aber sie stolpert immer wieder über Geheimnisse, die der Handlung eine Wendung geben oder wo sie dann noch selbst letzte Puzzleteile zusammensetzt.

Fazit: „Immortality“ setzt die von Dana Schwartz intendierte Geschichte konsequent fort und bereitet mit dem Schauspielort London aber einen neuen Aspekt, den ich sehr gelungen fand. Nach einem etwas zähen Einstieg geht es auch später gut rund und Hazel als eigenständige und clevere junge Frau macht diese Handlung auf jeden Fall wieder sehr interessant.

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Veröffentlicht am 10.08.2023

Kleine sympathische Überraschung

Icebreaker
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Mit „Icebreaker“ habe ich doch länger gehadert, ob ich es lesen werde oder nicht. Das Cover erschien mir etwas kindlich. Dafür mag ich es bei Collegegeschichten aber eigentlich gerne, wenn es um Sport ...

Mit „Icebreaker“ habe ich doch länger gehadert, ob ich es lesen werde oder nicht. Das Cover erschien mir etwas kindlich. Dafür mag ich es bei Collegegeschichten aber eigentlich gerne, wenn es um Sport geht. Dann wiederum hat die Leseprobe verraten, dass die Sexszenen sicherlich nicht spärlich ausfallen, das kann ich in dem Genre doch schon länger erfahren, schon an einer gewissen Wortwahl rauslesen. Von den Büchern habe ich eigentlich mehr Abstand genommen, weil mir immer wichtiger geworden ist, dass die expliziten Szenen nicht nur die Seiten füllen, sondern dass mit ihnen nur ein wichtiger Teilaspekt, aber wahrlich nicht der Hauptaspekt erzählt wird. „Icebreaker“ war also ein gewisses Wagnis.

Insgesamt habe ich mich von „Icebreaker“ trotz der vielen Seitenzahlen gut unterhalten gefühlt. Solche Geschichten sind in der Tendenz auch oft leider zu oberflächlich, die Gefahr bestand hier eigentlich nicht. Ich fand auch, dass eine ganz schön ordentliche Zeit erzählt wurde und dennoch sind zwischendurch immer wichtige Meilensteine erreicht worden. Die ganzen ersten Male sind nicht dämlich in die Länge gezogen worden, sondern es hat einen guten Sog gegeben. Zudem wird die Geschichte auch in vielen Aspekten erzählt. Stassie und Nathan natürlich erstmal als Paar, aber auch jeweils in ihrem Leistungssport und auch jeweils privat, entweder durch Familie oder Freunde. Es war eine absolut gleichberechtigte Erzählung, wo keiner von beiden abgehangen wurde. Dazu haben sie sich eben auch immer beigestanden. Weiterer Pluspunkt, die beiden reden miteinander. Es gibt dennoch Streit, aber es gibt nahezu kaum Missverständnisse, weil sie einfach aneinander rasseln und dann eben miteinander reden, um eine Lösung zu finden. Obwohl man in genug Aspekten bemerkte, dass die Figuren jünger als ich selbst sind, so waren sie mir doch reif genug, dass ich nahezu kaum die Augen verdreht habe.

In diese Atmosphäre hinein wundert es dann auch wenig, dass ich viele Sympathien empfunden haben. Stassie und Nathan sind jede(r) für sich zwei wirklich liebenswerte Figuren, aber besonders zusammen haben sie natürliche tolle Seiten an sich hervorgebracht. Ich habe auch die Einbindung des Eishockeyteams sehr gemocht, es war dann nicht nur, wie Nathan den Laden führt, sondern auch wie Stassie die Truppe immer mehr als Familie lieben lernt, so dass sie auch als WG unzertrennlich sind. Natürlich gab es viele explizite Szenen, wirklich sehr viele und wie ich finde in der Darstellung auch übertrieben, aber dennoch konnte ich sie gut weglesen. Auch das eifersüchtige Verhalten, für mich schon ein starkes Red Flag, aber man muss zugute halten, dass das auch offensiv angesprochen wird, weil es eben wirklich genug Frauen gibt, die darauf wirklich so stehen und das will ich auch niemandem absprechen. Aber gerade wenn es so reflexiv angegangen wird, nimmt mir das ja auch den Wind aus den Segeln. „Icebreaker“ nimmt jetzt nicht besonders viele schwere Themen in den Fokus, aber besonders Stassies Essverhalten hat für mich gut gepasst sowie die ganze Darstellung von Aaron.

Fazit: „Icebreaker“ ist nicht mehr unbedingt das, was ich im Genre New Adult am liebsten lese, aber dennoch war ich insgesamt positiv überrascht, weil es eine ausführliche ausgearbeitete Erzählung war, bei der beide Figuren sympathisch waren, wo beide gleich von Bedeutung waren und wo die Funken auch außerhalb des Betts gut stoben. Ein wirklich sympathischer Haufen, den ich gerne begleitet habe.

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Veröffentlicht am 26.07.2023

Interessante Trauermetapher

Was uns bleibt ist jetzt
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Meg Wolitzer ist in der Buchbranche keine Unbekannte und hat sich stets sehr wandelbar präsentiert, denn Jugendbücher kann sie genauso anbieten wie Romane. Dennoch habe ich bislang noch nie etwas von ihr ...

Meg Wolitzer ist in der Buchbranche keine Unbekannte und hat sich stets sehr wandelbar präsentiert, denn Jugendbücher kann sie genauso anbieten wie Romane. Dennoch habe ich bislang noch nie etwas von ihr gelesen, bis jetzt zu „Was uns bleibt ist jetzt“, das schon 2015 veröffentlicht wurde, was ich aber jetzt geschenkt bekommen habe. Jugendbücher sind zwar zuletzt für mich ein Genre geworden, wo viel zusammenkommen muss, damit ich mich gut unterhalten fühle und vor allem den Eindruck einer oberflächlichen Lektüre abschütteln kann (denn man wird eben älter), aber schon der Titel sowie der Klappentext ließen erahnen, dass es tiefsinniger wird.

Das Buch hat einen flotten Schreibstil anzubieten, was auch wirklich gut ist, denn als Leser wird man zunächst etwas verwirrt zurückgelassen, denn es wird bewusst offen gelassen, was Jam passiert ist, aber auch die anderen Jugendlichen, die mit ihr den besonderen Kurs an der neuen Schule besuchen, haben ein traumatisches Ereignis durchgemacht, was zunächst nicht ergründet wird. Inhaltlich hat das gepasst, denn es geht schließlich darum, dass Mrs. Q die fünf Schüler ausgewählt hat, weil sie eben noch in der absoluten Verdrängungsphase sind und dort sanft herausgeholt werden müssen. Dennoch sorgt das beim Lesen für Momente, wo man sich wünscht, dass man nun endlich zum Kern vordringt. Bei Jam bekommen wir durch die Perspektive die meisten Einblicke, was passiert ist und auch wenn es stilistisch manchmal verwirrend ist, wenn Jam vom neuen Alltag zu Reeve und der verlorenen Liebe abdriftet, so passt auch hier wieder die Stilistik, denn die Hauptfigur lebt eben nicht im Hier und Jetzt, sondern wird von der Vergangenheit angezogen.

Ein wichtiges Element sind schließlich die Tagebücher, die Mrs. Q ausgeteilt hat. Ich würde diese Tagebücher mal als übernatürliches Element einordnen. Natürlich ist „Was uns bleibt ist jetzt“ nicht auf einmal ein Fantasy-Jugendbuch, dafür ist das Tagebuch zu sehr eine Metapher für Verarbeitungsprozesse, aber dennoch hat mich die Idee erstmal skeptisch gemacht, denn ja, so ist es einfach nicht möglich. Ich konnte mich mit dem Verlauf des Buchs aber immer mehr auf die Idee einlassen, eben auch weil sie so konsequent aufgezeigt wurde und weil die Metapher wirklich passend war. Durch Verluste träumt man sich in die Vergangenheit herein, man kreiert einen vermeintlich perfekten Moment, um dann nach und nach zu merken, dass es vielleicht gar nicht so perfekt war und dann wiederum wird man auch damit konfrontiert, dass die Gegenwart nicht auf einen wartet und man zu sehr in der Vergangenheit verbringend verpasst, die Gegenwart zu lieben und neues Glück zu finden. Wir erleben zwar auch die Geschichten der anderen vier durch Erzählungen, doch bei Jam ist es natürlich am deutlichsten, wenn sie an Reeves Seite zurückkehrt, dann aber zunehmend merkt, dass sie die Grenzen des Moments nicht so sehr reizen, dass es ihr zu wenig ist, dass sie das volle Leben will. Wir bekommen auch ein gegenteiliges Beispiel geboten, wo die Vergangenheit zu sehr reizt und das fand ich auch wichtig, so ein Gegengewicht zu schaffen, denn nicht alle schaffen das weitermachen.

Am Ende hat die Geschichte auch einen richtigen Sog entwickelt, denn man wollte nun natürlich wissen, welche Erkenntnisse Jam für sich gewinnen kann, wie sie endgültig abschließen kann. Deswegen kam es wirklich aus dem Nichts, dass es noch einen Twist rund um Jam gibt. Das fand ich sehr gut gemacht, auch weil es nicht zu erahnen war. Die kleinen Hinweise, die vielleicht gestreut waren, die konnte man genauso auf den regulären Trauerprozess schieben. Das war echt das größte Highlight neben der generellen Thematik. Der Sog sorgt umgekehrt aber auch dafür, dass dieser befürchtete oberflächliche Eindruck sich an einigen Stellen doch noch einschleicht. Es wird ein halbes Jahr erzählt, das ist nicht wenig Zeit, aber massig viel ist es eben auch nicht, weswegen mir manche Beziehungen da etwas zu schnell geknüpft wurden. Sei es Jam mit Sierra oder mit Griffin. Bei ihm war es auch so, dass ich seine Geschichte etwas unfertig fand. Während ich bei den anderen einen Abschluss gesehen habe, so hat er vermeintlich auch einen gemacht, aber wirklich dabei war man nicht, weswegen Griffin auch meine persönliche Enttäuschung auf der Charakterebene darstellt. Das sind aber nur Kleinigkeiten, weil ich die Darstellung zu Trauma und Verarbeitung richtig stark fand.

Fazit: „Was uns bleibt ist jetzt“ ist ein sehr gut ausgearbeitetes Jugendbuch, das sich mit einer gewöhnungsbedürftigen, aber doch sehr passenden Metapher mit Verlust und Verarbeitung auseinandersetzt und dabei eine nachvollziehbare innere Reise abbildet. Ein toller Wendepunkt am Ende bildet ein gutes I-Tüpfelchen und merzt einige oberflächliche Eindrücke aus.

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Veröffentlicht am 19.07.2023

Thematisch schwerer Stoff

No Longer Alone - Mulberry Mansion
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Und so schnell heißt es wieder Abschied nehmen von der Mulberry Mansion, denn mit „No Longer Alone“ steht schon der letzte Teil von Merit Niemeitz an. Die Reihe spaltet die Leserschaft ja wirklich sehr. ...

Und so schnell heißt es wieder Abschied nehmen von der Mulberry Mansion, denn mit „No Longer Alone“ steht schon der letzte Teil von Merit Niemeitz an. Die Reihe spaltet die Leserschaft ja wirklich sehr. Während ich eine solche Spaltung eigentlich immer nur dann erlebe, wenn das Buch den einen zu oberflächlich und den anderen genau richtig ist, ist es hier genau umgekehrt. Niemeitz ist für mich einfach eine Wortkünstlerin und ich habe ihr über die drei Bücher sehr angemerkt, dass sie ihren Raum braucht, um all ihre Gedankengänge entfalten zu können. Während ich das sehr bewundere, wenn man sich so auf die eigene innere Stimme verlässt und sie einfach handeln lässt, finden das andere eben zu intensiv oder eben auch langweilig. Ich finde es toll, dass Niemeitz sich immer treu geblieben ist und bin jetzt schon gespannt, was von ihr noch kommt und wie wandelbar sie in ihrer Stilistik vielleicht auch ist.

Kommen wir aber nun zu der eigentlichen Bewertung von „No Longer Alone“. Ich war auf das Buch wirklich sehr gespannt, weil Maxton und Willow die anderen beiden Bände auch schon deutlich sichtbar bevölkert haben, so dass ich auf ihre Freundschaft, die mehr ist, wirklich sehr gespannt war. Nun haben Maxton und Willow ein wenig das Problem, dass mir May und Wes im Band zuvor so gut gefallen haben, dass die beiden etwas schwerer haben. Charakterlich mag ich sie beide wirklich sehr, wobei ich einschränken muss, dass ich das Gefühl hatte, bei Maxton beraubt worden zu sein. Seine Perspektive war der von Willow deutlich untergeordnet, aber wirklich deutlich. Das fand ich wirklich schade, denn ich hatte den Eindruck, ihn durch Willows Augen so intensiv charakterisiert bekommen zu haben, dass ich davon aber nicht so viel durch ihn greifen konnte, weil es einfach zu wenig war. Das hat für mich die Lektüre etwas einseitig gemacht und dank der stolzen Seitenanzahl dann manchmal auch langatmig und wiederholend. Gleichzeitig ärgert es mich aber, dass ich überhaupt so denke, denn ich fand Willows Geschichte enorm wichtig und ich feiere auch, dass an ihr keine Wundergenesung gezeichnet wurde. Das ist nämlich immer ein wenig das Problem bei NA-AutorInnen, die sich sensiblen Themen annehmen, aber dann manchmal den Fehler begehen, dass ihre Figuren schnell ihre Lektionen lernen und über den Dingen stehen, so dass vermittelt wird, dass Traumata doch gar nicht so schlimm sind. Bei Willow kann ich diese Kritik nun gar nicht anbringen, zumal es am Ende kein klassisches Happyend gibt. Willow ist dann auf einem guten Weg und man kann erahnen, dass sie wirklich im Kopf die Kurve bekommen hat, dennoch braucht es Zeit und ich finde es löblich, dass Willow diese Zeit eingeräumt wird.

Dennoch ist eben der Blick durch Willows Augen manchmal zu intensiv, vielleicht habe ich manchmal auch zu sehr in ihr selbst wiedererkannt (zumindest in Teilen ihres Kopfkinos), so dass es vielleicht auch zu nah an mir selbst war, aber die Lektüre hatte dadurch viele sehr schwere Momente. Das hatten die anderen beiden Bände wahrlich auch, denn Niemeitz hat schon jedes Mal ordentlich zugelangt, aber dennoch fand ich es in diesem dritten Band am intensivsten. Wäre mehr Maxton im Spiel gewesen, ich weiß nicht, ob das was geändert hätte, denn ein Spaßvogel ist er nun auch nicht gerade, aber ich fand auf jeden Fall, dass seine Geschichte auf einer anderen Ebene von Belastung spielt. Ich hatte sogar manchmal durch die Verteilung den Eindruck, dass Maxtons Geschichte eher lächerlich ist und auch zu seiner Figur nicht so gepasst hat. Dennoch ist der ganze Handlungsverlauf gut und nachvollziehbar aufgebaut worden. Zumal eben auch die Geschichten der ersten beiden Bände immer noch reinspielen, so dass wir ein rundes Bild haben. „No Longer Alone“ zeigt mir auf jeden Fall wieder eine Autorin, die sich auf einem Niveau Gedanken macht, was mir sehr vertraut ist und wo ich vermittelt bekomme, würde ich Merit gegenüberstehen, wir würden sicherlich Freundinnen werden können und das ist immer schön, wenn beim Lesen so ein Gefühl entsteht.

Fazit: „No Longer Alone“ bringt die Reihe rund zu Ende und wieder habe ich eine sprachliche Gestaltung vorgefunden, die wirklich beeindruckend ist. Im Vergleich zu den anderen beiden Bänden hat der Abschlussband ein wenig Schwierigkeiten mit der Länge und es ist thematisch schon sehr heftig. Ich musste da wirklich mal mehr Zeit zum Durchatmen nehmen. Dennoch wirklich eine Reihe, die ich in extrem guter Erinnerung behalten werden.

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