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Veröffentlicht am 29.03.2021

Vertraut und doch einzigartig wie immer

Durch die kälteste Nacht
5

Brittainy C. Cherry schreibt ihre Bücher zwar in Reihen, aber das war nur selten eine Garantie dafür, dass diese auch inhaltlich einen Zusammenhang haben. Für mich persönlich ist das aber immer ein unschlagbares ...

Brittainy C. Cherry schreibt ihre Bücher zwar in Reihen, aber das war nur selten eine Garantie dafür, dass diese auch inhaltlich einen Zusammenhang haben. Für mich persönlich ist das aber immer ein unschlagbares Argument, weil ich Figuren gerne über einen längeren Zeitraum begleite. Nun scheint mit der Compass-Reihe aber genau das geliefert zu werden, weswegen ich mich auf „Durch die kälteste Nacht“ besonders gefreut haben. Aber wem mache ich eigentlich etwas vor? Ich hätte das Buch natürlich so oder so gelesen!

Die Bücher von BCC sind der Autorin immer schnell eindeutig zuzuordnen, was einerseits für Qualität steht, weil sie eine ganz eigene Art des Schreibens hat, aber es bietet leider auch die Gefahr zu ähnlich zu sein. Bei „Durch die kälteste Nacht“ kann man leider nicht verheimlichen, dass sich einige parallele Elemente zu Romance Elements, aber auch den Einzelbänden ergeben. Dennoch ist es mir wichtig zu betonen, dass letztlich doch jede Geschichte ihren eigenen Charme entwickelt. Seien sich die Figuren oder auch Handlungsmomente manchmal ähnlich, so sind die Entwicklungen zwischendurch gänzlich anders. Dennoch erwische ich mich inzwischen schon mal bei dem Gedanken, dass ich BCC gerne mal ganz anders erleben würde, denn sie hat so schöne Sachen zu sagen, das sollte doch auch in einem anderen Rahmen möglich sind. Ich denke da beispielsweise an Colleen Hoover, die ebenfalls grandios mit der Sprache umzugehen weiß und sich ständig neu erfindet.

Nun aber konkret zu „Durch die kälteste Nacht“. Ich mochte Kennedy und Jax auf Anhieb und das aus unterschiedlichen Gründen. Sie will man am liebsten ständig nur in den Arm nehmen, weil man miterlebt, wie sie von ihrem Ehemann behandelt wird und was für Dämonen sie heimsuchen, während bei ihm der weiche Kern, der nach außen hin harte Schale zeigt, durch seinen Kollegen Connor immer wieder deutlich wird. Die beiden alleine, aber auch zusammen bekommt schnell eine ganz neue Dimension, denn wir dürfen miterleben, wie sie sich als Kinder kennengelernt haben. Die Szenen sind zuckersüß, aber vor allem grandios einzigartig, weil gerade bei der kindlichen Kennedy deutlich wird, was für seltene Figuren sie schaffen kann. Diese sind unangepasst, mutig und so mitten im Leben, wie man sich das immer wünschen würde, weswegen ich sie immer gerne erlebe. Zwar ist somit der Kontrast zur heutigen Kennedy extrem, aber man spürt, dass ein Teil von ihrem kindlichen Selbst noch da ist und den will man endgültig wieder zum Vorschein bringen. Mit dieser gemeinsamen Vergangenheit im Hinterkopf ist es dann auch leichtes Spiel in der Gegenwart, wo die Funken nur so sprühen.

Dennoch wird „Durch die kälteste Nacht“ nicht als mein Liebling in Erinnerung bleiben. Zuletzt habe ich von BBC die Chances-Reihe gelesen und habe „Wie die Stille vor dem Fall. Erstes Buch“ heiß und innig geliebt. Das muss ich dann auch nicht rational begründen, denn es ist oft ein Bauchgefühl, welche Figuren, welche Paarung mich einfach noch intensiver auf ihre Reise mitnimmt. Und bei so vielen schon veröffentlichen Büchern ist wohl auch völlig klar, dass ich nicht alle Werke gleich lieben kann, aber ein Leseerlebnis sind sie wirklich immer wert! Bei „Durch die kälteste Nacht“ habe ich aber dennoch ein paar Argumente, um diesen eher durchschnittlichen Eindruck zu unterfüttern. Das ist zum einen das Erzähltempo. Am Anfang zieht sich vieles, während am Ende alles Schlag auf Schlag geht. Ich finde es normalerweise packender, wenn es immer mal wieder Höhepunkte gibt, um den Leser so gleichmäßig bei der Stange zu halten. Und ein zweites Argument ist sicherlich, dass einiges sehr intensiv, anderes eher lasch auserzählt wurde. Da haben wir grandiose Nebencharaktere wie Joy oder Connor, die mit wenigen Sätzen ein Eigenleben entwickeln, aber dann haben wir auch eher Antagonisten wie Derek, Cole oder auch Penn, die sehr stereotyp und manchmal auch nicht nachvollziehbar gestaltet sind. Auch inhaltlich hat das dann Auswirkungen, weil manche Entwicklungen mich tief innen drin berühren, während andere wie lästige Schikane wirken.

Fazit: „Durch die kälteste Nacht“ hat zwar recht penetrant zwischendurch mich denken lassen „Kenne ich!“ und dennoch entwickelt die Geschichte letztlich noch ihren ganz eigenen Charakter. Dennoch nicht mein Liebling von BCC, weil der Funke nicht so überspringen wollte, wie bei vorangegangenen Paarungen. Dennoch wie immer eine bedingungslose Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Macht sich als Serie sicher fantastisch

Goldene Flammen
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Ende April wird auf Streamingdienst Netflix die Serie "Shadow and Bone – Die Legenden der Grisha" starten, die zu gleichen Teilen auf der Grisha- als auch auf der Krähen-Reihe von der Autorin Leigh Bardugo ...

Ende April wird auf Streamingdienst Netflix die Serie "Shadow and Bone – Die Legenden der Grisha" starten, die zu gleichen Teilen auf der Grisha- als auch auf der Krähen-Reihe von der Autorin Leigh Bardugo beruhen wird. Grund genug, endlich in diese literarische Fantasywelt einzutauchen, die bei mir schon lange genug auf dem Stapel ungelesener Bücher ruht. Zudem muss man bedenken, dass die Grisha-Reihe beinahe schon zehn Jahre alt ist und nun – vermutlich wegen der Ankündigung der Serie – von Knaur noch einmal neu aufgelegt worden ist. Seitdem ist das Genre dank Erfolgen von Reihen wie "Harry Potter" oder "Game of Thrones" regelrecht überflutet worden und fällt schwer, noch wirklich Neues zu entdecken. Wie fällt also mein Eindruck zu "Goldene Flammen" aus?

Ich habe beim Lesen relativ schnell gemerkt, dass meine Bewertung des Auftaktbandes vermutlich ganz anders aufgefallen wäre, wenn ich die Grisha-Reihe im Rahmen ihrer Erstveröffentlichung gelesen hätte. Seitdem habe ich weitere Fantasyreihen entdeckt, obwohl Fantasy gar nicht mein bevorzugtes Genre ist, und so kann ich nun wahrlich nicht behaupten, bei Bardugo das Rad neu entdeckt zu haben. Aber es bleibt das Argument, dass sie vor einigen anderen veröffentlicht hat und dass ich ihre Bücher nun nur nach anderen lese. Deswegen darf das Wiederentdecken von altbekannten Elementen hier die Bewertung nicht gravierend beeinflussen. Zumal man beim Lesen auch schnell merkt, dass die dargestellte Welt sehr detailverliebt gestaltet worden ist. Es wurde eine ganz eigene Landschaft mit zahlreichen Städten aufgebaut, dazu gibt es ganz eigene Begriffe und Weltordnungen. Und das ist bei Fantasy komischerweise keine Selbstverständlichkeit. So habe ich einige Reihen gelesen, in denen das World Buildung nur mit mangelhaft bewertet werden kann und das kann man Bardugo nun wahrlich nicht vorwerfen.

Trotz abgebildeter Landkarte und trotz erster begrifflicher Einordnungen vorweg ist es keine einfache Aufgabe, sich in der Welt der Grishas auf Anhieb zurechtzufinden. Aufgrund vieler neuer Begrifflichkeiten muss man diese zunächst im Hinterkopf behalten und sich damit abfinden, dass man gleich mitten im Geschehen ist. Aber man wird als Leser*in nicht zurückgelassen, denn nach und nach klären sich Fragezeichen auf. Da Fantasy aber noch nie ein Genre zum Abschalten war, ist das ein ganz logischer Prozess. Hat man erst einmal die Basics der Grisha-Welt beisammen, kann man sich auch völlig auf das Lesen und damit Erleben einlassen. Dabei wurde mir schnell deutlich, dass mir die Grundidee des Buchs sehr gut gefällt. Zudem ist mit Alina eine Protagonistin geboten, die zwar als typische Retterin dargestellt wird, die charakterlich aber erst noch ordentlich in diese Rolle hineinwachsen muss und diese Reise erweist sich als sehr spannend, zumal sie mit dem Ende des Buchs auch definitiv noch nicht fertig vollzogen ist.

Was sich das Buch aber vorwerfen lassen muss, ist die Oberflächlichkeit bei Handlungsentwicklungen. Dass sich die Geschichte bei elendigen Beschreibungen nicht aufhält, ist lobenswert, aber wenn es dann ums Eingemachte geht, dann darf sich nicht alles so schnell ereignen, dass man logisch nicht mehr mitkommt. Alinas Ausbildung bei den Grishas verläuft beispielsweise auf der Überholspur. Während sie sich zunächst vergeblich abmüht und nur Zufallstreffer mit ihren Fähigkeiten landet, sorgt ein Wendepunkt für eine regelrechte Offenbarung, die ich aber nicht als realistisch empfand. Dieses Bild zeigt sich gleich mehrfach. Die Hektik in den Entwicklungen wird aber immer dadurch aufgewertet, dass sich dadurch immer neue spannende Wendungen ergeben. Selbst wenn mir manchmal etwas gefehlt hat, ohne es genau auf den Punkt bringen zu können, habe ich auch keine Zeit gehabt, darüber zu lange nachzudenken, denn es passiert schon wieder genug Neues.

Blickt man mit dieser Ausgangslage nun noch schnell auf die Adaption für den TV-Bildschirm, dann darf man sicherlich hoffnungsfroh sein. Die Welt der Grishas bietet jedenfalls genug faszinierende Elemente, die visuell umgesetzt sicherlich ein Highlight werden. Zudem kann eine Serie, die auch sicherlich nicht nur auf eine Staffel beschränkt sein will, die fehlenden Zwischenmomente vielleicht wieder bieten. Da die Autorin selbst an der Produktion beteiligt gewesen ist, müsste man sich auch nichts aus den Fingern saugen, denn sie dürfte ihre Welt und Figuren kennen.

Fazit: "Goldene Flammen" ist als Auftaktband einer neuen Fantasyreihe durchaus gelungen, denn man merkt, dass die Darstellungen liebevoll durchdacht wurden. Trotz anfänglicher Probleme, sich inhaltlich einzufinden, wird das doch schnell aufgelöst und man kann sich bedenkenlos auf das Lesevergnügen einlassen. Dabei wird viel Spannung, viele Wendungen, aber leider auch fehlende Konsequenz in einigen Bereichen geboten. Das Interesse ist in der Summe angeheizt und ist angesichts der angekündigten Serienadaption und den noch genug zu entdecken Büchern von Bardugo auch für die Zukunft gesichert.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Reihentiefpunkt

The Brooklyn Years - Wer wenn nicht wir
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Nun sind wir mit „The Brooklyn Years – Wer wenn nicht wir“ schon beim dritten Band der Reihe und obwohl ich mich gefreut habe, dass wir es mit dieser Reihe wieder mit erwachseneren Figuren zu tun haben, ...

Nun sind wir mit „The Brooklyn Years – Wer wenn nicht wir“ schon beim dritten Band der Reihe und obwohl ich mich gefreut habe, dass wir es mit dieser Reihe wieder mit erwachseneren Figuren zu tun haben, weil Sarina Bowen mit diesen intensivere Geschichten erschaffen kann, ist die Euphorie leider noch nicht ausgebrochen. Und leider auch nicht mit diesem neuen Band, der sich um Lauren und Beacon dreht. Hier erfahrt ihr, warum.

Obwohl ich im Vorfeld gedacht hätte, dass Beacon leichtes Spiel bei mir haben wird, weil er eben schon die ganze Zeit über ein sehr sympathischer Mann war, habe ich mich dennoch den gesamte Roman über mehr mit Lauren verbunden gefühlt. Das passiert mir tatsächlich sehr selten, weil Frauenfiguren leider oft Charakterzüge erhalten, die sie nicht wirklich zu Traumprinzessinnen machen. Jetzt will ich auch gar keine perfekten Figuren und das ist Lauren auch gar nicht. Im Gegenteil ist sie sogar ein wenig das Biest, aber man darf schnell hinter ihre Fassade blicken und die hat mich vom ersten Moment an gefangen genommen. Zuvor wusste man als LeserIn gar nicht, was zwischen ihr und Beacon vorgefallen ist, aber nach der Offenbarung der Wahrheit kann man nur mit ihr fühlen. Und dadurch erwacht Verständnis und nicht nur Verständnis, sondern auch ein offenes Ohr für ihre wahren Charakterzüge und da zeigt sich schnell Mut, Loyalität und Beharrlichkeit. Sie kann man nur als starke Frau bewundern.

ABER genau das sorgt auch dafür, dass Beacon leider überhaupt nicht mehr gut wegkommt. Er wirkt zwar zu keinem Zeitpunkt richtig unsympathisch, aber er wirkt eben auch nicht mehr großartig. Man erlebt ihn als liebevollen Vater, man erlebt ihn als Kämpfer für seine schwule Manny, man erlebt ihn als loyalen Mannschaftskameraden, aber gleichzeitig ist das alles nur auf Sparflamme, weil ihm vieles auch zuzufliegen scheint. Zudem liegt schnell auf der Hand, welche Fehler er begangen hat, doch richtig Buße muss er dafür nicht tun. Er hätte es verdient gehabt, durch ein dunkles Tal zu gehen, um sich richtig beweisen zu können. Stattdessen wird seine stellenweise übertrieben dargestellte Arroganz auch noch dadurch befeuert, dass er alles bekommt, was er will.

Nach diesem harten Abschnitt dürfte man es sich wohl schon denken, aber die Problematik bei Beacon hat dafür gesorgt, dass ich die Liebesgeschichte leider auch problematisch fand. Natürlich war klar, dass Lauren ihm irgendwann verzeihen würde, aber nach ein paar entschuldigenden Worten sind die beiden regelrecht in eine Beziehung gerutscht, ohne aber wirklich zu reflektieren, was einst vorgefallen ist. Richtig absurd wurde es dann bei der Kinderthematik. Selbst wenn Lauren unbedingt ein Kind wollte, so war die daraus entstehende Entwicklung mit Beacon zu keinem Zeitpunkt romantisch, sondern eher abstoßend. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich ein Paar für ein Kind entschieden hat, das einen gemeinsamen Lebensplan hat. Man weiß, dass genug Kinder als Unfälle gezeugt werden oder eben um etwas zu kompensieren, aber das hier thematisch aufzufangen finde ich befremdlich.

Abgesehen von diesem Kritikpunkt, der mir das Buch bis zu einem gewissen Grad doch regelrecht verhagelt hat, ist die Darstellung der Eishockeysaison wieder sehr spannend gestaltet worden. Man hat wirklich das Gefühl, dabei zu sein, sei es aus Laurens Zuschauersicht oder aus Beacons Sicht als Teil der Mannschaft. Weiterhin funktionieren die Beziehungen zwischen Hauptfiguren und Nebenfiguren. Da Lauren bis dato unterkühlt dargestellt wurde, war sie ein wenig außen vor und mir hat es gefallen, wie sie nach und nach bei Georgia und Co integriert wurde. Auch die vielen Andeutungen zu Nate und Becca waren vielversprechend, denn ihre Geschichte kommt ja noch. Da würde ich mir wirklich wünschen, dass es noch ein richtiges Highlight wird, denn Band 3 ist es definitiv nicht.

Fazit: Der dritte Band der „The Brooklyn Years“ ist leider der bisherige qualitative Tiefpunkt. Die Reihe hat mich insgesamt noch nicht zu Begeisterungsstürmen animiert, aber wenigstens wurden solide Liebesgeschichten erzählt. Hier stimmt das Korsett, aber der Kern nicht, weil Beacon mich als Figur kaum überzeugen konnte und auch die Darstellung des Kinderwunsches fand ich – vorsichtig ausgedrückt – problematisch. Hier wird mir der Inhalt wohl kaum lange im Gedächtnis bleiben…

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Veröffentlicht am 18.03.2021

Echt, echter, Lily

Die Liebesbriefe von Abelard und Lily
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In den letzten Jahren ist es fahrlässig wenig geworden, was an klassischen Jugendbüchern noch bei mir einzieht, dabei waren diese in meiner eigentlichen Jugend und auch in den ersten Studienjahren noch ...

In den letzten Jahren ist es fahrlässig wenig geworden, was an klassischen Jugendbüchern noch bei mir einzieht, dabei waren diese in meiner eigentlichen Jugend und auch in den ersten Studienjahren noch mein absolutes Lebenselixier. Vielleicht ist das schlichtweg ein Zeichen, dass ich (zu) erwachsen geworden bin und dass mich deswegen andere Genres einfach mehr reizen. Und dennoch sind die Erinnerungen noch da, wie gut verstanden ich mich gefühlt habe, wenn ich über andere jugendliche Figuren ein Teil von etwas sein durfte. Vielleicht war in genau dem Moment, als ich das Cover von „Die Liebesbriefe von Abelard und Lily“ sah, die Sehnsucht nach diesem Gefühl besonders groß, jedenfalls habe ich zugegriffen und hier ist meine Einschätzung.

Was das Buch von Laura Creedle so besonders macht, ist vorrangig, dass es sich um eine höchst authentische Lektüre handelt, denn wir erleben die Geschichte durch die Augen der 16-jährige Lily, die an ADHS leidet und zudem Legasthenikerin ist. Die Autorin selbst hat auch beide Diagnosen gestellt bekommt und das merkt man beim Lesen überdeutlich. Wenn man in jedem Bekanntenkreis einmal herumfragt, dann wird man immer auf mindestens eine Person stoßen, die vermeintlich ADHS diagnostiziert bekommen hat, was aber einfach nur die heißgeliebte Begründung ist, sich für aktive Kinder zu rechtfertigen. Was ADHS bedeutet, wird meiner Meinung nach in dem Buch hervorragend transportiert, ebenso die Legasthenie. Oft hat man Bücher in denen etwas dargestellt wird, aber da wird nur darüber gesprochen, richtig gelebt wird es nicht. Aber was mit Lily los ist, merkt man schon an ihrer Art, wie sie die Geschichte erzählt und wie Creedle dementsprechend ihren Erzählstil gewählt hat. Sicherlich ist das nicht 100% konsequent umgesetzt, weil es eine anstrengende Lektüre ergeben hätte, aber wenn Lily die Sätze anderer mit vielen Fremdworten nicht versteht oder Untertitel nicht verfolgen kann, da wird vieles konsequent angesprochen und umgesetzt.

Auf der anderen Seite haben wir Abelard, der Asperger diagnostiziert bekommen hat. Die Geschichte ist nicht aus seiner Sicht erzählt und Lily kann sich aufgrund ihrer eigenen Diagnose nicht völlig in die Idee reinhängen, wie Abelard ist und was das genau bedeutet. Dementsprechend ist er als Figur deutlich weniger greifbar, aber auch hier bemerkt man trotz größerer emotionalerer Entfernung, dass sich Creedle auch bei ihm um Authentizität bemüht hat. Die beiden sind nun wahrlich nicht die idealen Kandidaten für eine epische Liebesgeschichte, aber wie realistisch sind diese epischen Liebesgeschichten eigentlich? Wir wünschen uns sie alle, aber wer bekommt sie schon wirklich, wie sie wir uns in zuckerrosa ausmalen? Dementsprechend bin ich glücklich, hier eine so bodenständige und dadurch so realistische Liebesgeschichte gezeigt zu bekommen. Lily küsst impulsiv, während das für ihn eine riesige Überwindung ist. Er verlangt absolute Pünktlichkeit, die aber nicht einhalten kann. Sie macht alles kaputt, während er alles repariert sehen will. Und doch haben sie eins gemeinsam: sie mögen einander. So simpel und doch so schön.

Natürlich muss ich mir eingestehen, dass ich nicht restlos an den Seiten geklebt habe, weil die Geschichte eine gewisse Distanz aufrechterhält, aber das hat es mir andererseits auch erlaubt, auf diese konsequente Machart durch Creedle zu achten. Weiterhin gibt es auch kaum langatmige Gefühlsergüsse, weil Lily jeden Rückschlag in ihrer Denkart schnell abhakt, da sie eine intensive geistige Beschäftigung damit nicht durchhalten kann. All das sind normalerweise Aspekte, die ich ähnlichen Büchern vorwerfen würde, aber hier wäre das brutal falsch. Denn sonst wäre das nicht die Geschichte von Abelard und Lily. Zudem haben mir einige angestoßenen Themen sehr gut gefallen. Besonders ist dabei natürlich der Umgang mit Anderssein zu nennen, denn Lily würde sich manchmal wünschen, normal zu sein, aber gleichzeitig kennt sie es nicht anders und deswegen ist eine von ihrer Mutter angestoßene Hirnoperation für sie die Überzeugung, dass sie so nicht geliebt werden kann. Hier merkt man auch wieder eindeutig, dass Creedle ihre eigenen Erfahrungen hat einfließen lassen. Einzig richtig schade fand ich zum Abschluss das offene Ende. Das sollte sicherlich eine Botschaft haben, aber diese war für mich nicht eindeutig. Es wirkt ein wenig wie kurz vor dem Ende abgebrochen. Das war tatsächlich noch ein Dämpfer zum Abschluss.

Fazit: „Die Liebesbriefe von Abelard und Lily“ ist ein höchst authentisch gewordenes Jugendbuch, das erzählerisch, inhaltlich und stilistisch nahezu perfekt die an ADHS erkrankte Lily einfängt. So konsequent ein Buch zu schreiben, ist schon jedes Kompliment wert. Das macht es aber auch zu einer außergewöhnlichen Lektüre, die sicherlich nicht jedermanns Geschmack ist. Aber wer etwas Echtes will, ist hier genau richtig.

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Veröffentlicht am 10.03.2021

Zum Jubiläum überzeugend

Das Grab in den Schären
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Jedes Mal, wenn von Viveca Sten ein neuer Krimiband rund um Thomas und Nora erscheint, mache ich mir immer wieder bewusst, wie viel Frust diese Reihe doch für mich bedeutet hat, gerade nach dem gelungenen ...

Jedes Mal, wenn von Viveca Sten ein neuer Krimiband rund um Thomas und Nora erscheint, mache ich mir immer wieder bewusst, wie viel Frust diese Reihe doch für mich bedeutet hat, gerade nach dem gelungenen Debüt, dass es doch ein Wunder ist, dass ich nun beim zehnten Buch immer noch an Bord bin. Gerade mit dem neunten Band aber, „Flucht in die Schären“ bin ich schon extrem begeistert worden. Manchmal lohnt sich Durchhalten einfach. Wie gelungen ist nun der Jubiläumsband?

Zunächst einmal finde ich es wichtig, dass die wirklich traumatischen Erlebnisse aus dem vorherigen Band für Nora noch so präsent sind. Ich finde auch die Darstellung von ihrer mentalen Gesundheit, die sich klar in einer Abwärtsspirale befindet, sehr realistisch und verständlich. Auch wenn sie sich an einigen Stellen absolut unmöglich verhält und man sie am liebsten schütteln würde, ist sie in sich völlig konsequent. Dennoch hatte ich zunächst die Befürchtung, dass wir allein ihren gesundheitlichen Zustand präsentiert bekommen, weswegen es eine wohltuende Überraschung war, dass sie doch auf ihre Art Teil der Ermittlungen wird. Natürlich war es absolut rücksichtlos, wie sie für die junge Astrid Gerechtigkeit wollte, weil sie bei Mina im Vorband so versagt hat, aber ich konnte dieses innere Bedürfnis von ihr absolut nachvollziehen. Und im Grunde hat ihr nicht ganz vernünftiger Zustand dafür gesorgt, dass sie eine geringe Hemmschwelle hatte und sich dadurch vieles getraut hat, was sonst wohl so wegen Vernunft nicht passiert wäre.

Thomas ist erneut hinter Nora eher anstehend und dennoch hat auch er seine wichtigen Anteile. Zum einen haben wir das Privatleben, das mir aber persönlich eher auf den Zeiger geht, weil es hier gefühlt nicht vorwärts noch zurück geht und er beweist wie immer bei den Ermittlungen ein wichtiges Gespür. Ich fand es aber auch richtig, wie hart er zwischendurch mit Nora ins Gericht geht und letztlich dennoch alles für sie stehen und liegen lässt. Die Freundschaft der beiden ist über all die Jahre wirklich gewachsen und ich bin so dankbar, dass man als Leser zu keinem Zeitpunkt rätseln muss, ob aus den beiden nicht mal mehr werden könnte. Die Reihe lebt im Grunde davon, dass das nicht der Fall ist.

Nun aber zum Fall selbst. Ich fand es spannend konstruiert, wie im Grunde zwei mögliche Kriminalfälle aufgemacht wurden und wie durch die Perspektiven der beiden Opfer Astrid und Siri auch stets dort alles offenbliebt. Der Band ist erzählerisch definitiv sehr geschickt und damit gelungen konstruiert. Zudem gibt es nicht nur den traditionellen Showdown zum Schluss, sondern auch zwischendurch schon, was erneut an den Band zuvor erinnert. Man merkt deutlich, dass Sten den Leser auch zwischendurch mit Paukenschlägen abholen will. Das ist für eine Krimireihe, die sogar Ermittlungsarbeit in all ihrer Langweile darstellt, definitiv ein Gewinn. Manchmal waren falsche Fährten vielleicht etwas zu deutlich platziert. So wusste man als Leser noch nicht, was wirklich passiert ist, das ist genug verschleiert worden, aber man spürte doch, hier wird es bewusst vage gehalten, um uns in die Irre zu führen.

Fazit: Ich bin froh, dass mit dem Jubiläumsband, mit „Das Grab in den Schären“ einer der besten Bände aus der Reihe geboten wird. Der Kriminalfall, der zweigeteilt ist, ist sehr geschickt dargestellt worden und hat gehörig für Spannung gesorgt. Aber auch Noras Nachwirkungen und in welche Situationen sie so gerät, auch das hat das Lesen sehr schnell vorangehen lassen.

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