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Veröffentlicht am 28.09.2020

Intensiv mit kleinen Schönheitsfehlern

Bad At Love
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Während ich von Morgane Moncombles erster Dilogie insgesamt doch recht angetan war, habe ich insgesamt in Deutschland ein sehr geteiltes Echo zu der französischen Autorin vernommen. Kein Autor kann alle ...

Während ich von Morgane Moncombles erster Dilogie insgesamt doch recht angetan war, habe ich insgesamt in Deutschland ein sehr geteiltes Echo zu der französischen Autorin vernommen. Kein Autor kann alle Leser von sich überzeugen, dafür sind Geschmäcker einfach zu unterschiedlich, aber ich habe fast das Gefühl, dass es speziell bei dieser Autorin nur zwei Lager gab, entweder man mag ihren Stil oder eben nicht, dazwischen schien es nicht wirklich etwas zu geben. Aber ich lese oft sehr gehypte Bücher, wo gewisse Schwächen eigentlich für jeden offen auf dem Tisch liegen sollten, wie man das bewertet, ist dann einem jeden selbst überlassen, aber ich fand es bei Moncomble stets sehr evident, dass sie unheimlich gute Ansätze hat, die einfach nur etwas Schliff brauchen, aber wenn man auf ihr Alter blickt, sollte das wohl auch nachvollziehbar sein.

Dass Moncomble definitiv riesiges Potenzial hat, beweist sie meiner Meinung nach mit ihrem neusten Werk „Bad at Love“, wo ich alleine schon durch ihr Vorwort sofort abgeholt worden bin, weil sie den Lesern schon dort vermitteln konnte, was Schreiben für sie bedeutet und dass sie ihre Aufgabe darin sieht, auch ernste und kaum zu ertragene Themen zu behandeln. Man hat ihrem Vorwort aber sofort angemerkt, dass sie damit nicht hervorstechen will, sondern dass es ihr ein persönliches Anliegen ist und das hat sie mir sehr sympathisch gemacht.

Das Buch hat wirklich zig ernste Themen, die aber auch auch in ihrer Ballung sehr geschickt miteinander verwoben sind, so dass man sich nicht erschlagen fühlt. Man hat nicht das Gefühl, dass Moncomble nur ja möglichst viele brisante Themen unterbringen wollte, sondern es wird klar, dass sie sich sehr intensiv damit beschäftigt hat, wie eins zum anderen führt, eine Abwärtsspirale, aus der sich niemand selbstständig befreien kann. Das hat sie mit zwei extrem sympathischen Hauptfiguren unterfüttert bekommen. Auf der einen Seite Azalée, die als unheimlich frech und provozierend daherkommt, aber schon schnell blickt man hinter die Fassade, dass es nur ihr Schutzpanzer ist, den sie sich selbst aufgebaut hat, weil sie in ihren jungen Jahren schon unheimlich viel erleiden musste. Umso toller fand ich es, dass sie es trotz ihrer zahlreichen inneren Dämonen geschafft hat, sich genaue Gedanken darüber zu machen, wer sie sein will. Ihr Podcast dazu, von dem es immer wieder Schnipsel zu Kapitelanfängen gab, war wirklich ganz toll mit den Botschaften, zumal es genau das Bild von Feminismus ist, das ich auch selbst teile. Es ist eben keins, in dem Frauen den Männern vorangestellt sein sollen, es ist auch ganz definitiv keins, in dem sich Frauen gegen andere Frauen richten und das ist hier wunderbar deutlich geworden. Deswegen verneige ich mich auch dafür, dass Moncomble konsequent darauf gesetzt hat, dass Azalée keinen Orgasmus haben kann. Am Ende gibt es dafür keine Wunderheilung, es ist ein Teil von ihr, den sie gerne anders hätte, aber herbeizaubern kann man es eben auch nicht.

An Azalées Seite mit ihrer traurigen Geschichte musste nun jemand, der perfekt auf sie passt und da ist mit Eden wirklich das ideale Gegenstück gefunden worden. Er hat selbst eine schreckliche Kindheitsgeschichte, auch bei ihm hat das Schicksal unerbittlich zugeschlagen, weil niemand das Dunkle überlebt, ohne nicht selbst Spuren davonzutragen. Und weil er versteht, versteht er eben auch Azalée. Ich fand es großartig, wie er bei ihr hartnäckig geblieben ist, wie er sie aber auch herausgefordert hat, als sie sich nicht völlig auf ihn einlassen konnte. Es war wirklich eine tolle Liebesgeschichte zwischen den beiden, die mich tief berührt hat, weil sie trotz all des Schmerzes so echt wirkte.

Dass Moncomble noch nicht ganz oben am Spektrum ihrer Fähigkeiten angekommen ist, zeigt sich dann wieder in Kleinigkeiten. Wo der wichtige innere Kern wirklich ausgezeichnet gelungen ist, so sind es außen herum Kleinigkeiten, die nicht ganz passen, wo es plötzlich zu schnell geht oder wo am Ende dann doch noch völlig übertrieben wird. Das fällt durchaus stark ins Auge, weil die qualitativen Unterschiede hier noch zu groß sind, aber trotzdem zeigt es mir auch deutlich, dass immer noch mehr gehen kann, weswegen man Moncomble definitiv auf dem Schirm haben sollte.

Fazit: „Bad at Love“ ist ein unheimlich intensives Buch, das nicht davor zurückschreckt, tief in das Leiden der menschlichen Spezies einzudringen, weswegen hier eine Triggerwarnung wirklich absolut berechtig vorangesetzt wurde. Es ist keine leichte Kost, aber dennoch eine, in der vieles zusammenpasst, in der aus dem Leid auch etwas Schönes geboren wird, nämlich eine mitreißende Liebesgeschichte, wo sich die Protagonisten nicht besser hätten ergänzen können. In der Ausführung mag es an einigen Stellen noch haken, aber dennoch bleibt „Bad at Love“ als empfehlenswerte Lektüre in Erinnerung.

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Veröffentlicht am 15.09.2020

Büßt leider an Atmosphäre ein

Hex Files - Wilde Hexen
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Der erste Band der „Hex Files“ war für mich eine echte Überraschung, denn nur anhand von Klappentext und Cover hätte ich wohl nicht zugegriffen. Gut, dass es Buch-Communities wie die Lesejury gibt, wo ...

Der erste Band der „Hex Files“ war für mich eine echte Überraschung, denn nur anhand von Klappentext und Cover hätte ich wohl nicht zugegriffen. Gut, dass es Buch-Communities wie die Lesejury gibt, wo viele begeisterte LeserInnen ihre Meinung kundgetan haben. Einmal angelesen und einmal angefixt, war für mich völlig klar, dass ich auch in „Wilde Hexen“, also Band 2 reinlesen würde.

Überraschenderweise ist es mir aber eher schwer gefallen, wieder reinzukommen. Das Inhaltliche habe ich mir schnell wieder zusammenreimen können, aber irgendwie wollte die entsprechende Lesestimmung nicht aufkommen. Es war fürchterlich zäh zu Beginn, obwohl vom Papier her ja alle Zutaten da waren, die es schon in Band 1 gab. Erst als der Wettbewerb für die Serie „Verwünscht“ tatsächlich losgeht, hat mich die Geschichte packen können, denn endlich hatte ich das Gefühl, in den inhaltlichen Absicht dieser Handlung eingefunden zu haben und zum anderen ist es endlich wieder richtig magisch geworden. Zuvor war doch fleißig mit Runen etc. gegeizt worden.

Neben dem lustigen Element, wie sich Ivy in dem Wettbewerb schlägt und wie sie für die Ermittlungen auch mal einsteckt, ist auch der dargelegte Kriminalfall immer spannender geworden, weil man natürlich seine eigenen Vermutungen angestellt hat. Die letztliche Auflösung hat mich sogar echt überrascht. Es war zwar wirklich ein Abseitskandidat, wer diesen auf dem Schirm hatte, Hut ab und dennoch wurde es logisch völlig schlüssig eingearbeitet, weswegen ich mit diesem Überraschungseffekt sehr gut leben konnte.

Dennoch bleibt neben diesen positiven Entwicklungen auch ein großer Wehmutstropfen und das ist das Miteinander von Ivy und Raphael. Der erste Band hat von diesem Hin und Her zwischen den beiden, dem Geplänkel und den spöttischen Kommentaren gelebt. Natürlich war klar, dass sich dahinter eine gewisse Anziehung verbirgt und dementsprechend ist natürlich auch klar, dass die beiden irgendwann zueinander finden würden, aber diesmal war Ivy in ihrer Schwärmerei für Raphael furchtbar kindisch. Dann kam hinzu, dass er eine sehr untergeordnete Rolle gespielt hat, gerade im ersten Drittel tauchte er nur am Rande auf. Ich hätte mir mehr gewünscht, mehr alles zwischen den beiden, aber vor allem eine tolle Fortsetzung ihrer gemeinsamen Geschichte. Wie Ivy hier teilweise von Zweifeln zu Liebeserklärungen umschweift, war mir too much. „Hex Files“ will sicherlich keine Geschichte sein, die man bierernst nehmen darf, aber das wirkte beziehungstechnisch dennoch oberflächlich durch den Kakao gezogen. Das hat mir das Leseerlebnis doch etwas verhagelt.

Fazit: Für mich war in „Wilde Hexen“ leider etwas wenig von der Stimmung da, die der erste Band noch erzeugen konnte. Ich kam schwer in die Erzählung rein, weil wenig Raphael und Ivy, wie ich sie in Erinnerung hatte und weil wenig Magie. Der Kriminalfall funktioniert zwar gut und spannend, aber das Herzstück sind doch andere Aspekte und die waren diesmal weniger überzeugend.

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Veröffentlicht am 06.09.2020

Erzählerisches Wohlfühlerlebnis

When We Fall
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Knapp drei Monate ist es jetzt her, dass ich mit „When We Dream“ den ersten Band einer Trilogie von Anne Pätzold gelesen habe. Es war definitiv einer meiner Jahreshighlights, weswegen es für mich außer ...

Knapp drei Monate ist es jetzt her, dass ich mit „When We Dream“ den ersten Band einer Trilogie von Anne Pätzold gelesen habe. Es war definitiv einer meiner Jahreshighlights, weswegen es für mich außer Frage stand, bei „When We Fall“ so schnell wie möglich zuzugreifen, denn zum einen haben Jae-yong und Ella es mir als Paar unheimlich angetan, zum anderen wollte ich nur noch mehr über die Welt des K-Pop erfahren und natürlich auch generell alles andere, was sich so entwickeln würde.

Dankenswerterweise bin ich jemand, der selbstbewusst zu seiner Meinung stehen kann, weswegen ich auch nicht zahlreiche andere Lesermeinungen zu Rate ziehe, um meine eigene Meinung noch einmal zu überdenken, weil andere doch ach so viel bessere Argumente liefern können. Dennoch habe ich natürlich einige Stimmen mitbekommen, die „When We Dream“ als ereignislos und mit Längen versehen betrachtet haben. Natürlich kann man diese Argumente nicht gänzlich von der Hand weisen, zumal solche Kriterien auch viel mit persönlichem Empfinden zu tun haben. Geht es denn einen viel zu schnell, ist es für andere zu langsam. Ich selbst kann mir auch absolut rational sagen, dass ich „When We Dream“ wahrscheinlich auch genau deswegen eher schlechter bewertet hätte, wenn nicht zig andere Eigenschaften so grandios wären, dass bei mir einfach ein Gesamtgefühl entstanden ist, wo wenig los und langsam erzählt perfekt auf die Geschichte passte.

Warum ich diesen Eindruck jetzt noch einmal so ausführlich beleuchtet habe? Weil er eins zu eins auch auf „When We Fall“ anzuwenden ist. Dieses Buch werden wieder einige als ereignislos und zu langsam erzählt einstufen, aber für mich war es wieder ein Gesamtpaket, wo es mich schlichtweg nicht stört, weil ich das Gefühl habe, genauso muss es sein. Das Schlimme ist nur, dass es mir unheimlich schwerfällt, für meine Empfindungen bezüglich Pätzolds Talent als Autorin und ihrer Reihe die richtigen Worte zu finden. Also handelt es sich nachfolgend nur um einen erbärmlichen Versuch…

Das Herzstück bleibt weiterhin die zentrale Paarung, denn Ella ist weiterhin mein Herzensmensch, wo ich denke, wäre sie eine reale Figur, hätte sie definitiv das Potenzial, eine gute Freundin von mir zu sein, aber auch Jae-yong ist einfach perfekt. Mit den einfachsten Mitteln entsteht das Gefühl, dass er einfach das perfekte Gegenstück zu Ella ist. Dafür muss er sie nicht in irgendwelche Luxushotels entführen oder ihr sonstige teure Geschenke machen, sondern er muss einfach nur die richtigen Worte finden und das tut er grundsätzlich immer. Umgekehrt natürlich genauso, weil an dem gemischten Bild von Jae-yong als Teil einer K-Pop-Band weiterhin gearbeitet wird. So sehr er liebt, das er tun darf, was er liebt, so sehr sehnt er sich auch danach, diesen Traum selbstbestimmter leben zu dürfen. Das bedeutet für ihn genauso Zweifel, Hoffnungslosigkeit, wo es dann auf Ella ankommt und so sind sie immer füreinander da. Ich fand auch ihre weiteren Begegnungen einfach großartig und ich hatte grundsätzlich eine Gänsehaut, weil die beiden zusammen purer Zucker sind. Wo andere schon längst 5 Sexszenen und 30 Orgasmen eingebaut hätten, bleibt es bei den beiden brav, aber das passt so perfekt auf die Geschichte, dass ich es mir genauso auch gewünscht habe. Neben dieser inniger werdenden Beziehung entsteht natürlich vermehrt der Knackpunkt, dass sie keine normale Beziehung führen. Wenn Ella ihren Freund braucht, ist er oft nicht zu erreichen und wenn er dann doch Zeit hat, ist er eben meilenweit entfernt und kann nicht mal eben angeflogen kommen. Dieser Konflikt baut sich immer mehr auf und bildet auch den Cliffhanger für den Abschlussband. Ich bin froh, dass hier nicht erneut eine überdramatisierte Situation heraufbeschwört wurde, denn wer bis jetzt mitgelesen hat, der will ohnehin wissen, wie das Happy End von Ella und Jae-yong wohl aussehen kann.

Abseits von den grandiosen Figuren und ihrer Beziehung möchte ich auch noch eine Verneigung für Pätzolds Talent als Autorin beifügen, denn ihr Schreibstil schafft etwas, was sich wie ein weiches Kissen anfühlt. Man möchte einfach nicht mehr aufstehen, und liest das Buch deswegen sofort zu Ende. Auch wenn das Buch extrem viele belanglose Alltagsbeschreibungen enthält, so ist es doch wie Tagebuchlesen, denn mein Leben sieht in vielen Punkten genauso aus. Es muss nicht immer spektakulär sein, es muss oft einfach echt sein und das ist diese Erzählung. Auch die Situationen mit Mel und Liv, am Ende hat man als Leser das Gefühl, ein Teil dieser kleinen Familie zu sein. Deswegen habe ich mich auch damit abgefunden, dass es hier eine Trilogie gibt. Ändern kann ich es ohnehin nicht mehr, aber es macht mich eben auch nicht mehr skeptisch, denn wenn bei jedem Buch so ein Gefühl entsteht, dann dürfte es ganz im Gegenteil niemals ein Ende finden.

Fazit: „When We Fall“ ist eine großartige Bestätigung von dem, was Anne Pätzold als Autorin geschaffen hat. Sie kann schreiben, dass sich jede Seite wie ein aus Wolken geschaffenes Kissen anfühlt. Dieses dabei entstandene Gefühl übertrifft für mich völlig den Eindruck, dass ich bei anderen Büchern dieser Art die Ereignislosigkeit kritisieren würde. Hier ist alles so, wie es sein muss und ich könnte Ella und Jae-yong ewig weiterbegleiten. Deswegen ist das Warten auf den Abschlussband nun bittersüß.

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Veröffentlicht am 03.09.2020

Braucht noch einen handwerklichen Feinschliff

An Ocean Between Us
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Nina Bilinszki hat schon mehrere ihre Bücher beim Ullstein-Print Forever veröffentlicht; „An Ocean Between Us“ ist nun ihre erste Veröffentlichung mit Knaur, die automatisch mehr Beachtung finden wird. ...

Nina Bilinszki hat schon mehrere ihre Bücher beim Ullstein-Print Forever veröffentlicht; „An Ocean Between Us“ ist nun ihre erste Veröffentlichung mit Knaur, die automatisch mehr Beachtung finden wird. Ein zweiter Band ist auch schon angekündigt, wie schlägt sich also der Auftakt und wird er Bilinszki ermöglichen, dass sie mit den Großen der deutschen NA-Branche wird mithalten können?

Gleich das Positive vorweg: Bilinszki kann schreiben. Warum stelle ich ausgerechnet das voran? New Adult ist das It-Genre der letzten Jahre geworden und wurde ganz logisch von zahlreichen Neuerscheinungen überflutet. Bei einigen muss man aber schlichtweg festhalten, dass es ganz viel heiße Luft mit nichts dahinter war. Entweder die Charakterarbeit funktionierte nicht, es war kein sinnvoller Plot zu erkennen oder aber die Person konnte schlichtweg nicht flüssig schreiben, so dass man immer irgendwo hängen blieb. Bei Bilinszki ist es nun so, dass ich das Buch nicht wegen einer dieser große Mängel etwas schwächer bewertet habe, sondern es waren mehrere Kleinigkeiten, die in ihrer Summe dann nicht mehr zu vernachlässigen waren. Aber wie ist es mit Kleinigkeiten? Genau, Kleinigkeiten sind auch mit wenig Aufwand zu beheben und da sie auch noch sehr jung ist, macht Übung bekanntlich auch den Meister.

In meinen Augen haben sich vor allem zwei (negative) Knackpunkte herauskristallisiert. Das ist zum einen die Vorhersehbarkeit. Bereits in Kapitel 2, als Hauptfigur Theo sich mit Alpträumen klagt, war leider sofort klar, was sich letztlich seinem Glück mit Avery in den Weg stellen würde. Es war offensichtlich, dass das als kleines Mysterium beabsichtigt war und wenn das so ist, dann darf es so früh nicht für jeden einzelnen Leser zu entschlüsseln sein. Vielleicht muss man auch sagen, dass die Idee dahinter zu ausgelutscht ist, weil man sie in genug Filmen, Serien und eben Büchern schon verarbeitet gesehen hat, aber dennoch wäre es auch rein handwerklich möglich gewesen, die Handlung geschickter zu verarbeiten und sei es sogar so deutlich, indem man die männliche Perspektive weglässt. Es hätte definitiv Wege gegeben, aber so ist es leider etwas schade.

Der zweite Punkt ist das Erzähltempo, das für mich recht unterschiedlich war. Zu Beginn wird beispielsweise sehr viel Gas gegeben. Das kann man schon alleine daran festmachen, wie schnell Avery ihre Meinung zu Theo geändert hat. Wenn sich zwei Charaktere zu Beginn nicht sofort sympathisch sind, dann finde ich dieses leicht aggressive Spiel, mit erotischer Spannung vermengt, extrem spannend mitzuverfolgen. Es reizt, weil immer etwas aufgebaut wird, was dann doch wie ein Luftballon platzt. Hier hat Avery aber schnell ihre Bedenken über Bord geworfen, weswegen der Geschichte doch etwas Reiz genommen wurde. Das Hinauszögern, was ich mir an einigen Stellen gewünscht hätte, wird dann später aufgeboten, wo es eigentlich gar nicht mehr passt. Nachdem Avery die Wahrheit erfahren hat, zieht sie sich bei ihrer Mutter zurück und die Passagen hier sind ellenlang, ohne dass sich groß etwas tut. Innenperspektiven sind niemals schlecht, aber wenn sie nicht durchgängig zu erleben sind, fallen sie auf einmal unangenehm ins Auge. Wo es zu Anfang also zu wenig war, war es am Ende zu viel.

Dennoch ist für mich vor allem wichtig, dass ich das Buch problemlos so weglesen konnte. Es war sehr angenehm geschrieben, es hatte einen logischen Handlungsbogen und war insgesamt sehr schön rund erzählt. Die Charaktere haben es mir durch die Bank sehr angetan, zumal der Personenkreis erfreulich eng gehalten war. Z. B. spielten die Elternfiguren eine Rolle, aber keine so große, dass man das Gefühl hatte, hier wird ein Fass aufgemacht, das aber nicht geleert wird. Besonders großartig fand ich, dass Avery für mich sehr schlüssige innere Prozesse hatte. Sei es eine neue Leidenschaft zu finden, nachdem ihr das Ballett genommen wurde oder sei es, Theo nicht sofort gänzlich zu verzeihen, sondern alles in ihrem Tempo durchzusetzen. Das fand ich unheimlich stark und liest man nur sehr wenig in NA.

Fazit: „An Ocean Between Us“ ist ein wirklich sehr angenehm zu lesender Liebesroman aus dem NA-Genre, der die großen Faktoren zu einer guten Unterhaltung mitbringt, doch im Kleinen hakt es einigen Stellen. Neben der Vorhersehbarkeit ist das ein nicht durchgängiges Erzähltempo. Aber das sind zum Glück keine Faktoren, die dafür sorgen, dass einem das Buch in der Gesamtsicht in negativer Erinnerung bleiben wird. Das Wichtigste ist ohnehin, dass Bilinszki schreiben kann und man sie im Auge behalten sollte.

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Veröffentlicht am 01.09.2020

Erinnert stark an "Élite", ist aber dennoch deutlich schwächer

Élite: Tödliche Geheimnisse
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Abril Zamora ist Drehbuchautorin bei der spanischen Erfolgsserie "Élite" von Netflix. Nun hat sie sich dazu entschlossen, die bekannten Geschichten, die bislang über drei Staffeln hinweg erzählt wurden, ...

Abril Zamora ist Drehbuchautorin bei der spanischen Erfolgsserie "Élite" von Netflix. Nun hat sie sich dazu entschlossen, die bekannten Geschichten, die bislang über drei Staffeln hinweg erzählt wurden, aus ganz anderen und neuen Perspektiven darzustellen. Das Grundrezept bleibt aber dasselbe, denn wie die geliebten (und natürlich auch weniger geliebten) Figuren aus der Serie geht es auch hier um Ehrgeiz, Liebe, Sex, Geheimnisse, Intrigen und Kriminalität. Lohnt sich also ein Blick in die neue Romanreihe, die als Trilogie angedacht ist?

Der erste Band mit dem Untertitel "Tödliche Geheimnisse" hält sich sehr eng an die Vorlage der Serie. Zwar stehen ganz andere Handlungen im Fokus, aber dennoch werden zentrale Fakten eins zu eins übernommen, so dass man sich als Serienkenner wirklich sehr gut vorstellen kann, wie die Geschichten parallel nebeneinander stattgefunden haben. Zudem erkennt man auch sehr deutlich, dass Zamora sich bemüht hat, die Stilistik der Serie zu übernehmen. So wird in der Zukunft mit den Zeugenbefragungen zu Marinas Tod und den Ereignissen der Gegenwart munter hin- und hergesprungen, was schon der genialste Zug der Serie war. Beim Buch fällt es mir jedoch schwer, das als Highlight zu bezeichnen. Mit der Serie war die Geschichte für jeden neu, weswegen alle gerätselt haben, wer denn nun der Mörder von Marina gewesen sein könnte. Mit dem Buch vor Augen weiß man aber, wer im Affekt getötet hat, weswegen dieses Erzeugen von Spannungen eher überflüssig ist. Da mit der Buchreihe auch kein neues Mysterium eröffnet wurde, muss man schlichtweg resultieren, dass die Thrillelemente hier völlig wegfallen.

Übrig bleiben die typischen Dramen von Teenagern, die genauso extrem, überspitzt und effektheischend inszeniert sind, wie es schon bei der Serie der Fall war. Hier reicht es nicht, dass ein Junge unglücklich in ein Mädchen verliebt ist, die wiederum unglücklich in einen anderen Jungen verliebt ist. Hier braucht es schon auch ein Mädchen, das von ihrer Mutter geschlagen wird und ein anderes Mädchen, das selbst trotz zahlreicher Demütigungen ihre Lektion nicht lernt und glaubt, dass sie wie Jesus Wunder vollbringen kann. Insgesamt bekommt man als Dramen genau das präsentiert, was man auch erwartet hat, denn bieder oder 08/15 hätte zu dem Prädikat "Élite" auch schlichtweg nicht gepasst.

Dennoch war die Erzählweise etwas ungewöhnlich. Überwiegend war die Handlung aus der Sicht eines auktorialen Erzählers geschrieben, der zwar auch personal erzählt, weil er sich eng an die jeweiligen Figuren hält, die gerade im Fokus des Geschehens stehen, aber dennoch schleichen sich zwischendurch Kommentare ein, die die Situation höchst bissig kommentieren. Das hat einen hohen Unterhaltungswert, wirkt aber in sich nicht wirklich konsequent. Zumal es auch noch die Ich-Perspektiven gibt. Diese sind kursiv abgesetzt und arbeiten fast schon mit einem Bewusstseinsstrom, aber doch etwas kontrollierter. Was der Sinn und Zweck davon war, hat sich mir aber leider nicht ergeben. Es sollte wahrscheinlich simulieren, dass man nun besonders nah an den Figuren ist, aber auch die andere Erzählperspektive hat das in meinem Empfinden bereits auf den Punkt gebracht. Abschließend lässt sich noch sagen, dass Serie und Buch eng miteinander verknüpft sind. Ich lehne mich sogar so weit aus dem Fenster zu sagen, dass sich der Auftakt zur beabsichtigten Trilogie nur dann lohnt, wenn man auch die Serie gesehen hat, denn Zamora hält sich nicht damit auf, alle Hintergründe zu erklären. Umgekehrt würde ich aber nicht sagen, dass man als Serienfan unbedingt das Buch gelesen haben müsste, da durch das fehlende Fiebern bei einer Kriminalermittlung ein entscheidender Baustein fehlt.

Fazit: "Élite – Tödliche Geheimnisse" ist der Auftakt zu einer Trilogie, die von der Drehbuchautorin der Originalserie geschrieben wurde. Das merkt man an vielen Stellen sehr deutlich, weswegen die dargestellte Welt auch sehr vertraut wirkt. Dennoch fehlt der gewisse Thrill herauszufinden, wer Marina getötet hat. Da bleiben nur die neu gestalteten Teeniedramen übrig, die einem alleine reichen müssen. Vielleicht hätte der Buchreihe ein eigenes Zeitfenster gut getan, um die Parallelen noch enger zu stricken, aber bis auf die ganzen Easter Eggs ist das Buch jetzt definitiv kein Muss für Serienfans.

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