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Veröffentlicht am 31.08.2018

Feminismus an eine überspitzte Darstellung gebunden

Moxie. Zeit, zurückzuschlagen
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Erst vor wenigen Wochen haben ich den ersten Band der „Spinster Girls“ gelesen, von dem ich wirklich schwer begeistert war. Bei „Moxie“ von Jennifer Mathieu wollte ich nun auch unbedingt reinlesen, da ...

Erst vor wenigen Wochen haben ich den ersten Band der „Spinster Girls“ gelesen, von dem ich wirklich schwer begeistert war. Bei „Moxie“ von Jennifer Mathieu wollte ich nun auch unbedingt reinlesen, da es sich ebenfalls um ein feministisches Jugendbuch handelt, diesmal in den USA spielend und ich wollte einfach einen Vergleich ziehen können bei einem Thema, das super aktuell ist und das jede literarische Umsetzung wert ist.

„Spinster Girls“ habe ich vor allem für die unbeschreibliche Authentizität gefeiert, die jetzt bei „Moxie“ durchaus ein kleines Problem darstellt. Die Geschichte von Vivian und ihren Freundinnen spielt an einer texanischen High School, wo das Football-Team der Schule das ganze Geschehen bestimmt, weswegen sich die männlichen Footballspieler alles herausnehmen können. Soweit so gut, immerhin sehen wir solch eine Situation auch in zahlreichen Filmen dargestellt. Das Ganze wird in Moxie aber mit einem Sexismus verknüpft, der so dermaßen überspitzt dargestellt ist, dass ich ihn leider als unrealistisch empfunden habe. Keine Frage, es gibt immer eine Gruppe Jungs, die Mädchen ausschließlich als sexuelle Objekte wahrnehmen, ja es gibt auch Erwachsene, die das so sehen und dementsprechend unterstützen, aber dass alle Lehrer und alle Eltern wegsehen, nein, das kaufe ich nicht ab. Diesen Aspekt fand ich leider etwas schade, da es ja gerade die kleinen Dinge sind, die man gut unter den Teppich kehren kann und die deswegen umso schlimmer für die Situation von Frauen sind. Es hätte also dieses große dramatische Szenario in keiner Weise gebraucht.

Die eigentliche Feminismus-Geschichte dagegen fand ich gut umgesetzt. Das lag an vielen unterschiedlichen Frauencharakteren, die alle sehr intensiv beleuchtet wurden. Sowohl die Außenseiterin, als auch die Cheerleaderin und beide waren Opfer. Das hat mir wirklich unheimlich gut gefallen, dass deutlich wurde, dass nicht nur die schwachen Frauen Opfer von Sexismus werden, sondern alle. Vivian ist aber dennoch die Hauptfigur und ihre Entwicklung hat mir wirklich viel Spaß gemacht. Anfangs so verschüchtert, dass sie lieber die Schultern einzieht, bricht sie ihr Zorn angesichts der Begebenheiten an der Schule Bann und so initiiert sie eine Bewegung, die aus genau den richtigen Motiven zusammenkommt. Natürlich ist es keine Urgewalt, aber es ist eine Zusammenkunft, die alle mutig und für ihre Rechte eintreten lässt. Gerade am Ende hat mir auch gefallen, dass nicht alles direkt gut war. Sondern es gab die Erkenntnis, das war nur ein Etappenziel, nicht aber die ganze Tour.

Eine wichtige Botschaft war in diesem Jugendbuch ebenfalls drin, da dem Feminismus ja leider oft vorgeworfen wird, dass er gegen die Männer ist. Nein, Feminismus will nur die Gleichberechtigung, nicht aber die Weltherrschaft. Und obwohl diese Botschaft in „Moxie“ enthalten war, passte die Darstellung der männlichen Spezies nicht so recht dazu. Es gab natürlich Seth, der zeigen sollte, dass Jungs auch anders sein können, dennoch gab es leider dennoch einige Szenen, wo man wieder Zweifel bekam und er war schon der einzige männliche Charakter, der etwas mehr Zeit eingeräumt bekam. Alle anderen, Vivians Opa, der neue Freund ihrer Mutter, der Schulleiter, die anderen Lehrer und natürlich vor allem die Schüler, alle hatten mindestens einen großen Makel. Da passten Botschaft und Umsetzung leider nicht zusammen.

Fazit: Auch „Moxie“ würde ich definitiv als ein feministisches Jugendbuch einstufen, das man gut lesen kann und das auch vieles richtig macht. Im Vergleich zu den „Spinster Girls“ fällt aber auf, dass das Setting sehr überspitzt dargestellt ist, damit auch ja jeder den verbreiteten Sexismus sieht und auch die Männer kommen insgesamt nicht gut weg. Der Frauenzusammenhalt aber, der ist gekonnt und motivierend dargestellt.

Veröffentlicht am 28.08.2018

Wenn nur nicht die Liebesgeschichte wäre...

Children of Blood and Bone
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Im Jahr 2018, wo ein Film wie „Black Panther“ wie eine Urgewalt eingeschlagen hat, natürlich vor allem im US-amerikanischen Raum, ist eine Geschichte wie „Children of Blood and Bone“ ja regelrecht prädestiniert ...

Im Jahr 2018, wo ein Film wie „Black Panther“ wie eine Urgewalt eingeschlagen hat, natürlich vor allem im US-amerikanischen Raum, ist eine Geschichte wie „Children of Blood and Bone“ ja regelrecht prädestiniert dafür, ebenfalls wie eine Bombe einzuschlagen, da die afrikanische Kultur wieder unter einem interessanten Aspekt beleuchtet wird und weil alles unter dem Rahmen des Rassismus steht, den vor allem die Autorin sehr bewegt. Nun ist dieses Jugendbuch bereits für einen Blockbuster verkauft und das geschah sogar noch vor der Erstveröffentlichung in den USA (!!!), das nenne ich mal Vorschusslorbeeren. Aber gerade diese stellen für Bücher letztlich eine große Hürde dar, denn was erwartet man wohl nach solchen Lobeshymnen?

Die Grundgeschichte von verschiedenen Clans, wo jeder seine eigene übernatürliche Fähigkeit hat, ist nun wahrlich nicht neu, ist z. B. so oder so ähnlich aktuell bei Bianca Iosivoni und ihrer „Sturmtochter“-Trilogie nachzulesen. Aber dennoch ist die Idee perfekt auf die afrikanische Kultur übertragen worden, so dass sich eine mystische Atmosphäre ergab und eine Welt, die sehr liebevoll, mit vielen Details ausgestattet, erzählt wird und die dennoch etwas sehr Düsteres hat, da es einen erbitterten Kampf um die Magie gibt. In dieser Welt ist eine sehr spannende Geschichte angelegt, die uns Leser immer wieder mit Action-Szenen in den Bann zieht und uns immer wieder neue Landschaften eröffnet, so dass sich von dieser Seite her auch immer wieder eine neuerliche Faszination ergibt. Mir persönlich hat nur ein wenig ein intensiverer Blick auf die magischen Fähigkeiten gefehlt und wie das Konzept der Magie generell aussieht, da hat die Autorin doch eher oberflächlich gearbeitet.

Neben dieser sehr spannenden Handlung, die auch zahlreiche Wendungen bereithält, sind es vor allem die sehr differenziert dargestellten Hauptfiguren, die zu überzeugen wissen. Im Buch gibt es drei Perspektiven: Zelie, Amari und Inan. Da auch Zelies Bruder Tzain eine große Rolle im Geschehen einnimmt, fand ich es doch etwas schade, dass nicht auch er einzelne Kapitel erhalten hat. Ja, vielleicht war er die unspektakulärste Figur dieses ersten Bandes, aber auch er hat eine Geschichte zu erzählen, die es wert wäre, dass man ihr lauscht. Zelie ist die starke Anführerin, die immer schon sehr mutig und rebellisch war, die sogar eher im Gegenteil aufpassen muss, dass sie sich eher zurückhält. Dennoch ist sie nicht nur instinktiv geleitet, da sie auch ein großes Herz und eine unerbittliche Loyalität ihrer Familie gegenüber empfindet. Amari, die vermeintlich verwöhnte Königstochter, ist zunächst das genaue Gegenteil zu Zelie, da sie zerbrechlich und ängstlich wirkt. Aber auch in ihr steckt eine unerbittliche Kriegerin, die viel vernunftgeleiteter ist, was sie vielleicht sogar zu cleveren Anführerin macht. Ihre Wandlung mitzuerleben, war wirklich eine wahre Freude!

Inan ist nun ein bisschen die Figur, an der sich vermutlich die Geister scheiden werden. Er ist höchst ambivalent angelegt und dazu noch sehr beeinflussbar, so dass er teilweise wie eine Fahne im Wind nach der aktuellen Stimmungslage agiert. Er ist Antagonist und Protagonist in einem, was ihn durchaus faszinierend macht, aber sein innerer Kampf um das Wissen, was richtig und was falsch ist, ist leider nicht immer so transparent dargestellt, wie ich mir erhofft hatte. Hinzu kommt, dass die dargestellte Liebesgeschichte zwischen ihm und Zelie (ja, das ist ein Spoiler, aber einer, mit dem man nach wenigen Kapiteln schon rechnen kann, daher erlaube ich es mir hier einmal) total überhastet und für die Handlung konstruiert wirkt. Ich jedenfalls habe mich nicht von den Gefühlen der beiden füreinander eingenommen gefühlt, im Gegenteil war ich sogar eher abgestoßen. In meinen Augen hätte man das viel ruhiger aufziehen müssen, zumal die Autorin ja von Anfang eine Trilogie im Hinterkopf hatte. Aber dieses doch größere Manko wird von einer insgesamt sonst starken Handlung ausgeglichen.

Fazit: Es ist kein Wunder, dass „Children of Blood and Bone“ so nahtlos an den Erfolg von „Black Panther“ anknüpfen kann, da eine faszinierende Welt geboten wird, in der es vor allem die starken Frauenfiguren sind, die zu überzeugen wissen. Die Handlung ist spannend und wendungsreich angelegt, zudem mit einigen Szenen, die einen den Atem anhalten lassen. Mein größter Kritikpunkt ist aber eindeutig die Liebesgeschichte, da diese nur für den Fortgang der Handlung so überhastet erzählt wurde, was den betroffenen Figuren nicht gerecht wird. Aber die Faszination ist da und die nächsten zwei Bände werden in jedem Fall von mir gelesen werden!

Veröffentlicht am 24.08.2018

Mal wieder ein etwas experimentierfreudigerer Carter

Blutrausch - Er muss töten (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 9)
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Chris Carter, mein liebster Thriller-Autor, liefert wie ein Uhrwerk einmal jährlich einen neuen Band seiner Robert-Hunter-Reihe ab, oder wie ich es lieber formulieren würde, die Hunter-und-Garcia-Reihe, ...

Chris Carter, mein liebster Thriller-Autor, liefert wie ein Uhrwerk einmal jährlich einen neuen Band seiner Robert-Hunter-Reihe ab, oder wie ich es lieber formulieren würde, die Hunter-und-Garcia-Reihe, da ich Carlos als sein Partner sehr in mein Herz geschlossen habe. Und obwohl Carter so schnell arbeitet, ist jeder Band in sich ein Meisterwerk. Natürlich bekommen sie nicht alle fünf Sterne von mir, weil ich die einzelnen Teile natürlich gegeneinander abwäge, aber im gesamten Thriller-Universum nehmen sie definitiv eine eigene Liga ein. „Blutrausch“ ist nun der neunte Band, also der kurz vor dem ersten großen Jubiläum, was er wohl bereithielt?

Die Bücher von Chris Carter haben grundsätzlich ein bestimmtes Schema. Bisher komplett aus diesem Schema rausgefallen ist der sechste Band, „Die Stille Bestie“, wo Hunter sich seiner Vergangenheit stellen musste, ohne seinen Partner agiert hat und ein wildes Katz-und-Maus-Spiel mit einem als Freund geglaubten Mann getrieben hat. Dieser Band war schon sehr anders. „Blutrausch“ würde ich nun als den zweiten Teil sehen, der in einigen Aspekten vom typischen Carter-Schema abweicht. Das liegt zum einen daran, dass es sich um keine Mordserie handelt, die ausschließlich in L.A. begangen wird, dadurch kommt es zweitens zu einer Zusammenarbeit mit dem FBI, die die klassische Hunter-Garcia-Partnerschaft natürlich nach außen öffnet. Diese Öffnung zu einer neuen Behörde hin, hat mir sehr gut gefallen, weil es eben auch mit anderen Charakteren neuen Input gibt und das Buch so insgesamt nicht so Hunter-lastig war, wie es die meisten anderen Teile sind. Zudem hat Garcia in dieser Zusammenarbeit ein sehr tolles komödiantisches Potenzial entwickelt, das mir viel Freude bereitet hat.

Der Fall nun aber hat mich nicht komplett begeistern können. Da die entscheidende Auflösung zu den Motiven erst sehr spät kommt, kann ich leider nicht so viel dazu sagen, weil ich sonst was vom Lesevergnügen wegnehmen würde, aber ich hatte das Gefühl, die Idee hinter der Mordserie schon einmal woanders gelesen oder gesehen zu haben. Ich kann leider nicht mehr rekonstruieren, ob es in einem anderen Thriller war oder vielleicht auch in einer Serie oder einem TV-Film, jedenfalls wirkte es etwas öde und das ist tatsächlich das erste Mal, dass ich das über einen Chris-Carter-Fall sage. Da die Tat eben schon so langweilig war, war es der Täter dementsprechend weitestgehend für mich auch.

Richtig genial waren aber die letzten fünfzig Seiten, die ich sehr genossen habe. Und wieder sind diese Momente eher untypisch für Chris Carter. Normalerweise hat Hunter kurz vor Ende eine Eingebung, die dem Leser nicht verraten wird und dann geht er auf eine Egomission und kann mit Geschick, aber auch immer viel Glück den Täter stellen, ohne selbst dabei ums Leben zu kommen. Diesmal ist der Showdown mit ihm, Garcia und zwei FBI-Agents verbunden und da gibt es die ein oder andere sehr überraschende Wendung. Es gab sogar einen richtigen Schockmoment, der war wirklich besonders gemacht. Ganz zum Schluss wird dann sogar schon die Handlung für den Jubiläumsband angestoßen, woraus man schlussfolgern kann, dass der zehnte Band richtig groß werden kann.

Fazit: Carter zeigt sich mal wieder etwas experimentierfreudiger und weicht in den Ermittlungen und im Endshowdown von seinem üblichen Muster ab. Das hat mir sehr gut gefallen, weil so auch Langeweile vorgebeugt wird. Diese Experimentierfreude ging aber etwas zu Lasten des Falls, der mich nicht besonders packen konnte. Wie gut, dass alles drum herum nach wie vor zur Spitzenunterhaltung führt.

Veröffentlicht am 21.08.2018

Gefühlvoll, aber zu wenig Liebesgeschichte

Worte, die leuchten wie Sterne
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Brigid Kemmerer ging Ende 2017 wirklich als Neuentdeckung für mich durch die Decke, als ich ihr Jugendbuch „Der Himmel in deinen Händen“ las. Ein deutscher Titel, der unweigerlich an Autoren wie Nora Roberts ...

Brigid Kemmerer ging Ende 2017 wirklich als Neuentdeckung für mich durch die Decke, als ich ihr Jugendbuch „Der Himmel in deinen Händen“ las. Ein deutscher Titel, der unweigerlich an Autoren wie Nora Roberts oder Nicholas Sparks denken lässt. Aber an Kemmerer hat mir vor allem sehr gefallen, dass ihre schriftstellerische Entfaltungskraft weniger von gemütlichen Stereotypen herkommt, sondern dass sie ein tiefes Gefühl mit einfachen Mitteln erreichen kann. „Worte, die leuchten wie Sterne“ ist nun quasi der zweite Band, da wir uns in derselben Welt befinden, mit der Unterschied, dass die anfängliche Nebenfigur Rev nun die Hauptfigur ist. Auf ihn war ich sehr gespannt, da seine angedeutete Vergangenheit bereits auf diesem Minimum sehr reizvoll erschien.

Die intensive Auseinandersetzung mit Rev zeigt schnell, dass die Reize sich bestätigen konnten. Er ist eine sehr komplexe Persönlichkeit, die im Kern sehr empathisch, sensibel und nachdenklich ist. Obwohl er auf solch solide Grundfesten bauen kann, wird er durch seine Dämonen der Vergangenheit in eine Glaubenskrise gestürzt. Dieser innere Konflikt war sehr spannend mitzuverfolgen, weil er eben so authentisch erzählt wurde. Ich habe jedes einzelne seiner Gefühle wunderbar nachvollziehen können und somit wurde er zu einer sehr transparenten Persönlichkeit. Ihm gegenüber steht Emma, die für mich als Leserin neu war. Ich hatte automatisch meinen Blick mehr auf Rev, weil ich ihn so unbedingt kennenlernen wollte, aber es hat sich auch schnell gezeigt, dass Emma im Vergleich auch einfach weniger interessant ist, weil sie viel eindimensionaler war. Sie war als typischer Teenager inszeniert, die gegen ihre Eltern rebelliert und die so störrisch ist, dass sie auch allen anderen Figuren vor den Kopf stößt. Da hilft auch nicht, dass sie als weibliche Gamerin eher ungewöhnlicher ist. Somit war das Gleichgewicht der Protagonisten leider nicht ganz im Gleichgewicht.

Nun ist dieses Jugendbuch ja nicht nur Charakterstudie, sondern beinhaltet auch eine Liebesgeschichte. Da muss ich festhalten, dass die Liebesgeschichte doch eher auf Sparflamme läuft. Rev und Emma erleben ihre Abenteuer viel mehr jeder für sich als zusammen. Die Szenen, die sie aber miteinander haben, sind einfühlsam, süß und echt on point erzählt. Gerade wenn die Szenen so gut sind, wünscht man sich natürlich mehr davon, daher ziehe ich das Fazit, dass „Worte, die leuchten wie Sternen“ ruhig mehr Liebe hätte bieten können.

Die Liebesgeschichte ist zwar zu wenig, verläuft aber von der Handlung her sehr sinnvoll. Daher werfe ich noch einen Blick auf die Einzelgeschichten. Emmas Geschichte war natürlich sehr von ihrer Persönlichkeit geprägt, dennoch habe ich mich in ihrer Perspektive nicht nur geärgert oder gelangweilt, da die Geschichte insgesamt einen guten Spanungsbogen hatte. Revs Geschichte war im Ganzen aber einfach besser, weil er mit den bereits bekannten Charakteren verbandelt ist und weil er einfach die Entwicklung mitmacht, die ich sehen wollte. In beiden Geschichten sind kleine Aspekte nicht ganz rund, aber das fällt nicht schwer ins Gewicht.

Fazit: „Worte, die leuchten wie Sterne“ ist erneut eine ganz tolle Jugendbuchunterhaltung, weil dieser einfühlsame Stil von Brigid Kemmerer erneut durchstrahlt und vor allem in der Figur Rev seine volle Entfaltungskraft findet. Dennoch, so sehr ich Rev auch mag, muss ich dieses Buch einfach einen Ticken schlechter einschätzen als „Der Himmel in deinen Händen“, da auch die Liebesgeschichte schlechter wegkommt. Diese Einschränkungen ändern aber nichts an einer uneingeschränkten Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 18.08.2018

Ein Jugendbuch der Extremen

I love you heißt noch lange nicht Ich liebe dich
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„I love you heißt noch lange nicht Ich liebe dich“ ist ein ziemlich sperriger Titel, aber für mich als Sprachwissenschaftlerin natürlich höchst faszinierend, weil es semantisch natürlich einwandfrei zutrifft. ...

„I love you heißt noch lange nicht Ich liebe dich“ ist ein ziemlich sperriger Titel, aber für mich als Sprachwissenschaftlerin natürlich höchst faszinierend, weil es semantisch natürlich einwandfrei zutrifft. ‚I love you‘ meint bei uns wohl eher ‚Ich hab‘ dich lieb‘. Neben diesem Titel war ich natürlich auch interessiert, weil das Cover abseits vom Titel klinisch weiß ist und dann aber doch eher einen stereotypen Klappentext hat. Diese Widersprüche wollte ich mit diesem Buch wirklich gerne näher ergründen.

Was mich unheimlich an diesem Jugendbuch unterhalten hat, waren die Einblicke in die Synchronisationstätigkeiten. Hinten in den Dankesworten der Autorinnen kann man auch nachlesen, dass die beiden intensiv recherchiert haben und auch einen Experten zur Hand hatten, was mich auch darauf vertrauen lässt, dass die Arbeit authentisch dargestellt wurde. Vor allem fand ich es als Setting für das Entstehen einer Liebesgeschichte sehr ungewöhnlich und der Rahmen hat mir unheimlich gut gefallen. Zumal ich mir die Arbeit so auch immer irgendwie vorgestellt habe.

Bei den Hauptcharakteren fangen aber schon die ersten Probleme an. Normalerweise habe ich die Erfahrung gemacht, dass die weiblichen Figuren tendenziell die Sturköpfe, die zusätzlich gepaart mit Launenhaftigkeit schnell anstrengend werden. In diesem Jugendbuch ist die Rollenverteilung genau andersherum. Ich habe Ben als unheimlich anstrengend empfunden, weil man durch seine Perspektive seine sensible Seite erahnen konnte, seine Taten ließen aber eher einen Elefanten im Porzellanladen vermuten. Zudem hat er ständig die Stimmung gewechselt, so dass ich bis zum Ende nicht recht wusste, woran mit ihm eigentlich ist. Lilly ist dagegen wesentlich solider angelegt und trotzdem kam sie mir zuoft wie ein Spielball vor, der keine eigene Meinung hatte. Immer wieder blitzt ihre Leidenschaft durch, aber das wird nicht konsequent bis zum Ende herausgearbeitet.

Durch die beiden war natürlich auch ihre Liebesgeschichte geprägt. Es gab richtig süße Momente, die mich auch sehr für die beiden erwärmt haben. Hauptsächlich war die Liebesgeschichte aber ein einziges Auf und Ab, da sie vor allem von Bens Launen abhängig war. Dann gab es aber auch wieder Momente, wo ich mir dachte: das ist so anstrengend mitzuverfolgen, aber so sind die Liebesgeschichten von heute doch, oder?! Gefühle ohne Ende sind vorhanden, aber man kann sich denen nicht stellen und steht sich letztlich selbst im Weg. Also im Grunde eine realistische Liebesgeschichte, die aber eben dennoch an den Nerven zerrte.

In einem letzten Punkt möchte ich noch auf den Schreibstil eingehen, der gerade im Jugendbereich, zumindest meiner Meinung nach, inzwischen zu einem typischen Stilmittel geworden ist. Es gibt unheimlich viele kurze Sätze, die fast schon staccato-artig an Gedankenfetzen erinnern. Dann wiederum gibt es Passagen, wo die Autorinnen sich in ihrer Wortgewandtheit austoben und so tief in der Gefühlskiste graben, das man sich schon fast an einen Prosatext erinnert fühlt. Als Beispiel nenne ich hier nur mal die erste Begegnung von Ben und Lilly, wo er direkt etwas merkt und mit diesem Ich nichts anzufangen weiß und ihn den ‚Fremden‘ nennt. Das ist ja schon fast philosophisch. Und diese beiden Stile wurden so verrückt miteinander gemischt, dass es sich zwar um eine flotte Lektüre handelte, aber nicht immer um eine Lektüre, die in den richtigen Momenten die Intensität der Gefühle bot. Da gab es leider ganz eindeutig zu viele Schwankungen.

Fazit: Eine klassische Liebesgeschichte wird im ungewöhnlichen Rahmen eines Synchronisationsstudios erzählt. Dieser Aspekt hat mich sehr unterhalten. Meine Schwierigkeiten hatte ich jedoch mit den beiden Hauptfiguren, allen voran Ben, der ein sehr anstrengende Diva darstellte. Zudem war der Schreibstil ein Mix aus Extremen. Das findet man in Jugendbüchern immer öfters, nur leider geht dafür doch auch eine ganze Menge an Gefühl verloren. Daher ist abschließend zu sagen, dass das Potenzial groß ist, die Umsetzung aber noch etwas hapert.