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Veröffentlicht am 19.12.2022

Das Beste zum Schluss

Worlds Beyond
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Bei Anabelle Stehl empfinde ich es oft so, dass sie inhaltlich mit die stärksten Geschichten für das NA-Genre schreibt, weil sie ausgefeilt, inhaltlich relevant und wichtig sowie mitreißend sind. Jedoch ...

Bei Anabelle Stehl empfinde ich es oft so, dass sie inhaltlich mit die stärksten Geschichten für das NA-Genre schreibt, weil sie ausgefeilt, inhaltlich relevant und wichtig sowie mitreißend sind. Jedoch sind die Liebesgeschichten immer eher Beiwerk gewesen, weswegen ich bei ihr bislang auch kein Paar hätte rauspicken können, das mich im Speziellen auch nachträglich noch beschäftigt hat. Natürlich fand ich die Happy Ends immer schön und es haben auch tolle Paare zueinandergefunden, aber es war da zu wenig Wow-Effekt. Habe ich deswegen aufgehört? Nein, weil ich es honoriere, das NA-Genre etwas aufzuräumen. Dennoch hat Stehl mit „Worlds Beyond“ nun etwas geschafft, denn Nele und Matthew haben sich definitiv nachhaltig in mein Herz geschlichen und das hätte ich so nie erwartet.

Bei so dreiteiligen Reihen mit Einzelgeschichten ist es oft so, dass der erste oder zweite Band als besonderes Highlight in Erinnerung bleiben, so zumindest meine Erfahrung. Stehl hat das für mich jetzt aber umgekehrt, denn „Worlds Beyond“, das ihre Worlds-Reihe rund um Influencer abschließt, ist definitiv mein Liebling geworden. Das hatte ich nicht erwartet, weil mich im Vorfeld der Klappentext nicht sonderlich umgehauen hat und weil Matthew im zweiten Band schon aufgetaucht ist, ohne aber nachhaltig Interesse zu hinterlassen. Zwar wurde zum Abschluss die erste Begegnung von Matthew und Nele angeteasert, aber s war noch zu nichtssagend. Stehl hat es dann aber mit dem eigentlichen dritten Band schnell geschafft, dass Nele und Matthew mein Herz erobern konnten, denn man hat ihnen diese Liebe auf den ersten Blick sofort angemerkt. Da haben sich einfach zwei gefunden, die sich vor allem nicht nur attraktiv fanden, sondern die sofort wichtige Eigenschaften ineinander erkannt haben, weswegen es auch so süß war, was sich Matthew für das erste offizielle Date ausgedacht hat. Auch wenn der Klappentext die erste große Wendung schon verraten hat, so war es für mich gleichermaßen ein Schlag, als ihre gemeinsame Geschichte sofort ausgebremst wurde. Aus Matthews Sicht hat es mir sogar fast mehr leid getan, obwohl natürlich Nele als Volontärin in der schwächeren Position war, aber wenn man so nach und nach seine Geschichte ergründet, da kann man schnell merken, was Liebe und Geborgenheit für ihn bedeutet und er hat es auf dem Präsentierteller und es wird ihm einfach entrissen. Was dann aber auch die Liebesgeschichte weiter aufrechterhalten hat, das war definitiv, dass die Funken weiterhin gesprüht haben, dass also eine knisternde Grundspannung beibehalten werden konnte. Auch wenn sie an manchen Stellen die beiden unvorsichtig hat werden lassen, aber es war authentisch und hat eben unterstrichen, dass sie sich so lieben, dass der Verstand eben aussetzt.

Aber auch abseits der Liebesgeschichte ist wieder eine tolle Erzählung geboten worden, weil die Figuren gut ausgearbeitet waren. Weder Nele noch Matthew schienen mir wirklich nah, auch wenn wir sicherlich einige Hobbys miteinander teilen, und dennoch hatte ich das Gefühl, sie jeweils bei allen Teilschritten nachvollziehen zu können. Es war auch angenehm, dass es angesichts der Vermischung aus Job und Privatleben dennoch immer zivilisiert geblieben ist. Es hat auch Tränen, Häme und Mobbing gegeben, ja, aber dennoch lief alles in einem angemessenen Rahmen ab, mit dem nicht alles gesprengt wurde, nur um möglichst viel Drama zu erzeugen. Es wirkte einfach echt, was zunehmend bemerkend ein echtes Kompliment ist. Der Einblick in den Alltag einer Literaturagentur war spannend, da man sonst eher die Verlagsseite erlebt. Auch wenn nicht übertrieben ins Detail gegangen wurde, man hat doch Matthew als Chef und Nele, die ganz neu anfängt, jeweils ihre Liebe für den Job angemerkt und in einer Zeit, wo nur noch viele arbeiten, um Geld zu verdienen, ist es schön, dass beide etwas gefunden haben, was sie auch wirklich lieben.

Am spannendsten war aber definitiv die Verarbeitung der Thematik, als die Beziehung der beiden aufgeflogen ist, denn sie waren ganz klar in eine schwierige Position gebracht worden. Machtmissbrauch, angebliches Hochschlafen der Frau, so viele Themen sind hier untergebracht und interessant angegangen worden. Aber positiv war auch, dass es nicht statisch geblieben ist, sondern dass in ernste Themen immer viel Persönliches eingebaut wurde, so auch Matthews Fehde mit seinem Mitarbeiter, die weit zurückreicht, die aber schön aufgearbeitet wurde, ohne dass es dafür ein kitschiges Happy End geben musste. Zwischendurch habe ich mich auch gefragt, wie es nun ausgehen kann und alle gewonnen haben. Eine offensichtliche Lösung schien es nicht zu geben, weswegen ich mit der Endlösung von Stehl mehr als glücklich war. Selbstverwirklichung hin oder her, aber es gibt eben auch gewisse Regeln und dementsprechend ist es doch für alle gut ausgegangen.

Fazit: „Worlds Beyond“ ist möglicherweise mein neuer Liebling von Anabelle Stehl, weil sowohl die Geschichte wieder hochaktuell war, aber auch die Liebesgeschichte mich wirklich berührt und bewegt hat. Eine tolle Kombination und ohne Frage ein grandioses Ende für die gesamte Worlds-Reihe.

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Veröffentlicht am 09.07.2022

Wieder mal Bourne par exellence

Sexy, lustig, charmant, cool ... Fake
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Von Holly Bourne habe ich nahezu alles gelesen, was bislang auf den deutschen Buchmarkt gekommen ist, aber mir ist bewusst, dass sie im Endeffekt doch eher ein Geheimtipp ist. Bourne schreibt etwas provokant, ...

Von Holly Bourne habe ich nahezu alles gelesen, was bislang auf den deutschen Buchmarkt gekommen ist, aber mir ist bewusst, dass sie im Endeffekt doch eher ein Geheimtipp ist. Bourne schreibt etwas provokant, ist überzeugte Feministin und treibt es dafür auch gerne mal auf die Spitze, um ihren Standpunkt bewusst zu machen. Vielleicht werden einige sogar vorher abbrechen, weil man die Bücher auch als männerfeindlich bezeichnen könnte, aber das wäre definitiv eine Fehleinschätzung und das zeigt sich auch erstklassig bei ihrem neusten Buch „Sexy, lustig, Charmant, cool … Fake“.

In dem Buch geht es um April, eine wirklich absolut durchschnittliche Frau. Das ist nämlich ein Aspekt, den ich bei Bourne auch immer sehr schätze, dass es bei ihren Figuren nie um Perfektion geht und das ist auch wichtig, wenn man bedenkt, dass die Männer oft nicht gut wegkommen, denn kommen es überhaupt die Frauen? Nein, Bourne lässt ganz deutlich anspielen, dass wir alles Menschen sind, dass wir alle unsere Päckchen zu tragen haben und da treffen auch mal zwei Menschen aufeinander, die überhaupt nicht zueinander passen und das Hässliche ineinander zum Vorschein bringen. Dennoch heißt es nicht, dass sie generell ‚hässlich‘ sind, sondern es heißt nur, dass wir alle eine Reise mit Hoch und Tiefs bestreiten. Bourne präsentiert das nun aus der Sicht von April, die durchgängig durch die Ich-Perspektive begleitet wird, was zwangsweise natürlich Sympathien kreiert, weil wir mit ihr mittendrin sind. Dennoch ist nicht zu behaupten, dass April als Heldin inszeniert wird oder Ähnliches. Stattdessen ist sie eine tief traumatisierte Frau, die die große Liebe sucht, dabei an die für sich falschen Männer gerät und glaubt, dass es an ihr liegt.

Genau das ist nun die Ausgangslage und welche Frau kann sich nun nicht in April wiedererkennen? Aber fassen wir es gerne auch noch weiter, weil es umgekehrt Männer natürlich genauso geht, auch hier sind Exemplare auf der Suche nach einer festen Beziehung, doch es soll nicht sein. Natürlich spielt Bourne wieder viel mit Klischees, aber dennoch bricht sie damit auch immer wieder, weil für keiner ihrer Figuren etwas zu planen ist und das gefällt mir eben so großartig, alle bekommen wegen unterschiedlichen Dingen ihr Fett weg, aber im Endeffekt dringt es irgendwann in den Kern der Gefühle vor und dort sind dann die ganz individuellen Menschen und alle haben ihre eigene Geschichte. Deswegen ist es natürlich auch so, dass die Liebesgeschichte zwischen April und Joshua keine ist, die einen vor Romantik von den Füßen haut, aber dafür ist sie einfach herrlich realistisch. Joshua ruft nämlich wirklich Skepsis hervor, aber gleichzeitig ist man sich bewusst, dass man ihn durch Aprils Brille kennenlernt und diese ist wegen ihrer Erfahrungen zwangsweise negativ. Parallel hat man auch April, bei der man natürlich von der Güte ihres Herzens weiß, aber man erlebt live mit, wie sie ihre Fehler macht und damit andere und sich selbst manipuliert und dadurch ist es bis zu ihrem Happy End wirklich ein weiter Weg. Auch wenn man nicht nägelkauend mitfiebert, aber gleichzeitig spürt man irgendwann, dass sie wirklich richtig füreinander sind und würde April gerne schütteln und deswegen ist es ganz anderes Gefühl von Erleichterung, als endlich alles in die richtigen Bahnen läuft.

Ich fand es auch gut, dass sich Bourne hier der Thematik toxischer Beziehung und Vergewaltigung annimmt. So ein schweres Thema habe ich bislang bei ihr so noch nicht erlebt, aber es passt, auch weil durch ihren Job und schließlich die Boxgruppe, die sie aufsucht, ein guter Umgang damit stattfindet. Auch wenn April professionell jeden Tag mit harten Themen arbeitet, aber sie hat ihr Trauma definitiv noch nicht überwunden und das spielt natürlich auch viel in ihre Denkweise über Männer hinein, wieder so eine Ebene, die man erst aufdecken muss. Zudem wird auch dargestellt, dass das Sexleben nicht unbedingt einfach so weitergehen kann, dass es auch medizinische Indikationen gibt. All das ist hier unaufgeregt eingebaut und wird definitiv zur Normalisierung solcher Themen beisteuern.

Fazit: „Sexy, lustig, Charmant, cool … Fake“ ist wieder ein typisches Bourne-Buch, was für ein riesiges Kompliment steht. Gleichzeitig ist es aber ihr bislang tiefsinnigstes, bei dem sie aber dennoch den bissigen Humor weiterhin beibehält. Es mag auf den ersten Blick zu feministisch und männerfeindlich sein, aber das würde es einfach verkennen. Hier muss man wirklich hinter die Fassade blicken, um Bournes große Qualitäten wirklich verstehen und genießen zu können. Ich spreche eine große Leseempfehlung aus, aber mir ist bewusst, dass sie definitiv kein Mainstream ist.

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Veröffentlicht am 06.07.2022

Serie macht Graphic Novel alle Ehre

Heartstopper Volume 1 (deutsche Hardcover-Ausgabe)
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„Heartstopper“, die wirklich liebenswerte LGBTQ+ Serie von Netflix, war für mich ein echter Überraschungshit in diesem Jahr. Nun habe ich endlich auch mal die Vorlage, die erste Volume von der Graphic-Novel-Reihe, ...

„Heartstopper“, die wirklich liebenswerte LGBTQ+ Serie von Netflix, war für mich ein echter Überraschungshit in diesem Jahr. Nun habe ich endlich auch mal die Vorlage, die erste Volume von der Graphic-Novel-Reihe, lesen können und bin schon froh, dass ich zuerst die Serie und dann die Vorlage konsumiert habe, was keinesfalls gegen die Graphic Novel spricht, aber einfach darin begründet liegt, dass ich eine völlig unerfahrene Leserin in den Genres Graphic Novel, Comic, Anime etc. bin, da in meinem Kopf keine ausgiebige visuelle Ebene entsteht. Leider. Deswegen konnte ich mich in diese bildreiche Adaption verlieben und mich einfach erfreuen, wie eng Vorlage und Umsetzung aneinander liegen und das berührt unweigerlich.

Natürlich gibt es gewisse Unterschiede zwischen der Graphic Novel und der Serie, weil Letztere auch den Nebenfiguren viel mehr Raum gibt, aber es ist vor allem herzerwärmend, wie originalgetreu die Geschichte von Nick und Charlie ist, denn die beiden stehen auch in der Serie klar im Zentrum und ich fand es schön, wie auch zwischen den Seiten diese behutsame Liebesgeschichte erzählt wurde. Charlie, der schon länger geoutet ist und dafür viel Häme und Mobbing einsteckten musste und deswegen auch viel mit tief eingegrabenen Ängsten zu kämpfen hat und eben Nick, der überall beliebt ist, dennoch leichter gegen den Strom schwimmt und sich dennoch auch erst wirklich entdecken muss, was viel Überwindung kostet. Dabei ist es für mich vor allem gelungen, wie auch die Gefühlslagen der beiden effektiv durch visuelle Elemente auf den Punkt gebracht wurden, wenn beide innerlich verzweifeln, wenn die Funken sprühen und wenn einfach Liebe in der Luft liegt.

In der Graphic Novel gibt es auch eine klare zeitliche Einteilung, die definitiv sehr sinnig ist, um hier den Fortschritt abzubilden und so eben darzulegen, dass es eine Beziehung in der Entwicklung ist, die aber dennoch für den Fortgang der Handlung nicht unbedingt gemächlich vorangetrieben wird, was ich bei einer Graphic Novel wirklich gut nachvollziehen kann. Weiterhin ist es gut gelungen auch die ganzen Außenperspektiven darzustellen, die waren immer nur kurz, wie von Tao oder Nicks Mutter, aber sie haben die unterschiedlichen Sichtweisen dargeboten, die auch weiter unterstrichen haben, warum es definitiv eine Reise zwischen ihnen beiden ist. Wenn man die Serie kennt, ist auch der Cut der ersten Ausgabe wirklich gut gesetzt, denn der erste Kuss, nachdem sich Nick erstmal abwendet, ist ein guter Cliffhanger, weil es erst wie ausgebremst wirkt. Es ist auf jeden Fall von Alice Oseman auch ein clever gewählter Punkt, weil man hiernach erst recht wissen will, wie es für die beiden weitergeht.

Ganz toll sind die auch die abschließenden Bonusmaterialien, die eine Serie so nicht bieten kann und die die Graphic Novel hier auch definitiv bereichern. Es wirkt liebevoll, mit vielen Details und zeigt, wie sehr die Autorin diese fiktionale Welt auch liebt. Aber auch für mich als Fan ist alles, was ich mehr an Infos bekommen kann, gerne gesehen.

Fazit: Als leider nicht so visueller Typ war es für mich besser, „Heartstopper“ erst als Serie und dann als Graphic Novel kennenzulernen, denn so ist es mir definitiv leichter gefallen, mich in den Stoff zu verlieben. Aber die Graphic Novel ist toll gezeichnet, stilistisch viele tolle Kniffe und die süße Geschichte bleibt eh. Sehr empfehlenswert für alle Fans der Serie, aber natürlich auch generell ein Blick wert.

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Veröffentlicht am 31.05.2022

Oseman erzählt die wichtigen Geschichten

Loveless (deutsche Ausgabe)
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Auf Alice Oseman wird derzeit jeder aufmerksam, der bei Netflix die überaus charmante und ergreifende Jugendserie „Heartstopper“ gesehen hat. Diese beruht auf der gleichnamigen Graphic Novel-Reihe. Oseman ...

Auf Alice Oseman wird derzeit jeder aufmerksam, der bei Netflix die überaus charmante und ergreifende Jugendserie „Heartstopper“ gesehen hat. Diese beruht auf der gleichnamigen Graphic Novel-Reihe. Oseman hat aber auch schon ausformulierte Jugendbücher geschrieben und dazu gehört „Loveless“, das ich neugierig jetzt gerne mal lesen wollte und dass ich begeistert bin, wäre noch untertrieben, weswegen ich mir schon jetzt wünschen würde, Netflix plant hier auch mit einer Adaption.

In den Stil des Buchs musste ich erstmal einfinden, auch wenn er mir in modernen Jugendbüchern schon öfters begegnet ist, aber es ist für mich doch so selten, dass es immer eine Einfindungsphase ist. Die Kapitel sind relativ kurz und die jeweiligen Überschriften häufig ein Zitat daraus und da ist es auch egal, dass es fast ein ganzer Satz manchmal ist. Durch diesen Stil fegt man zunächst durch das Buch, denn es sind viele Informationen, die Emotionen wirken noch etwas oberflächlich und mittendrin die völlig überforderte Protagonistin Georgia. Nach und nach lichtet sich der Nebel aber und nach der etwas seltsamen Episode zum Abschluss der Schulzeit geht es ans College, wo die eigentliche Geschichte erst richtig losgeht.

Georgia ist zwar schon in der High School damit konfrontiert worden, dass sie noch ungeküsst und eine Jungfrau ist, aber spätestens im College hat sie nur noch einen Gedanken, dass sie die Themen endlich abhaken will, um ihre romantische Liebesgeschichte zu bekommen, denn Georgia liebt Liebesfilme, sie ist großer Fan von Fan Fiction, die auch gerne mal erotischer zugehen darf. Doch das Problem ist, dass Georgia körperliche Nähe, die auf sexuelle Interaktionen hinsteuern, abstoßend findet. Dennoch probiert und probiert sie, mal dieses, mal jenes Geschlecht und immer weiter, weil sie nicht glauben kann, dass Sex und Liebesbeziehungen für sie nichts sind. Was man als Leser und Leserin schnell ahnt, dass sie nämlich asexuell ist, ist für Georgia eine lange Reise zu sich selbst, die in diesem Jugendbuch wirklich sehr einfühlsam dargestellt wird. Sie landet eher zufällig bei der Pride Community, aber eigentlich will sie sich damit gar nicht beschäftigen, denn mit ihr soll ja schließlich alles normal sein, oder? Nach und nach kommt Georgia der Wahrheit auf der Spur, aber auch als die Erkenntnis einmal da ist, ist das nicht gleich einhergehend mit einer Erleichterung, weil sie sich sofort Vorwürfe macht, nicht so wie andere zu empfinden. Die Geschichte von Georgia hat mich wirklich berührt, denn sie ist trotz der spezifischen sexuellen Orientierung dennoch auch universell zu verstehen, wie es vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen (teilweise ja auch Erwachsenen) geht. Deswegen hatte ich „Heartstopper“ schon gelobt, weil es genau die Serie war, die sich meine Generation auch gewünscht hätte und das ist bei „Loveless“ nicht anders, weil es auch thematisch unglaublich den Horizont erweitert.

Das liegt auch an den ganzen Nebenfiguren, denn das Figurenspektrum ist mit Ethnien und sexueller Neigung sehr breit gestreut und jede Figur bekommt eine gleichwertige Geschichte erzählt. Natürlich liegt der Fokus auf Georgia, auch durch ihre Ich-Perspektive und dennoch ist es mir nicht schwer gefallen, mich in die anderen wie Pip, Jason, Sunil und Rooney reinzuversetzen. Georgia ist auch eine empathische Protagonistin, die zwar auch viele verletzte Gefühle hinterlässt, aber das wahrlich nicht absichtlich, sondern aus Überforderung mit sich selbst, aber man merkt deutlich, wie wichtig ihr die ganzen Menschen sind und dass sie ihnen genauso Raum gibt, wie sie ihn für sich selbst erhofft. Insgesamt wird natürlich nur ein sehr kleiner Abschnitt aus Georgias Leben erzählt, der aber sicherlich zu den wichtigsten zählen wird, weil sie sich selbst gefunden hat. Dennoch ist natürlich klar, dass damit nicht ein pauschales Happy End einhergeht und man ahnt, dass sie noch viele Baustellen zu überwinden hat, auch mit dem, was von außen an sie herangetragen wird, und dennoch ist dieser Abschnitt trostspendend. Denn die Figuren werden als wundervolle Familie dargestellt und es wird auch der Fokus generell auf Beziehungen gelegt, ganz abseits von einer oft nur rein romantisch ausgelegten Definition, weswegen das Buch auch voll von tollen Zitaten ist. Für mich ist das wirklich eine Herzensgeschichte gewesen.

Fazit: Wie auch „Heartstopper“ kann man „Loveless“ von Alice Oseman bedingungslos empfehlen, denn die Autorin beschäftigt sich wirklich mit Themen auf eine so einfühlsame und auch geduldige Art und Weise, dass man sich sofort verstanden wird, auch wenn es gar nicht zu 100% die eigene Geschichte ist. Georgias Reise steht aber für uns alle in irgendeiner Form, weswegen wirklich alle etwas mitnehmen werden können, deswegen ran an die Seiten!

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Veröffentlicht am 03.03.2021

Wahnsinnige qualitative Steigerung

What if we Stay
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Ende letzten Jahres ist mit „What If We Drown“ der erste Band einer NA-Reihe von Sarah Sprinz erschienen und an den kann ich mich auch noch bestens erinnern, denn wie sollte man eine Protagonistin wie ...

Ende letzten Jahres ist mit „What If We Drown“ der erste Band einer NA-Reihe von Sarah Sprinz erschienen und an den kann ich mich auch noch bestens erinnern, denn wie sollte man eine Protagonistin wie Laurie vergessen, die mich schier in den Wahnsinn getrieben hat? Dass ich nun mit „What If We Stay“ den zweiten Band gelesen habe, liegt schlichtweg daran, dass ich gemerkt habe, dass Sprinz eine Erzählerin ist und eben auch noch eine verhältnismäßig unerfahrene, weswegen es manchmal einfach Zeit braucht. Da ist es fast schon überraschend, dass der zweite Band eine gewaltige Steigerung ist.

Zunächst habe ich mich bei „What If We Stay“ an einige Muster aus dem ersten Band erinnert gefühlt, was zugegebenermaßen ein gewisses Unbehagen ausgelöst hat. Amber kannte ich zwar schon und ich wusste, dass sie wie Laurie ihre guten Seiten hatte, aber das Buch ging gleich mit so vielen falschen Entscheidungen los, die mich Amber haben verteufeln lassen und wo ich dachte: Schon wieder? Und nein, es liegt nicht daran, dass sie sich durch alle Betten schläft. Es liegt eher an dem ganzen Drumherum und Denkweisen, die zu ihrem Männerverschleiß führen. Also die Ursache, nicht die Wirkung. Lustigerweise war in all diesem Laurie eine Art Fels in der Brandung, die in der Außenperspektive sofort viel sympathischer war. Hätte ich sie so kennengelernt, hätte ich mir ihren Band vermutlich herbeigesehnt. Und der zweite Wiedererkennungsfaktor ist, dass der Kerl wieder ein vom Himmel geschenkter Engel ist. Ich fand Emmett im ersten Band noch nicht so dominant, aber hier hatte er mich sofort und erst ganz am Schluss kann man etwas zu mäkeln an ihm finden. Ja, das war bei Sam ganz genauso.

Doch der gewaltige Unterschied zwischen Band 1 und Band 2 ist, dass Amber viel schneller einen inneren Wandel durchmacht und dass sie Risiken eingeht, um sich aus ihren Mustern zu befreien. Zudem hat sie eine persönliche Geschichte, die ich extrem nachvollziehbar fand. Ich fand das nicht konstruiert, sondern in der Gesamtsicht sehr natürlich. Ähnliches gilt für Emmett, der aber sowieso netter nicht hätte sein können. Mit den beiden verknüpft ist dann auch der Pluspunkt, dass sensible Themen wie toxische Beziehungen oder toxische Rollenbilder prägnant, aber nicht effektheischend in die Geschichte eingebaut worden sind. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich Sprinz für etwas feiern lassen will, was eigentlich selbstverständlich sein sollte und genau deswegen wird es im Kontext auch selbstverständlich. Das hat mich diesmal wirklich extrem beeindruckt.

Aber auch die Liebesgeschichte von Amber und Emmett ist ein wahres Goldstück geworden. Die beiden hatten zwar für mich nicht diesen einen besonderen Moment, der mich hat Fan lassen werden. Stattdessen ist es absoluter Beharrlichkeit geschuldet, dass es besser und besser wurde. Und das ist manchmal gar nicht verkehrt, denn wenn es DIESEN Moment gibt, ist es oft schwer, auch den Rest der Geschichte über dem gerecht zu werden. Aber konstant gut eine Liebesgeschichte aufzubauen, die so gut durchdacht ist und so viele kleine Babysteps macht, dass man am Ende nur überzeugt sein kann, dass die beiden zusammengehören, das ist die Kunst. Am Ende waren die Hürden für die beiden noch einmal extrem, aber ich konnte damit in der Konsequenz leben, zumal es beiden Charakteren noch einmal eine Seite mitgegeben hat, die zeigt, wie sehr sie sich miteinander verändert haben.

Lustig fand ich auch, dass von diesem „edgy“ Schreibstil, wie ich es in meiner Rezension zum ersten Band schrieb, nichts mehr zu sehen war. Ich hatte ihn da zwar nicht verteufelt, aber er war mir eben auch im Kopf geblieben. Jetzt war aber deutlich zu merken, was für enorme schriftstellerische Fortschritte Sprinz gemacht hat. Es war unheimlich flüssig, die Übergänge waren viel sanfter und die gesamte Geschichte war konstruiert, aber nicht offensichtlich konstruiert. So muss das sein. Kompliment!

Fazit: „What If We Stay“ ist eine fast schon unglaubliche Verbesserung gegenüber dem ersten Band. Stilistisch und erzählerisch ist so viel draufgepackt worden, dass ich wunderbar durch die Erzählung gleiten konnte. Zudem ist diesmal die weibliche Protagonistin kein rotes Tuch für mich, weswegen ich mich vollends in einer tollen Liebesgeschichte fallen lassen konnte.

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