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Veröffentlicht am 13.02.2023

Faszinierende Interviewstilistik

Daisy Jones & The Six
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Als 2020 die deutsche Übersetzung "Daisy & The Six" von Taylor Jenkins Reid auf den Buchmarkt kam, da habe ich das Cover durchaus mitbekommen, aber ein begeistertes Zitat von Reese Witherspoon auf dem ...

Als 2020 die deutsche Übersetzung "Daisy & The Six" von Taylor Jenkins Reid auf den Buchmarkt kam, da habe ich das Cover durchaus mitbekommen, aber ein begeistertes Zitat von Reese Witherspoon auf dem Deckblatt war nicht unbedingt ein Argument für mich, reinlesen zu müssen. Dennoch habe ich mitbekommen, dass der Erfolg riesig war. Als dann angekündigt wurde, dass Streamingdienst Prime Video mit Witherspoons Produktionsfirma Hello Sunshine eine Adaption anstrebt, wurde ich schon hellhöriger. Solche Vorhaben machen Bücher nicht automatisch besser, aber ich finde es immer wieder faszinierend, Buch- und Serienwelten miteinander in eine Verbindung zu setzen. Das birgt natürlich auch immer Potenzial für Enttäuschung, aber oft genug kann man auch anerkennen, dass gewisse Veränderungen zur Vorlage nicht umsonst vorgenommen werden. Lange Rede, kurzer Sinn, mein Interesse für "Daisy & The Six" war geweckt. Ich war dabei speziell auch daran interessiert, wie es der Autorin wohl gelingen wird, die Geschichte einer fiktionalen Band zu schaffen, die sich aber so echt fühlt, dass man als Leserschaft felsenfest davon überzeugt ist, dass es diese Band doch tatsächlich gegeben haben muss.

Da ich im Vorfeld nicht groß in die Details zu "Daisy & The Six" eingestiegen bin, war ich doch sehr überrascht davon, wie das Buch von Jenkins Reid stilistisch erzählt ist. Denn es ist wie der Zusammenschnitt aus O-Tönen der einzelnen Zeitzeugen gestaltet, wo der Interviewer alle nacheinander befragt und anschließend alles zusammengefügt hat, um ein umfassendes Bild der Bandgeschichte abzugeben. Das hat mich erst etwas stutzig gemacht, aber ich weiß auch noch, wie skeptisch ich war, wenn sich AutorInnen daran gewagt haben, nur in Form von SMS oder E-Mails Geschichten zu erzählen. Das war dann ungewohnt, aber letztlich hat es eine ganz eigene Faszination entwickelt, jedenfalls, wenn es gut gemacht ist. "Daisy & The Six" gehört zum erfreulichen Fall von gut gemacht, denn ich war wirklich extrem fasziniert, wie ich nur alleine durch diese Zitate zu jeder Figur ein Bild in meinem Kopf entwickeln konnte. Ich erlebe das oft in Büchern, dass sie mir zu dialoglastig sind und mir ein Blick in das Innenleben der Figuren fehlt, um sie umfassend begreifen zu können. Hier fehlt die Gedankenwelt nun eigentlich völlig und dennoch hatte ich den Eindruck, dass speziell die Bandmitglieder all das ausgepackt haben, was sie wirklich bewegt hat. Auch wenn man natürlich nach außen hin immer etwas inszenieren kann, aber alle Figuren waren konsequent über die Zeitspanne hinweg gezeichnet, so dass es mir sogar gelungen ist, dass ich für jeden von ihnen eine Stimme in meinem Kopf hatte, die sich sofort anknipste, je nachdem, wer nun gerade dran war. Das war wirklich eine faszinierende Erfahrung beim Lesen.

Insgesamt glaube ich auch, dass die Stilistik der Trumpf bei "Daisy & The Six" ist. Die Handlung hatte auch ihren Reiz, weil es durch die O-Töne auch immer wieder Andeutungen gab, was wohl noch kommen wird und ich natürlich so wissen wollte, wann sich was und warum ereignet. Letztlich ist es aber doch eher eine typische Bandgeschichte, wie man sie durch Biografien von Musikern oder von anderen fiktiven Inszenierungen kennt. Es geht viel um Drogen und Alkohol, es geht viel um Sex und Fremdgehen. Es geht um Streitigkeiten untereinander. Es geht um geschlossene Allianzen. Es geht um Mechanismen hinter den Kulissen. All das ist wenig spektakulär neu oder aufklärerisch, aber diese Aufgabe wäre wohl auch unmöglich zu erfüllen gewesen, weil man eine Bandgeschichte nicht neu erfinden kann. Schließlich treffen immer wieder menschliche Urinstinkte aufeinander, so dass die Geschichte sich selbst wiederholt. Deswegen gehe ich auch schwer davon aus, dass die ungewöhnliche Art, einen Roman so zu erzählen, die Massen begeistert hat. Bei mir ist das in jedem Fall gelungen. Manche neuen Figuren, wie die Buchhalterin, die Einblick in die gesprengten Kosten während der Tour gibt, waren manchmal etwas holprig, weil sie aus dem eigentlichen Geschehen rausrissen, aber ich fand es auch liebevoll, wie umfassend dadurch die gewünschte Perspektive war.

Was mich immer besonders fasziniert, das ist der Prozess, wie Musik entsteht. Ich fand es daher in "Daisy & The Six" absolut gelungen, wie hautnah man dabei sein konnte. Manche Songs sind uns direkt fertig direkt präsentiert worden, aber dennoch wurde aus den Interviewteilen noch deutlich, was die Motivation für den Text war und was dann oftmals Billy und später Billy und/oder Daisy bewegt hat. Ich bin da bei Musik definitiv mehr angetan, wenn ich auch merke, dass die Geschichten hinter den Songs auch von den Menschen kommen, die dort auf der Bühne stellen, so dass es sofort ergreifender wird. Ich fand aber auch die Einblicke hilfreich, wie Schlagzeuger, Keyboarderin und Gitarristen darum kämpfen, mehr für ihr Spezialgebiet beitragen zu dürfen und wie dann später aus dem Rohmaterial ein fertiges Album entsteht. So intensiv, wie der Musikprozess hier dargestellt wird, ist es ein echtes Geschenk, dass die einzelnen Songtexte später auch noch komplett abgedruckt sind. Hier merkt man deutlich, wie sehr auch die Autorin selbst in diese Geschichte eingetaucht ist. Für die Serienadaption sind die Texte natürlich auch ein Geschenk. Insgesamt muss ich mit Hinblick auf die Serienversion sagen, dass Jenkins Reid viel vorgearbeitet hat, wo die Produktion eigentlich nur noch einen Haken hintersetzen muss. Es wird sicherlich sehr spannend, wie diese Vorlage dann umgesetzt aussehen wird.

Fazit: "Daisy & The Six" bietet inhaltlich vielleicht nicht etwas speziell Neues, aber die Stilistik, eine fiktive Bandgeschichte nur über Interviewzusammenschnitte zu erzählen, war sehr faszinierend und ich war richtig begeistert, wie dadurch dennoch im Kopf etwas entstanden ist, was auch ein ausgeschriebener Roman hätte sein können. Weiterer Pluspunkt ist natürlich auch die Liebe zur Musik, die aus allen Poren dringt. Sicherlich eine interessante Welt, die sich für eine Serienadaption hervorragend eignet.

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Veröffentlicht am 12.11.2022

Weihnachten mit Nick und Charlie

This Winter
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Nachdem es nach den Graphic Novels zu „Heartstopper“ schon „Nick & Charlie“ gab, um unmittelbar die Zeit vor dem College von Nick zu beschreiben, gibt es nun auch eine kleine Novella passend zu Weihnachten. ...

Nachdem es nach den Graphic Novels zu „Heartstopper“ schon „Nick & Charlie“ gab, um unmittelbar die Zeit vor dem College von Nick zu beschreiben, gibt es nun auch eine kleine Novella passend zu Weihnachten. Doch Achtung, inhaltlich ist sie recht schwer, aber versprochen mit Happy End!

Los geht es mit der Perspektive von Tori, deren Soloband „Solitaire“ erst Anfang 2023 erscheinen wird. Zwar kennt man sie auch aus der Serie und aus den Graphic Novels, aber ich bin jetzt schon sehr gespannt auf ihre Geschichte. Hier bekommt man aber schon einen ganz guten Eindruck für eine sehr empathische Tori, die bedrückt mitansieht, wie ihr Bruder Charlie ausgerechnet für die Feiertage mit Völlerei zurückkehrt, nachdem er gerade in einer Klinik wegen seiner Essstörung behandelt wurde. Sie leidet mit ihm und würde ihm das Päckchen gerne abnehmen, während sie sich aber selbst angesichts der Erwartungen der Eltern und der zu Besuch kommenden Verwandtschaft auch nicht gerade auf Weihnachten freut. Mir hat ihre Perspektive wirklich gut gefallen, weil wir uns charakterlich offensichtlich auch sehr ähnlich sind und ich sie deswegen auch gut nachvollziehen konnte.

Später folgt dann Charlie und auch wenn die Thematik sensibel ist, geht es nicht zu sehr in die Gründe der Thematik hinein, was ich hier aber auch in Ordnung finde, weil es auch mehr darum geht, die Unterschiede zwischen den Familien von Nick und Charlie aufzuzeigen, aber auch bei den verschiedenen Persönlichkeiten, die einen, die es leicht nehmen und die anderen, die es eben schwer nehmen. Es ist mehr als verständlich, dass Charlie irgendwann nur noch fliehen will und bei Nick genau das findet, was er am meisten braucht: Verständnis. Letztlich fühlt sich Tori aber alleine gelassen und es wird deutlich, wie besonders diese Geschwisterbeziehung doch ist, denn Charlie ist gedanklich genauso bei seiner Schwester wie sie bei ihm. Am Ende kommt dann alles bei dem kleinen Bruder Oliver aus und seine Perspektive war das Highlight, da er mit seiner kindlichen Naivität, die auch thematisch perfekt zu Weihnachten passt, bewegen konnte, dass auch bei den Springs noch so etwas wie Eintracht entstehen konnte. Einzig dieser Versuch, einen Erwachsenen Oliver kindlich nachzusprechen, war etwas störend…

Fazit: Wieder ein toller Einblick in die Welt von Charlie und Nick. „This Winter“ versprüht zwar keine große Weihnachtsstimmung, wird aber dafür genutzt, um zu zeigen, wie an solchen Feiertagen Konflikte auftauchen, weswegen es genau passend war, um hier einen interessanten Blick anzubieten. Wieder sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 03.10.2022

Gerne willkommen in der Mulberry Mansion

No Longer Yours - Mulberry Mansion
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Manchmal sind die Wege zur eigenen Veröffentlichungen etwas kurioser und damit einfach nicht dem üblichen Weg entsprechend und das bedeutet für manche auch die echt große Chance und ich denke, dass Merit ...

Manchmal sind die Wege zur eigenen Veröffentlichungen etwas kurioser und damit einfach nicht dem üblichen Weg entsprechend und das bedeutet für manche auch die echt große Chance und ich denke, dass Merit Niemeitz definitiv dazu gehört. Denn sie hat bei einem Wettbewerb von Lyx mitgemacht. Vielleicht waren die Hürden, sich direkt beim Verlag klassisch zu bewerben, zu hoch, was man durchaus auch verstehen kann und dann ist so ein Wettbewerb, bei dem man die eigenen Erfolgschancen eher realistisch niedrig einstuft, der sicherlich entspanntere Weg. Nun hat Merit aber mit ihrer „Mulberry Mansion“ gewonnen und ich muss wirklich sagen, zum Glück! Denn was nach dem ersten Band „No longer Yours“ schon deutlich erkennbar ist, die Dame kann schreiben.

Zunächst einmal ist die Idee zur Mulberry Mansion und ganz ähnlichen anderen Gebäuden auch einfach anders und spannend. Denn so ist es zwar auch College, was für NA üblich ist, aber es ist durch das WG-mäßige, aber dennoch in eher in altmodisch getrimmt etwas Frisches, weil so auch eine Aufgabe entsteht, die sich problemlos über die geplanten drei Bände ziehen lässt. Ich mochte die Mansion wirklich sehr gerne, auch weil man sich vieles dank der Beschreibungen sehr gut vorstellen konnte und ich mochte den Gedanken dahinter, dass es praktisch kostenlos ist, aber verbunden mit einer handwerklichen Renovierung. Dazu dann die Idee, dass eben ganz andere charakterliche Köpfe und unterschiedlich handwerklich begabte Menschen aufeinandertreffen, um sich dann zu ergänzen, da merkte man sogleich, klingt utopisch, macht aber einfach Sinn. Schon früh so einen festen und größeren Figurencast zu haben, ist sicherlich auch von Vorteil, denn so kommt schnell Stimmung rein und die Erzählung klebt nicht zu sehr an dem einen Pärchen, was einseitig werden könnte. Natürlich stehen nicht alle gleich im Fokus, denn man hat doch gemerkt, dass die, die in den Folgebänden noch im Fokus stehen werden, mehr Charakter verpasst bekommen haben. Dennoch sind die anderen nicht einfach nur Schattengestalten, sondern haben auch ihren Beitrag. So ist schnell etwas Familiäres entstanden, was ich sehr genossen habe.

Kommen wir aber nun zum Hauptpärchen, die beide durch eine sehr intensive Charakterarbeit Gestalt angenommen haben. Zwar hat Eden deutlich weniger Kapitel aus seiner Sicht, was auch seinem Geheimnis geschuldet sein mag, aber Avery hatte auch eins und dort ist es auch gelungen. Vielleicht hätte man es also Hälfte-Hälfte gestalten können, aber andere Autorinnen haben da doch größere Probleme, mit mehr Kapiteln auch wirklich mehr Profil zu schaffen. Demnach hat die Autorin hier schon ein Händchen bewiesen, Eden durch Averys Perspektive und seine eigene einheitlich und verständlich zum Leben zu erwecken. Avery ist am Ende sicherlich dennoch vertrauter, aber ich war zufrieden. Bei ihr gibt es dennoch auch eine gewisse Barriere, denn ihr schwarz-weiß-Denken war durchaus etwas anstrengend manchmal. Aber: es ist auch offen angesprochen worden. Wenn so ein Fakt auf dem Tisch liegt und auch reflektiert angegangen wird, dann kann ich damit deutlich besser umgehen, als wenn es einfach im Raum steht und nervt. Aber Avery ist nicht ohne Grund, wie sie ist. Sie muss erst herausgefordert werden, um über den Tellerrand zu schauen. Dennoch hatte sie auch gleich gute Eigenschaften, wie beispielsweise ihr Selbstbewusstsein in eigenen Aspekten und ihre starke Stimme für Gerechtigkeit. Dennoch hatte Eden einfach etwas besonderes, was mich tief berührt hat. Sicherlich ist ganz entscheidend, wie viel Wert er auch auf das geschriebene Wort legt, denn das ging mir mitten ins Herz.

Insgesamt ist es aber auch einfach der Schreibstil, den ich als speziell und damit sehr gut empfinde. Mit ihrer Art zu umschreiben, neue Bilder zu schaffen, da hat mich Merit etwas an Colleen Hoover erinnert und das ist ein großes Kompliment. Denn das Spiel mit Ever und „ich geben dir ein E“, da steckt so viel Liebe drin, so viel Tiefsinnigkeit, das hat mich einfach berührt. Ich bin jetzt schon extrem gespannt, was bei den anderen beiden Bänden da noch möglich ist. Bei der Liebesgeschichte ist es nur so, dass mir die Dramatik etwas zu sehr aufgebauscht wurde. Edens Konsequenzen damals nach der Schule oder auch Averys heftige Reaktion gegenüber ihrer Familie, das ist mir einige Nuancen zu extrem. Denn gerade wenn es Geheimnisse sind, da macht man sich ja seine Gedanken, was es wohl sein könnte und ich bin definitiv jeweils bei dramatischeren Sachen ausgekommen, was mir zeigt, dass die Autorin Kleinigkeiten zu sehr aufgebauscht hat. Das ist aber ja nur eine kleine Schwäche, denn der Rest schafft wirklich eine Welt, in die ich 100% gerne zurückkehre.

Fazit: Die Mulberry Mansion ist mit „No Longer Yours“ eröffnet und es ist klar, ich kehre wieder. Ich mochte die Idee, ich mochte die geschaffene Atmosphäre, ich mochte das breite Repertoire an Figuren und besonders mochte ich den Schreibstil. Vielleicht passt es in der Dosis der Dramatik noch nicht ganz, aber ansonsten bin ich für einen Auftakt und dann so einen ungewöhnlichen Weg, Autorin zu werden, sehr beeindruckend!

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Veröffentlicht am 16.09.2022

Schöner Bonus hinten drauf

Nick und Charlie
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Nick und Charlie gab es bislang nur in Graphic Novel-Format und in Serienform. Jetzt ist auch in ausgeschriebener Form ein Roman erschienen, der sich mit der räumlichen Trennung der beiden durch das College ...

Nick und Charlie gab es bislang nur in Graphic Novel-Format und in Serienform. Jetzt ist auch in ausgeschriebener Form ein Roman erschienen, der sich mit der räumlichen Trennung der beiden durch das College beschäftigt. Ich habe die Neuerscheinung als Hörbuch konsumiert und dafür wurden die deutschen Stimmen aus der Netflix-Serie „Heartstopper“ gewonnen, da die Geschichte abwechselnd aus Nick und Charlies Perspektive erzählt ist. Auch wenn ich die Serie im Original gesehen habe, so muss man doch sagen, dass das ein echter Bonus ist, der auch zeigt, dass hier wirklich ein verdienter Hype entstanden ist.

Kommen wir aber nun zum Inhaltlichen. Wir erleben Nick und Charlie, als sie zwei Jahre in einer stabilen Beziehung stecken. Doch bald werden sie sich nicht mehr täglich in persona sehen können, denn Nick, der ein Jahr älter ist, wird ans College gehen. Ich fand es sehr nachvollziehbar dargestellt, was das besonders in Charlie für Ängste ausgelöst hat, zumal bei diesem ohnehin sehr viel schon mit sozialen Phobien gearbeitet wurde, die durch eine bevorstehende Trennung nachvollziehbar verstärkt werden. Nick ist da der Optimistischere und vielleicht auch der, die Problematik besser ausblenden kann, weil für ihn ein neues Kapitel in seinem Leben ansteht, was ihn erfreut. Die Gegensätze sind also groß und dieser Unterschied wird zwischen den beiden Jugendlichen sehr gut transportiert, denn die anfängliche Innigkeit schaukelt sich immer mehr zu etwas anderem hoch, bis es zum großen Knall und zur Trennung kommt.

Auch wenn es von einer Graphic Novel hin zu einem ausgeschriebenen Text natürlich noch ein großer Schritt ist, so finde ich es doch eindeutig, wie hier Osemans Stil durchblitzt, weil sie beide Charaktere weiterhin genauso einfängt, wie es auch bei der Graphic Novel der Fall war. So gelingt ein besserer Einblick ins Innenleben der Figuren und es ist schön dann mitzuerleben, wie sie wieder zueinander finden. Inhaltlich ist es dann auch ein Punkt, wo eine wirklich große Krise überwunden wird und wo man sich anschließend sicher sein kann, die beiden schaffen wirklich so einiges und die Liebe ist tief genug. In dem Sinne ist es wirklich ein passender Schlusspunkt für die beiden, auch wenn natürlich nicht auszuschließen ist, dass Oseman die beiden gerne noch länger begleitet.

Fazit: „Nick & Charlie“ ist durch die Romanform noch einmal eine neue Facette für die Welt und deren Charaktere. Sie setzt an einem wichtigen Punkt an in einem Leben zweier so junger Menschen und beleuchtet die Sorgen der baldigen räumlichen Trennung einfühlsam. Gerade für Fans ist die eher knapp gehaltene Erzählung dann ein echter Gewinn.

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Veröffentlicht am 17.08.2022

Kritisch-realistischer Blick ins TV-Geschäft

Worlds Apart
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Die Influencer-Reihe von Anabelle Stehl, die in London spielt, geht mit „Worlds Apart“ in die zweite Runde und handelt diesmal von Kaycee, die wir schon kennengelernt haben und die nun ihre große Chance ...

Die Influencer-Reihe von Anabelle Stehl, die in London spielt, geht mit „Worlds Apart“ in die zweite Runde und handelt diesmal von Kaycee, die wir schon kennengelernt haben und die nun ihre große Chance erhält. Ich habe mich sehr auf diesen Band gefreut, weil Kaycee bereits in „Worlds Collide“ einen sehr sympathischen Eindruck gemacht hat und ihre Geschichte dort schon unweigerlich berührt hat. Den Mann an ihrer Seite, Leo, lernen wir ganz neu kennen und er ist Schauspieler. Hier habe ich kurz gestutzt, weil dieser Gegensatz zwischen reichem Star und armem Mädchen von dem Lande doch etwas klischeebesessen ist, aber das hat sich zum Glück nicht bewahrheitet, denn so schonungslos wie der erste Band mit Social Media aufräumte, so gibt es hier einen Blick ins Schauspielgeschäft und generell hinter die Film- und TV-Kulissen.

Ich fand es wirklich respektabel, wie hier dieses öffentliche Geschäft angegangen wurde. Auch wenn Kaycee durch ihre beste Fiona sicherlich viel mitbekommen hat, so verstehe ich, dass sie ihre Liebe für fiktiven Welten oder auch für ihre liebste Backshow immer beibehalten hat, denn ihr Leben ist schon hart genug und sie braucht diese Flucht in etwas anderes, was hoffnungsvoller ist. Als Kaycee aber einmal in der Wettbewerbsshow drin ist, werden nach und nach die einzelnen Schichten abgemacht und verdeutlicht, dass bei solchen Shows nicht der oder die beste gewinnt, sondern eben der oder die mit der besten Geschichte. Das will man oft nicht wahrhaben, weil so vieles 'echt' wirkt, aber so es ist im realen Leben eben. Es war auch gut dargestellt, dass Kaycee das lange wegschieben konnte, weil sie mit dem Gewinn der Show ihren großen Traum verbunden sah, aber letztlich ist sie genau an dem richtigen Punkt für sich eingestanden, denn das Geheimnis ist, in diesem Zirkus sich selbst treu zu bleiben und sich selbst nicht zu verkaufen. Auch wenn Kaycee zwischendurch ganz schön verzweifelt war, man hat immer gemerkt, was für ein Mensch sie ist und sie bleibt sich immer treu.

Mit Leo schauen wir hinter das TV-Geschäft. Ich habe gut nachvollziehen können, warum Stehl auch hier hinter die Kulissen blickt, denn seit vor und hinter der Kamera die Menschen endlich für sich einstehen können, ohne zwangsweise um ihren Job fürchten zu müssen, werden immer mehr schreckliche Geschichten publik. Dementsprechend war es clever, dass als Ausgangslage für Leos Geschichte zu nehmen. Dennoch war es klischeehaft dargestellt, denn gerade diese Sichtweise, dass Paare vor der Kamera auch im echten Leben das Traumpaar spielen müssen, damit es für das Publikum funktioniert, das war einmal. Hier waren so ein paar Elemente gewählt, die ich eher unglücklich fand, während die Reichweite der möglichen Manipulation durch Autoren, Regisseure oder Produzenten wieder deutlich besser war, weil es das im Kern trifft. Aber auch für Leo fand ich es mutig, dass er in einer vermeintlichen Traumwelt nicht glücklich ist, weil es ihm nicht entspricht. Auch allgemein waren die Parallelen zwischen Kaycee und ihm gut. Sie kommen beide aus glücklichen Familien, sie haben beide Prinzipien und sie sind ehrlich zueinander. Das hat in der Struktur wirklich gut funktioniert.

Da es nun schon das fünfte Buch von Stehl ist, was ich lese, lässt sich inzwischen auch eine deutliche Stilistik bei ihren Büchern erkennen. Sie erzählt zwar auch Liebesgeschichten, aber ich empfinde das nie als eigentlichen Kern der Geschichte. Das hat dann zur Folge, dass die Beziehungsentwicklungen für mich selten von krassen Funken oder unwiderstehlicher Chemie begleitet sind. Das ist auch bei Kaycee und Leo wieder zu beobachten. Es wird eine Art Liebe auf den ersten Blick erzählt, doch eben das Besondere, das kommt nicht rüber. Dennoch sollten meine Worte jetzt nicht zu kritisch gewertet werden, denn ich habe bislang jedes Buch sehr gerne gelesen und das eben weil Stehl auch Liebesgeschichten erzählt, die vielleicht eher nüchtern sind, dafür aber immer echt. Auch die Art und Weise, wie das Paar am Ende noch einmal auseinandergetrieben wird, ich empfinde es nie als übertriebenes Drama, sondern als wichtiger Schritt auf einer großen Reise zum eigenen Ich und das wiederum passt dann hervorragend zu den Geschichten, die die Autorin drum herum spinnt. Denn diese sind immer kritisch, emotional und tiefsinnig. Übertriebenes Drama würde hier hinten und vorne nicht passen. Damit hat Stehl eine ganze eigene Mischung, aber eine, die man sich im NA-Genre nicht entgehen lassen sollte.

Fazit: Ich fand das Setting von „Worlds Apart“ mit dem TV-Geschäft sehr interessant, auch weil es den aktuellen Zeitgeist trifft. Auch wenn kleinere Klischees mitgenommen wurden, an den entscheidenden Stellen war es genau realistisch-kritisch, wie ich es als Zuschauerin auch empfinde. Dazu zwei sympathische Figuren, die sich in diesen künstlichen Welten nicht wohl fühlen und daher ihren Weg für sich suchen müssen. Wie immer eine sehr erwachsene Erzählung, die wirklich gut erzählt ist.

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