Auftakt einer neuen vielversprechenden Reihe in San Diego
Kaltblütige LügenIch habe wirklich schon lange nichts mehr von Karen Rose gelesen, aber nicht aus dem Grund, weil ich des Genres Erotikthriller überdrüssig geworden wäre, tatsächlich habe ich leider eher den Überblick ...
Ich habe wirklich schon lange nichts mehr von Karen Rose gelesen, aber nicht aus dem Grund, weil ich des Genres Erotikthriller überdrüssig geworden wäre, tatsächlich habe ich leider eher den Überblick über ihre verschiedenen Reihen verloren und die Bücher von meiner Mutter gelesen einfach gesammelt und mir gesagt, irgendwann passt es. Jetzt hat es aber noch viel idealer gepasst, denn mit „Kaltblütige Lügen“ haben wir einen neuen Reihenauftakt, wo die Figuren wirklich isoliert sind vom Rest ihrer Bücher, also wirklich eine Art Neustart, wo ich nicht sofort das Gefühl habe, etwas verpasst zu haben.
Es ist jetzt wirklich einige Jahre seit meinem letzten Karen Rose her, weswegen ich gemerkt habe, dass ich wohl auch ein wenig das Gefühl für ihren speziellen Stil verloren habe. Aber ich habe mich zumindest schnell daran erinnert, dass bei ihr Thriller trotz des Liebesanteils wirklich immer Programm war. Das ist hier nun nicht anders, denn ihre Fälle sind immer auf eine Art brutal und atemraubend, so dass es nichts für zimperliche Nerven ist. Zudem war bei ihr die psychologische Ebene immer schon sehr entscheidend. Das war vor allem dadurch gegeben, dass zunächst die jeweiligen Protagonisten auf ihrer Gefühlsebene sehr intensiv beleuchtet werden. Aber natürlich auch die Reihenverbindung hat dafür gesorgt, weil je intimer so ein Personenkreis wirkt, desto tiefer kann man auf der persönlichen Ebene auch gehen. Gleichzeitig war das Psychologische auch immer durch den Fall selbst bedient, denn die Psyche des Täters ist immer ein Hauptschwerpunkt gewesen. Hier wird es nun auch doppelt bedient, denn der männliche Protagonist, Sam Reeves, ist Psychologe und dementsprechend gelingt mit ihm natürlich auch noch einmal eine sehr fundierte Betrachtung diese Inhaltsebene. Was mir nur auffällt, das ist definitiv, dass „Kaltblütige Lügen“ kein EROTIKthriller ist. Sam und Kit McKittrick entwickeln zwar zarte Schwärmereien füreinander, aber das bleibt auf einer wirklich sehr kinderfreundlichen Ebene. Das Ende des Buchs deutet aber an, dass das auf jeden Fall noch mehr von diesen beiden kommen wird und dann kann sich da natürlich noch etwas entwickeln. Mir hat es aber auch nicht gefehlt, dass es keine erotischen Szenen gab. Natürlich verbinde ich die mit der Autorin, aber die Geschichte hatte ohne auch keine Lücken und das zählt letztlich.
Ich fand die Grundidee, wie Sam und Kit aufeinandertreffen, extrem spannend. Es ist nämlich nicht direkt ein beruflicher Zusammenhang, was durchaus logisch gewesen wäre, weil Polizei und Psychologen durchaus öfters enger zusammenarbeiten, sondern es ist tatsächlich individuell der Fall, wodurch Sam selbst in das Fadenkreuz der Ermittlung geraten ist. Es war extrem gut dargestellt, wie Sam sich mit seinem Gerechtigkeitssinn in eine Situation manövriert, die er sich wohl niemals so ausgemalt hätte, aber sein Inneres hätte auch nicht einfach abwarten können. Ich finde auch, dass Sam ein extrem sympathischer Charakter ist, der manches Mal, gerade wenn Kit und ihre Kollegen ihn objektiv durchleuchten, zu gut für die Welt wirkt, aber durch seine Perspektive merkt man ja auch wirklich, wie er ist. Er ist auch überraschend sensibel, in anderen Genres würde man ihn wohl als etwas nerdy bezeichnen, aber für mich hat das wunderbar in das Bild eines Psychologen gepasst. Natürlich muss er mit seiner Art aufpassen, von diesem Job nicht aufgefressen zu werden, weil er eben sich schwer mit einer Ebene zum Wegpacken von Emotionen tut, aber ihm sind seine Patienten und generell Menschen und ihr Schicksal wichtig. Daher wurde auch gut dargelegt, was es mit ihm macht, ins Visier zu geraten und wie ihr dann aber auch den Ehrgeiz entwickelt, seine Unschuld zu beweisen, indem er den wahren Täter schnappt. Zwar war es vielleicht etwas übertrieben, dass sich ihm alle viel leichter als Kit anvertraut haben, weil es sie doch etwas unfähig aussehen ließ, aber es war sicher auch hier Mittel zum Zweck, um die nächsten Bände vorzubereiten.
Kit als Protagonistin hat mir aber ebenso gut gefallen. Ihre Vergangenheit macht sie speziell interessant und ich fand auch sofort, dass die McKittricks als Familie von zusammengewürfelten Menschen einfach ans Herz gehen mussten. Sie waren eine wunderbare Ergänzung, wie ich aber auch Sams Menschen an seiner Seite nicht vergessen will. Es hat so alles etwas Heimeliges in einer doch angespannten Situation und wo alle dem Bösen ins Auge geguckt haben. Die Geschichte rund um den Mord an Kits Pflegeschwester wird sicherlich auch noch wichtig werden, aber ich fand es gut, dass hier nicht unnötig Pulver schon verschossen wurde, denn so macht man auch wirklich Lust auf mehr und dass man die Reihe unbedingt weiterverfolgen will. Kit hat vor allem bei einem Fall ein aktuelles Pflegegeschwisterkind betreffend gute Instinkte bewiesen, aber es wäre auch übertrieben zu behaupten, dass in dem Fall mit Sam sie nicht auch ihren Beitrag hatte. Sie musste ihn eben auch als potenziellen Kandidaten wirklich ausschließen, auch wenn ihr ihr Bauchgefühl was anderes gesagt hat, aber sie hat da professionell agiert und das hat eben auch gezeigt, wie sie ihrem Job wirklich verschrieben ist. Bei den Partnern an ihrer Seite gab es einiges an Bewegung, ich bin gespannt, wie sich das auch weiterentwickelt, ob es später nur noch Sam sein wird, aber sie hat auf jeden Fall genug Biss. Der Fall an sich, der uns geboten wurde, der hatte es auf jeden Fall in sich und auch wenn ich zwischendurch ein komisches Gefühl hatte wegen des Täters war es mir nicht zu früh aufgelöst. Aber es war auch zuvor erfreulicherweise keine gradlinige Ermittlung. Stattdessen wurden mehrere Ebenen miteinander verknüpft und auch irreführende Spuren gefunden. Die Spannung war also durchweg da.
Fazit: „Kaltblütige Lügen“ hat mir auf jeden Fall gezeigt, dass ich Karen Rose wieder mehr Lesezeit widmen möchte. Ich bin ihr literarisch noch keinesfalls entwachsen und finde auch, dass sie hier einen Reihenauftakt bietet, der für die weiteren Bände genauso viel anbietet wie für sich selbst. Es ist nicht alles rund, es gibt noch Luft nach oben, aber die Unterhaltung, die Spannung und das Potenzial der beiden Protagonisten macht mich hoffnungsfroh.