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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.08.2023

Berührender Roman

Bei euch ist es immer so unheimlich still
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Nachdem mich der erste Roman von Alena Schröder schlicht umgehauen hat, bin ich mit großen Erwartungen in den zweiten Roman um Familie Borowski gegangen.

Silvia Borowski fährt im Jahr 1989 mit ihrer Babytochter ...

Nachdem mich der erste Roman von Alena Schröder schlicht umgehauen hat, bin ich mit großen Erwartungen in den zweiten Roman um Familie Borowski gegangen.

Silvia Borowski fährt im Jahr 1989 mit ihrer Babytochter Hannah von Berlin zurück in ihre Heimat ins baden-württembergische Ildingen zu ihrer Mutter Evelyn. Evelyn und Silvia haben, seit Silvia nach Berlin gegangen ist, keinen bis maximal sporadischen Kontakt. Trotzdem hat Silvia das Bedürfnis, aus Berlin rauszukommen und zu ihrer Mutter zu fahren. Dies ist die eine Zeitebene, während sich die zweite Ebene mit Silvias Aufwachsen in Ildingen befasst. Sie beginnt noch vor Silvias Geburt mit dem Kennenlernen von Evelyn und ihrem zukünftigen Ehemann Karl und begleitet Silvias Aufwachsen. Auch wird im Laufe des Romans klarer, was zu Silvias überstürzter Flucht nach Berlin im Teenageralter geführt hat.

Auch „Bei euch ist es immer so unheimlich still“ habe ich sehr gerne gelesen. So umgehauen wie der erste Roman um Familie Borowski hat mich der zweite Teil nicht, das kann aber auch daran liegen, dass ich zu hohe Erwartungen hatte.

Der Schreibstil von Alena Schröder ist leicht und gut zu lesen und ihr gelingt es, die zum Teil beklemmende Atmosphäre im Ort Ildingen und im Haus Borowski über die Jahrzehnte greifbar und vorstellbar zu machen. Auch die immer komplizierte und distanzierte Beziehung zwischen Evelyn und Silvia ist realistisch beschrieben, weder zu dramatisch oder übertrieben ins Gegenteil verkehrt. Nicht nur die Personen Silvia und Evelyn sind mehrdimensional und plastisch beschrieben, auch die anderen Charaktere haben Raum bekommen und wirken authentisch. Dadurch entwickelt sich eine ganz eigene Spannung.

Alles in allem würde ich „Bei euch ist es immer so unheimlich still“ als ein Plädoyer für Kommunikation und offene Gespräche bezeichnen. Der Roman ist gut geschrieben und schildert die Entwicklung der Beziehung zwischen Mutter und Tochter über mehrere Jahrzehnte anschaulich. Ich kann den Roman weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 23.08.2023

Klare Leseempfehlung!

Vatermal
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Arda liegt mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Krankenhaus und muss hoffen, dass die Ärzt:innen mit den unterschiedlichen Therapieansätzen Erfolg haben. Seine Mutter und Schwester Aylin besuchen ...

Arda liegt mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Krankenhaus und muss hoffen, dass die Ärzt:innen mit den unterschiedlichen Therapieansätzen Erfolg haben. Seine Mutter und Schwester Aylin besuchen ihn abwechselnd und erzählen jeweils ihre Geschichte. Geschichten, die Arda helfen, zu verstehen. Gemeinsam besuchen sie ihn nie – zu tief sind die Verletzungen und Gräben, die Arda und die Leser:innen mehr und mehr nachvollziehen können. Andere Passagen sind Ardas Erinnerungen an sein Aufwachsen, seine Kindheit und Jugend, den Dönerladen, seine Freunde und das Gymnasium, das Warten auf Amtsfluren und die große Schwester, die alles für ihren kleinen Bruder gibt. Seine Vaterlosigkeit und die Frage nach dem wieso ist allgegenwärtig, auch dadurch, dass er seinen Vater zum Teil direkt anspricht.

Obwohl der Roman vor dem Hintergrund der lebensbedrohlichen Situation von Arda spielt, habe ich die Atmosphäre als überhaupt nicht bedrückend empfunden. Necati Öziri beschreibt das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Welten so unaufgeregt, dass ich ihm und seiner Sprache einfach gerne gefolgt bin. Wenn er erschütternde Erlebnisse und Ungerechtigkeiten beschreibt, tut er dies nicht anklagend, sondern als Tatsachenbericht, jedoch nicht ohne den Leser:innen ins Gedächtnis zu rufen, dass es um „echte“ Menschen mit Gefühlen geht. Gerade das hat den Roman für mich so berührend gemacht. Der Roman wirft Fragen auf, lässt einen zum Teil fassungslos zurück. Die Sprache lässt sich sehr gut lesen, ich habe Necati Öziris Schreibstil als sehr passend und oft einfach schön empfunden. Gleichzeitig habe ich als Leserin einiges über die soziale und politische Situation in der Türkei und in Deutschland erfahren, was mir so nicht klar war bzw. was ich mir kaum vorstellen konnte.

Wer sich auf diesen schönen, berührenden und gleichzeitig erschütternden Roman einlassen mag, dem wird „Vatermal“ hoffentlich genauso gut gefallen wie mir.

Veröffentlicht am 28.07.2023

Einfach schön

Die Erinnerungsfotografen
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Das Fotostudio von Herrn Hirasaka ist ein besonderer Ort. Hier kommen die Menschen an, die verstorben sind, bevor sie „ganz hinüber“ gehen. Ein Bote liefert Fotos der verstorbenen Personen und diese haben ...

Das Fotostudio von Herrn Hirasaka ist ein besonderer Ort. Hier kommen die Menschen an, die verstorben sind, bevor sie „ganz hinüber“ gehen. Ein Bote liefert Fotos der verstorbenen Personen und diese haben die Aufgabe, für jedes ihrer Lebensjahre eines auszuwählen. Herr Hirasaka stellt diese dann zusammen, sodass die Verstorbenen sich ihren Lebensfilm ansehen, bevor sie gehen. Sie haben die Möglichkeit gemeinsam mit Herrn Hirasaka zu einem Tag in ihrem Leben zurückzureisen und ein neues Foto aufzunehmen, wenn z.B. das ursprüngliche Foto kaputt ist. Sie können an diesem Tag zwar nichts verändern, aber ihn von außen noch einmal erleben.

„Die Erinnerungsfotografen“ besteht aus drei Geschichten, die theoretisch auch unabhängig voneinander gelesen werden können. Trotzdem würde ich empfehlen, die letzte der drei auch zuletzt zu lesen. In den Geschichten geht es jeweils um einen Verstorbenen, der oder die bei Herrn Hirasaka ankommt und von ihm begleitet wird. So erfährt man als Leser:in vom Übergang der Personen sowie deren Leben, Träumen und Wünschen.

Mir hat jede der Geschichten unwahrscheinlich gut gefallen und mich fast beseelt zurückgelassen. Ich hätte gerne noch weitere Geschichten gelesen und Menschen auf diese Weise kennengelernt. Obwohl ich generell keine Kurzgeschichten lese, hat es die Autorin geschafft, dass ich mich unverzüglich tief in den Geschichten wiedergefunden habe. Ich konnte mir die Orte, die Personen, Gerüche und Geräusche fast so vorstellen, als wenn ich selbst dort gewesen wäre. Die Schreibweise hat mir außerordentlich gut gefallen.

Auch die Aufmachung des doch recht schmalen Buches ist sehr geschmackvoll und hat mit zu einem ganz besonderen, berührenden Leseerlebnis beigetragen.

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung für alle, die nicht immer Action brauchen und Lust haben, zu genießen.

Veröffentlicht am 23.07.2023

Extrem spannend!

Refugium
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Julia Malmros soll den neuen Band der Millenium-Reihe schreiben. Dafür trifft sie zu Recherchezwecken den Hacker Kim Ribbing. Sie üben aufeinander eine merkwürdige Anziehungskraft aus und verbringen gemeinsam ...

Julia Malmros soll den neuen Band der Millenium-Reihe schreiben. Dafür trifft sie zu Recherchezwecken den Hacker Kim Ribbing. Sie üben aufeinander eine merkwürdige Anziehungskraft aus und verbringen gemeinsam Zeit in Julias Haus am Meer. Als auf einer Nachbarinsel in der Mittsommernacht Schüsse fallen, sind die beiden schnell vor Ort. Mehrere Menschen wurden erschossen, einzig die Teenager-Tochter der Gastgeber überlebt.
Julias Ex-Mann leitet die Ermittlungen, während Julia und Kim eigene Nachforschungen anstellen. Auf teils unorthodoxe Weise stechen sie in ein Wespennest…

Ich fand den Thriller wirklich extrem spannend und mochte ihn kaum aus der Hand legen. Der Autor schreibt sehr dicht und die Spannung ist von Seite eins an vorhanden. Die Protagonistinnen sind jeder für sich eine eigene Geschichte wert und obwohl sie mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen haben, sind sie für mich nicht überfrachtet.
Auch inhaltlich ist das Buch immer wieder für eine Überraschung gut, die Ermittlungen beschränken sich bei Weitem nicht auf den Standort Schweden und auch nicht nur auf das engere Umfeld der Ermordeten.
„Refugium“ ist ein Thriller, der sowohl auf Grund der großen Spannung als auch wegen der starken Charakterzeichnungen überzeugt.

Ich freue mich schon auf die weiteren Teile um Julia Malmros und Kim Ribbing und kann den ersten Teil allen empfehlen, die sich auf eine etwas komplexere Handlung einlassen mögen.

Veröffentlicht am 05.07.2023

Spannendes Debüt

Apfelmädchen
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Boden in Schweden: Eine Lehrerin wird erhängt in ihrem Haus gefunden. Zunächst gibt es keinerlei Anhaltspunkte, wer die Frau warum getötet haben könnte. Idun Lind und ihr Partner Calle Brandt beginnen ...

Boden in Schweden: Eine Lehrerin wird erhängt in ihrem Haus gefunden. Zunächst gibt es keinerlei Anhaltspunkte, wer die Frau warum getötet haben könnte. Idun Lind und ihr Partner Calle Brandt beginnen zu ermitteln. Die beiden Ermittler*innen sind sehr unterschiedlich und gehen den Fall auch unterschiedlich an. Neben den Ermittlungen in der Jetzt-Zeit gibt es einen zweiten Strang, der in den Siebzigern beginnt. Im Laufe des Krimis laufen die Stränge langsam zusammen, sodass sich ein Gesamtbild ergibt. Durch weitere Verbrechen ergibt sich ab Mitte des Krimis noch eine zusätzliche Dramatik.

Mir hat „Apfelmädchen“ gut gefallen. Der Krimi lässt sich sehr gut lesen und baut zügig Sog auf. Ich habe gerne weitergelesen und ihn relativ schnell zu Ende gelesen. Irgendwann war zwar klar, auf was der Plot hinausläuft, trotzdem fand ich die Story weiterhin interessant und spannend. Ich mochte die Beschreibungen der vorkommenden Personen, insbesondere auch von Personen, die nicht unbedingt eine große Rolle in der Geschichte spielen (z.B. die Nachbarin der ermordeten Lehrerin). Aber auch die Hauptfigur Idun konnte ich mir durch die authentische Beschreibung sehr gut vorstellen und bietet durchaus Potential für weitere Bände.
An insbesondere einer Stelle im Krimi musste ich mich sehr zusammenreißen, da die Beschreibungen sehr brutal und vorstellbar sind. Ansonsten habe ich den Krimi nicht als unnötig blutig empfunden. Die Schilderungen des zweiten, in der Vergangenheit spielenden, Zeitstrangs habe ich wirklich spannend gefunden, wenn auch zum Teil sehr traurig.

Insgesamt hat mir der Thriller gut gefallen, ich habe ihn als sehr spannend empfunden. Einen zweiten Teil würde ich gerne lesen.