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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.05.2020

Ein Knaller

Leichen, die auf Kühe starren
0

Zum Inhalt:
Luisa, genannt Leo, bekommt ein Angebot, dass sie nicht ablehnen kann (und möchte): Putzkraft bei Irina, einer Dame, deren Ex –Freund ein Gangsterboss war, welcher bei einem Auto-Unfall sein ...

Zum Inhalt:
Luisa, genannt Leo, bekommt ein Angebot, dass sie nicht ablehnen kann (und möchte): Putzkraft bei Irina, einer Dame, deren Ex –Freund ein Gangsterboss war, welcher bei einem Auto-Unfall sein Leben ließ. Für ein horrendes Geld. Das lässt Grizelda, eine Agentin, aufhorchen. Sie denkt, dass Irinas Freund noch lebt und nutzt die Gelegenheit, Luisa einzuschleusen. Währenddessen tauchen Leichenteile auf und der geheime Hansi-Hinterseer-Fanclub möchte eine Trophäe ergattern.

Mein Eindruck:
Was für ein grandioser Blödsinn, den sich die Autorin für ihre Geschichte in den Kitzbühler Alpen ersonnen hat. Alleine die Tier-Akteure (Schnappschildkröte, Dobermann und Kuh), brav mit Namen ausgestattet, sind schon ein Lesen des Krimis wert. Dabei enthält er sogar ein bisschen Gesellschaftskritik: Kitzbühel ist so teuer (ähnlich wie in Deutschland Sylt), dass Einheimische keine Möglichkeit mehr finden, bezahlbaren Wohnraum zu finden, da vieles als Zweitwohnsitz nur zum Teil genutzt wird und über das Jahr leer steht. In der Hauptsache bietet das Buch jedoch skurriles Menschen-Material: Eine alte Agentin, die immer noch über psychische und physische Kraft verfügt, ein Fanclub, der nur aus Männern besteht, die nicht dabei ertappt werden wollen, dass sie ihrem Star huldigen und Hotelmitarbeiter und –gäste, die jenseits aller Konventionen agieren und Einblicke in ihre Seelenwelt bieten.
Der Schreibstil Kruses ist absolut amüsant und verhilft – abseits von einer abstrusen Krimihandlung – zu vielen Schmunzel-Einheiten. Glücklicherweise lässt sie den Dialekt beiseite und so ist eine gute Lesbarkeit garantiert. Den Hass auf die Wiener, der bei ihrer Polizeifigur Köttel deutlich wird, ist in Österreich durchaus vorhanden und sorgt für ein bisschen Glaubwürdigkeit in einer durchgeknallten Geschichte.
Zum Schluss ist alles aufgeklärt (sehr schön bei einem Kriminalroman), trotzdem ist eine Fortsetzung mit den gleichen Hauptcharakteren bei einer anderen Geschichte möglich. Perfekt!

Mein Fazit:
In der Überzeichnung liegt die Kraft!

Veröffentlicht am 22.05.2020

Das schwedische Trauma

Achtzehn
2

Zum Inhalt:
Axel Sköld arbeitet als freier Mitarbeiter beim schwedischen Radio und erstellt Podcasts. Momentan wähnt er sich auf einer spannenden Fährte, welche die Entdeckung der Panama Papers in den ...

Zum Inhalt:
Axel Sköld arbeitet als freier Mitarbeiter beim schwedischen Radio und erstellt Podcasts. Momentan wähnt er sich auf einer spannenden Fährte, welche die Entdeckung der Panama Papers in den schwedischen Schatten stellen könnte: Die Aufklärung von drei verdächtigen Todesfällen, die das Land erschütterten, - unter ihnen der Mord an Olof Palme. Dass er mit seinen Vermutungen in ein Wespennest stößt, welches ihn nicht nur den Job kostet, sondern ihn und sein Umfeld in höchste Gefahr bringt, wird Axel erst richtig bewusst, als er eine Waffe auf sich gerichtet sieht. Denn er legt sich nicht mit irgendwem an, - sein Gegner ist eine ganze Gruppe, die seit 200 Jahren die Geschicke Schwedens abseits der Regierungen lenkt. Und diese mächtigen Männer denken nicht daran, sich in die Suppe spucken zu lassen.

Mein Eindruck:
Vor allen Dingen der Mord an Olof Palme – bis heute nicht aufgeklärt – ist ein Trauma in der jüngeren, schwedischen Geschichte. Die Möglichkeit, dass ein Geheimbund seine Finger im Spiel dabei hatte, ist eine von vielen Überlegungen. Anton Berg nutzt seine Kenntnisse der schwedischen Medienlandschaft (er arbeitet wie sein Protagonist als Podcast-Produzent für das staatliche Radio), diese Verschwörungstheorie glaubhaft an die Leserschaft zu bringen. Amüsant dabei ist eine gewisse Medienschelte, die ihn möglicherweise als Nestbeschmutzer auf die Füße fallen könnte.
Besonders gut gefallen in diesem Roman Bergs lebensechte Figuren, wobei er gendertechnisch sehr ausgefallen agiert: Die Frauen sind eher hart und kompromisslos, die Männer zeigen Gefühle und Idealismus bis zur Selbstaufgabe (wenn man einmal von den Strippenziehern absieht). Außerdem ist es überaus erfreulich, dass es zwar Morde und sehr gefährliche Szenen gibt, sie aber nicht in Blutdurst und Gemetzel als Selbstzweck verfallen. Der Stil Bergs ist genial: Die Bröckchen, die er Axel und damit den Lesern in Zeitlupe hinwirft, halten den Spannungsbogen gespannt und führt zu einem Suchtverhalten, welches das Umblättern der Seiten in schneller Folge bewirkt. Zumeist ist Axel die Person, an die sich die Lesersicht ankert, - es gibt jedoch auch Episoden, die sich mit anderen Charakteren befassen und Einblicke in die Gedankengänge von Tätern und Opfern bieten.
Das Ende schreit nach einer Fortsetzung, ob es diese geben wird und kann, steht jedoch am skandinavischen Firmament. Zu viele „echte“ Vorgänge werden angesprochen, die nun einmal entweder nicht erklärbar sind oder Zivilklagen nach sich ziehen könnten. Und so wird wahrscheinlich das Leserherz bluten müssen.

Mein Fazit:
Bei aller Qual zum Schluss ein perfekter Krimi

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 21.05.2020

Tod dem Heimatkrimi

SoKo Heidefieber
0

Zum Inhalt:
Ein Heimatkrimi-Verfasser wird ermordet, - und bei einer Leiche bleibt es nicht. Der Täter orientiert sich bei seinen Morden an den absurden Tötungsszenarien, welche die Schriftsteller für ...

Zum Inhalt:
Ein Heimatkrimi-Verfasser wird ermordet, - und bei einer Leiche bleibt es nicht. Der Täter orientiert sich bei seinen Morden an den absurden Tötungsszenarien, welche die Schriftsteller für ihre literarischen Opfer ersonnen haben. Eine Sonderkommission mit Namen Heidefieber wird eingerichtet und insbesondere Gerold Gerold und Ute Fischer mühen sich redlich, bevor noch mehr Morde passieren. Dabei kämpfen sie nicht nur gegen den Täter: Innerhalb der Polizei ergeben sich Privatscharmützel und der sehr von sich eingenommene Autor König macht ihnen zusätzlich das Leben schwer. Währenddessen kämpft der Verfasser Frank Schulz nach einem von König initiierten Shitstorm und durch den Einfluss eines korrupten Griechen um sein Leben.

Mein Eindruck:
Eine Groteske, die an den sehr schrägen und sehr blutigen Humor eines Quentin Tarantino erinnert – in deutschen Landen und brutaler als Fitzek und Carter zusammen. Und man fragt sich unwillkürlich, ob die echten Verfasser von Heimatkrimis dieses Buch mit Humor nehmen oder Gerhard Henschel einem Schicksal wie Frank Schulz überantworten möchten, welcher mit diversen Schwerst-Verbrechern, bösartigen Tieren und anderen Naturgewalten um seinen Leben kämpfen muss. Denn alleine wie er – in Zitaten – die schlechte Schreibe seiner imaginären Kollegen aufs Korn nimmt, ist ein ums andere Mal einen lauten Lacher wert. Dazu rüstet er sie mit vielen unsympathischen Charakterzügen aus, die in ihrer (hoffentlich!!) Überzeichnung sehr humorvoll wirken. Die vielen Abenteuer, die Frank Schulz allein gegen alle erlebt, wären sogar ein Extra-Buch wert gewesen, lockern hier die Atmosphäre mit ihrem galligen Humor zusätzlich auf. Leider gibt es jedoch zwei große Kritikpunkte: Die zum größten Teil nicht übersetzten Teile in lautsprechendem Dialekt sind oft schwer zu lesen, die Nicht-Erklärung des Umstands, dass der Täter keinerlei Spuren hinterlässt (nur Plastiktüten um die Füße sind bestimmt nicht genug) und die Opfer immer noch reichlich dämlich in seine Fallen tappen, obwohl schon Alarmstufe rot herrscht, schmälern das Vergnügen.

Mein Fazit:
Für eine größtenteils herrlich verrückte Geschichte vier von fünf Heidschnucken.

Veröffentlicht am 16.05.2020

Finale

Die Herren der Zeit
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Zum Inhalt:
"Die Herren der Zeit" ist das Literaturereignis in Vittoria, doch der Autor des Historiendramas ist unbekannt. Bei einer avisierten Lesung, bei der auch Unai, der "Kraken", mit seiner gesamten ...

Zum Inhalt:
"Die Herren der Zeit" ist das Literaturereignis in Vittoria, doch der Autor des Historiendramas ist unbekannt. Bei einer avisierten Lesung, bei der auch Unai, der "Kraken", mit seiner gesamten Familie anwesend ist, kommt ein Unternehmer zu Tode - auf die gleiche Art, die auch in dem Bestseller beschrieben ist. Weitere Morde folgen, alle angelehnt an Todesarten des Mittelalters. Unai macht sich gemeinsam mit seinen Kollegen auf die Suche nach Mörder und Motiv dieser Serie.

Mein Eindruck:
Ein bisschen ist man hin- und hergerissen. Einerseits ist das Buch wunderbar geschrieben, die geteilte Erzählung mit dem Buch im Buch ein schöner Einfall, die Verquickungen beider Geschichten gut gemacht, die Verweise auf frühere Bücher vorhanden, aber so, dass dieses Buch ohne Kenntnis der Vorgänger gelesen werden kann.
Dennoch ist es gut, dass die Trilogie mit diesem Band ihren Abschluss findet, denn die Story beginnt sich im Kreis zu drehen. Wieder Mord(versuch)e im direkten Umfeld Unais, wieder Vergangenheit, wieder Geisteskrankheit als Gegenstand und wieder jede Menge Selbstzweifel. Während der unverwüstliche Großvater Unais ein echter Held der Geschichte ist, verliebt sich die engste Kollegin in den Hauptverdächtigen (und niemand stoppt sie) und spricht seine Tochter Deba (als Zweijährige!!) schon in Nebensätzen. Glaubwürdige Charaktere und Umstände sind eher anders gestrickt, aber welcher Leser braucht schon Glaubwürdigkeit?
Außerdem sind es für einen Nichtkenner der spanischen Namensgebung große Anforderungen, die an das Verständnis gestellt werden und durch die Vielzahl der Personen im Hier und Jetzt und in der Vergangenheit wäre das Namensglossar am Anfang des Buches hilfreicher gewesen, - möglicherweise mit kleinen Änderungen, um nicht auf die Täter-Umstände hinzuweisen.
Die Aufklärung des Falls führt zu einiger Verblüffung, ist aber folgerichtig und deshalb überaus gelungen. Mit den neuen Perspektiven für Unai tut sich die Autorin einen Gefallen, denn noch mehr Morde aus der Vergangenheit im privaten Umfeld würde nicht nur seine Familie, sondern wohl auch die Leserschaft nicht mehr verkraften.

Mein Fazit:
Ein glückliches Ende in jeder Beziehung

Veröffentlicht am 13.05.2020

Wahnsinn

Das Gesicht am Fenster
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Zum Inhalt:
Sophie Carter zieht nach einem traumatischen Erlebnis gemeinsam mit ihrem Mann Colin und dessen Kindern Oliver und Kate in ein schweizerisches Bergdorf in der Nähe des CERN. Da die Kinder Betreuung ...

Zum Inhalt:
Sophie Carter zieht nach einem traumatischen Erlebnis gemeinsam mit ihrem Mann Colin und dessen Kindern Oliver und Kate in ein schweizerisches Bergdorf in der Nähe des CERN. Da die Kinder Betreuung benötigen, wird Agatha engagiert, eine höfliche und patente ältere Dame. Alles scheint perfekt, doch dann verschwindet ein Junge – Peter - und Oliver erfährt in der Schule, dass Peter nicht der erste ist, dem ein solches Schicksal widerfährt. Dazu passieren seltsame Dinge im Umfeld der Carters, die Stimmung wird immer bedrohlicher und belastet die Beziehungen zu den Dorfbewohnern und innerhalb der Familie. Als den Carters die Zusammenhänge klar werden, ist es spät, - möglicherweise zu spät?

Mein Eindruck:
Okay, als geübter Thriller-Leser merkt man sehr schnell, wohin der personelle Bösewicht-Hase läuft, aber die Geschichte ist so wahnsinnig gut geschrieben, dass dieser Punkt überhaupt nicht stört. „Das Gesicht am Fenster“ ist eines der wenigen Bücher, bei denen man wirklich nicht aufhören kann zu lesen, einfach, weil man unbedingt wissen will, wie das Ende aussieht.
Dazu konstruiert Krüger durch seine dauernden Perspektivwechsel und die Schrecken und Bedrohungen, die gleich mehrere Figuren betreffen, ein Dauer-Unwohlsein, welches er immer wieder noch zu steigern vermag. Einige kleinere Ungereimtheiten wie zum Beispiel größeres Vertrauen in der Außen- als in der Innensicht verzeiht man gerne, - insbesondere deshalb, weil der Autor es geschickt durch eine seiner Figuren ansprechen lässt.
Absolut meisterhaft sein Schluss, - eine unbedingte Leseempfehlung!


Mein Fazit:
Eine böse Perle des Genres

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