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Veröffentlicht am 22.02.2022

Empörende Umweltsünden

Unser kostbares Leben
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Mainheim, eine Kleinstadt an den Ausläufern des Taunus, im Jahr 1972: Die zehnjährige Caro Stern und ihre gleichaltrige Freundin Minka Schönwetter müssen miterleben, wie ihr Klassenkamerad Guy Meyfahrt ...

Mainheim, eine Kleinstadt an den Ausläufern des Taunus, im Jahr 1972: Die zehnjährige Caro Stern und ihre gleichaltrige Freundin Minka Schönwetter müssen miterleben, wie ihr Klassenkamerad Guy Meyfahrt vor ihren Augen verunglückt. Am selben Tag trifft die vietnamesische Vollwaise Claire, ebenfalls zehn Jahre alt, im Kinderheim ein. Das Netzwerk von Caros und Minkas Vätern, des Schokofabrikdirektors und des Bürgermeisters, beginnt zu arbeiten. Allmählich realisieren die beiden Freundinnen, dass in ihrer Stadt nichts mehr stimmt: Umweltverbrechen und andere Ungeheuerlichkeiten passieren….

„Unser kostbares Leben“ ist ein Roman von Katharina Fuchs.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Büchern, die sich aus insgesamt mehr als 80 Kapiteln zusammensetzen. Die Handlung spielt in den Jahren 1972 bis 1983. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven.

Der Schreibstil ist anschaulich, aber manchmal fast ermüdend ausschweifend und detailliert. Eingefügt sind Liedtexte, Briefe und andere Auszüge.

Das Personal ist sehr umfangreich und daher teilweise unübersichtlich. Zwar stehen Minka, Caro und später ebenfalls Claire überwiegend im Vordergrund der Geschichte. Der Fokus schwenkt jedoch immer wieder auch auf weitere Figuren. Darunter leidet die Stringenz ein wenig.

Auch darüber hinaus ist der Roman inhaltlich überfrachtet. Neben der Umweltproblematik, die mich am meisten gereizt hat, tauchen überraschend viele weitere Themen auf, die die Geschichte zwar abwechslungsreich machen, aber auch unnötig ausschmücken. So ergeben sich auf den mehr als 600 Seiten einige Längen - zumal Spannungsmomente nicht allzu zahlreich eingestreut sind.

Wie schon bei den anderen Romanen von Katharina Fuchs ist der Geschichte die fundierte Recherche anzumerken. Selbst diejenigen, die die 1970er- und 80er-Jahre (teilweise) noch in Erinnerung haben, können bei der Lektüre nebenbei einiges lernen.

Das Cover gefällt mir sehr gut, obwohl es keinen direkten inhaltlichen Bezug gibt. Der Titel ist wenig konkret, passt aber hervorragend zu den sonstigen Romanen der Autorin.

Mein Fazit:
Mit „Unser kostbares Leben“ hat Katharina Fuchs ihren bisher schwächsten Roman abgeliefert. Zwar kann die Geschichte durchaus unterhalten. Sie kommt aber leider nicht an die Vorgängerbücher heran.

Veröffentlicht am 18.02.2022

Kein Mensch kommt alleine ins Ziel

Manifesto. Warum ich niemals aufgebe. Ein inspirierendes Buch über den Lebensweg der ersten Schwarzen Booker-Prize-Gewinnerin und Bestseller-Autorin von »Mädchen, Frau etc.«
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Im Jahr 1959 als Tochter einer englischen Mutter und eines nigerianischen Vaters in Großbritannien geboren, ist Bernadine Evaristo im Süden Londons aufgewachsen. Schwarz, weiblich, mit bisexuellen Neigungen ...

Im Jahr 1959 als Tochter einer englischen Mutter und eines nigerianischen Vaters in Großbritannien geboren, ist Bernadine Evaristo im Süden Londons aufgewachsen. Schwarz, weiblich, mit bisexuellen Neigungen und aus ärmeren Verhältnissen stammend: Sie ist prädestiniert dafür, diskriminiert, beleidigt und in vielerlei Hinsicht benachteiligt zu werden. Aber Bernardine Evaristo lernte schon früh, dass es sich lohnt, ihr Leben zu leben und nicht aufzugeben. Denn sie hat es 2019 schließlich geschafft, als erste Schwarze Frau den renommierten Booker-Preis zu gewinnen und den internationalen Durchbruch zu schaffen…

„Manifesto - Warum ich niemals aufgebe“ ist ein Memoir von Bernardine Evaristo.

Meine Meinung:
Das Sachbuch besteht aus sieben nummerierten Kapiteln, die von einer kurzen Einleitung und von einer Schlussbemerkung eingerahmt werden. Eine kreative Idee: Die Nummer der Kapitel ist jeweils in fünf Sprachen ausgeschrieben. Das eigentliche Manifest beschränkt sich auf zwei Seiten, die erst nach der Schlussbemerkung folgen.

Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Bernardine Evaristo. Dabei ist das Memoir nicht chronologisch angelegt, sondern thematisch. Es geht um ihre Herkunft, ihr Zuhause, ihre Beziehungen, ihre Theaterarbeit, ihr literarisches Schaffen, ihre Einflüsse und ihre Wandlung. Was nach einer klaren Trennung klingt, geht bisweilen durcheinander. Dennoch halte ich diesen Aufbau für durchaus sinnvoll und durchdacht.

Schön finde ich, dass die Autorin auch Aufnahmen aus ihrer privaten Fotosammlung teilt. Mehr als 20 Bilder zeigen die Autorin und ihre Familie im Laufe der Jahre.

Nachdem ich das prämierte Buch der Autorin gelesen hatte, habe ich Lust darauf bekommen, mehr über diese interessante Persönlichkeit zu erfahren. Das Leben der Autorin an sich möchte ich nicht bewerten. Allerdings habe ich mich beim Lesen ihrer autobiografischen Schilderungen keineswegs gelangweilt.

Mit ihrer Geschichte möchte sie inspirieren und in meinem Fall ist ihr das in gewissem Maße auch gelungen. Ich muss dazu sagen, dass ich in Hinblick auf Rassismus, Sexismus und Homophobie glücklicherweise nicht die Erfahrungen der Autorin teilen muss. Mit ihren Erlebnissen kann ich mich daher nur bedingt identifizieren. Dennoch haben mich ihre Erinnerungen nicht unbeeindruckt gelassen. Ihr Appell, die Kreativität zu nutzen, und die sonstigen Lehren, die ihr das Leben beschert hat, sind zudem zu unterstützen.

Der Schreibstil ist sehr persönlich gefärbt und zeugt von Offenheit. Sprachlich kommt das Memoir nicht an „Mädchen, Frau etc.“ heran, was mich allerdings nicht gestört hat.

Den aus dem Englischen übernommenen Titel empfinde ich als etwas irreführend, weil das Buch in allererster Linie ein Memoir ist, kein Manifest im eigentlichen Sinne. Der Untertitel, der sich ebenfalls stark am Original orientiert, ist dagegen eine gute Wahl. Das Coverfoto, das die Autorin zeigt, finde ich in mehrfacher Hinsicht als Optik gelungen.

Mein Fazit:
„Manifesto - Warum ich niemals aufgebe“ von Bernardine Evaristo ist ein lesenswertes Memoir.

Veröffentlicht am 17.02.2022

Vor den Augen der Mitbewohner verhungert

Wir sind das Licht
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In einem Reihenhaus in den Niederlanden: Elisabeth van Hellingen stirbt an einem frühen Morgen an Unterernährung. Ihre drei Mitbewohner der Wohngruppe Klang & Liebe sind dabei. Peter Zwarts, Muriel de ...

In einem Reihenhaus in den Niederlanden: Elisabeth van Hellingen stirbt an einem frühen Morgen an Unterernährung. Ihre drei Mitbewohner der Wohngruppe Klang & Liebe sind dabei. Peter Zwarts, Muriel de Vree und Elisabeths Schwester Melodie sind ebenfalls abgemagert. Sie werden festgenommen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung.

„Wir sind das Licht“ ist der Debütroman von Gerda Blees.

Meine Meinung:
Aufgeteilt ist der Roman in 25 eher kurze Kapitel. Bei jedem wechselt die Erzählperspektive. Das Ungewöhnliche dabei: Erzählt wird nicht nur aus der Sicht von menschlichen Figuren, sondern auch aus der von Gegenständen und sogar eher abstrakten Begriffen. Das funktioniert - mit nur kleinen Unstimmigkeiten - sehr gut und sorgt für ein besonderes Lesevergnügen.

Die Handlung spielt in einer nicht näher beschriebenen Stadt in den Niederlanden. Sie erstreckt sich über wenige Tage. Erzählt wird chronologisch, unterbrochen von nur wenigen Rückblenden.

Auch in sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman überzeugt. Die Ausdrucksweise variiert ausreichend zwischen den unterschiedlichen Perspektiven. Zudem verfügt der Roman - trotz der ernsten Thematik - über eine Menge Wortwitz.

Zu den vier Protagonisten bleibt man in gewisser Distanz. Das hält die Spannung aufrecht. Obwohl man nicht viele Details zu den persönlichen Hintergründen der Personen erfährt, wirken die Charaktere authentisch.

Inhaltlich ist der Roman beklemmend. Wie kann es so weit kommen, dass eine erwachsene Frau ohne Not an Unterernährung stirbt? Wie kann es sein, dass ihre Wohngemeinschaft tatenlos zugesehen hat? Diesen zwei Fragen geht die Geschichte nach, die lose auf einer wahren Begebenheit basiert: Die Autorin wurde von dem Tod einer Frau im Sommer 2017 inspiriert, die in einer Wohngruppe in Utrecht lebte. Im Roman werden die näheren Umstände eines solchen Vorfalls geschildert. Unfassbar und unbegreiflich ist mir das Ganze aber dennoch geblieben, und so soll es vermutlich auch sein. Der unnötige Tod hat mich betroffen und nachdenklich gemacht.

Thematisch ist der Roman durchaus sehr aktuell und hat auch gesellschaftspolitische Dimensionen. Es geht um psychische Manipulation, alternative Wahrheiten, das Negieren von wissenschaftlichen Tatsachen und ähnliche Aspekte, die ich an dieser Stelle nicht vorwegnehmen möchte.

Trotz der Dramatik der Ausgangssituation ist das Erzähltempo eher ruhig. Die Handlung auf den weniger als 240 Seiten ist darüber hinaus überschaubar. Dennoch konnte mich der Roman konstant fesseln. Schlüssig und stimmig ist für mich, dass die Geschichte nicht alle Fragen komplett beantwortet und Platz für eigene Interpretationen lässt.

Der deutsche Titel ist wortgetreu aus dem Niederländischen („Wij zijn Licht“) übernommen. Er passt sehr gut zum Inhalt. Das gilt auch für das ungewöhnliche Cover.

Mein Fazit:
„Wir sind das Licht“ von Gerda Blees ist ein aus erzählerischer und inhaltlicher Sicht sehr außergewöhnlicher und lesenswerter Roman. Eine empfehlenswerte Lektüre, die noch lange nachhallen wird.

Veröffentlicht am 14.02.2022

Ein bisschen Esel, ein bisschen Zebra

Grimm und Möhrchen – Ein Zesel zieht ein
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Eines regnerischen Tages staunt Buchhändler Grimm nicht schlecht. In seinem kleinen Laden am Dorfplatz taucht plötzlich Möhrchen auf. Das Tier ist ein Zesel - ein bisschen Esel, ein bisschen Zebra. Zusammen ...

Eines regnerischen Tages staunt Buchhändler Grimm nicht schlecht. In seinem kleinen Laden am Dorfplatz taucht plötzlich Möhrchen auf. Das Tier ist ein Zesel - ein bisschen Esel, ein bisschen Zebra. Zusammen wollen die beiden Geschichten sammeln…

„Grimm und Möhrchen – Ein Zesel zieht ein“ von Stephanie Schneider ist ein Vorlesebuch für Kinder ab fünf Jahren.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus 13 Kapiteln. Mit seiner großen und deutlichen Schrift eignet es sich sowohl zum Vorlesen als auch als Lektüre für Grundschüler.

Der Text ist altersgemäß unkompliziert und leicht verständlich. Was auch Erwachsenen Vergnügen bereitet, ist der Wortwitz, der sich durch das gesamte Buch zieht.

Die farbenfrohen Illustrationen von Stefanie Scharnberg sind rundum gelungen. Sie sind modern, aber auch mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Manche Zeichnungen erstrecken sich über eine Doppelseite, manche sind nur schmückendes Beiwerk. Allen gemeinsam ist, dass sie die Geschichte auf hübsche Weise bereichern und das Textverständnis erleichtern.

Praktisch sind die zwei Lesebändchen, denn das Buch mit seinen mehr als 100 Seiten lässt sich nicht in einem Rutsch lesen.

Die kreative Idee, ein kleines Mischwesen von Esel und Zebra zum Protagonisten der Geschichte zu machen, geht voll auf. Den niedlichen Zesel mit seiner etwas frechen, aber lustigen und sympathischen Art habe ich schnell lieb gewonnen. Wegen seines freundlichen und klugen Charakters ist Grimm, der zweite Protagonist, ebenfalls eine liebenswürdige Figur.

Auch die sonstige inhaltliche Umsetzung halte ich für gelungen. Dass der Wert von Freundschaft und Gemeinschaft betont wird, empfinde ich als schöne Botschaft. Die einzelnen Episoden sind gleichsam fantasievoll, charmant und alltagsbezogen.

Das hübsche Cover gefällt mir optisch sehr gut und passt zum Inhalt des Buches. Der Titel ist ebenfalls treffend ausgewählt.

Mein Fazit:
Mit „Grimm und Möhrchen – Ein Zesel zieht ein“ weiß Stephanie Schneider gleichermaßen Groß und Klein zu begeistern. Eine Fortsetzung würde mich freuen.

Veröffentlicht am 12.02.2022

Drei Jahrhunderte, drei Geschichten

Zum Paradies
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Amerika in drei Jahrhunderten: David Bingham, der junge Spross einer angesehenen Familie, verschmäht im Jahr 1893 einen standesgemäßen Verehrer, weil er sich in einen mittellosen Musiklehrer verliebt hat. ...

Amerika in drei Jahrhunderten: David Bingham, der junge Spross einer angesehenen Familie, verschmäht im Jahr 1893 einen standesgemäßen Verehrer, weil er sich in einen mittellosen Musiklehrer verliebt hat. 100 Jahre später wohnt ein junger Hawaiianer mit einem deutlich älteren, reichen Mann zusammen und verheimlicht ihm seine Familiengeschichte. Im Jahr 2093 möchte Charlie, die Enkelin eines mächtigen Wissenschaftlers, herausfinden, wohin ihr Mann wöchentlich verschwindet.

„Zum Paradies“ ist ein Roman von Hanya Yanagihara.

Meine Meinung:
Der Roman umfasst drei Bücher, die aus unterschiedlich vielen nummerierten Teilen bestehen. Dabei gibt es drei verschiedene Erzählstränge. Der erste spielt in einer alternativen Vergangenheit im späten 19. Jahrhundert, der zweite in den 1990er-Jahren und der dritte in der Zukunft im späteren 21. Jahrhundert. Auch die Schauplätze wechseln, wobei ein Schwerpunkt auf New York liegt. In den Innenklappen sind drei Karten abgedruckt, die die Örtlichkeiten während der drei Jahrhunderte abbilden. Ein hübsches und hilfreiches Extra.

Erzählt wird nicht immer chronologisch. Es gibt vor allem innerhalb des dritten Buches einige Zeitsprünge. Erzählt wird im Roman zudem aus wechselnden Perspektiven, zum Beispiel aus der Ich-Perspektive. Dieser Aufbau macht ein aufmerksames Lesen erforderlich.

Besonders in sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman überzeugt. Der Schreibstil ist atmosphärisch stark. Die Erzählstimmen wirken äußerst authentisch und sind an die verschiedenen Personen und Epochen angepasst. Strukturelle Unterbrechungen wie eingefügte Briefe sorgen ebenfalls für Variation.

In inhaltlicher Sicht bietet der Roman auf rund 900 Seiten eine Menge Stoff. Ein großer Pluspunkt sind die kreativen Visionen einer möglichen Zukunft und die Vorstellungskraft in Bezug auf eine alternative Vergangenheit. Beides macht den Reiz der Geschichte für mich aus. Thematisch weist der Roman darüber hinaus mehrere aktuelle Bezüge auf. Namen und Motive wiederholen sich zwar. Allerdings macht das Buch insgesamt leider einen inkohärenten Eindruck.

Der Roman beginnt recht stark im ersten Teil. Danach wird das Buch zwischenzeitlich langatmig und verwirrend, um in der zweiten Hälfte wieder seine Stärken auszuspielen.

Gut gefallen hat mir, wie die Autorin mit den Erwartungen und Annahmen ihrer Leserschaft spielt. Am Ende bleiben durchaus einige Fragen offen, was mich hier in diesem Fall jedoch nicht gestört hat. Vielmehr mochte ich es, dass der Roman Raum für eigene Überlegungen lässt.

Das Cover hat einen hohen Wiedererkennungswert und gefällt mir gut. Der Titel der amerikanischen Originalausgabe („To Paradise“) wurde erfreulicherweise wortgetreu übersetzt.

Mein Fazit:
„Zum Paradies“ von Hanya Yanagihara ist ein herausfordernder, aber auch besonderer Roman. Eine eigenwillige und doch lesenswerte Lektüre, die ich trotz ihrer kleineren Schwächen nicht bereut habe.