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Veröffentlicht am 05.08.2021

Doras Weg geht weiter

Die Heimkehr der Störche (Die Gutsherrin-Saga 2)
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Deutschland in den 1950er-Jahren: Nach der Vertreibung aus Ostpreußen ist Dora Twardy auf einem Hof in der Lüneburger Heide gelandet. Die Gutstochter harrt dort lange aus, fühlt sich aber nicht wohl. Als ...

Deutschland in den 1950er-Jahren: Nach der Vertreibung aus Ostpreußen ist Dora Twardy auf einem Hof in der Lüneburger Heide gelandet. Die Gutstochter harrt dort lange aus, fühlt sich aber nicht wohl. Als sie mit Ende 20 die Zusage für ein Studium in Ostberlin erhält, macht sie sich auf den Weg dorthin. Ihr Ziel: Sie will Tierärztin werden. Außerdem hofft sie, in der großen Stadt endlich ihren geliebten Curt von Thorau wiederzusehen, der seit dem Kriegsende verschwunden ist...

„Die Heimkehr der Störche“ ist der zweite Teil der Gutsherrin-Saga von Theresia Graw.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen mit insgesamt 49 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Die Geschichte endet mit einem knappen Epilog in Briefform. Die Handlung beginnt im Mai 1952 und umfasst mehrere Jahre in den 1950ern. Einheitliche Orts- und Zeitangaben wären daher hilfreich gewesen. Erzählt wird vorwiegend aus der Sicht Doras. Der Aufbau ist schlüssig und durchdacht.

Der Schreibstil ist nicht besonders, aber gewohnt anschaulich und lebhaft. Viele Dialoge und Beschreibungen lassen das Geschehen bildhaft vor dem geistigen Auge erscheinen. Eingefügt sind mehrere Briefe und Schriftstücke.

Obwohl der Roman eine Fortsetzung ist, lassen sich beide Teile unabhängig voneinander lesen. Es ist für das Verständnis nicht nötig, den ersten Band zu kennen. Es empfiehlt sich aber. Unglücklich finde ich die Vermarktung. Erst bei einem genaueren Blick lässt sich feststellen, dass es sich um eine mehrteilige Saga handelt. Das gilt auch für den ersten Band, der nicht als Reihenauftakt ausgewiesen wurde. Das ist etwas ärgerlich, wenn man - wie ich - eigentlich nicht immer wieder neue Reihen anfangen möchte.

Wieder steht Dora im Vordergrund der Geschichte. Wie im ersten Band war sie mir nicht in allen Punkten sympathisch. Die Protagonistin wirkt jedoch um einiges reifer und hat eine glaubhafte Entwicklung hinter sich. Auch die übrigen Charaktere sind interessant ausgestaltet.

Wie schon beim ersten Teil hat sich die Autorin von ihrer eigenen Familiengeschichte inspirieren lassen, hier und da aber fiktive Elemente mit tatsächlichen historischen Ereignissen verwoben. Sie habe sich auf Zeitungsartikel, Dokumentationen, Rundfunk- und Augenzeugenberichte gestützt, heißt es in dem leider nicht sehr ausführlichen Nachwort. Diese fundierte Recherche ist dem Roman an mehreren Stellen anzumerken. Auf unterhaltsame Weise wird nebenbei deutsch-deutsche Historie vermittelt.

Mit mehr als 600 Seiten ist das Buch ein richtiger Schmöker. Die Handlung ist jedoch größtenteils so kurzweilig und fesselnd, dass sich der Roman sehr schnell lesen lässt.

Das Cover finde ich nicht nur sehr hübsch, sondern auch inhaltlich passend. Der Titel fügt sich gut in die Reihe ein und ist auch im metaphorischen Sinn zutreffend.

Mein Fazit:
Mit „Die Heimkehr der Störche“ ist Theresia Graw eine lesenswerte Fortsetzung der Gutsherrin-Saga gelungen, die mir trotz kleinerer Schwächen sogar noch besser als der erste Teil gefallen hat.

Veröffentlicht am 04.08.2021

Ein guter Mensch

Julius oder die Schönheit des Spiels
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Julius von Berg ist am Mittelrhein aufgewachsen, bevor er sein Talent im Tennis in den 1920er- und 1930er-Jahren voll ausspielen kann. Auch international wird er ein Star in seinem Sport. Seine Frau Julie ...

Julius von Berg ist am Mittelrhein aufgewachsen, bevor er sein Talent im Tennis in den 1920er- und 1930er-Jahren voll ausspielen kann. Auch international wird er ein Star in seinem Sport. Seine Frau Julie ist bei den Spielen dabei. Und die Größen im Nationalsozialismus verfolgen sein Auftreten bei den Turnieren ebenfalls. Somit steht für Julius mehr als nur der Sieg auf dem Spiel. Wie soll er sich in diesen Zeiten verhalten? Er muss eine schwierige Entscheidung treffen.

„Julius oder die Schönheit des Spiels“ ist ein Roman von Tom Saller.

Meine Meinung:
Der erste „Satz“ besteht aus acht Kapiteln, der zweite Teil aus elf weiteren, der dritte und letzte „Satz“ aus kurzen Abschnitten. Die Handlung spielt zwischen 1907 und 1938. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Julius. Zudem gibt es einen zweiten Erzählstrang, der im Jahr 1984 spielt. Orts- und Zeitangaben machen die Orientierung leicht.

Der unverwechselbare, unaufgeregte Schreibstil gefällt mir wieder gut. Dem Autor gelingt es, mit wenigen Worten viel Atmosphäre und anschauliche Bilder zu transportieren.

Die Charaktere wirken authentisch. Im Fokus steht zweifelsohne Julius, der Gentleman seines Sports. Er wird als guter Mensch dargestellt, ohne dass er als Figur langweilig erscheint.

Gereizt an der Lektüre hat mich, dass der Roman als eine Hommage an den deutschen Sportler Gottfried von Cramm beworben wird, eine historische Persönlichkeit, über die ich gerne mehr erfahren wollte. Zwar ist die Geschichte von dessen Leben inspiriert. Im Buch heißt der Tennisspieler jedoch Julius. Wie der Autor zugibt, sind die komplette Kindheit und Jugend des Protagonisten erfunden. Auch an anderen Stellen weicht der Roman stark von der tatsächlichen Vita ab, wie im abgedruckten Interview zum Schluss des Buches zu lesen ist. Der Autor begründet seine Veränderungen insbesondere mit der Rücksicht auf die Nachkommen des echten Sportlers. Das ist einerseits etwas widersprüchlich, da er dennoch selbst Parallelen zieht und den echten Namen ins Spiel bringt. Andererseits ist das Buch damit in biografischer Hinsicht für mich leider nichts Halbes und nichts Ganzes. Allerdings muss man Saller zugute halten, dass er sorgfältig recherchiert hat, was unter anderem in der „Anmerkung des Autors“ und in den Quellenangaben nachzuvollziehen ist.

Nur vordergründig geht es um das Tennisspiel. Eine Stärke des Romans ist es, dass er auch ein umfassendes Bild von Politik und Gesellschaft zeichnet. Weitere Themen, die ich nicht vorwegnehmen möchte, machen ihn vielschichtig. Insofern richtet sich der Roman keineswegs nur an Tennisbegeisterte.

Vor allem im ersten Teil konnte mich das Buch nicht so richtig packen. Das Erzähltempo ist langsam. Dann nimmt die Geschichte jedoch zunehmend Fahrt auf.

Das etwas nostalgisch anmutende Cover finde ich äußerst gelungen und passend. Der Titel ist zutreffend, aber ein wenig sperrig.

Mein Fazit:
„Julius oder die Schönheit des Spiels“ von Tom Saller ist ein facettenreicher Roman, der mich sprachlich begeistert, aber inhaltlich meine Erwartungen nicht in Gänze erfüllt hat.

Veröffentlicht am 28.07.2021

Ein Tag und eine Nacht

Weiße Nacht
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Zwei Jahre lang hat die ehemalige Schauspielerin Ayami Kim (28) als Assistentin in einem Hörtheater in Seoul gearbeitet. Nun ist dort die letzte Vorstellung durchgeführt worden und Ayami ist erneut arbeitslos. ...

Zwei Jahre lang hat die ehemalige Schauspielerin Ayami Kim (28) als Assistentin in einem Hörtheater in Seoul gearbeitet. Nun ist dort die letzte Vorstellung durchgeführt worden und Ayami ist erneut arbeitslos. Welchen Weg soll sie nun einschlagen?

„Weiße Nacht“ ist ein Roman von Bae Suah, der bereits 2013 in Korea und nun als erstes ihrer Bücher auf Deutsch erschienen ist.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Kapiteln, wovon das letzte jedoch sehr kurz ist. Erzählt wird zunächst aus der Perspektive von Ayami, später auch aus einer weiteren Sichtweise. Die Handlung spielt ausschließlich in Seoul. Vordergründig umfasst sie einen Tag und eine Nacht. Allerdings gibt es immer wieder Sprünge nach vorne und zurück, sodass die Geschichte zeitlich schwer zu erfassen ist.

Der Schreibstil ist eindringlich, atmosphärisch dicht und sehr metaphorisch. Es gibt eine Menge ungewöhnlicher Vergleiche, die zwar kreativ, aber zum Teil auch sehr unsinnig und widersprüchlich wirken. Lange beschreibende Passagen wechseln sich mit ausführlichen Dialogen ab, die manchmal recht hölzern klingen.

Im Fokus der Geschichte steht Ayami, die ein wenig unnahbar und undurchsichtig bleibt. Bis zum Schluss konnte ich sie nicht richtig fassen. Zudem tauchen immer wieder bestimmte weitere Personen auf, deren Verbindungen und Bezüge sich erst nach und nach erschließen. So ergibt sich ein komplexes Geflecht an Charakteren. Alle Figuren machen auf mich jedoch einen seltsamen Eindruck.

Auch die Geschichte selbst ist recht merkwürdig. Das erste Kapitel ist wirr und nahezu unverständlich. Scheinbar zusammenhanglos reihen sich Passagen aneinander, wechselt die Szenerie immer wieder ohne Übergang. Ein aufmerksames Lesen lohnt sich. Trotzdem habe ich die Lektüre auf den ersten 70 von nur rund 160 Seiten als äußerst frustrierend empfunden. Dann allerdings werden Stück für Stück die unterschiedlichen Puzzleteile zusammengesetzt und es offenbart sich die geschickte Konstruktion des Romans. Am Ende ist vieles klarer, wobei es mir dennoch nicht gelungen ist, beim ersten Lesen alle losen Fäden miteinander zu verknüpfen.

Inhaltlich ist der Roman philosophisch angehaucht. Es geht um Träume, Geister, Halluzinationen, Liebe, Einsamkeit und einiges mehr. Ein häufig auftauchendes Motiv ist auch die Hitze.

Vor allem aber dreht sich der Roman um die verschwimmenden Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Selbst Ayami kann nicht mehr differenzieren, was sie tatsächlich erlebt und was sie sich womöglich einbildet. Zudem beinhaltet das Buch eine Menge surrealer und fast schon fantastischer Elemente. Ein weiteres Stilmittel, um diese Effekte zu bewirken, sind die vielen Wiederholungen von Formulierungen. Diese Anleihen aus „Die blinde Eule“ von Sadeq Hedayat werden nicht verschleiert, sondern sogar betont. Darüber hinaus ist unverkennbar, dass die Autorin sich bei Kafka bedient hat, dessen Werke sie ins Koreanische übersetzt hat.

Obwohl mir die Vielschichtigkeit und Tiefgründigkeit des Romans imponiert, ließ er mich auch ein wenig ratlos und enttäuscht zurück. Alles in allem ist mir die Geschichte nämlich zu abgedreht und zu sehr drüber.

Der deutsche Titel ist nicht die beste Wahl. Das Cover finde ich jedoch absolut passend.

Mein Fazit:
„Weiße Nacht“ von Bae Suah ist ein merkwürdiger, vielschichtiger und ungewöhnlicher Roman, der auch Fans surrealer Literatur einiges zumutet. Raffiniert konstruiert, aber für meinen Geschmack etwas zu wirr und bizarr.

Veröffentlicht am 27.07.2021

Vom Mut, sich der Angst zu stellen

Keine Angst, Mama!
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Negative Gefühle und Gedanken der Eltern können ihre Kinder beeinflussen und prägen. Das gilt auch und vor allem für Ängste. Wie können sich Mütter und Väter ihnen stellen und sie in sinnvolle Bahnen leiten?

„Keine ...

Negative Gefühle und Gedanken der Eltern können ihre Kinder beeinflussen und prägen. Das gilt auch und vor allem für Ängste. Wie können sich Mütter und Väter ihnen stellen und sie in sinnvolle Bahnen leiten?

„Keine Angst, Mama! Wie Eltern Ängste und Sorgen überwinden und Kinder selbstbewusst begleiten“ ist ein Ratgeber von Jeannine Mik und Sandra Teml-Jetter.

Meine Meinung:
Das Sachbuch besteht aus drei Teilen, die in mehrere Unterthemen gegliedert sind. Zudem gibt es eine ausführliche Einleitung und ein kompaktes Nachwort. Die einzelnen Teile sind so ausgestaltet, dass sie sich unabhängig voneinander und in beliebiger Reihenfolge lesen lassen.

Der Schreibstil ist unauffällig, gut verständlich und anschaulich. Die beiden Autorinnen verwenden psychologische und pädagogische Fachtermini, erklären diese jedoch, zum Beispiel in einer der mehr als 90 Fußnoten. Sie führen zudem eigene Begriffe ein, die sie ebenfalls erläutern.

Das Buch widmet sich zuerst ausgiebig den Fragen, was Ängste sind und wie sich mit ihnen umgehen lässt. Dabei ist dieser Teil nach meinem Empfinden sehr stark auf starke Ängste, Angststörungen und Panikattacken gemünzt. Eine Therapie will und kann das Buch allerdings nicht ersetzen. Danach geht es darum, wie Eltern ihren Kindern Orientierung bieten, sie positiv prägen und ihnen Traumata ersparen können. Schließlich erklären die Autorinnen, welches Mindset Eltern haben sollten, wie sie ihr Leben verändern können und ihre Beziehungen in der Familie und außerhalb besser gestalten können.

Sehr gut gefallen haben mir die schonungslos offenen Erfahrungsberichte der beiden Autorinnen, die von eigenen Panikattacken beziehungsweise ihren Prägungen in der Kindheit erzählen. Sie machen das Buch authentisch und glaubwürdig.

Eine weitere Stärke des Buches sind die zwölf Übungen, die unter anderem dabei helfen, die Inhalte besser zu verstehen und zu vertiefen. Mit den Fantasiereisen konnte ich persönlich leider nichts anfangen. Die übrigen Übungen finde ich dagegen mehr oder weniger hilfreich. Zudem gibt es Listen und viele Beispielfälle, um die Inhalte anschaulicher zu vermitteln.

Die Ausführungen habe ich als schlüssig und zutreffend empfunden. Die meisten Erklärungen und Ansätze sind wissenschaftlich untermauert und werden im Quellenverzeichnis dokumentiert. Immer wieder konnte ich zustimmend nicken und habe meine eigenen Überlegungen oft bestätigt gefunden. In einigen Punkten konnte mich das Autorinnenduo auch dazu anregen, mir weitere Gedanken zu machen und in einen Austausch dazu mit meinem Partner zu gehen.

In einem Aspekt hat mich das Buch jedoch enttäuscht: Um die „alltäglichen Sorgen von Eltern“, wie es im Text des Verlags heißt, geht es leider nur am Rande. Vielmehr spielen Angststörungen, Panikattacken und sehr grundlegende Ängste eine Rolle. Wer also ernsthafte Probleme hat, findet hier durchaus Impulse und Tipps. Wer aber nur mit kleinen Sorgen besser zurechtkommen möchte, wird dagegen in dem Buch weniger fündig.

Etwas schade finde ich, dass sich Titel und Cover vor allem an Mütter richten, denn das Thema ist keineswegs geschlechtsspezifisch und für Väter ebenso relevant. Mann muss schon den Untertitel genau lesen, um sich angesprochen zu fühlen.

Mein Fazit:
„Keine Angst, Mama! Wie Eltern Ängste und Sorgen überwinden und Kinder selbstbewusst begleiten“ von Jeannine Mik und Sandra Teml-Jetter ist ein hilfreicher und fundierter Ratgeber mit vielen guten Anregungen. Meine Erwartungen hat das Sachbuch jedoch nicht komplett erfüllt.

Veröffentlicht am 22.07.2021

Gedankenstrudel

Auszeit
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Im Herbst in einer kleinen Hütte in Bayern: Henriette, Anfang 30, nimmt sich zusammen mit einer Freundin, Paula, eine Auszeit in den Bergen. Die Doktorandin hat gerade eine Abtreibung hinter sich, die ...

Im Herbst in einer kleinen Hütte in Bayern: Henriette, Anfang 30, nimmt sich zusammen mit einer Freundin, Paula, eine Auszeit in den Bergen. Die Doktorandin hat gerade eine Abtreibung hinter sich, die sie in depressive Stimmung versetzt hat. Nun will sie zur Ruhe kommen und mit ihrer Dissertation vorankommen, an der sie schon sehr lange sitzt. Doch es verläuft nicht alles wie geplant...

„Auszeit“ ist der Debütroman von Hannah Lühmann.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus kurzen Kapiteln mit noch kürzeren Abschnitten. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Henriette. Immer wieder eingestreut sind Rückblicke. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Eine Stärke des Romans ist seine Sprache. Der Schreibstil ist atmosphärisch dicht, intensiv und voll von gelungenen Bildern. Der Autorin schafft es, mit wenigen Worten viel zu transportieren.

Als Protagonistin steht Henriette im Fokus der Geschichte. Leider konnte ich keinen Zugang zu ihr finden, zumal sie wenig über sich als Person preisgibt, gleichzeitig aber sehr selbstbezogen ist. Ihre Freundin Paula nimmt ebenfalls eine wichtige Rolle ein und beansprucht für meinen Geschmack sogar ein wenig zu viel Raum auf den bloß rund 170 Seiten. Und dann gibt es da noch Tobias, einen verheirateten Mann und Vater eines Babys, der mich in mehrfacher Hinsicht abgestoßen hat. Alle drei Charaktere sind mir unsympathisch und blieben mir bis zum Schluss fremd. Ihr Verhalten ist nicht immer nachvollziehbar.

Inhaltlich hat mich die Geschichte ein wenig enttäuscht. Gereizt an der Lektüre hat mich das Thema Abtreibung. Dies tritt in weiten Teilen des Romans aber in den Hintergrund. Vor allem wird nicht deutlich genug herausgearbeitet, wieso die Protagonistin überhaupt abgetrieben hat. Stattdessen lesen wir einen großen Strudel an sonstigen Gedanken. Darin philosophiert die Protagonistin über eine Vielzahl an Dingen, wobei durchaus einige kluge Sätze dabei sind, die zum Nachdenken anregen. Allerdings haben mich etliche Passagen nicht überzeugt. Unter anderen haben mich die langen und irrelevanten Ausführungen zum Thema ihrer geplanten Dissertation, die Werwölfe, gestört.

Insgesamt ist der Roman besonders zu Beginn recht handlungsarm und gleitet in einem sehr gemächlichem Erzähltempo dahin. Erst als es etwa ab der Hälfte des Buches darum geht, wie es überhaupt zu der Schwangerschaft kam und was daraufhin passiert ist, konnte mich die Geschichte wirklich fesseln. Das Ende wiederum hat mich zwar überrascht, aber auch verwirrt und ratlos zurückgelassen. Es ist für mich nicht ganz stimmig.

Das Cover finde ich sowohl geschmackvoll als auch aufgrund des Baummotivs thematisch passend. Der prägnante Titel ist ebenfalls treffend.

Mein Fazit:
„Auszeit“ von Hannah Lühmann ist ein Roman, der mich sprachlich beeindruckt, aber inhaltlich meine Erwartungen nicht ganz erfüllt hat.