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Veröffentlicht am 07.03.2021

Ein Okapi auf der Uhlheck

Was man von hier aus sehen kann
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April 1983 in einem kleinen Dorf im Westerwald: Die Aufregung ist groß. Selma, die um die 60 Jahre alt ist, hat wieder von einem Okapi geträumt. Wenn ihr das Tier im Traum erscheint, muss innerhalb von ...

April 1983 in einem kleinen Dorf im Westerwald: Die Aufregung ist groß. Selma, die um die 60 Jahre alt ist, hat wieder von einem Okapi geträumt. Wenn ihr das Tier im Traum erscheint, muss innerhalb von 24 Stunden eine Person sterben. So war es bislang immer. Das weiß auch ihre Enkeltochter, die zehnjährige Luise. Wen trifft es diesmal? Und wie soll es dann weitergehen?

„Was man von hier aus sehen kann“ ist ein Roman von Mariana Leky.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus 32 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Sie werden eingerahmt durch einen Prolog und einen Epilog. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Luise, wobei auch Dinge erzählt werden, die diese eigentlich nicht wissen kann. Bis zum neunten Kapitel befinden wir uns ausschließlich in den 1980er-Jahren. Dann gibt es einen großen Zeitsprung. Immer wieder sind Rückblenden und kurze Vorausdeutungen eingefügt.

Der Schreibstil ist sehr besonders. Begeistert haben mich die vielen kreativen Sprachbilder und der Wortwitz. Es gibt viele gelungene Metaphern, aber auch ein paar schiefe Vergleiche. Etwas gestört hat mich der große Umfang an Wiederholungen, was die Formulierungen angeht. Dies war sicher so gewollt, mir aber an manchen Stellen zu viel des Guten.

Außergewöhnlich sind die Figuren in der Geschichte. Es handelt sich ausnahmslos um etwas verschrobene Charaktere mit seltsamen Spleens und Eigenarten. Das macht die meisten von ihnen durchaus liebenswürdig und interessant, geht allerdings etwas zulasten der Realitätsnähe.

Inhaltlich ist der Roman recht episodenhaft angelegt. Es ist keine stringente Handlung vorhanden. Zudem fällt es mir schwer, einen roten Faden zu finden. Jedoch sind Themenschwerpunkte zu erkennen: der Tod, die Liebe, die Offenheit für Neues und alles, was das Leben ausmacht.

Obwohl die Geschichte immer wieder sehr skurril ist und an einigen Stellen ins Absurde abdriftet, konnte mich der Roman berühren. Die Geschichte beschäftigt sich einerseits mit ernsten Angelegenheiten, ist andererseits aber so humorvoll, dass ich mehrfach schmunzeln musste. Somit besitzt der Roman großen Unterhaltungswert. Wenn man sich darauf einlassen kann, lässt sich daher darüber hinwegsehen, dass einiges übertrieben oder unlogisch dargestellt wird.

Das zurückhaltende Cover gefällt mir. Der Titel erschließt sich erst zum Schluss und passt meiner Ansicht nach gut.

Mein Fazit:
„Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky ist ein recht spezieller, aber auch lesenswerter Roman. Wer bereit dazu ist, nicht alles zu wörtlich zu nehmen, den erwartet eine charmante Lektüre.

Veröffentlicht am 01.03.2021

Nur eine von vielen

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Kim Jiyoung ist 33 Jahre. Zusammen mit ihrem Mann Chong Daehyon hat sie eine einjährige Tochter, Ziwon. Die kleine Familie wohnt in einer 80 Quadratmeter großen Wohnung am Stadtrand von Seoul. Um für die ...

Kim Jiyoung ist 33 Jahre. Zusammen mit ihrem Mann Chong Daehyon hat sie eine einjährige Tochter, Ziwon. Die kleine Familie wohnt in einer 80 Quadratmeter großen Wohnung am Stadtrand von Seoul. Um für die Kleine zu sorgen, hat Jiyoung ihren Job aufgegeben. Sie ist eine von vielen koreanischen Müttern, die so oder so ähnlich leben. Doch plötzlich zeigt Jiyoung seltsame Anwandlungen: Immer wieder schlüpft sie unvermittelt in die Rollen ihr bekannter Frauen. Was hat es damit auf sich? Ihr Mann schickt sie kurzerhand zum Psychiater.

„Kim Jiyoung, geboren 1982“ ist ein Roman von Cho Nam-Joo.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus sechs Teilen. Es beginnt im Herbst 2015. Danach wird chronologisch die Biografie der Frau nacherzählt. Der zweite Teil umfasst die Jahre 1982 bis 1994 und beleuchtet Jiyoungs Kindheit, der dritte den Zeitraum von 1995 bis 2000, in dem es um ihre Jugend geht. Teil vier (2001 bis 2011) deckt ihre Studienzeit und den Einstieg ins Berufsleben ab, Teil fünf (2012 bis 2015) ihr bisheriges Eheleben. Zum Schluss kommt die Geschichte im Jahr 2016 an. Erzählt wird aus einer personalen Perspektive, wobei sich die Erzählstimme erst im sechsten Teil erschließt. Diese Struktur ist gut durchdacht und funktioniert hervorragend.

Ein Manko ist für mich der sehr nüchterne, schnörkellose und berichtmäßige Schreibstil. Unter anderem sind es die 18 Fußnoten, die den Text wie eine wissenschaftliche Abhandlung wirken lassen. Zwar wird zum Ende hin deutlich, warum die Autorin diesen Stil gewählt hat. Zudem entsteht nichtsdestotrotz ein Lesesog, wegen dem ich das Buch nur ungern zur Seite gelegt habe. Alles in allem aber ist der Roman in sprachlicher Hinsicht leider kein Vergnügen.

Mit Jiyoung steht eine sehr durchschnittliche junge Koreanerin im Fokus der Geschichte, was den Roman allerdings keineswegs langweilig macht. Die Protagonistin bietet ein großes Identifikationspotenzial für viele andere Frauen innerhalb und außerhalb Koreas.

Der Inhalt des Romans hat es in sich. Auf nur rund 200 Seiten wird die Rolle von Frauen und Müttern in der Familie und der Gesellschaft allumfassend dargestellt - am Beispiel Jiyoungs, die stellvertretend für viele andere steht. Es geht um Sexismus, Diskriminierung, sexuelle Belästigung, Stalking, übergriffige Bemerkungen, Mansplaining und mangelnde Gleichberechtigung. Aufgezeigt wird die ganze Bandbreite der Misogynie in Korea. Der Roman macht schonungslos deutlich, mit welch hohen, teils widersprüchlichen und teils unerfüllbaren Erwartungen Frauen auch heutzutage konfrontiert werden. Er rüttelt auf, macht nachdenklich und wütend. Und das Buch taugt auch als Augenöffner, denn schnell wird klar: So viel anders sind die Rollenbilder in Europa nicht, auch hier sind Frauen nach wie vor benachteiligt, wenn auch nicht in solch extremem Ausmaß. In den letzten Absätzen des Romans wird die Aussage noch einmal überspitzt unterstrichen. Das war mir dann jedoch etwas zu viel des Guten.

Ein wenig zu kurz kommt meiner Meinung nach die psychische Krankheit Jiyoungs. Sie dient zu Beginn als Aufhänger und wird gegen Ende nur in recht kompakter Form noch einmal aufgegriffen.

Das Cover mit dem gesichtslosen Kopf betont, dass es bei der Geschichte nicht um einen Einzelfall handelt und Jiyoung nur eine von vielen ist. Auch der Titel passt meiner Ansicht nach gut.

Mein Fazit:
Auch wenn mich der Roman von Cho Nam-Joo in sprachlicher Hinsicht nicht begeistern konnte, ist „Kim Jiyoung, geboren 1982“ eine aufrüttelnde und absolut lesenswerte Lektüre. Ein Buch, dessen Inhalt noch eine Weile nachhallt und dessen wichtige Botschaft hoffentlich viele ins Grübeln bringt.

Veröffentlicht am 24.02.2021

Jugend in West und Ost

Lebenssekunden
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Deutschland in den 1950er-Jahren: Nachdem Angelika Stein von der Schule geflogen ist, will zunächst kein Fotograf in Kassel die 15-Jährige ausbilden. Dann aber erhält sie die Chance, sich ihren Berufswunsch ...

Deutschland in den 1950er-Jahren: Nachdem Angelika Stein von der Schule geflogen ist, will zunächst kein Fotograf in Kassel die 15-Jährige ausbilden. Dann aber erhält sie die Chance, sich ihren Berufswunsch zu erfüllen. Derweil wird die gleichaltrige Christine Magold in Ostberlin darauf gedrillt, als Leistungsturnerin die DDR zu vertreten. Was verbindet die beiden?

„Lebenssekunden“ ist ein Roman von Katharina Fuchs.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vielen angenehm kurzen Kapiteln. Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht von Angelika und von Christine. Leider werden beide Erzählstränge erst recht spät miteinander verwoben. Die Handlung spielt vorwiegend in Kassel und in Berlin. Sie beginnt 1956 und deckt die Zeitspanne bis zum Jahr 1961 ab.

Der Schreibstil ist gewohnt anschaulich, detailliert und einfühlsam. Viel wörtliche Rede macht das Geschehen lebendig.

Schön finde ich, dass auch in dem neuen Roman der Autorin zwei junge und starke Frauenfiguren im Vordergrund stehen. Sowohl Christine als auch Angelika sind sympathische Charaktere, deren Geschichte ich gerne verfolgt habe. Ihre Gedanken und Gefühle sind sehr gut nachvollziehbar.

Inhaltlich geht es in dem neuen Werk wieder um authentische Lebensgeschichten. Neben den persönlichen Schicksalen bekommt der Leser viel Zeitgeschichtliches vermittelt. Das macht die Lektüre mit ihren etwas mehr als 400 Seiten nicht nur unterhaltsam, sondern auch besonders interessant.

Gut gefallen hat mir auch die „Nachlese“, in der die Autorin kurz zusammenfasst, was aus den Protagonistinnen im weiteren Verlauf ihres Lebens wird. Gewünscht hätte ich mir, dass ein Nachwort erläutert, ob die Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht und was es mit den wirklichen Hintergründen auf sich hat.

Das stimmungsvolle und nostalgisch anmutende Cover passt gut zum Inhalt. Das trifft auch auf den prägnanten Titel zu, der zudem in seinem Wortlaut an die anderen Romane der Autorin erinnert.

Mein Fazit:
Mit „Lebenssekunden“ hat Katharina Fuchs zum wiederholten Male einen lesenswerten Roman geschrieben, bei dem vor allem Fans starker Frauencharaktere auf ihre Kosten kommen.

Veröffentlicht am 21.02.2021

Ein neues Abenteuer für Aleydis

Die Rache des Lombarden
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Köln im Jahre 1424: Für Aleydis de Bruinker, die Witwe des ermordeten Lombarden Nicolai Golatti, geht es turbulent weiter. Sie hat es zu tun mit Betrugsversuchen in ihrer Wechselstube, übermütigen Verehrern ...

Köln im Jahre 1424: Für Aleydis de Bruinker, die Witwe des ermordeten Lombarden Nicolai Golatti, geht es turbulent weiter. Sie hat es zu tun mit Betrugsversuchen in ihrer Wechselstube, übermütigen Verehrern und dem kriminellen Erbe ihres verstorbenen Mannes. Obwohl sie auch ohne Gewaltrichter Vinzenz van Cleve gut zurechtkommt, ist dieser der jungen Frau durchaus hilfreich. Dann aber werden auch noch ihre Mündel Marlein und Ursel entführt. Aleydis möchte die Mädchen um jeden Preis zurückbekommen…

„Die Rache des Lombarden“ ist der finale Band der Lombarden-Trilogie.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 24 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Eingeleitet wird die Geschichte mit einem Prolog. Erzählt wird vorwiegend aus der Perspektive von Aleydis und Vinzenz. Dieser Aufbau funktioniert prima.

Der Schreibstil ist gewohnt anschaulich. Gelungene Beschreibungen und viel wörtliche Rede machen das Geschehen lebendig. Der Einstieg in die Geschichte fällt leicht. Etwas unglücklich ist das Marketing des Verlags, das Buch nicht als dritten Band einer Reihe auszuweisen. Der Roman ist zwar auch als Einzelband verständlich. Es lohnt sich allerdings, zuerst die beiden ersten Teile zu lesen.

Wieder einmal stehen Aleydis und Vinzenz im Vordergrund. Zwei Protagonisten, die zugleich sympathisch sind, aber durch ihre Ecken und Kanten authentisch wirken. Ihre Gedanken lassen sich sehr gut nachvollziehen. Auch die Nebenfiguren sind interessant ausgestaltet. Ein Personenverzeichnis hilft bei der Orientierung.

Trotz der mehr als 400 Seiten bleibt der Roman kurzweilig, unterhaltsam und spannend wie ein Krimi. Die Geschichte ist dabei durchweg schlüssig. Dass eine Frage am Ende bewusst noch offen ist, hat mich nicht gestört.

Inhaltlich geht es nicht nur darum, dass ein Fall zu lösen beziehungsweise ein Abenteuer zu bestehen ist, was die Entführung der Mädchen betrifft, sondern es wird auch die persönliche Geschichte von Aleydis und Vinzenz fortgeführt.

Dem Roman ist immer wieder anzumerken, dass die Autorin viel Recherche betrieben hat und sich im mittelalterlichen Köln gut auskennt. Nebenbei konnte ich so erneut Wissenswertes aus der Historie erfahren. Die abgebildete Stadtkarte ist ein hilfreiches Extra.

Das hübsche Cover hat einen hohen Wiedererkennungswert und passt gut in die Reihe, obwohl die Gestaltung der drei Teile leider nicht in jedem Detail einheitlich ist. Der Titel ist auch dieses Mal treffend formuliert.

Mein Fazit:
Mit „Die Rache des Lombarden“ liefert Petra Schier einen gelungenen Abschlussband der Reihe um Aleydis de Bruinker ab, der nicht nur eingefleischten Fans historischer Literatur gefallen dürfte. Der empfehlenswerte Roman hat mich in mehrfacher Hinsicht überzeugt.

Veröffentlicht am 15.02.2021

Wenn Liebe manchmal nicht reicht

Die Jahre ohne uns
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Sie ist Ende 60, einsam und genießt die Gartenarbeit. Er ist in seinen Siebzigern und ein ehemaliger Schauspieler. In einer englischen Hotelbar treffen die beiden zufällig aufeinander. Der Mann erzählt ...

Sie ist Ende 60, einsam und genießt die Gartenarbeit. Er ist in seinen Siebzigern und ein ehemaliger Schauspieler. In einer englischen Hotelbar treffen die beiden zufällig aufeinander. Der Mann erzählt ihr dort die Geschichte einer langen Suche.

„Die Jahre ohne uns“ ist ein Roman von Barney Norris.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen, denen jeweils ein Zitat aus der Literatur vorangestellt ist. Der erste und der dritte Teil werden aus der Sicht der Frau, der zweite aus der Sicht des Mannes erzählt - immer in der Ich-Perspektive. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Der unaufgeregte Schreibstil ist teilweise etwas verschachtelt und erfordert viel Aufmerksamkeit beim Lesen. Er ist aber auch bildstark und atmosphärisch. Darüber hinaus zeugt er von Sprachgewandtheit und einem besonderen Ausdrucksvermögen. Einige Abschnitte sind wie Einträge einer Enzyklopädie formuliert, was ich für eine schöne Idee halte.

Die beiden Protagonisten sind durchaus interessante und authentisch dargestellte Charaktere. Ein wenig gestört hat mich, dass sie namenlos bleiben. Weitere Figuren treten nur indirekt in Erscheinung.

Die Geschichte kommt im ersten Teil nur langsam in Gang und ist recht handlungsarm. Der zweite Teil gefällt mir schon besser. Die Wendung zum Schluss war für mich leider bereits ab der Mitte recht vorhersehbar. Insgesamt ist der Roman aufgrund von einigen Ausschweifungen zudem stellenweise etwas langatmig.

Inhaltlich ist die Geschichte anders als von mir gemäß des etwas irreführenden deutschen Klappentextes erwartet. Allerdings ist sie stark philosophisch angehaucht und regt immer wieder zum Nachdenken an - auch über das eigene Leben. Darin liegt eine Stärke des Romans. Es geht unter anderem um wichtige Entscheidungen, verpasste Chancen und Reue. Außerdem konnte mich die Geschichte immer wieder berühren.

Das Cover ist erfrischend anders und passt gut zum Inhalt. Der deutsche Titel weicht vom englischsprachigen Original („The Vanishing Hours“) ab und verrät leider recht viel.

Mein Fazit:
Auch wenn „Die Jahre ohne uns“ von Barney Norris in meinen Augen mehrere Schwächen aufweist und meine Erwartungen nicht ganz erfüllt hat, ist der Roman durchaus eine besondere Lektüre.