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Veröffentlicht am 05.04.2020

Eine Kleinstadt voller Geheimnisse

Miracle Creek
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Die Kleinstadt Miracle Creek im US-Bundesstaat Virginia: Mit dem Umzug in die Vereinigten Staaten erhofft sich der koreanische Einwanderer Pak Yoo mit seiner Frau Young und seiner Tochter Mary ein neues ...

Die Kleinstadt Miracle Creek im US-Bundesstaat Virginia: Mit dem Umzug in die Vereinigten Staaten erhofft sich der koreanische Einwanderer Pak Yoo mit seiner Frau Young und seiner Tochter Mary ein neues Leben. Er bietet in einer Scheune eine Sauerstofftherapie an. Doch an einem Tag im August geht ein Tank plötzlich in Flammen auf. Menschen werden verletzt. Zwei Personen sterben sogar: Kitt Kozlowski und Henry, der achtjährige Sohn von Elizabeth Ward. Die Mutter wird angeklagt, die Beweise scheinen erdrückend. Ihr werden Brandstiftung, Körperverletzung, Mord und versuchter Mord vorgeworfen. War es ein tragischer Unfall? Oder hat sie wirklich ihren eigenen Sohn umgebracht? Während des Prozesses, in dem verschiedene Zeugen aussagen, wird zunehmend klar: Jeder von ihnen etwas zu verbergen…

„Miracle Creek“ ist der Debütroman von Angie Kim.

Meine Meinung:
Der Aufbau des Romans wirkt gut durchdacht und funktioniert hervorragend. Er besteht aus mehreren Teilen und beginnt mit dem „Vorfall“ am 26. August 2008, der in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Young erzählt wird. Dann gibt es einen Zeitsprung von einem Jahr und der Roman teilt sich auf vier Prozesstage auf, die aus der Sicht unterschiedlicher Personen erzählt werden. Zum Schluss gibt es mit „Danach“ eine Art Epilog, der im November 2009 spielt und wieder die Sicht von Young wiedergibt. Eingestreut sind zwischendurch mehrere Grafiken und Listen.

Sprachlich ist der Roman zunächst nicht besonders auffällig. Dennoch ist der Schreibstil eindringlich. Detailreiche Beschreibungen machen den Roman anschaulich.

Die Charaktere sind gleichzeitig interessant, vielschichtig und authentisch gestaltet. Die Protagonisten sind keine klassischen Sympathieträger, doch ihre Gedanken und Gefühle lassen sich sehr gut nachvollziehen. Trotz der Fülle an unterschiedlichen Personen fällt es nicht schwer, den Überblick zu behalten.

Auf fast 500 Seiten ist das Tempo – trotz mehrerer Wendungen – zwar nicht durchgängig hoch. Dennoch kommt keine Langeweile auf, denn es ist spannend, die Charaktere zu ergründen und ihren Lügen und Geheimnissen auf die Spur zu kommen.

Inhaltlich ist der Roman sehr facettenreich und komplex, denn es geht um weitaus mehr als nur ein Gerichtsdrama. Ich fand es interessant, etwas über die hyperbare Oxygenierung zu erfahren, die vorab erklärt wird und die ich bisher nicht kannte. Mit den Geheimnissen und Problemen der verschiedenen Protagonisten sowie ihre Schicksalen kommt darüber hinaus eine Vielfalt an Themen in die Geschichte, die mich emotional berühren konnte und mich immer wieder zum Nachdenken angeregt hat.

Das atmosphärisch starke Cover mit dem Feuerschein gefällt mir außerordentlich gut. Positiv anzumerken ist, dass nicht nur die Optik der amerikanischen Originalausgabe übernommen wurde, sondern auch der passende Titel.

Mein Fazit:
Mit „Miracle Creek“ ist Angie Kim ein beeindruckender Debütroman gelungen, der mich sowohl bewegen als auch fesseln konnte. Eine Lektüre, die ich wärmstens empfehlen kann.

Veröffentlicht am 02.04.2020

Ein englisches Provinzstädtchen während der Industrialisierung

Middlemarch
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Die englische Kleinstadt Middlemarch in den Midlands in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Die 17-jährige Dorothea Brooke ist eine Waise, die in einem Internat in der Schweiz erzogen wurde. Zusammen ...

Die englische Kleinstadt Middlemarch in den Midlands in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Die 17-jährige Dorothea Brooke ist eine Waise, die in einem Internat in der Schweiz erzogen wurde. Zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Celia lebt sie bei ihrem Onkel, einem Vertreter des Landadels. Als junger Frau bleibt ihr der Zugang zu Wissen und Bildung verwehrt. Doch damit will sie sich nicht abfinden. Um ihre Wissbegier zu befriedigen, lässt sie sich auf eine Heirat ein. Auch Tertius Lydgate, ein junger Arzt, will Grenzen überschreiten. Er forscht nach neuen Behandlungsmethoden. Beide sind bereit, einiges aufs Spiel zu setzen…

„Middlemarch“ ist ein Roman von George Eliot, der erstmals bereits im Jahr 1874 erschien.

Meine Meinung:
Der Roman ist stark strukturiert. Es besteht aus acht Büchern, die wiederum in insgesamt 86 Kapitel mit einer angenehmen Länge unterteilt sind. Vorangestellt ist ein kurzes „Vorspiel“, dem ich nicht so viel abgewinnen konnte. Der Roman endet mit einem „Finale“, das als Epilog verstanden werden kann und erklärt, was aus den Figuren geworden ist. Erzählt wird aus der Sicht unterschiedlicher Figuren. Teilweise richtet sich der Erzähler direkt an den Leser.

Der Schreibstil ist recht ungewöhnlich, was nicht nur der für Klassiker üblichen etwas antiquierten Sprache, sondern auch der sehr speziellen Syntax geschuldet ist. Komplexe und komplizierte Satzstrukturen sind gleichzeitig ein Genuss und eine Herausforderung für den Leser. Die Beschreibungen sind detailliert, manchmal etwas ausschweifend, aber pointiert. Ein wirkliches Manko ist für mich die Übersetzung, die immer wieder unelegant und nicht besonders idiomatisch klingt. Sie wurde zwar von Rainer Zerbst vollständig überarbeitet. Allerdings basiert der Text nach wie vor auf der ersten deutschen Übersetzung von ihm aus dem Jahr 1985.

Im Mittelpunkt des Romans stehen zunächst einmal Dorothea und Lydgate. Eine wichtige Rolle spielen neben Dorothea weitere Frauen, die sich in einer von Männern und dem Patriarchat dominierten Welt zurechtfinden müssen: zum Beispiel Rosamond Vichy, Mary Garth und Dorotheas Schwester Celia. Darüber hinaus verfügt der Roman über viele weitere Figuren, die ein authentisches und vielfältiges Bild der englischen Mittelschicht in der Provinz erschaffen. Allerdings wäre an der einen oder anderen Stelle eine Personenübersicht hilfreich gewesen.

Vor 200 Jahren wurde Mary Ann Evans, die unter dem männlichen Pseudonym George Eliot schrieb, geboren. Zum runden Geburtstag sind daher neue Ausgaben ihres Klassikers „Middlemarch“ erschienen. Mich freut, dass der Roman somit wieder Aufmerksamkeit erhält und nicht in Vergessenheit gerät, denn er ist auch für heutige Leser interessant. Die Autorin zeigt ein Panorama an gesellschaftlichen und politischen Themen der Zeit der Industrialisierung. Es geht unter anderem um die Reform des Wahlrechts, den Bau der Eisenbahn, die Arbeit der Mediziner in jener Zeit und einiges mehr. Der Roman ist ungeheuer umfassend und facettenreich. Bei mehr als 1000 Seiten bleibt es natürlich nicht aus, dass es die eine oder andere Länge gibt. Insgesamt konnte mich die Autorin jedoch bei der Stange halten, denn ihre treffliche Beobachtungsgabe und die teils humorvollen Anmerkungen sind dafür umso unterhaltsamer. Obwohl die Geschichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielt und damit schon zu Lebzeiten Eliots Historisches behandelt hat, lassen sich auch aktuelle Bezüge herstellen.

Neben dem Text des Romans bietet die dtv-Ausgabe Zusatzmaterial. Das Vorwort von Elisabeth Bronfen ist interessant, aber für Nichtkenner des Werkes an dieser Stelle völlig ungeeignet, denn es nimmt sehr viel Inhalt vorweg. Im Anhang ist das Nachwort von Rainer Zerbst zu finden, das die Entstehungsgeschichte des Romans erklärt, eine inhaltliche Analyse vornimmt und biografische Informationen zur Autorin liefert. Leider sind auch die Fußnoten zum Roman und zum Nachwort in den Anhang verlagert worden, was bei der Lektüre ein Hin- und Herblättern nötig macht.

Die dtv-Ausgabe verfügt nicht nur über einen schmucken Schutzumschlag, sondern auch über einen ebenso sehenswerten Einband.

Mein Fazit:
„Middlemarch“ von George Eliot verlangt dem Leser angesichts seines Umfangs und seiner stilistischen Herausforderungen zwar einen langen Atem ab. Wer sich auf diesen besonderen Roman, der zu recht ein Klassiker ist, einlässt, wird jedoch mit einer beeindruckenden Lektüre belohnt.

Veröffentlicht am 02.04.2020

Was im Leben wirklich wichtig ist

Dankbarkeiten
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Lange Zeit hat Michèle Seld, genannt Michka, alleine gelebt. Sie ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Bisher hat sie ein unabhängiges Leben geführt. Nur ab und zu hat sich Marie Chapier, eine junge ...

Lange Zeit hat Michèle Seld, genannt Michka, alleine gelebt. Sie ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Bisher hat sie ein unabhängiges Leben geführt. Nur ab und zu hat sich Marie Chapier, eine junge Frau, um die alte Dame mit dem Habitus eines jungen Mädchens gekümmert. Doch nun, mit Mitte 80, braucht die Seniorin eine ständige Betreuung, denn sie wird immer wackeliger auf den Beinen. Zudem leidet sie an Aphasie und verliert immer mehr Wörter. In einem Altersheim macht sie die Bekanntschaft mit dem Logopäden Jérôme. Und sie fasst einen Plan: Sie will endlich das Ehepaar finden, dem sie ihr Leben zu verdanken hat…

„Dankbarkeiten“ ist ein Roman von Delphine de Vigan.

Meine Meinung:
Der Roman ist in etliche, meist kurze Abschnitte unterteilt. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive - abwechselnd aus der Sicht von Marie und aus der von Jérôme, was insgesamt recht gut funktioniert, aber nicht immer ideal ist.

Der Schreibstil ist besonders. Er wirkt nur auf den ersten Blick recht reduziert, ist aber sehr eindringlich, einfühlsam, intensiv und stellenweise sogar poetisch. Der Roman ist geprägt von vielen Dialogen und gelungenen Sprachbildern. Sehr gut gefallen haben mir die vielen kreativen Wortneuschöpfungen, die durch Michkas Gedächtnisverlust herrühren. Ungewöhnlich ist auch der Einstieg, in dem die Erzählerin den Leser direkt anspricht.

Mit Michka steht eine interessante Protagonistin im Vordergrund. Auch Marie und Jérôme waren mir gleich sympathisch. Die Figuren wirken realitätsnah, ihr Denken und ihr Fühlen sind nachvollziehbar.

Obwohl der Roman weniger als 170 Seiten umfasst, steckt inhaltlich eine Menge in der Geschichte. Es geht um Tod, Trauer, das Altern, Einsamkeit und Krankheit, aber auch einiges mehr, denn der Roman enthüllt die nicht immer schöne Vergangenheit der alten Dame. Neben diesen ernsten und traurigen Themen gibt die Geschichte Trost und Hoffnung, da Freundschaften, Menschlichkeit, Liebe und eben Dankbarkeit auch eine Rolle spielen. Durch die gelungene Mischung konnte mich der Roman emotional berühren und zum Nachdenken anregen.

Das moderne Cover passt stilistisch gut zum Roman. Positiv anzumerken ist außerdem, dass der treffende französische Originaltitel („Les gratitudes“) ziemlich wortgetreu ins Deutsche übernommen wurde.

Mein Fazit:
Zwar konnte mich Delphine de Vigan dieses Mal nicht so restlos begeistern wie mit „Loyalitäten“. Aber auch „Dankbarkeiten“ ist ein facettenreicher Roman, der mir aus sprachlicher und inhaltlicher Sicht wieder sehr gut gefallen hat und den ich daher ebenfalls wärmstens empfehlen kann.

Veröffentlicht am 31.03.2020

Eine Geschichte der Angst

Rote Kreuze
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Minsk im Jahr 2001: Kaum ist der 30-jährige Alexander in die neue Wohnung eingezogen, da lernt er bereits seine Nachbarin kennen. Die 91-jährige Tatjana Alexejewna ist körperlich zwar ansonsten noch ganz ...

Minsk im Jahr 2001: Kaum ist der 30-jährige Alexander in die neue Wohnung eingezogen, da lernt er bereits seine Nachbarin kennen. Die 91-jährige Tatjana Alexejewna ist körperlich zwar ansonsten noch ganz fit, doch ihre Alzheimer-Krankheit raubt ihr mehr und mehr ihre Erinnerungen. Dabei hat sie viel zu erzählen, was nicht in Vergessenheit geraten soll. In der Vergangenheit hat die Seniorin ein Leben voller Schrecken geführt. Sie beschließt, ihre Geschichte ihrem Nachbarn anzuvertrauen, ohne zu wissen, dass der junge Fußballschiedsrichter selbst ein trauriges Schicksal zu verarbeiten hat…

„Rote Kreuze“ ist ein Roman von Sasha Filipenko.

Meine Meinung:
Der Roman ist lediglich in Abschnitte, nicht jedoch in Kapitel eingeteilt. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Alexander. Darüber hinaus gibt es aber immer wieder lange Monologe von Tatjana, wobei die Wechsel oft plötzlich kommen, was den Roman vor allem zu Beginn nicht so gut lesbar macht. Außerdem sind zwischendurch Gedichte, Briefe, Telegramme und sonstige Dokumente eingefügt. Diese wiederholen sich zum Teil inhaltlich und bremsen den Lesefluss, sodass ich es vorgezogen hätte, diese stärker komprimiert präsentiert zu bekommen oder sie in einem Anhang zu finden.

Der Schreibstil ist recht nüchtern und schnörkellos, aber dennoch eindringlich. Es gibt viel wörtliche Rede und wenige beschreibende Passagen. Wie Alexander selbst wird der Leser sehr direkt in die Erzählungen Tatjanas geworfen. Dennoch lässt sich die Geschichte gut nachverfolgen.

Mit Alexander und Tatjana stehen zwei gegensätzliche Protagonisten im Vordergrund, die zwar sehr reizvoll ausgestaltet sind, mir aber nicht gleich sympathisch waren. Mit der unhöflichen, abweisenden Art des jungen Mannes und dem penetrant aufdringlichen Verhalten der alten Frau hatte ich zu Beginn so meine Probleme. Später erfährt der Leser jedoch ihre Beweggründe und kann die Gedanken und Gefühle der beiden sehr gut nachvollziehen. Nur in einem Punkt erscheint mir das Denken Tatjanas ziemlich naiv und unlogisch.

Ein großes Plus des Romans ist seine wichtige Thematik. Mit der Geschichte Tatjanas lenkt der Autor die Aufmerksamkeit auf die unmenschlichen Schrecken und Grausamkeiten des Sowjetregimes zu der Zeit Stalins. Er betreibt damit Aufklärung und Aufarbeitung zugleich, indem er ein Kapitel der russischen Historie wieder in den Fokus rückt, das bei vielen seiner Landsleute bereits verdrängt worden ist. Ich selbst konnte durch die Lektüre vieles über die Vergangenheit der damaligen UdSSR lernen. Sie hat mich erschüttert und zum Nachdenken angeregt. Die sehr fundierte Recherche des Autors ist dem Roman an vielen Stellen anzumerken. Ebenfalls positiv aufgefallen ist mir, dass sich das Motiv des Kreuzes immer wieder in sprachlicher und inhaltlicher Sicht durch den Roman zieht.

Das für den Verlag typische Cover passt gut zum Roman. Den knappen Titel, der mehrdeutiger ist als zunächst gedacht, finde ich sehr gelungen.

Mein Fazit:
Mit „Rote Kreuze“ hat mich Sasha Filipenko zwar nicht in allen Aspekten gänzlich überzeugt. Dennoch wird sein Roman noch lange Zeit in mir nachhallen. Eine empfehlenswerte Lektüre.

Veröffentlicht am 31.03.2020

Die Geschichte von Blanche Peyron

Das Haus der Frauen
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Nach dem Selbstmord eines Mandanten ist die erfolgreiche Anwältin Solène mit den Nerven am Ende. Die 40-Jährige erleidet einen Zusammenbruch, der sie ihr Leben infrage stellen lässt. Nach einem Aufenthalt ...

Nach dem Selbstmord eines Mandanten ist die erfolgreiche Anwältin Solène mit den Nerven am Ende. Die 40-Jährige erleidet einen Zusammenbruch, der sie ihr Leben infrage stellen lässt. Nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik kommt sie, noch immer nicht ganz von ihrer Depression geheilt, in Kontakt mit einem Pariser Wohnheim für Frauen. Ehrenamtlich soll sie die Bewohnerinnen bei deren Korrespondenzen unterstützen. Im Haus der Frauen erhält das Leben für Solène nicht nur einen neuen Sinn, sondern sie erfährt auch Zusammenhalt. Sie beschließt nachzuforschen, was die 58-jährige Begründerin Blanche Peyron vor 100 Jahren dazu bewog, das Frauenheim trotz aller Widerstände zu schaffen…

„Das Haus der Frauen“ ist der zweite Roman von Laetitia Colombani.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 28 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Es gibt zwei Stränge: Einerseits befinden wir uns mit Solène im Paris der Gegenwart und andererseits mit Blanche Peyron in den 1920er-Jahren, jeweils erzählt im Präsens. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Bereits bei ihrem Debütroman hat mir der Schreibstil der Autorin gefallen. Auch dieses Mal ist die Sprache klar, aber schafft es, viele Bilder hervorzurufen. Obwohl im Roman auf direkte Rede verzichtet wird, ist der Erzählton erneut einfühlsam und warmherzig.

Wie schon in „Der Zopf“ stehen auch dieses Mal starke Frauen im Vordergrund. Sowohl Solène als auch Blanche wirken authentisch. Ihre Gedanken und Gefühlen sind gut nachvollziehbar, ihre Geschichten habe ich gerne verfolgt.

Toll finde ich, dass der Roman auf wahren Begebenheiten beruht. Fakten und Fiktionen werden so gekonnt miteinander verwoben. Das „Palais de la Femme“ in Paris existiert wirklich. Es ist interessant, die Geschichte der Begründerin Blanche Peyron zu erfahren. Schön, dass ihr Engagement nun literarisch bearbeitet wurde. Die fundierte Recherche ist dem Roman anzumerken.

Auf rund 250 Seiten werden mehrere bedrückende Frauenschicksale dargestellt, was den Roman zugleich abwechslungsreich und berührend macht. Langeweile kommt beim Lesen nicht auf, obwohl die schlüssige Handlung nur wenige Überraschungen bieten kann.

Das Cover, das stilistisch an den Vorgängerroman der Autorin erinnert, ist nicht nur thematisch passend, sondern auch wieder hübsch anzuschauen. Leider orientiert sich der deutsche Titel dieses Mal nicht so nah am französischsprachigen Original („Les Victorieuses“), was ich schade finde.

Mein Fazit:
Mit „Das Haus der Frauen“ legt Laetitia Colombani wieder einen empfehlenswerten Roman vor, der zwar nicht ganz an „Der Zopf“ heranreicht, aber mich ebenfalls überzeugt hat. Die Geschichte sorgt für schöne Lesestunden.