Wenn ein Algorithmus über das Leben bestimmt
Der WürfelDeutschland in der nicht allzu fernen Zukunft: Der Alltag der Einwohner wird von einem perfekten Algorithmus gesteuert. Der „Würfel" ermöglicht ein sorgenfreies Leben, zahlt allen ein Grundeinkommen und ...
Deutschland in der nicht allzu fernen Zukunft: Der Alltag der Einwohner wird von einem perfekten Algorithmus gesteuert. Der „Würfel" ermöglicht ein sorgenfreies Leben, zahlt allen ein Grundeinkommen und erstickt Kriminalität im Keim. Um das zu leisten, sammelt er allerdings die intimen Daten der Menschen, kontrolliert sie und nutzt ihre Berechenbarkeit aus. Der 28-jährige Taso, der sich selbst als „Gaukler“ bezeichnet, rebelliert in Berlin gegen das System. Mit großem Aufwand entzieht er sich der Totalerfassung, täuscht den Würfel über seine Vorlieben und Gedanken, indem er seine Entscheidungen mit Spielwürfeln und einer Münze trifft – bis eine junge Frau in sein Leben tritt und sein Herz erobert: Dalia ist aus einer rückständigen Sekte geflohen und wünscht sich nichts sehnlicher als einen Alltag in der vermeintlich schönen Welt des Würfels. Taso muss sich entscheiden: Verrät er für die Liebe seine Ideale oder schließt er sich dem Widerstand an?
„Der Würfel“ ist der dystopische Debütroman von Bijan Moini.
Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 17 recht langen Kapiteln und einem Epilog. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge aus der Sicht von Taso. Der Aufbau funktioniert gut.
Der Schreibstil ist anschaulich und gut verständlich, zum Teil aber auch etwas zu nüchtern und distanziert. Für die Orientierung im Geschehen habe ich eine Weile gebraucht. Ein richtiger Lesefluss kommt erst nach einer Weile auf. Für das Verständnis der Lektüre wird viel Aufmerksamkeit verlangt.
Ein Manko sind für mich die Charaktere des Romans. Mit Protagonist Taso wurde ich von Beginn an nicht richtig war. Einige seiner Entscheidungen konnte ich nicht richtig nachvollziehen. Auch Dalia ist mir unsympathisch. Allerdings wird eine Bandbreite unterschiedlicher Typen und deren Umgang mit dem System dargestellt.
Die Grundidee des Romans hat mich neugierig gemacht. Das dargestellte Szenario wirkt zwar stellenweise ein wenig überspitzt, aber insgesamt nicht abwegig oder komplett unrealistisch. Nur in den ersten Kapiteln habe ich mich damit schwergetan, mir diese Zukunftsversion konkret vorstellen zu können. Ansonsten sind die Beschreibungen detailliert und der Autor verwendet viel Mühe auf das Worldbuilding, das mir im Großen und Ganzen logisch und durchdacht vorkommt.
Die komplexe Thematik der Geschichte ist durchaus aktuell. Es geht um Datenschutz, die Überwachung von Bürgern sowie künstliche Intelligenz – und dies im Spannungsfeld zwischen der Freiheit, Privatsphäre und Selbstbestimmung des Einzelnen und dem Bedürfnis nach Sicherheit, Wohlstand und Frieden für alle. Dadurch bietet der Roman einige Denkimpulse, wirft moralische Fragen auf und leistet einen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte, was ich positiv finde.
Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf, wird aber zunehmend spannender. Trotz der rund 400 Seiten ist der Roman lediglich an wenigen Stellen etwas langatmig, denn das Buch hat mehrere Wendungen zu bieten. Das eher offene Ende ist nicht leicht vorherzusehen und wirkt schlüssig.
Die sehr moderne, reduzierte Gestaltung des Hardcovers mit dem roten Buchschnitt ist durchaus ansprechend. Auch der prägnante Titel passt gut.
Mein Fazit:
Mit „Der Würfel“ konnte mich Bijan Moini trotz seiner Aktualität leider nicht vollends überzeugen. Zwar haben mich das Szenario und die Themen des Romans sehr angesprochen. In der Umsetzung sehe ich jedoch mehrere Schwächen. Alles in allem kann die Geschichte dennoch gut unterhalten.