Ein entbehrungsreiches Leben auf dem Land
Das Band, das uns hältDas fiktive Städtchen Holt in den High Plains im US-Bundesstaat Colorado im Frühjahr 1977: Die 80-jährige Edith Goodnough befindet sich in einem Krankenhausbett. Vor der Tür hält die Polizei Wache, denn ...
Das fiktive Städtchen Holt in den High Plains im US-Bundesstaat Colorado im Frühjahr 1977: Die 80-jährige Edith Goodnough befindet sich in einem Krankenhausbett. Vor der Tür hält die Polizei Wache, denn die Seniorin wird eines schlimmen Verbrechens beschuldigt: Mord. Wie konnte es soweit kommen?
„Das Band, das uns hält“ ist ein Roman des verstorbenen Autors Kent Haruf, der im Original bereits 1984 erschienen ist und nun erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt.
Meine Meinung:
Mit seinen elf Kapiteln, die aus mehreren Abschnitten bestehen, verfügt der Roman über eine bewährte Struktur. Erzählt wird rückblickend in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Sanders Roscoe. Die erzählte Zeit erstreckt sich über eine Spanne von rund 80 Jahren, beginnend im Jahr 1977, um die Geschichte ab 1896 aufzurollen.
In sprachlicher Sicht unterscheidet sich das frühe Werk des Autors von seinen späteren Romanen. Der Ton ist rauer, derber, die Wortwahl ein wenig rustikal. Dies war für mich anfangs gewöhnungsbedürftig, passt jedoch gut zur Erzählstimme. Zudem ist der Stil so atmosphärisch und eindringlich wie in den nachfolgenden Holt-Romanen.
Mit Liebe und Feingefühl, aber zugleich mit unverstelltem Blick werden die Figuren beleuchtet. Die Protagonistinnen und Protagonisten sind in Graunuancen gezeichnet. Der Großteil der Charakter ist durchweg weder gut noch böse. Menschliche Schwächen, aber auch Vorzüge treten zutage. Diese differenzierte, psychologisch ausgefeilte Darstellung der Figuren macht sie authentisch und glaubwürdig. Eine weitere Stärke des Romans.
Inhaltlich ist die Geschichte düsterer und schwermütiger als die übrigen fünf Romane Harufs. Der harte Alltag des Landlebens und persönliche Schicksale spielen eine hervorgehobene Rolle. Liebe, Verantwortung und Pflichtgefühl sind weitere große Themen. Die Lektüre ist fordernd und dabei alles andere als leichte Kost. Sie rüttelt auf, macht betroffen und nachdenklich, berührt.
Trotz des eher langsamen Erzähltempos kommt auf den etwa 300 Seiten keine Langeweile auf. Die Frage, was genau Edith angelastet wird, sorgt für eine subtile Spannung. Zudem hat mich der Roman an einigen Stellen überraschen können.
Das Cover passt sowohl zum Inhalt als auch zu den anderen Holt-Bänden. Der deutschsprachige Titel wurde erfreulicherweise wortgetreu aus dem amerikanischen Englisch („The Tie That Binds“) übersetzt.
Mein Fazit:
Auch wenn sein Debütroman nicht zu meinem Lieblingsroman von Kent Haruf geworden ist, hat mich auch diese Geschichte aus dem Holt-Universum in mehrerlei Hinsicht überzeugt. Eines meiner Lesehighlights 2023 und ein Roman, den ich anspruchsvollen Lesern gerne ans Herz legen kann.