Ein Koffer voller Leere
BananamaVon wem stammen die Schreie aus dem Wald? Wieso liegen tote Menschen im Garten? Und warum verschließen Vater und Mutter das Haus? Diese und weitere Fragen stellt sich ein sechsjähriges Mädchen, das mit ...
Von wem stammen die Schreie aus dem Wald? Wieso liegen tote Menschen im Garten? Und warum verschließen Vater und Mutter das Haus? Diese und weitere Fragen stellt sich ein sechsjähriges Mädchen, das mit seinen Eltern, selbst ernannten Aussteigern, in „Bananama“ lebt. Merkwürdige Dinge gehen in und um das einsam gelegene Haus am Waldrand vor sich. Immer seltsamer verhalten sich die Eltern. Wahnhaft halten sie an ihren Vorstellungen von einem idealen Leben fest, während sich die Ereignisse der Welt draußen nicht länger verleugnen lassen. Von sozialen Kontakten fast völlig isoliert, nimmt das Mädchen alles mit wachsendem Befremden und zunehmender Angst wahr. Und doch spitzt sich die Situation weiter zu…
Der moderne Roman „Bananama“ von Simone Hirth beleuchtet die Widersprüche und Absurditäten der Gesellschaft, wobei er einen ironischen Blick auf die Utopie eines sicheren Lebens wirft.
Meine Meinung:
Erzählt wird die Geschichte in sieben Kapiteln in der Ich-Perspektive aus der Sicht des kleinen Mädchens, dessen Namen nicht verraten wird. Der ungewöhnliche, eindrucksvolle Schreibstil sticht hervor und macht den Roman besonders. Tolle Sprachbilder und treffende, sich wiederholende Metaphern wie die des Koffers, der mal mit schönen Dingen gefüllt und mal leer ist, ziehen sich durch das gesamte Buch.
Der Erzählstil, der das kindliche Denken widerspiegelt, ist sehr eindrücklich und dicht. Es herrscht eine unheimliche Stimmung, die anfangs kaum greifbar ist, sich dann aber immer weiter manifestiert. Transportiert wird mehr als das, was tatsächlich erzählt wird. Der Roman spielt mit der Fantasie und der Wahrnehmung der Leser. Was ist real? Was ist surreal? Dadurch wird die Lektüre teilweise etwas verwirrend und verstörend, aber auch fesselnd und spannend.
Die Entscheidung, eine Sechsjährige die Ereignisse schildern zu lassen, gefällt mir sehr gut. Sie reflektiert viel und wirkt sehr reif für ihr Alter, teilweise vielleicht schon etwas zu reif. Ihre Gefühls- und Gedankenwelt werden detailliert dargestellt. Auch die beiden Eltern sind als Charaktere reizvoll. Ihr Denken und Handeln ist widersprüchlich, abstrus und für Außenstehende größtenteils kaum nachvollziehbar. So werden sie zu Prototypen von idealistisch verblendeten Individuen, die bei allem guten Willen genau das Falsche tun und einem unrealistischen Idyll hinterherhechten.
Thematisch deckt der Roman ein breites Spektrum ab. Der stark ideologisch motivierte Vater bringt dem Kind abstrakte Begriffe wie „Ökologischer Fußabdruck“, „Nachhaltigkeit“ und „Permakultur“ näher. Doch die Utopie einer perfekten Welt wird durch das seltsame, widersprüchliche Verhalten der Eltern ad absurdum geführt und der Lächerlichkeit preisgeben, was mich an einigen Stellen schmunzeln ließ. Diese gesellschaftskritische Komponente hat mir ebenso zugesagt wie die philosophischen Fragen, die aufgeworfen wurden. Gleichzeitig konnte mich der Roman durch die Angst und Verunsicherung des Mädchens sehr berühren.
Durch den Umstand, dass viele Fragen offen bleiben, bietet der Roman viel Interpretationsspielraum und regt zum intensiven Nachdenken an. Dadurch wird er sicherlich aber auch polarisieren.
Das Cover des Buches ist sowohl optisch als auch inhaltlich sehr gelungen. Der simple Titel ist ebenfalls passend gewählt.
Mein Fazit:
Der Roman „Bananama“ von Simone Hirth ist keine leichte Kost. Es ist eine außergewöhnliche Lektüre, die bei mir mit Sicherheit noch eine Weile nachwirken wird.