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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.06.2023

Liebe ist Heimweh

Kentucky
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Owen Callahan treibt mehr oder weniger ziellos durchs Leben. Nachdem er seine Heimat für Jahre verlassen hat, kehrt er nun nach Kentucky zurück, um in Louisville Creative Writing zu studieren, kommt solange ...

Owen Callahan treibt mehr oder weniger ziellos durchs Leben. Nachdem er seine Heimat für Jahre verlassen hat, kehrt er nun nach Kentucky zurück, um in Louisville Creative Writing zu studieren, kommt solange bei seinem Großvater unter. Um sich die Studiengebühren leisten zu können, nimmt er einen Job bei der Universität an und erledigt Baumpflegearbeiten auf dem Campus. Kurz darauf begegnet er Alma, die Autorin ist und bereits an ihrem ersten Buch über ihre Familie schreibt. Als Kind bosnischer Einwanderer hat sie eine Vergangenheit, die auch Owen fasziniert, sodass dieser beschließt, diese in sein geplantes Buch einzubauen, was verständlicherweise zu einem Konflikt führt.

Das vorliegende Buch lässt mich ein wenig ratlos zurück. Der Klappentext, der eine spannende Story mit explosiven Inhalten versprochen hat, ist irreführend, da er im Grunde das gesamte Buch in ein paar Sätzen zusammenfasst. Anders ausgedrückt könnte man sagen: mehr passiert im Buch nicht. Dies würde der Geschichte aber nicht gerecht werden, deswegen versuche ich es anders. Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt und der erste Teil dreht sich vollständig darum, dass Owen und Alma zusammenkommen. Dass dies viele Längen beinhaltet und manchmal etwas langatmig ist, liegt auf der Hand, dauert diese Phase immerhin das halbe Buch lang.

„Vor mir sah ich eine Zukunft, in der wir längst Geschichte waren und ich voll Wehmut an diesen Moment zurückdachte. Ja, es schmerzte sogar jetzt: vorauseilende Sehnsucht nach einem vergangenen Moment, der noch gar nicht vorüber war.“ (Seite 252)

Owen war mir sympathisch, ich fand es beeindruckend, wie er trotz seiner Herkunft und einer bewegten Vergangenheit versucht hat, seine Ziele zu erreichen. Wie verschieden dagegen das Leben von Alma, die als Kind von Einwanderern ein gänzlich anderes Leben geführt hat, das im Vergleich dazu fast schon privilegiert anmutet. Beide Charaktere haben viele Gefühle in mir ausgelöst, positive natürlich, aber oft auch negative, und zwar durch Handlungen, die mich den Kopf schütteln ließen. Der Ich-Erzähler Owen hat Ecken und Kanten, Fehler und Schwächen, aber dennoch eine große Anziehungskraft auf mich ausgeübt, die dazu führte, dass ich das Buch durchgezogen und es letztendlich nicht bereut habe. Das letzte Drittel fand ich dabei am interessantesten, tatsächlich passierte in diesem Teil des Buches so viel, dass ich diesen in einem Rutsch durchgelesen habe, wo ich mich davor oft dazu animieren musste, das Buch wieder in die Hand zu nehmen. Hierzu passt das folgende Zitat, das ich sehr schön fand:

„Man sehnt sich nach den Dingen, die man vorher öde fand.“ (Seite 402)

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich gut unterhalten wurde, das Buch aber wegen der vielen Längen und einer Handlung, die oft schlicht und ergreifend nur mäßig interessant war, meine Erwartungen nicht erfüllt hat. Der Schreibstil war zumindest toll und das letzte Drittel hat zu einer Aufwertung geführt, die bei mir mit dreieinhalb Sternen ihren Höhepunkt findet.

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Veröffentlicht am 09.06.2023

Großartiger Reihenstart

Der Morgen (Art Mayer-Serie 1)
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Auf der Ladefläche eines verunfallten Kleinlasters stößt eine Zeugin durch Zufall auf die Leiche einer Frau, auf deren nackten Körper die private Adresse des Bundeskanzlers geschrieben steht. Die Kommissaranwärterin ...

Auf der Ladefläche eines verunfallten Kleinlasters stößt eine Zeugin durch Zufall auf die Leiche einer Frau, auf deren nackten Körper die private Adresse des Bundeskanzlers geschrieben steht. Die Kommissaranwärterin Nele Tschaikowski wird dem Ermittler Artur (Art) Mayer zur Seite gestellt, der darüber nur mäßig begeistert zu sein scheint. Als kurz darauf Videos auftauchen, die eine Beteiligung des Kanzlers vermuten lassen, wird es kompliziert, denn gleichzeitig stellt dieser Forderungen an Art Mayer, die an eine frühere Verbindung geknüpft sind, von der niemand etwas wissen darf.

Dies ist der erste Teil einer Buchreihe um den Ermittler Art Mayer und für mich ein sehr überzeugender Reihenauftakt. Obwohl ich Bücher über Politik oder politische Themen überhaupt nicht mag, war die Dosierung hier genau richtig. Auch die Verbindung zwischen Fakten und Fiktion war perfekt gewählt, die Geschichte spielt in der Gegenwart, und zwar in der unseren, sodass natürlich genug Hinweise auf wichtige Ereignisse erfolgen. Bereits früh baut Marc Raabe eine gewisse Spannung auf, die er kontinuierlich steigert. Natürlich half dabei der Umstand, dass beide Hauptpersonen, also Artur und Nele, für mich als Leserin absolut fremd waren, sodass ich nach jeder noch so kleinen Information lechzte.

Man nehme das knifflige Verbrechen, ein paar falsche Fährten und die ein oder andere Wendung, fertig ist ein großartiger Thriller, der trotz der hohen Seitenzahl bis zuletzt keine Längen hatte. Beide Ermittler fand ich authentisch und freue mich auf viele weitere Fälle, die hoffentlich genauso ausgeklügelt sein werden, wie im vorliegenden Buch. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und natürlich eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 08.06.2023

Gestärkt aus der Krise

Der Himmel muss warten
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Marie Parker ist müde, genauer gesagt lebensmüde. Sie mag nicht mehr und sie will es auch nicht wollen. Nach mehreren gescheiterten Suizidversuchen ist sie mit der Einweisung in eine Klinik einverstanden; ...

Marie Parker ist müde, genauer gesagt lebensmüde. Sie mag nicht mehr und sie will es auch nicht wollen. Nach mehreren gescheiterten Suizidversuchen ist sie mit der Einweisung in eine Klinik einverstanden; dies nicht etwa, um gesund zu werden, sondern um Menschen zu finden, die mit ihr zusammen aus dem Leben scheiden. In der Klinik trifft sie auf unterschiedliche Leidensgenossen und erfährt deren Geschichten, die tief in ihr etwas berühren und auslösen.

Eigentlich wollte ich nur kurz in die Leseprobe, die keine war, weil die Autorin mir das gesamte Buch elektronisch zur Verfügung gestellt hat, reinlesen und blieb nach vierundzwanzig Seiten kleben. Der leichte Schreibstil und der immer wieder eingestreute Humor machten es mir in dieser Hinsicht leicht, sodass ich das relativ schmale Buch recht zügig und auch sehr gerne gelesen habe. Das Thema Depression und Suizid ist hier vordergründig, wie bereits ausführlich im Klappentext erwähnt, sodass ich zwar keine Triggerwarnung aussprechen, hierauf aber explizit noch einmal hinweisen muss und möchte. In der Klinik werden verschiedene Krankheiten behandelt, darüber sollten sich LeserInnen ebenfalls im Vorfeld im Klaren sein.

Aus der Kürze der Geschichte resultieren im übrigen zwei Kritikpunkte, die ich habe. Die Entwicklung, die Maria macht, passiert so blitzschnell, dass ich dies unrealistisch finde. Nun kann man das Buch natürlich nicht der Realität anpassen, aber dort die Zeit anders ablaufen lassen. Hier hätte ich mir mehr Raum für die Entwicklung gewünscht, ich glaube, dass das Leseerlebnis dann etwas intensiver geworden wäre. Womit wir beim zweiten Punkt wären. Das Buch gleicht mehr einem Ratgeber in Romanform, was ich an sich nicht schlecht finde. Die geballte Masse an Empfehlungen, Tipps und Ratschlägen allerdings hat mich stellenweise erschlagen. Hier wäre weniger mehr gewesen, weil ich ein wenig das Gefühl hatte, dass aufgrund der Kürze der Erzählung jeder Charakter so viel therapeutisch kluges wie möglich von sich geben sollte. Dass dies bei so vielen Patienten einer solchen Klinik relativ unwahrscheinlich ist, lassen wir einmal außen vor; dass dies in einer solchen Fülle erfolgt, fand ich aber schon ein wenig befremdlich. Natürlich ist dies meine persönliche Einschätzung, da es Menschen gibt, die diese Lebensweisheiten und Lebenshilfen noch nicht kennen und davon mehr profitieren könnten, als ich dies getan habe. Anmerken möchte ich in diesem Zusammenhang, dass ich die Unterhaltungen nichtsdestotrotz gut gewählt und außerordentlich nützlich finde für Menschen, die in dieser Hinsicht den Halt oder ihr Ziel aus den Augen verloren haben.

Das Ende hat leider wieder ein wenig den Kontakt zur Realität verloren. Die Reaktion von Marie auf eine bestimmte Aktion ist nicht nur indiskutabel, sondern erfüllt für mich einen Straftatbestand. Für mich nicht nachvollziehbar und ein wenig schade, denn dies hätte man anders lösen können, finde ich. Wie immer macht sich aber auch hier jede/r LeserIn am besten eine eigene Meinung.

Als Fazit kann ich sagen, dass ich froh darüber bin, dass das Buch den Weg zu mir fand. Die schweren Themen so aufgelockert in eine Erzählung zu packen, war eine gute Entscheidung. Die Krankheitsbilder verdienen mehr Aufmerksamkeit und auch die immer noch stattfindende Stigmatisierung psychischer Probleme muss endlich ein Ende haben. Wie schön, dass diese Menschen durch solche Bücher eine Stimme bekommen.

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Veröffentlicht am 05.06.2023

Großartiges Verwirrspiel

Haus der Stimmen
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Der italienische Psychologe Pietro Gerber wird von einer australischen Kollegin gebeten, eine Patientin von ihr zu übernehmen. Obwohl Gerber sich auf Kinder spezialisiert hat, macht ihn der Fall sehr neugierig ...

Der italienische Psychologe Pietro Gerber wird von einer australischen Kollegin gebeten, eine Patientin von ihr zu übernehmen. Obwohl Gerber sich auf Kinder spezialisiert hat, macht ihn der Fall sehr neugierig und er lässt sich auf die Patientin Hanna Hall ein, die in den Hypnosesitzungen verstörende und beunruhigende Einzelheiten zu ihrer Kindheit zutage fördert. Als die Patientin sich in Gerbers Leben einmischt und Sachen anspricht, von denen nicht mal dessen Frau etwas weiß, ahnt Gerber, dass die weitere Behandlung ihn in große Gefahr bringen könnte. Die Anziehungskraft von Hanna Hall aber ist stärker, als jede Vernunft.

Bereits der Anfang der Geschichte, der vergangene Ereignisse beschreibt, was kenntlich gemacht wurde durch eine Datumsangabe, lässt mich am Buch kleben, denn das dramatische Geschehen verrät vieles, aber schlauer bin ich dadurch nicht. Erst nach und nach begreife ich, was da passiert ist und trotzdem tappe ich weiterhin überwiegend im Dunkeln. Die Erinnerungen von Hanna Hall lassen mich die abenteuerlichsten Vermutungen anstellen, manchmal denke ich sogar, dass da unnatürliche Kräfte im Spiel sind, was ich in Büchern eigentlich nicht so mag, aber die Lösung ist ganz anders, als gedacht. Die vielen Andeutungen und Hinweise führen dazu, dass ich bald ahne, worauf es hinauslaufen könnte, um kurz darauf festzustellen, wie weit ich von der Lösung entfernt liege. Die Spannung steigt ins Unermessliche und ich fiebere dem Finale entgegen. Die kommende Wendung habe ich überhaupt nicht kommen sehen und gerade als ich denke, dass ich nun alles weiß, setzt der Autor noch einen drauf. Großartig! Ich freue mich auf eine Fortsetzung.

Wer wendungsreiche, psychologisch ausgefeilte und voller Überraschungen steckende Thriller mag, wird hier auf seine Kosten kommen. Wieder einmal hat Donato Carrisi es geschafft, mich zu verblüffen, hat aus einem alten Thema etwas außergewöhnlich Neues erschaffen und es spannend verpackt. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und natürlich eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 03.06.2023

Die andere Hälfte

Es war einmal in Brooklyn
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Juliette und David sind siebzehn Jahre alt, Nachbarn und beste Freunde seit zehn Jahren. Juliette ist lebenshungrig, will alles erleben und das am besten sofort; insbesondere eine Sache gibt es, die sie ...

Juliette und David sind siebzehn Jahre alt, Nachbarn und beste Freunde seit zehn Jahren. Juliette ist lebenshungrig, will alles erleben und das am besten sofort; insbesondere eine Sache gibt es, die sie hinter sich bringen will. Mangels Alternativen schließen Juliette und David den Pakt, dass sie ihre Unschuld gemeinsam verlieren wollen. Erschwert wird dies durch den Umstand, dass David todkrank ist und sterben wird. Als Juliette den Pizzaboten Rico kennenlernt und auf Wolke sieben schwebt, ist plötzlich alles anders und David merkt, dass er selbst in Juliette verliebt ist.

Liebesgeschichten lese ich sehr selten, hier sprachen mich Titel sowie Cover an und der Klappentext klang interessant, sodass klar war, dass das Buch bei mir einziehen wird. Wie froh bin ich darüber, dass in meinem Fall das Marketing funktioniert hat, wie erstaunt, dass es ganz anders war, als ich dachte und dafür genauso, wie ich es mir wünschte! Aber der Reihe nach. Ein namenloser Erzähler nimmt mich mit auf die Reise in die Vergangenheit ins Jahr 1977, das bunt, laut, vor allem aber sehr heiss gewesen ist. Nach und nach lerne ich die Familienmitglieder und andere Personen kennen, in ungewöhnlicher Weise erfahre ich so auch einiges, das noch in der Zukunft liegt. Durch diese Erzählweise habe ich Fragen, bekomme Antworten, werde aber auch sehr neugierig gemacht auf alles, was noch folgen wird und das ist einiges.

Ich konnte mich immer wieder in die Charaktere versetzen, lachte, weinte und hoffte mit. Die überraschende Wendung hat mich erschüttert, damit habe ich wirklich nicht gerechnet, meine Sympathie schwand zwar nicht, bekam aber Risse. Erst nach und nach verstand ich die Hintergründe, begriff so manches und versöhnte mich. Das letzte Drittel war bewegend, so viel habe ich lange nicht mehr geweint. Der Ausgang konnte mich erneut überraschen, ich habe es nicht kommen sehen, auch die geniale Auflösung nicht. Liebesgeschichte, Drama, Tragödie, eine Prise Crime und ein feiner Humor, diese unwiderstehliche Mischung lässt mich begeistert zurück. Ein wunderbares Buch, das mir das Gefühl gibt, ich hätte alles miterlebt. Von mir gibt es fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung.

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