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Veröffentlicht am 20.04.2021

Psychologische Spannung vom Feinsten

Der Verdacht
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Violet ist ein absolutes Wunschkind und obwohl Blythe anfangs Bedenken hat, freut sie sich immer mehr auf die Geburt. Als Violet auf der Welt ist, fühlt sich für Blythe aber alles falsch an. Kein Glücksgefühl, ...

Violet ist ein absolutes Wunschkind und obwohl Blythe anfangs Bedenken hat, freut sie sich immer mehr auf die Geburt. Als Violet auf der Welt ist, fühlt sich für Blythe aber alles falsch an. Kein Glücksgefühl, keine Liebe stellt sich ein. Das Baby ist schwierig und die Mutterschaft stellt Blythe vor einige Herausforderungen. Je älter Violet wird, desto feindseliger wird ihr Verhalten Blythe gegenüber. Ihren Vater Fox hingegen vergöttert Violet, was auf Gegenseitigkeit beruht. Die Bedenken von Blythe bleiben ungehört, die Situation spitzt sich zu, bis sich eine Tragödie ereignet.

Schon das erste Kapitel katapultierte mich in die Geschichte. Während Blythe heute eine Situation beobachtet, das Buch also quasi am Ende beginnt, erinnert sie sich daran, wie ihr Leben war, damals, als sie Fox kennenlernte, wie es war, als sie zusammenkamen, eine Familie gründeten, Kinder planten und das Leben schön war. Mit der Geburt von Violet änderte sich dann alles. Blythe schildert ihrem Mann ihre Sicht der Dinge. Zwischen dieser Erzählung erfahren wir stückchenweise, wer Blythes Mutter war und auch, wie diese groß geworden ist. Die Familiengeschichte von Blythe ist entsetzlich; voller Obsessionen und Grausamkeiten, das Schicksal erspart den Frauen nichts. Das ist traurig, das ist tragisch, das ist stellenweise wirklich schwer auszuhalten. Die Kapitel sind kurz gehalten, stellenweise sind es nur zwei Seiten, aber die haben es in sich.

Ich bin durch das Buch geflogen, wollte wissen, wie es weitergeht und musste es trotzdem manchmal an die Seite legen. Die Gefühle von Blythe hat die Autorin so außergewöhnlich gut erfasst, dass sie fast spürbar waren beim lesen. Im letzten Drittel flachte die Spannung etwas ab, was allerdings der Story geschuldet ist. Ein tolles Buch, mehr Psychothriller als Roman, emotional und verstörend, ein echter Pageturner. Von mir gibt es 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 16.04.2021

Kriminalroman erfrischend anders

Kalmann
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Kalmann ist anders. Sagt er selbst, weiß er selbst und alle anderen im Dorf wissen das auch. Er ist 33 und Isländer, obwohl sein Vater Amerikaner war. Kalmann trägt einen Cowboyhut und einen Sheriffstern, ...

Kalmann ist anders. Sagt er selbst, weiß er selbst und alle anderen im Dorf wissen das auch. Er ist 33 und Isländer, obwohl sein Vater Amerikaner war. Kalmann trägt einen Cowboyhut und einen Sheriffstern, außerdem einen Pistolengürtel um die Hüfte mit einer Pistole drin, denn Kalmann ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Im Ernst. Und auch wieder nicht.

„Denn es war noch nie richtig vorwärtsgegangen mit mir. Man vermutete, dass die Räder in meinem Kopf rückwärtslaufen. Kam vor. Oder dass ich auf der Stufe eines Erstklässlers stehengeblieben sei. Ist doch mir egal.“ (Seite 11)

Seit sein Großvater, bei dem er aufgewachsen ist, im Pflegeheim ist, lebt Kalmann allein. Das funktioniert auch gut, Kalmann ist sich selbst genug. Als er eines Tages auf der Jagd eine große Blutlache findet, ist ihm sofort klar, dass etwas passiert sein muss. Nachdem er dies gemeldet hat, ist sein beschauliches Leben im Dorf erstmal vorbei. Der fast ausgestorbene Küstenort wird zum Schauplatz von Ermittlungen und von Polizei sowie zahlreichen Journalisten überschwemmt. Und was hat eigentlich die litauische Mafia mit der ganzen Sache zu tun?

Kalmann selbst ist es, der berichtet. Er erzählt uns, wer er ist und wie sein Leben normalerweise verläuft, klärt uns darüber auf, wie es so in seinem Dorf läuft für ihn, der so anders als seine Bewohner, aber trotzdem in vielem gleich ist. Das ist unglaublich skurril und lustig, ohne dabei ins lächerliche zu rutschen. Wie Joachim B. Schmidt es geschafft hat, den Charakter zu zeichnen, ihm trotz seines Handicaps seine Würde zu lassen, ist grandios! Die Story selbst ist total abgedreht, was durch die Erzählweise verstärkt wird, denn Kalmann hat eine ganz eigene Sicht auf die Dinge und diese teilt er uns durchgehend mit. Welche Wendung die Geschichte letztendlich nimmt, habe ich so überhaupt nicht kommen sehen. Meine Vermutung war so weit von der tatsächlich Lösung entfernt wie der Nordpol von Köln.

Dieses Buch hat mich begeistert, ich wollte Kalmann ungerne gehen lassen. Er ist nicht immer einfach, der Kalmann, aber ich habe ihn wirklich ins Herz geschlossen. Hoffentlich wartet irgendwo noch ein weiteres Abenteuer auf ihn, ich wäre sehr gerne dabei! Von mir gibt es 5 Sterne und eine unbedingte (!) Leseempfehlung. Lernt Kalmann kennen, ihr werdet ihn lieben. Mit Sicherheit!

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Veröffentlicht am 12.04.2021

Liebe und Leid liegen nah beieinander

Marianengraben
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Paula liebt ihren Bruder über alles. Sie ist überzeugt davon, dass er sie zu einem besseren Menschen macht. Paula ist eher menschenscheu, ihr kleiner Bruder Tim das genaue Gegenteil von ihr. Neugierig, ...

Paula liebt ihren Bruder über alles. Sie ist überzeugt davon, dass er sie zu einem besseren Menschen macht. Paula ist eher menschenscheu, ihr kleiner Bruder Tim das genaue Gegenteil von ihr. Neugierig, aufgeweckt und überaus wissbegierig ist Tim. Er liebt alle Tiere, besonders aber das Meer und die Meeresbewohner, da trifft es sich gut, dass die große Schwester Biologin ist und die Tiefsee erforschen will. Als ein schrecklicher Unfall passiert, erfährt Paula am Telefon davon. Danach ist nichts mehr so, wie es vorher war.

„An meinem Kühlschrank hängt bis heute ein Graph, auf dem man sieht, wie ein menschliches Herz zerbricht.“ (Seite 20)

Paula wird mit dem Tod ihres Bruders nicht fertig. Sie zieht sich zurück, wird depressiv, verzweifelt am Leben. Als sie bei einem nächtlichen Besuch auf dem Friedhof Helmut, einen über 80jährigen, schrulligen alten Herren trifft, ist dies der Beginn eines außergewöhnlichen Trips, der beider Leben, insbesondere aber das von Paula, verändert.

Paula wendet sich in diesem Buch nicht an uns, sondern an Tim, ihren Bruder. Während sie ihre abenteuerliche Reise mit Helmut schildert, erinnert sie sich an Situationen mit ihm, an seine Fragen, seine Ängste, seine Eigenheiten. Dieses Buch handelt vom Sterben und vom Neuanfang. Vom Leben und vom Tod. Es ist traurig, es ist herzzerreißend, gleichzeitig aber auch lustig und erfrischend. Diesen Spagat zu schaffen, ist eine Kunst, und diese beherrscht Jasmin Schreiber wunderbar.

Lange habe ich mich gesträubt, dieses Buch zu lesen. Ich hatte Angst, dass es mich zu traurig macht. Meine beste Freundin hat mir vor vielen Jahren gesagt, solange ich keinen echten Verlust erleiden würde, wüsste ich gar nicht, was Trauer ist. Sie war sehr klug, meine Freundin, und sie war in ihrem Leben auf viel zu vielen Beerdigungen. Ich nicht. Als sie selbst vor ein paar Jahren unerwartet und viel zu jung aus dem Leben gerissen wurde, verstand ich, was sie meint. Auf grausame Weise wurde mir klargemacht, was es heißt, einen geliebten Menschen zu verlieren. Ich konnte monatelang nicht über sie sprechen, ohne in Tränen auszubrechen. Das ist heute, viele Jahre später, manchmal immer noch so. Sie fehlt mir.

Dieses kleine Buch ließ mich schmunzeln, weinen und lachen. Manche Sätze hätte ich mir am liebsten angestrichen, ausgedruckt und aufgehängt. Die beiden Charaktere sind so wunderbar, so außergewöhnlich gut gezeichnet, dass ich mir gewünscht hätte, die Reise dauert länger. Von mir gibt es 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Triggerwarnung: Tod, Depression, suizidale Gedanken.

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Veröffentlicht am 08.04.2021

Recht, Gesetz, Schuld und Gewissen

Die Wahrheit der Dinge
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Strafprozess. Richter. Staatsanwalt. Verteidiger. Angeklagter. Nebenklägerin. Letzter Prozesstag. Der Angeklagte hat das letzte Wort, bevor das Urteil gesprochen wird. Plötzlich zieht die Nebenklägerin ...

Strafprozess. Richter. Staatsanwalt. Verteidiger. Angeklagter. Nebenklägerin. Letzter Prozesstag. Der Angeklagte hat das letzte Wort, bevor das Urteil gesprochen wird. Plötzlich zieht die Nebenklägerin eine Waffe aus ihrer Tasche und erschießt den Angeklagten. Feuert acht Projektile auf ihn ab. Richtet ihn regelrecht hin. Danach lässt sie sich widerstandslos festnehmen. Warum? Als Jahre später Frank Petersen, der Strafrichter von damals, in seinem Leben vor einem Scherbenhaufen steht, muss er sich damit auseinandersetzen, wo Schuld beginnt und Gerechtigkeit endet. Vor allem aber muss er sich die Frage stellen, ob er weiß, wo die Wahrheit liegt.

In Zeitsprüngen zwischen jetzt und damals entfaltet sich die Geschichte langsam mit großer Wucht. Nach dem dramatischen Vorfall im Gerichtssaal erfahren wir nicht sofort, warum der Angeklagte erschossen wurde und was danach passiert ist. In Rückblenden schildert Markus Thiele uns das Leben der Nebenklägerin, zu deren Figur er vom Rechtsfall Marianne Bachmeier inspiriert worden ist. Gleichzeitig folgen wir im hier und jetzt Frank Petersen, der sich von seiner Frau vorwerfen lassen muss, er sei selbstherrlich und voller Vorurteile, bevor sie ihn verlässt. Frank Petersen sieht seine Integrität als Richter und Ehemann in Frage gestellt.

Worte wie Messer, Sätze wie Fallbeile, eine Sprache, die mich begeistert hat. Ganz fein zeichnet der Autor die Charaktere, deren Zerrissenheit, die Angst und die Wut. Es geht um Vorurteile, Fremdenhass und Selbstjustiz; die Grenzen von Recht und Schuld verwischen, die Suche nach der Wahrheit ist keine einfache.

„Er wollte sich erklären, doch ihm fehlten die Worte. Aus der Unzahl der Wörter und Sätze, die wie ein verknotetes Wollknäuel in seinem Kopf hingen, konnte er keinen klaren Gedanken stricken.“ (Seite 186)

Inspiriert von zwei der spektakulärsten Rechtsfälle der Nachkriegszeit, dem Fall Marianne Bachmeier und dem Fall Amadeu Antonio Kiowa, verbindet Markus Thiele Fiktion und Realität auf wunderbare Weise und schenkt uns ein spannendes und interessantes Werk, das aktueller nicht sein könnte. Danke dafür.

Vor lauter Begeisterung hätte ich fast vergessen, mein Fazit aufzuschreiben. Ich vergebe 5 Sterne mit Sternchen und eine unbedingte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 06.04.2021

Liebe und Wahnsinn liegen nah beieinander

DEBORAHS GARTEN
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Im Rhein-Sieg-Kreis wird eine Tote gefunden und den erst kurz zusammenarbeitenden Ermittlern Isolde Bachmann und Roman Pfaff wird schnell klar, dass der Täter eine Botschaft senden möchte. Aber welche? ...

Im Rhein-Sieg-Kreis wird eine Tote gefunden und den erst kurz zusammenarbeitenden Ermittlern Isolde Bachmann und Roman Pfaff wird schnell klar, dass der Täter eine Botschaft senden möchte. Aber welche? Als eine zweite Tote aufgefunden wird, verbeißt sich Isolde Bachmann in die Idee, dass dieser Fall etwas mit ihr zu tun haben könnte. Ihr Partner ist davon nicht überzeugt und so nimmt das Unheil seinen Lauf.

Ich habe schwer in das Buch reingefunden. Der Prolog hat mich zwar neugierig gemacht, aber ganz verstanden habe ich ihn nicht, was wahrscheinlich gewollt ist. Die Kapitel dann springen zwischen den Zeiten; mal sind wir 1993 in Herten, mal 2020 im Rhein-Sieg-Kreis, mal macht die Geschichte einen Sprung ins Jahr 2018 nach Griechenland. Diese Zeitsprünge und die wechselnden Perspektiven haben mich anfangs etwas überfordert und mir den Lesespaß vermiest, weil ich nicht immer sofort wusste, ob es nun um Opfer, Täter oder einen der Ermittler geht. Ja, die Schriftarten sind anders, dennoch war ich oft verunsichert, wer denn nun dran ist. Als ich dann aber nach dem ersten Drittel einige lose Fäden verbinden konnte, hat mich der Psychothriller gepackt und ich konnte mitfiebern. Wer der Täter ist, wurde mir schon sehr früh klar, auch seine Motive blieben für mich nicht lange im Dunklen. Dies tut der Spannung aber keinen Abbruch, geht es eher um die psychologische Komponente und die Ermittlung an sich. Die Kindheit des Täters, das „Warum“ sind interessant dargestellt und die Tragik dahinter oft erschreckend und traurig. Was macht uns zu dem, was wir sind und haben wir Einfluss drauf, wer wir werden?

Ich habe mich trotz anfänglicher Schwierigkeiten gut unterhalten gefühlt, vergebe 4 Sterne und bin gespannt, wann Bachmann und Pfaff wieder ermitteln. Ich wäre gerne wieder dabei.

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