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Veröffentlicht am 06.08.2024

Wer so eine Familie hat, braucht wahrlich keine Feinde mehr

Letzte Lügen
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GBI Special Agent Will Trent und Gerichtsmedizinerin Dr. Sara Linton sind frisch verheiratet und wollen ihren Honeymoon auf einer hochgelegenen Lodge in der Natur verbringen. Doch schon in der ersten Nacht ...

GBI Special Agent Will Trent und Gerichtsmedizinerin Dr. Sara Linton sind frisch verheiratet und wollen ihren Honeymoon auf einer hochgelegenen Lodge in der Natur verbringen. Doch schon in der ersten Nacht dringt ein gellender Hilfeschrei über den See und Will findet die sterbende Mercy McAlpine grausam zugerichtet am Seeufer. Da die Ferienanlage weit abgelegen auf einem Berg liegt und ein schweres Unwetter aufzieht, sind Will und Sara zunächst auf sich selbst gestellt und versuchen herauszufinden, wer der Mörder ist. Will und Sara sehen sich mit einem jahrzehntealten Netz von Geheimnissen konfrontiert, welches sie mühsam zu entwirren versuchen und sind schockiert über die Kälte und Gefühlslosigkeit, die in der McAlpine-Familie herrscht. Doch die Zeit tickt, der noch unbekannte Mörder ist noch nicht fertig ...

Zum Buch:
Dies ist der neueste Fall der seit Jahren bestehenden "Georgia"-Reihe um GBI Special Agent Will Trent, die inzwischen auch schon sehr erfolgreich verfilmt wurde. Für mich ist es erst der zweite Fall und obwohl ich die Vorgeschichte von Will und Sara nicht bis ins letzte Detail kenne, bin ich mühelos mitgekommen, da die Wissenslücken auch im vorliegenden Buch clever geschlossen werden. Die Hauptfiguren sind mit sehr viel Liebe zum Detail ausgearbeitet und sind mir sehr schnell ans Herz gewachsen. Allen voran natürlich Will mit seiner Vergangenheit als Heimkind, aber auch Sara ist nicht minder liebenswert. Und auch Will's "partner in crime" Faith Mitchell mit ihrer ganz besonderen Art ist schnell zu einer Lieblingsfigur geworden.

Die Spannung ist von Anfang an greifbar und baut sich bis zum Ende kontinuierlich auf. Durch die gründliche und detailverliebten Beschreibungen entsteht schnell eine atmosphärisch dichte Geschichte, die dem Kopfkino richtig Spaß macht. Verschiedene Erzählperspektiven machen die Story noch lebendiger. Briefe von Mercy an ihren Sohn Jon zeigen die Eskalation über die Jahre sehr intensiv und emotional auf.
Was jedoch besonders schockiert, ist die Kälte innerhalb der Familie, die aber sehr glaubhaft dargestellt wird. Wer so eine Familie hat, braucht wahrlich keine Feinde mehr! Die Kapitel waren recht lange, so dass man das Buch einfach nicht zwischendurch zur Seite legen konnte.

Der einzige Kritikpunkt betrifft das Cover: Wieso muss wieder einmal eine schwarze Katze als Symbol für das Böse, Gefährliche herhalten? Zumal sie mit dem Inhalt wirklich überhaupt nichts zu tun hat? Ziemlich einfallslos, wie viele andere Krimi's auf dieses Klischee zurückzugreifen.

Letztendlich zählt aber das, was zwischen den Buchdeckeln steckt und das ist ein absolut gelungener, sehr spannender Krimi. Absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 20.07.2024

Toller New Adult-Roman, der auch mit Ü50 noch Spaß macht

Unlock My Heart. Golden-Heights-Reihe, Band 1 (humorvolle New-Adult-Romance für alle Fans von Stella Tack | Limitierte Auflage mit Farbschnitt)
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"Das Leben ist ein Monopoly-Spiel, Logan. Du hast die Schlossallee zu deiner Geburt geschenkt bekommen. Ich eine Gemeinschaftskarte, auf der stand >Gehe in das Gefängnis. Begib dich direkt dorthin. Gehe ...

"Das Leben ist ein Monopoly-Spiel, Logan. Du hast die Schlossallee zu deiner Geburt geschenkt bekommen. Ich eine Gemeinschaftskarte, auf der stand >Gehe in das Gefängnis. Begib dich direkt dorthin. Gehe nicht über Los. Ziehe nicht 4.000 Dollar ein.< Aber das heißt nicht, dass ich das Spiel aufgeben kann. Dass ich es gewinnen lasse. Weißt du, all diese Serien, die einem erzählen, dass man alles erreichen kann, wenn man sich nur genug anstrengt, lügen. Aber wenn ich mich überhaupt nicht anstrenge, erreiche ich nichts. Also: Was bleibt mir für eine Wahl?"

Ja, die junge Studentin Lexie ist wahrlich nicht mit dem goldenen Löffel zur Welt gekommen, sondern hat früh die Schattenseiten des Lebens kennengelernt. Auch jetzt verdient sie sich neben ihrem Kellnerin-Job durch den Verkauf gefälschter Ausweise und Prüfungsantworten etwas dazu, um über die Runden zu kommen und ihr Studium zu finanzieren. Dadurch fällt sie auf dem Campus-Gelände schließlich ausgerechnet dem reichen und zudem viel zu gut aussehenden Milliardärssohn Logan Maxx auf, der ihre Fähigkeiten für einen ganz bestimmten Auftrag braucht. Obwohl sie diesen eigentlich nicht annehmen will, bleibt ihr nichts anderes übrig. Lexie und Logan, zwei Welten treffen aufeinander, die kaum unterschiedlicher sein könnten ...

Zugegeben, das klingt ganz nach Klischees und der Wiederholung einer bereits oft erzählten Story: Arm trifft auf Reich, beide mögen sich anfänglich nicht und dennoch entwickelt sich bald mehr, als sie den anderen besser kennen- und verstehen lernen. Dann kommt noch das gewisse kribbeln dazu - voilà, fertig ist die Lovestory. Doch es kommt ja immer darauf an, wie das ganze Paket verpackt wird und wieviel Spaß es macht, den Inhalt zu entdecken, nicht wahr?
Kurzum: ich hatte sehr viel Spaß daran! Obwohl ich keine allzu großen Erwartungen hatte, weil ich es voreilig in die Schublade "oberflächliche New Adult-Lovestory, für die ich wahrscheinlich eh schon zu alt bin" gesteckt hatte, wurde ich positiv überrascht.

Die Charaktere:
Mir haben die Charaktere Lexie und Logan sehr gut gefallen, beide sind interessant, witzig, einfalls- und facettenreich - ich habe beide schon nach kurzer Zeit in mein Herz geschlossen. Genauso wie die Nebendarsteller: Aiden, der Brot & Kekse-backende Quarterback. Die quirlige Kunststudentin Carly, die ihren Kühlschrankinhalt nach Haltbarkeit und Farben ordnet. Ty, der seine Pflichten als großer Bruder von Lexie sehr ernst nimmt. Mace, der grummelige Barbesitzer mit dem Herz am rechten Fleck, bei dem Lexie und Ty arbeiten. Die Autorin hat allen ihre Figuren Leben eingehaucht und sie mit liebenswerten Ecken und Kanten versehen, z.B. Logan's Schrauben-Sammlung.

Die Story:
Von Anfang bis Ende abwechslungsreich und niemals langweilig. Obwohl der Roman sehr dialoglastig ist, die sich oftmals über viele Seiten am Stück erstrecken, habe ich diese nie als zu ausufernd empfunden, was hauptsächlich an dem witzigen Schlagabtausch liegt ... und an den Gesprächen über Herkunft sowie Zukunft und alles, was dazwischen liegt. Hier habe ich immer wieder über die Tiefe gestaunt, die trotz des scheinbaren Geplänkels erreicht wird.
Einige Wendungen sind natürlich etwas konstruiert, aber alles in allem dennoch eine runde und stimmige Story. Auch das gewisse Knistern und die Romantik kommen keinesfalls zu kurz, was bei einer Liebesgeschichte selbstverständlich nicht fehlen darf.

Schreibstil:
Flüssig und bildstark. Sehr lange, aber unterhaltsame Dialoge. Schwierige Themen wie Adoption, Ablehnung durch leibliche/Adoptiveltern, unerfüllbar scheinende Wünsche und Lebensziele, falsche Erwartungen/Vorverurteilungen anderer uvm. werden scheinbar mühelos vermittelt.
Es gibt mit Lexie und Logan zwei alternierende Erzählperspektiven, so dass man beide noch persönlicher und jeweils aus der Sicht des anderen kennenlernen kann.
Es gibt leider sehr viele Wortwiederholungen, wie z.B. Fuck, Shit, lächerlich, dumm/blöd, Alter, er/sie schnaubte, usw. Teilweise spiegelt es natürlich die Alltagssprache der jungen Leute wider, was mich als Ü50-jährige aber nicht sehr gestört hat.

Tja, Lexie, Logan und ihre Freunde haben mich um den Finger gewickelt und da ich wissen möchte, wie es mit ihnen weitergeht, habe ich mir den 2. Band "Unlock my Truth", der im Februar 2025 erscheint, schon vorbestellt.

Ach ja, und das Cover mit dem passenden Farbschnitt und der stimmigen Innengestaltung waren natürlich noch ein schönes Extra. Dieses Buch macht sicher auch als Geschenk was her, denn es überzeugt von innen und von außen.

Fazit:
Sehr unterhaltsame, witzige, dennoch tiefgründige Lovestory mit der richtigen Mischung aus Romance, Humor und Spannung, die man nur schwer aus den Händen legen kann. Klare Leseempfehlung!

Lexie:
"Es ist okay, dass es hart ist, Logan. Das Leben darf schwer sein! Es darf mich müde machen. Es darf mich verzweifeln lassen. Ich bin es gewohnt, dass mein Weg steiniger ist als der vieler anderer. Aber solange ich glückliche Momente habe. Solange ich Menschen habe, auf die ich zählen kann. Die mich lieben und die ehrlich zu mir sind und mir den Rücken stärken. Solange ist es okay. Solange kann das Leben trotz allem wunderschön sein. Nur weil manche Menschen mehr haben als ich, heißt das nicht, dass sie >mehr< haben als ich. Es kommt nur immer auf die Kategorien an, in die man sein Leben einteilt. Und ich wähle die guten Kategorien. Die richtigen."

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Veröffentlicht am 19.05.2024

Ein Thriller-Highlight 2024

Krähentage
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Schon der erste Tag der neu gegründeten Abteilung "Gruppe 4" hat es in sich. Nicht nun der brutale Überfall einer jungen Frau in ihrer eigenen Wohnung schreit nach schneller Aufklärung, auch zwei kurz ...

Schon der erste Tag der neu gegründeten Abteilung "Gruppe 4" hat es in sich. Nicht nun der brutale Überfall einer jungen Frau in ihrer eigenen Wohnung schreit nach schneller Aufklärung, auch zwei kurz aufeinander folgende grausame Morde an einer alten Frau und einem jungen Studenten, die beide nach ihrem Tod noch gesehen wurden, gibt Rätsel auf. Schnell wird klar, dass der nächste Krähenmord nicht lange auf sich warten lassen wird, denn der Täter gibt ein unbarmherziges Tempo vor. Was hat es mit den Krähen auf sich, die am jeweiligen Tatort zurückgelassen werden und den Ermittlern jeweils ein Bild des Grauens bescheren? Jakob Krogh und Mila Weiss haben keine Zeit, sich gegenseitig und ihr neu zusammengewürfeltes Team erst einmal in Ruhe kennenzulernen und die Rollen untereinander aufzuteilen, denn die Uhr tickt...

Zum Buch:
"Krähentage" von Benjamin Cors ist der erste Thriller um die Ermittler Jakob Krogh und Mila Weiss. Er hat bereits eine beliebte Serie von Krimis veröffentlicht, die in der Normandie spielen, doch mit dieser Story betritt er die düstere Bühne des Thriller-Genres. Und chapeau, er kann auch Thriller! Der Spannungsbogen wird bereits gleich zu Beginn strammgezogen und baut sich von Kapitel zu Kapitel immer mehr auf. Die Kapitel sind von angenehmer Länge, mal kurz, mal länger, aber meistens mit einem Cliffhanger am Ende, der es dem Leser sehr schwer macht, das Buch aus der Hand zu legen. Der Schreibstil und die Dialoge sind lebendig und bildstark, die Geschichte an sich nachvollziehbar und glaubhaft, wenn auch natürlich ziemlich abgefahren, was Motiv und die Krähen anbelangt. Aber gut, man(n) muss sich ja auf dem weiten Feld der Thrillerwelt ja auch etwas einfallen lassen, was noch nicht völlig ausgelutscht ist. Die Erzählperspektive wechselt häufig, was die Geschichte noch facettenreicher macht, die Spannung steigert und das Tempo hoch hält. Die Charaktere sind angenehm kantig und interessant - manchmal vielleicht etwas übertrieben kantig bzw. eher stachlig, aber man lernt im Laufe der Story auch die verletzlichen Seiten besser kennen, was einem die Protagonisten immer mehr ans Herz wachsen lässt. Auch der Rest des Teams um Jakob und Mila sind spannend und es zeigt sich wieder einmal auf's Neue: Der Spaßfaktor an einer gute Serie steht und fällt mit den Ermittlern und ihrem Team. Es geht nicht klar hervor, ob dies der Auftakt einer neuen Thriller-Serie sein soll, doch der Epilog lässt stark vermuten, dass die Geschichte noch nicht auserzählt ist und in einem nächsten Buch seine Fortsetzung finden wird.

Persönliche Meinung:
Ich hatte schon lange keinen Thriller mehr in der Hand, der mich von Beginn bis Ende so gefesselt hat. Mag sein, dass ich schon zu viele gelesen habe und dadurch etwas "abgestumpft" bin, doch diese Geschichte konnte ich kaum aus der Hand legen, da ich unbedingt wissen wollte, wie es weiterging. Auch die Charaktere haben mich überzeugt, wobei es bei Mila etwas gedauert hat, bis der Funke übergesprungen ist, da ich ihre stachlige Art gerade am Anfang ziemlich übertrieben fand. Auch die anderen Teammitglieder fand ich gelungen skizziert und bin schnell mit ihnen warmgeworden, auch wenn ich so manche ihrer Handlungsweisen nicht ganz nachvollziehen konnte. Mit den Krähen spielt der Autor zudem gekonnt mit dem Unbehagen und leichten Gruseln, die viele Menschen diesen oft als "Boten des Todes" verrufenen Vögeln entgegenbringen,
Ich hoffe, dass es ein Wiedersehen bzw. Wiederlesen gibt und dies der Auftakt einer neuen Thriller-Serie wird.

Fazit:
Ein Thriller, wie er sein soll: frisch, knackig, gruslig und spannend bis zum Schluss mit interessanten Ermittlern und einem ziemlich abgründigen Täter. Eines der Thriller-Highlights 2024!

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Veröffentlicht am 06.01.2024

Zwischen Recht und Gerechtigkeit liegt für manche die Selbstjustiz

Monster (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 11)
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Im inzwischen 11. Taunuskrimi wird die sechzehnjährige Larissa Böhlefeld erdrosselt im tiefen Schnee hinter einem Marienbildstock aufgefunden. Der Täter scheint schnell festzustehen, denn kurz vor ihrem ...

Im inzwischen 11. Taunuskrimi wird die sechzehnjährige Larissa Böhlefeld erdrosselt im tiefen Schnee hinter einem Marienbildstock aufgefunden. Der Täter scheint schnell festzustehen, denn kurz vor ihrem Tod wurde Lissy noch zusammen mit dem jungen Afghanen Farwad Mahmoudi gesehen, einem wegen Vergewaltigung kürzlich aus der Haft entlassenen Asylbewerber. Doch als die Kripo ihn befragen will, ist er plötzlich spurlos verschwunden. Es wird vermutet, dass er sich abgesetzt hat, was eine öffentliche Fahndung nach sich zieht. Die Stimmung in der Bevölkerung auf dieses schon seit Jahren sensible Thema kocht erneut hoch, Flüchtlingswohnheime werden attackiert und Selbstjustiz verübt.
Nur wenig später läuft nachts ein schwer verletzter Mann auf einer abgelegenen Landstrasse vor ein Auto und verstirbt, der Körper des Mannes weist schwere Bisswunden auf. Die Recherchen des zuständigen K11-Teams der Kripo Hofheim rund um Oliver von Bodenstein und Pia Sander ergeben, dass der Mann in der Vergangenheit für den Tod einer schwangeren Frau verantwortlich war. Es bleibt nicht bei diesem einen Fall, bei dem verurteilte Straftäter entweder spurlos verschwinden oder zu Tode kommen. Schließlich kommt es zu einem schrecklichen Vorfall am Landgericht, welches Bodenstein und sein Team schwer mitnimmt, denn ihnen wird klar, dass nicht nur alles irgendwie zusammenhängt, sondern auch ihr Vertrauen darauf, wie gut sie sich untereinander zu kennen glaubten, tief erschüttert...

Zum Buch:
Neben den bekannten Ermittlern Oliver von Bodenstein und Pia Sander steht diesmal auch ihre Kollegin Kathrin Fachinger im Fokus der Geschichte. Während Pia auch private Sorgen umtreiben, erlebt Oliver nicht zum ersten Mal ein Trauma, als vor seinen Augen ein langjähriges Teammitglied getötet wird. Das ganze Team muss sich mit der schmerzhaften Frage auseinandersetzen, wie gut sie die Kollegen wirklich kennen, mit denen sie schon seit Jahren eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Die einzelnen Mitglieder des K11-Teams entwickeln sich in jedem der Taunus-Krimis kontinuierlich und plausibel weiter und zeigen durch die Einblicke in ihr privates Leben, dass auch sie nur Menschen mit Ecken und Kanten sind, was sie nur noch authentischer und sympathischer machen.
Wie bei Nele Neuhaus üblich, mangelt es auch in diesem Krimi nicht an einer stetig aufbauenden Spannung, wobei die Auflösung um den Mord an Lissy am Ende für meinen Geschmack zu kurz kommt und die Reaktion ihrer Eltern auf Täter und Motiv für mich nicht ganz schlüssig ist. Dennoch: die einzelnen Stränge der unterschiedlichen Fälle sowie die Ermittlungen des K11-Teams sind astrein ausgearbeitet und in sich stimmig. Falsche Fährten führen gekonnt in die Irre und zeigen auf, wie falsche Verdächtigungen das Leben der betroffenen unschuldigen Personen nachhaltig (zer)stören können.

Lobenswert:
Die Autorin thematisiert in ihrem neuesten Roman aktuelle Probleme des Justizsystems und der Politik sowie den damit verbundenen gesellschaftlichen Folgen. Themen wie Kriminalität unter und durch Asylbewerber und der manchmal folgenden Selbstjustiz werden hier brillant in einem hochbrisanten Krimi verarbeitet. Die Beschreibung exemplarischer Fälle, wie sie der Protagonist Richter Hawelka tagtäglich erlebt, haben mich wirklich schockiert und mich fragen lassen, wie viel davon um uns herum tatsächlich so oder in ähnlicher Weise geschieht. Da Nele Neuhaus immer gründlich zu einem Thema recherchiert, bevor sie darüber schreibt, habe ich keine Zweifel daran, dass es leider traurige, tagtäglich gelebte Realität an deutschen Gerichten ist (Quellen ihrer Recherchen sind im Anhang des Romans explizit aufgelistet).
Themen wie diese gehen unter die Haut und so war es auch für mich eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Recht auf der einen Seite, Gerechtigkeit auf der anderen Seite und der Grauzone der Selbstjustiz dazwischen. Denn wenn man sich in die Situation der Angehörigen eines Mordopfers hineinversetzt, ist durchaus Verständnis dafür da, dass diese das Recht in die eigene Hand nehmen wollen. Wie man allerdings an den Beispielen im Buch auch sieht, gelingt es den meisten Menschen mit einem funktionierenden Gewissen auf Dauer nicht, mit so einer Schuld weiterzuleben - zumal es das geliebte Familienmitglied nicht wieder lebendig macht. Schwere Kost, für die ich sicher noch lange zum verdauen brauche. Deshalb finde ich es sehr hervorhebenswert, dass sich die Autorin dieses Themas angenommen hat - wahrlich nicht selbstverständlich in einer Zeit, wo sich viele Autoren nicht mehr an solche sensiblen Themen herantrauen aus Angst, in eine bestimmte Schublade gesteckt zu werden.

Einziger Wermutstropfen: zu viele Fehler im Text!
Was mich wirklich geärgert und den Lesefluss sehr gestört hat, waren die vielen Fehler (Zeitabstände, Nachlässigkeitsfehler, fehlende Wörter und auch grammatische Fehler). Beispiel: auf Seite 58 "überlegte Pia kurz, ob sie sich einen Dienstwagen holen sollte, und entschied sich dann, mit ihrem Privatauto zu fahren, das inzwischen angenehm geheizt war." Nur eine halbe Seite später, auf Seite 59 dann "... und schaffte es tätsächlich, den Dienstwagen um Viertel vor acht auf dem letzten freien Parkplatz..." Es ist doch erstaunlich, dass Fehler wie diese bei einem Manuskript, welches nicht nur durch die Hände der Lektorin als auch die von mindestens zwei namentlich genannten Korrekturleserinnen gegangen ist, nicht einer davon aufgefallen sind. Das steht weder einer Bestsellerautorin noch dem renommierten Ullstein-Verlag besonders gut. Bleibt zu hoffen, dass die meisten Fehler inzwischen erkannt und für die nächste Auflage korrigiert wurden.
Ganz ehrlich: bei jedem anderen Buch hätte ich bei dieser Anzahl von Fehlern mindestens einen Stern abgezogen. Allerdings ist das Gesamtwerk hier so überzeugend, dass ich es nicht übers Herz bringe, weniger als die vollen fünf Sterne zu vergeben, denn die hat "Monster" wahrlich verdient!

Fazit:
Ein spannender Krimi, den man nicht mehr aus der Hand legen kann und der einen noch lange beschäftigen wird zu Themen, die unter die Haut gehen und absolut aktuell sind! Absolute Spitzenklasse!!!

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Veröffentlicht am 26.11.2023

Spannender Mix aus History, Spionage und Lovestory

Bevor die Welt sich weiterdreht
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Die hochschwangere Krankenschwester Johanna Gabathuler kehrt 1917 nach einem Jahr an der Front zurück in ihre Heimat Davos. Sie ist die Tochter des Curhaus-Direktors und musste ihm vor ihrer Abreise versprochen, ...

Die hochschwangere Krankenschwester Johanna Gabathuler kehrt 1917 nach einem Jahr an der Front zurück in ihre Heimat Davos. Sie ist die Tochter des Curhaus-Direktors und musste ihm vor ihrer Abreise versprochen, sich bei ihrer Rückkehr mit einer guten Partie verheiraten zu lassen. Ein schwerer Fehler, denn ihre eigene Familie gibt ihre mit dem Soldaten Erich unehelich gezeugte Tochter sofort nach der Geburt weg, damit das "Balg" nicht die Heirat mit Großrat Thanner gefährdet, den Johanna bald heiraten und der für ihren Vater den wirtschaftliche Niedergang des Sanatoriums verhindern soll. Johanna ist verzweifelt, sie will ihre Tochter Elli wiederhaben und gerät so in die Fänge der Gräfin von Hauser, die ihr eine Zukunft mit Elli verspricht, wenn Johanna im Gegenzug ihre Position nutzt, um an Informationen für sie (und somit das deutsche Kaiserreich) zu kommen. Bald ist Johanna tiefer in die Spionage-Aktivitäten der verschiedenen Mächte, deren Agenten verdeckt in Davos und im Curhaus agieren, verstrickt, als ihr lieb ist und gut tut. Dennoch sieht sie darin ihre einzige Chance, schnell an genug Geld und einen Pass zu kommen, um mit Elli fliehen zu können. Sie stellt sich sehr geschickt an und wird bald auch für die Gegenseite interessant. Doch für Spione gibt es nur eine wichtige Regel: wer auffliegt, stirbt...

Zum Buch:
Gerne hätte ich etwas mehr Hintergrundwissen, wie es eigentlich genau zu diesem Buch kam. Es basiert wohl auf dem Drehbuch der Serie "Davos", die kommendes Weihnachten ausgestrahlt werden soll. Daher recht cleveres Timing, dieses Buch rechtzeitig vorher auf den Markt zu bringen und die Leser neugierig auf die filmische Umsetzung zu machen. Dieser Roman bedient gleich mehrere Genres: es ist sowohl ein historischer Roman mit intensiver Spionagehandlung und zugleich eine Liebesgeschichte. Man könnte meinen, das ist für ein Buch vielleicht etwas zu viel auf einmal gewollt, aber tatsächlich funktioniert es hier sehr gut. Die Hauptprotagonistin ist Johanna Gabathuler, aus deren Perspektive auch hauptsächlich erzählt wird. Dennoch wechselt die Perspektive auch häufig zu den nicht minder interessanten und oft komplexen Neben-Charakteren, die alle natürlich ihre eigene Geschichte mitbringen, wie sie zum Agenten geworden sind. Das lenkt streckenweise etwas von der Handlung ab und bremst die Dynamik und den Aufbau der Spannung. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, jedes mit einer dem Inhalt entsprechenden Kapitel-Headline. Der Schreibstil ist flüssig und bildstark und schafft es, Stimmungen und Atmosphäre glaubhaft zu transportieren. Die Entwicklung von Johanna ist erstaunlich und nicht immer ganz nachvollziehbar, dennoch ergibt alles in allem eine runde Geschichte mit einer sich langsam, aber stetig aufbauenden Spannung.

Persönliche Meinung:
Ich kann normalerweise mit Spionageromanen nicht viel anfangen und bin nur wegen der Geschichte um Johanna schwach geworden. Aber ich habe es nicht bereut und es hat tatsächlich meine Neugier auf dieses Genre etwas geweckt. Ich fand die Grausamkeit des Krieges, sowohl draußen an an der Front als auch Undercover sehr eindrücklich und bildhaft beschrieben. Wer hier etwas sensibel auf grausame Kriegsszenen, auch an Frauen und Kindern, reagiert, sollte diese Passagen besser überspringen, denn sie sind schon schwer zu verdauen (leider aber Realität sowohl in der Vergangenheit als auch in heutiger Zeit überall auf der Welt). Selbst im beschaulichen, neutralen Davos ist die Idylle trügerisch und der Kampf im Verborgenen umso unerbittlicher. Nichts und vor allem niemand ist, was er/sie auf den ersten Blick scheint. Damit nicht alles so historisch-trocken oder spionagemäßig-meuchlerisch daherkommt, gibt es noch eine große Portion Herzschmerz. Zum einen verliert Johanna ihr Herz ein zweites mal (doch ob sie ihm trauen kann, steht auf einem anderen Blatt) und natürlich hofft man bis zum Ende auf die Wiedervereinigung mit ihrem Baby. Ich habe mitgefiebert und mitgelitten und so soll es ja schließlich bei einem gelungenen Buch sein.

Zum Cover:
Etwas düster in seinem grau-roten Gewand, doch letztlich sehr passend zur Story. Auch der Titel ist stimmig.

Mein Fazit:
Geschichtliche Fakten gut-verdaulich verpackt in einer kurzweiligen, aber komplexen Story, die für unterhaltsame Lesestunden sorgt. Nichtsdestotrotz keine leichte Kost, die durchaus noch länger nachklingt, zumal man sich in diesen Tagen ja leider wieder mit dem Thema Krieg auseinandersetzen muss.
Man darf gespannt sein auf die filmische Umsetzung. Fünf Sterne und klare Leseempfehlung.

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