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Veröffentlicht am 20.03.2019

Katrine Engberg – Blutmond

Blutmond
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„(...) die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt.“ [Joel 2:31]

Unheil kündigt der Blutmond an und Unheil kommt über die ...

„(...) die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt.“ [Joel 2:31]

Unheil kündigt der Blutmond an und Unheil kommt über die Kopenhagener Modeszene. Es beginnt mit dem Mord an dem Designer Alpha Bartholdy, der bei einer Veranstaltung im Rahmen der Fashion Week eine giftige Substanz getrunken hat, die seinen Körper verätzte und zu einem raschen Tod führte. Nur zwei Tage später geschieht ein weiterer Mord auf dieselbe Weise. Die Mordkommission hat allerhand zu tun und Jeppe Kørner beschleicht ein komisches Gefühl. Sein Freund Johannes hatte als letzter Kontakt zu Bartholdy, schnell stellt sich auch raus, dass beide eine Affäre hatten und sich am fraglichen Abend öffentlich gestritten hatten. Jetzt ist Johannes unauffindbar. Hat er etwas mit den Morden zu tun? Jeppes Nerven sind bis zum Reißen angespannt, da bietet auch seine neue Freundin kaum Entspannung, noch dazu da immer offenkundiger wird, dass sie im Alltag nicht so gut harmonieren wie im Urlaub. Jeppes Kollegin Anette hat derweil wenig Sinn für die Sorgen des Kollegen, ihr Gesundheitszustand macht ihr zunehmend zu schaffen und sie freundet sich fast mit dem Gedanken an, direkt auf einen Herzinfarkt zuzurasen. Aber jetzt ist nicht der richtige Moment für eine Auszeit, sie muss wohl oder übel durchhalten.

Fall zwei für das dänische Ermittlerteam, das einmal mehr von dem sympathischen Rentnerpaar Esther de Laurenti und Greger unterstützt wird, die sie im Fall des „Krokodilwächters“ kennengelernt haben. Ähnlich wie im Vorgängerband wählt Katrine Engberg einen ganz besonderen Handlungsort ihrer Heimatstadt Kopenhagen: dieses Mal wird das Geologische Museum zum Schauplatz eines hinterhältigen Mordes.

Stärker als im ersten Band der Serie steht dieses Mal das Ermittlerteam im Fokus der Geschichte, was mir gut gefallen hat, da sie vorher noch etwas zu blass blieben und jetzt ein deutlicheres Profil zeigen. Besonders Jeppe Kørner wird gefordert, ist er doch direkt mit dem Fall verbunden, da einer seiner ältesten Freunde unter Mordverdacht gerät. Diese nicht auflösbare Zwickmühle wird für ihn zur Zerreißprobe und drängt ihn immer mehr, andere Spuren zu verfolgen, so abstrus diese auch zu sein scheinen. Der Kommissar hat sich offenbar verrannt, da er die unverkennbare Erklärung nicht sehen mag. Die Lösung des Falls basiert auf einer in sich stimmigen, aber doch sehr wenig naheliegenden Verbindung, die mir ein wenig zu konstruiert erschien. Dies hat aber weder der Spannung noch dem Lesegenuss geschadet, denn einmal mehr konnte mich Katrine Engberg restlos überzeugen und die Erwartungen voll erfüllen.

Ein sauber konstruierter Fall mit einer ungewöhnlichen Mordwaffe, keine Nerven zerreißende Spannung, dafür überzeugende und authentisch wirkende Figuren, die der Handlung Leben einhauchen.

Veröffentlicht am 17.03.2019

Aloïs Guinut – Dress like a Parisian. Der Styleguide für perfekten französischen Chic

Dress like a Parisian
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Wer hat sie nicht schon einmal bewundert, die aparten Französinnen, die so lässig unglaublich chic daherkommen und den Eindruck erwecken, als wenn sie gar nichts für ihr Aussehen und Styling tun müssten. ...

Wer hat sie nicht schon einmal bewundert, die aparten Französinnen, die so lässig unglaublich chic daherkommen und den Eindruck erwecken, als wenn sie gar nichts für ihr Aussehen und Styling tun müssten. Nicht umsonst gelten sie weltweit als Modeinstanz, die neidisch von den Geschlechtsgenossinnen beäugt und von den Männern begehrt wird. „How to be Parisian wherever you are“ von Anne Berest, Caroline De Maigret, Audrey Diwan und Sophie Mas schlug 2015 bereits große Wellen, nun also Aloïs Guinuts Anleitung, die zunächst stark in Aufmachung und Titel an den Bestseller erinnert, aber inhaltlich doch ganz andere Wege geht.

Die Autorin ist nicht nur Pariserin – was sie natürlich vorm Zug für diese Aufgabe qualifiziert – sondern hat auch am Institut Français de la Mode studiert und ist seit Jahren in der Modebranche unterwegs. Als Stylecoach begleitet sie ihre Kunden bei der Zusammenstellung der perfekten Garderobe und dem jeweils passenden Outfit.

Das Buch beginnt mit einer kurzen Einführung darüber, was eigentlich die typischen Kennzeichen der französischen Mode sind: von lässigem Chic über Eleganz und Individualität bis hin zum Bruch mit verfestigten Regeln. Danach folgen sehr praktisch orientierte Kapitel zu Farben, Mustern, Stoffen und Schnitt bevor sie sich den erforderlichen Basics und Accessoires zuwendet. Jede Entscheidung für oder gegen ein Kleidungsstück fällt zwingend mit der Figur der Trägerin, weshalb auch dieser ein Kapitel gewidmet wurde bevor das Buch mit den Geheimnissen der Pariserinnen endet.

Die Texte sind kurz und informativ gehalten und mit passenden Illustrationen oder Fotos bebildert. Mir gefällt die Aufmachung sehr gut, auch die Tatsache, dass immer wieder Interviews und Portraits von Frauen aus der Modebranche eingeschoben wurden. Es ist keine Anleitung, die man von vorne bis hinten durchliest, sondern die einlädt, immer mal wieder reinzulesen und Neues zu entdecken.

Pure Unterhaltung oder taugt das Buch tatsächlich was? Ganz klare Antwort: auf jeden Fall. In Ermangelung von natürlichem Talent und tiefgehendem Interesse an Mode bevorzuge ich beruflich wie privat den konservativen Büro-Look aus Rock plus Bluse und Pumps in den bekannten Farbkombinationen schwarz-weiß-grau-dunkelblau. Erfordert morgens nicht viel Nachdenken und passt immer. Ist aber auch etwas langweilig. Ich habe tatsächlich einige Anregungen gefunden, wie ich meine Outfits etwas aufpeppen kann und sie trotzdem arbeits- und alltagstauglich bleiben. Bekanntermaßen sind es ja die kleinen Dinge, die den Unterschied machen, die muss man aber erst einmal erkennen. Damit hält das Buch genau das, was es auch verspricht.

Das perfekte Geschenk für Frauen, die nicht jedem Modetrend hinterherrennen, sondern sich zeitlos-chic und dennoch modisch kleiden und ein gewisses Faible für Styling haben.

Veröffentlicht am 15.03.2019

Thomas Palzer – Die Zeit, die bleibt

Die Zeit, die bleibt
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Zwei Männer, zwei Schicksale. In München wird der Anwalt Ewart Colver an einem Frühlingsabend angefahren und schwer verletzt. Wer kann es auf ihn abgesehen haben? Hängt der offenkundige Mordversucht mit ...

Zwei Männer, zwei Schicksale. In München wird der Anwalt Ewart Colver an einem Frühlingsabend angefahren und schwer verletzt. Wer kann es auf ihn abgesehen haben? Hängt der offenkundige Mordversucht mit einem sechs Jahre zurückliegenden Fall zusammen, bei dem er sich mit einem Drogenkartell anlegte? Der Anruf eines Kommissars deutet zumindest darauf hin, doch da die Polizei nur wenig tätig wird, muss Colver wohl oder übel selbst ermitteln. Unterdessen ist Shenja Orlov in Berlin immer noch gedanklich in St. Petersburg und bei der einzigen wahren Liebe, die er jemals hatte. Es war seine Schuld, dass sie ums Leben gekommen ist und seither büßt er dafür. Wird es mit seiner Kollegin vielleicht doch einen Neuanfang für ihn geben können? Doch das Schicksal hat ebenfalls einen Plan, mit dem beide Männer nicht gerechnet haben.

Thomas Palzer erzählt die beiden Handlungsstränge parallel ohne dass sich für den Leser eine Verbindung erkennen ließe. Zeit und Ort sind derart voneinander losgelöst, dass man lange Zeit beide Männer verfolgt, sich aber doch wundert, wie diese beiden Leben miteinander in Zusammenhang stehen. Gemächlich schreitet die Handlung voran, bis sie plötzlich ein rasantes Tempo aufnimmt und sich alles auflöst.

Auch wenn die beiden Geschichten völlig verschieden sind und die Männer vordergründig kaum Parallel aufweisen, gleichen sie sich doch in mancherlei Hinsicht. Es ist ihr Psychogramm, das den Roman interessant macht, weniger die durchaus auch spannende Frage nach den Hintergründen des Anschlags auf Colver. Der Münchner Anwalt, dessen Ehe schon Jahre zuvor zerbrochen ist und der nur ein oberflächliches Verhältnis zu seinen Kindern hat, hat ebenso den Halt im Leben verloren wie der Berliner IT Spezialist. Beide sind weitgehend sozial isoliert und haben faktisch nur wenig Kontakt zu Mitmenschen. Ebenso sind sie gefangen in ihrer Gedankenwelt, in der sie versuchen ihre Erlebnisse zu verarbeiten und mit Sinn zu füllen. Für sie ergibt sich ein klares, logisches Bild, dass dies jedoch nur einseitig die Situation beleuchtet und einzig ihre Perspektive berücksichtigt, blenden sie aus. Colver versteift sich völlig in die Mordanschlagtheorie, die er mit allen Mitteln versucht zu belegen, gleichermaßen ist Orlov von der Untreue seiner neuen Partnerin überzeugt und kann logischerweise nur alles, was sie tut, unter dieser Prämisse bewerten.

Sie weisen Züge einer Paranoia auf, sie nehmen ihre Umwelt verzerrt wahr, werden gegenüber der Welt zunehmend feindseliger und misstrauisch und schaffen sich ein komplexes Verschwörungsszenario, das die beiden letztlich in die größtmögliche Katastrophe führt. Die Entwicklung der Figuren bis zum tragischen Höhepunkt ist Palzer großartig gelungen. Leicht kann man nachvollziehen, wie sich zwei grundsätzlich gesunde Menschen immer tiefer hineinsteigern und letztlich aus dem Käfig, den sie sich erschaffen haben, nicht mehr herausfinden.

Für mich ein großartiger Roman in zweierlei Hinsicht: die Konstruktion des Handlungsverlaufs geht ebenso glatt auf wie die psychologische Entwicklung seiner beiden Protagonisten. Gepaart wird das Ganze mit einer ordentlichen Portion Spannung und durchaus auch einigen gesellschaftlich und sozialkritischen Fragen.

Veröffentlicht am 12.03.2019

Eugene Chirovici – Das Echo der Wahrheit

Das Echo der Wahrheit
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Nach einer Lesung zu seinem aktuellen Buch wird der Psychologe Dr. James Cobb von einem Zuhörer angesprochen. Millionär Joshua Fleischer möchte ihn um einen außergewöhnlichen Gefallen bitten: er würde ...

Nach einer Lesung zu seinem aktuellen Buch wird der Psychologe Dr. James Cobb von einem Zuhörer angesprochen. Millionär Joshua Fleischer möchte ihn um einen außergewöhnlichen Gefallen bitten: er würde sich gerne von dem Therapeuten hypnotisieren lassen, um in einem Vorfall, der viele Jahrzehnte zurückliegt, endlich Klarheit zu erhalten. Cobbs Neugier ist geweckt und so geht er auf das Angebot ein. Nicht nur die Persönlichkeit Joshuas Fleischers, sondern vor allem auch der ominöse Vorfall ziehen ihn immer mehr in den Bann: hat der Unternehmer als junger Mann in Paris seine damalige Freundin ermordet? Selbst als die Hypnose keine weitreichenden neuen Erkenntnisse bringt, kann James Cobb den Vorfall nicht vergessen und ermittelt auf eine Faust weiter.

Nach „Das Buch der Spiegel“ war dies der zweite Romane von Eugene Chirovici, der mich genau wie sein Vorgänger sofort in die Geschichte gezogen hat. Der Autor hat einen für ein empfinden „typisch amerikanischen“ Schreibstil, den ich noch nicht einmal wirklich genau festmachen kann. Es ist mehr dieses wunderbare Gefühl, direkt in der Geschichte angekommen zu sein mit Figuren, die einem wie gute alte Bekannte vorkommen, auch wenn man ihnen gerade erst wenige Seiten zuvor zum ersten Mal begegnet ist.

Die Rahmenhandlung setzt bei James Cobb, einem Spezialisten für Bewusstseinszustände und insbesondere Hypnose an. Gemeinsam mit ihm begibt man sich auf die Reise in die mysteriöse Vergangenheit von Joshua Fleischer, seinem Studienfreund Abe Hale und ihrer Pariser Bekanntschaft Simone Duchamps. Die Lösung der Ereignisse aus dem Jahr 1976 erfordern einige Schleifen Cobbs und ich hätte beinahe schon gewettet, dass sich die Umstände nie wirklich aufklären lassen. Zugegebenermaßen hat mich die Auflösung letztlich auch nicht ganz überzeugt, dafür kam sie mir zu zufällig und wenig durch die Handlung davor motiviert daher. Ebenso fand ich den Nebenkriegsschauplatz um Cobbs frühere Patientin Julie nicht wirklich hilfreich für den roten Faden. Für mich ergaben sich keine weiteren hilfreichen Erkenntnisse zur Figur Cobbs aus dieser Nebenhandlung.

Insgesamt hat mir „Das Echo der Wahrheit“ deutlich besser gefallen als „Das Buch der Spiegel“, gewisse Parallelen in der Romankonstruktion bleiben nicht aus und scheinen ein wenig das Markenzeichen Chirovicis zu sein. Erzählton und Atmosphäre konnten mich vollends überzeugen, die so locker über die für mein Empfinden kleinen Schwächen in der Plotkonstruktion hinwegtrösten.

Veröffentlicht am 11.03.2019

Alexandra Friedmann – Sterben für Anfänger

Sterben für Anfänger oder Rafik Shulmans erstaunliche Reise ins Leben
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Mit seiner Ankündigung macht sich Rafik Shulman bei seiner Mutter und seiner Oma keine großen Freunde. Neben dem Studium will er ehrenamtlich in einem Hospiz arbeiten, was die Damen nahe dem Herzinfarkt ...

Mit seiner Ankündigung macht sich Rafik Shulman bei seiner Mutter und seiner Oma keine großen Freunde. Neben dem Studium will er ehrenamtlich in einem Hospiz arbeiten, was die Damen nahe dem Herzinfarkt bringt. Also beginnt er heimlich mittwochs seine Zeit mit den todkranken Bewohnern zu verbringen. Unerwartet trifft er dort auf die lebensfrohe Charlotte, die die wenige Zeit, die ihr noch bleibt, voll auskosten will. Was hat Rafik eigentlich dorthin getrieben? Es ist die Suche nach Antworten, denn er hat seinen Vater in jungen Jahren verloren und konnte sich nicht einmal bei einer Beerdigung von ihm verabschieden. Es ist die Suche nach dem Sinn des Todes und des Lebens. Kann das Judentum, seine eigen Religion ihm dabei helfen oder wird er im christlichen Hospiz endlich das verstehen, was ihn schon seit Jahren verfolgt?

Ich habe mich sehr auf Alexandra Friedmanns zweiten Roman gefreut nachdem mich ihr Debüt „Besserland“ vor vielen Jahren schon begeistert konnte. Auch dieses Mal steht wieder ein junger Mensch, der aus dem ehemaligen Sowjetgebiet entwurzelt und nach Deutschland verpflanzt wurde, im Zentrum der Handlung. Zwar war auch hier dieses Ereignis prägend, aber es konnte Familienstrukturen nicht aufbrechen, die auch in der neuen Heimat fortbestehen und Rafik lange daran hindern, mit den Dingen abzuschließen, die er in seinem emotionalen Rucksack noch mit sich rumträgt.

Besonders gut hat mir die Mischung aus Humor und Nachdenklichkeit gefallen. Die Kleinfamilie kommt nicht ohne eine gewisse Situationskomik aus, die es auch erfordert, um das Miteinander auf engem Raum auszuhalten. Das dürfte in ukrainisch-jüdischen Familien nicht anders aussehen als in allen anderen Ländern und Kulturen auch. Rafiks Suche nach Erklärungen für den ungerechten Tod des Vaters führt ihn notwendigerweise auch zu religiösen Menschen, die er um Rat fragt. Gerade aber auch Charlotte, die ihre ganz eigenen Antworten gefunden hat auf ihre Situation und das Wissen, dass ihr nur noch wenig Zeit auf Erden bleibt, schließt die Suche für mich rund ab. Es gibt nicht die EINE Antwort oder Erklärung, nicht EINE EINZIGE Religion hat alle Weisheit gepachtet, es sind viele Facetten, die vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte Bedeutung erlangen.

Ein Buch übers Erwachsenwerden, über das Loslösen, aber auch über das Leben und Sterben und die Frage nach dem Sinn. Mal humorvoll, mal eher ernsthaft bis traurig. Einer dieser Romane, die einem nachdenklich, aber doch zufrieden und geradezu glücklich zurücklassen.