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Veröffentlicht am 10.03.2019

Anthony Horowitz - Ein perfider Plan

Ein perfider Plan
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Diana Cowper, eine elegante ältere Dame, geht zu einem Bestatter, um die Details ihrer Beerdigung zu besprechen. Dies ist nicht so ungewöhnlich, aber dennoch kommt das eher selten vor. Am selben Abend ...

Diana Cowper, eine elegante ältere Dame, geht zu einem Bestatter, um die Details ihrer Beerdigung zu besprechen. Dies ist nicht so ungewöhnlich, aber dennoch kommt das eher selten vor. Am selben Abend jedoch wird sie in ihrem Londoner Haus ermordet. Daniel Hawthorne, ein ehemaliger Detective der Londoner Metropolitan Police, hilft bei den Ermittlungen. Er bittet den Autor Anthony Horowitz seine Nachforschungen zu begleiten und ein Buch darüber zu verfassen. So kommt der berühmte Schreiber dazu, eine echte Ermittlung live mitzuerleben. Allerdings scheint der Fall ins Nichts zu führen. War alles nur purer Zufall und Mrs Cowper schlicht das Opfer eines Raubüberfalls? Als ihr Sohn Daniel jedoch erstochen in seinem Apartment aufgefunden wird, ist es offenkundig, dass der Tod der Mutter kein Zufall gewesen sein konnte. Alle Zeichen weisen auf einen Autounfall 10 Jahre zuvor, bei dem Mrs Cowper einen Jungen tötete. Aber irgendwie wollen die Puzzlestücke nicht so recht zusammenpassen. Das eigenwillige Team von Ex-Detective und Autor muss tiefer graben, bis sie sich selbst in große Gefahr bringen.

Auch nach Ende des Buchs bin ich nicht ganz sicher, ob irgendetwas Wahres an der Geschichte ist oder alles nur der Phantasie eines genialen Autors entspringt. Wie auch immer, es kommt eigentlich nur darauf an, dass man unterhalten wird und das war auf jeden Fall hier gegeben. Der Mordfall war clever konstruiert, überraschend, einfach genial.

Der Roman beginnt unerwartet. Die Planungen der Beerdigungen irritieren schon etwas, dann kommt ein harter Bruch und der Autor spricht zum Leser und es wird klar, dass man nur eine Geschichte in einer Geschichte gelesen hat. Ein recht ungewöhnlicher, aber doch kreativer Start, der bestens zur ganzen Geschichte passt.

Der Mordfall bietet alles, was man erwarten und wünschen würde: mehrere Verdächtige, alle mit zweifelhaftem Verhalten und offenkundigen Motiven. Sehr ungewöhnliche Charaktere, die einem reichlich Material zum Grübeln liefern. Nichtsdestotrotz greift am Ende alles perfekt ineinander, wenn auch die Motivation etwas überrascht, allerdings ist sie in der Gesamtschau plausibel und passt zum Plot.

So entstand ein humorvoller Krimi, der einmal mehr Horowitz‘ meisterhaftes Schreibvermögen unterstreicht.

Veröffentlicht am 09.03.2019

Andrew Cartmel – Murder Swing

Murder Swing
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Eigentlich verbringt er seine Tage damit von Second Hand Shop zu Second Hand Shop zu laufen und die Neuzugänge der Vinyl Platten zu durchforsten, immer auf der Suche nach dem ultimativen akustischen Kick ...

Eigentlich verbringt er seine Tage damit von Second Hand Shop zu Second Hand Shop zu laufen und die Neuzugänge der Vinyl Platten zu durchforsten, immer auf der Suche nach dem ultimativen akustischen Kick – und nach einem lukrativen Geschäft, denn echte Sammler sind bereit so einiges zu bezahlen für eine wertvolle Platte. Als es eines Tages unerwartet an seiner Tür klingelt, ahnt er nicht, dass die Frau, die vor ihm steht, ihn nicht nur auf die Suche nach einer außergewöhnlichen Aufnahme schicken wird, sondern auch in größte Gefahr bringt, denn plötzlich häufen sich Unfälle und mysteriöse Todesfälle in seinem Umfeld. Aber wenn das Interesse erst einmal geweckt ist und dazu so ansprechend vertreten wird wie bei Miss N. Warren, muss ein Mann ja schwach werden und den Auftrag annehmen.

Andrew Cartmel ist als Schreiber für die britische TV Serie Doctor Who bekannt geworden, von der Vinyl Detective Reihe erscheint 2019 im Original bereits Band 4. Die Tatsache, dass sich Cartmel auch als Stand-Up Comedian betätigt, merkt man seinem Roman an. Als Thriller vom Verlag angekündigt, macht er auch mich doch eher den Eindruck einer Slapstick Krimi-Komödie, was jedoch in keiner Weise negativ zu verstehen ist.

Die Geschichte lebt ganz klar von den Figuren, die alle auf ihre Art skurril aber liebenswert sind. Vorneweg natürlich der Plattensammler, der nebenbei Detektivarbeit leistet. Man kann sich seine Wohnung bildhaft vorstellen, vor allem die zwei Katzen, die das Gesamtbild charmant abrunden. Miss Warren – deren Vorname lange ein ganz eigenes Mysterium bleibt, weshalb er auch hier nicht verraten wird – die zwischen dümmlich und hochintelligent oszilliert und damit immer wieder überrascht, ebenso mit ihren herrlichen Katzendialogen. Und natürlich die ganzen Nebenfiguren: die Gegenspieler Heinz und Heidi, der Drogendealer und Tomatenmagnat Hughie, Freund Tinkler und natürlich die Taxifahrerin Clean Head. Eine Ansammlung von Kuriositäten, die zusammen einen großen Spaß fabrizieren.

Der Kriminalfall um die Originalaufnahme von „Easy Come, Easy Go“ hat mir als unbedarftem digital Musikhörer so einiges an neuem Wissen eingebracht und die Komplexität des alten Mediums Vinyl erst richtig verdeutlicht. Die Geschichte wird schließlich glaubwürdig, wenn auch mit etwas Nachhilfe von Kommissar Zufall, gelöst. Da könnte das Buch eigentlich zu Ende sein. Doch wie bei jeder Platte gibt es noch eine B Seite und hier ist es quasi der zweite Auftrag für den Vinyl Detektiv. Wie bei allen Maxi-Singles auf Vinyl kommt auf die zweite Seite das, was eben nicht so erfolgversprechend und nicht so gelungen ist. So ist es hier auch. Mit Seite A war die Geschichte erzählt und fertig. Für mich ein sauberer und gelungener Abschluss. Die zweite Geschichte ist nicht nur in sich unabhängig und mehr wie die unterschiedlichen Bände einer Serie mit der ersten verbunden, weshalb sie für meinen Geschmack auch besser als Einzelband erschienen wäre. Da dieser Teil doch gewaltig abfällt im Vergleich zum ersten, gibt es hierfür auch den Punkt Abzug in der Bewertung.

Veröffentlicht am 03.03.2019

Antoine Laurain - Ein Tropfen vom Glück

Ein Tropfen vom Glück
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Der Zufall führt den Immobilienmakler Hubert, den amerikanischen Touristen Bob, den Bartender Julien und die Restauratorin Magalie an einem Septemberabend im Jahr 2017 in Paris zusammen. Gemeinsam genießen ...

Der Zufall führt den Immobilienmakler Hubert, den amerikanischen Touristen Bob, den Bartender Julien und die Restauratorin Magalie an einem Septemberabend im Jahr 2017 in Paris zusammen. Gemeinsam genießen sie einen alten Wein des Jahres 1954, nicht ahnend, dass sie damit eine Zeitreise in ebendieses antreten werden. Die Stadt der Lichter ist zwar gar nicht so anders als heute, aber die Menschen leben das Paris, das man nur noch aus Filmen und Legenden kennt. Legenden sind es auch, denen sie begegnen: Piaf, Dalí, Truffaut, Prévert, Gabin. So schön das alles ist, wie kommen sie zurück in die Zukunft?

Wenn man Bücher von Antoine Laurain kennt, weiß man schon vorab, worauf man sich freuen darf: eine zuckersüße Geschichte, der jedoch jede Form von Kitsch fremd ist; eine Story, die man nicht ganz ernstnehmen darf und auf deren fantastische Reise man sich einfach einlassen sollte. Für mich ist es immer ein wenig wie in „Die fabelhafte Welt der Amélie“ einzutauchen - eine bezaubernde Hintergrundmusik und wunderschöne Bilder, so sind Laurains Bücher und genau so ist auch „Ein Tropfen vom Glück“.

Viel mehr muss man eigentlich auch gar nicht mehr sagen. Mir hat das Paris des Jahres 1954 gefallen, vor allem die Szene in Les Halles konnte man bildlich vor sich sehen. Ich nehme an, dass der Autor auch einen Heidenspaß dabei hatte, all die Künstler und großen Namen mit in die Geschichte einzubauen, völlig unaufdringlich und zum Schmunzeln. Seine Figuren wie sind immer außergewöhnliche Individuen, aber dann doch nicht so sonderbar, dass sie nicht real existieren könnten, liebenswert sind sie auf jeden Fall.

Ein klassisches Wohlfühlbuch, in das man eintaucht und aus dem völlig glücklich und beschwingt wieder heraussteigt.

Veröffentlicht am 28.02.2019

Lazarus

Lazarus
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Joona Linna ist aus dem Gefängnis entlassen und soll seinen Dienst wieder antreten als man in Oslo eine grausame Entdeckung macht: in Haus eines Mordopfers finden sich zahlreiche Leichenteile, darunter ...

Joona Linna ist aus dem Gefängnis entlassen und soll seinen Dienst wieder antreten als man in Oslo eine grausame Entdeckung macht: in Haus eines Mordopfers finden sich zahlreiche Leichenteile, darunter auch der Kopf von Joonas Frau, offenbar aus ihrem Grab geraubt. Für ihn kann das nur eins bedeuten: Jurek Walter hat überlebt und nimmt so Kontakt zu ihm auf. Plötzlich werden aus ganz Europa seltsame Morde gemeldet, die alle die gleiche Handschrift zeigen und sich eindeutig an ihn richten. Sein Team mag das nicht ganz glauben, Saga weiß genau, dass sie den Serienmörder erschossen hat und die Leiche hatte man ja auch identifiziert. Joona hingegen ist sich sicher, dass sie alle in größter Gefahr sind, allen voran seine Tochter. Während er den Notfallplan aktiviert und untertaucht, geht man in Schweden der Sache nur langsam nach. Eine Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen.

Band 7 der Serie um Hauptkommissar Linna der Stockholmer Polizei trägt die Altersempfehlung ab 16, die ich nur sehr unterstreichen kann. Der Krimi ist sowohl in physischer Hinsicht wie auch psychologisch extrem herausfordernd und das Autorenduo hinter dem Pseudonym Lars Kepler erspart dem Leser nichts. Das resultiert in Hochspannung, die tatsächlich kaum auszuhalten ist und bei zartbesaiteten Gemütern nicht ohne Alptraum-Gefahr sein dürfte.

Nach nur kurzem Vorspann beginnt die todbringende Verfolgungsjagd von Jurek Walter und Joona Linna. Die Kapitel enden meist mit geschickt platzierten Cliffhangern, die es einem quasi unmöglich machen, einfach das Buch beiseite zu legen. Es ist nicht nur das hohe Tempo der Handlung, das einem fordert, sondern auch die brutale Rücksichtslosigkeit des Mörders, die vor gar keiner noch so grausamen tat haltmacht und dieses Mal auch wirklich keine der Figuren schont. Das geht beim Lesen durchaus an die Substanz, weil man sich doch immer wieder wünscht, dass wenigsten der eine oder andere davonkommt – aber der Plan sieht anders aus.

Die Handlung ist in sich völlig stimmig und glaubwürdig, auch die Erklärung für Jureks Überleben kann man nachvollziehen, wenn ich dies auch etwas herausfordernder an die Phantasie fand. Besonders überzeugend war für mich die Figur Sagas, die unmittelbar und ganz persönlich getroffen wird von den Taten und dieses Mal ihre Grenzen überschreiten muss. Alles in allem, ausgesprochen brutal, aber kaum zu übertreffende Spannung.

Veröffentlicht am 21.02.2019

Stella

Stella
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Friedrich wächst in reichem Haushalt in der Schweiz auf; eigentlich fehlt es ihm an nichts, außer an der Liebe seiner Eltern. Für seine Mutter ist er eine Enttäuschung, sein Vater bevorzugt es die Welt ...

Friedrich wächst in reichem Haushalt in der Schweiz auf; eigentlich fehlt es ihm an nichts, außer an der Liebe seiner Eltern. Für seine Mutter ist er eine Enttäuschung, sein Vater bevorzugt es die Welt zu bereisen statt sich um die Familie zu kümmern. Im Jahr 1942 beschließt er, das Nest am Genfer See zu verlassen und sich selbst ein Bild von den Gerüchten zu machen, die man über die deutsche Hauptstadt hört. In Berlin angekommen, will er wieder malen und lernt so an der Kunstschule Kristin kennen. Die junge Frau strotzt nur so vor Lebensfreude und mit Tristan haben sie einen Gefährten, der mit ihnen das schöne, süße Leben jenseits des Kriegs voll auskostet. Lange können sie ignorieren, was um sie herum geschieht, doch irgendwann platzt die Illusion, für Friedrich besonders hart, denn seine Geliebte ist nicht die Frau, für die er sie gehalten hat, sondern heißt Stella, ist Jüdin und schuldig unmenschlicher Verbrechen.

Das Jahr 2019 ist kaum zwei Monate alt und hat schon seit Wochen einen literarischen Skandal erster Güte: Tais Würgers zweiter Roman „Stella“. Nicht nur, weil man unmöglich der öffentlichen Diskussion um das Buch ausweichen kann, sondern vor allem, weil mir der Autor bereits mit seinem Debütroman „Der Club“ positiv in Erinnerung ist, war ich gespannt auf diese Geschichte. Enttäuscht wurde ich nicht, Würger ist ein überzeugender Erzähler, der hervorragend zu unterhalten weiß.

Ich mag auf die für mein Empfinden restlos dargelegten Argumente für und gegen diesen historischen Stoff nicht eingehen. Ob Takis Würger nur besonderes Aufsehen mit der Verarbeitung der Lebensgeschichte einer real existenten Person erheischen wollte, kann ich auch nicht beurteilen und die Frage nach dem rechtmäßigen Zugriff auf den Nachlass, entzieht sich sowieso meiner Beurteilungskraft. Von daher bleibe ich bei dem, wozu ich etwas sagen kann. Der Handlungsaufbau hat mir gut gefallen, insbesondere die Figur des Friedrich, um den es noch viel mehr geht als um die titelgebende Stella, ist ein interessanter Charakter, dessen Kindheitserfahrungen plausibel als prägende Erinnerungen auch einen Einfluss auf sein Dasein als Erwachsener hat. Verwunderlich, aber nicht minder glaubwürdig das Leben im Kriegsberlin derjenigen, die Geld und Macht hatten. Das Hotel Adlon kann den Schein der Unbekümmertheit und Normalität erstaunlich lange aufrechterhalten und bietet seinen Gästen den gewohnten Komfort. Die Atmosphäre ist dem Autor zweifelsohne authentisch gelungen.

Wie immer bei Literatur, die zur Zeit der Nazi-Herrschaft angesiedelt ist – und insbesondere wenn auf reale Ereignisse zurückgegriffen wird – drängt sich die Frage nach Schuld und Täterschaft auf. In diesem Fall ist sie einfach zu beantworten, nur kurz glaubt man wirklich an das arme Mädchen, das in einer moralischen Zwickmühle steckt, allzu lange nimmt man ihr das nicht ab. Allerdings war für mich fast noch entscheidender die Frage nach Friedrichs Position: er kommt letztlich als Kriegsgaffer nach Berlin, er sieht zu und versteht, was geschieht, aber als Schweizer hat er ja mit allem nichts zu tun: ist das nicht ebenso schändlich?