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Veröffentlicht am 26.11.2022

Ein spannender Roman über die große Mandränke

Der Zorn der Flut
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In „Der Zorn der Flut“ von Hendrik Lambertus geht es um die Marcellusflut 1362 und ihre Folgen für die Uthlande. Erschienen ist der Roman im November 2022 bei Rowohlt.

Uthlande 1361: Die Winterstürme ...

In „Der Zorn der Flut“ von Hendrik Lambertus geht es um die Marcellusflut 1362 und ihre Folgen für die Uthlande. Erschienen ist der Roman im November 2022 bei Rowohlt.

Uthlande 1361: Die Winterstürme greifen die Deiche an und nur Deichbauer Folkert scheint die Gefahr zu erkennen. Beständig ermahnt er die Bauern und Staller der Uthlande die Deiche auszubessern, um ihre Heimat vor der unbändigen Gewalt der Westsee zu schützen, doch niemand möchte so recht auf ihn hören. Zu sehr sind sie von anderen Problemen eingenommen, wie beispielsweise die hohen Abgaben, die der Dänenkönig Waldemar für seine Kriegszüge verlangt. Hier ist Auke, der Bruder des Deichbauers, ganz vorne mit dabei. Er kämpft für die Freiheit der Friesen und ihre Traditionen und seine große Liebe Griet, die zum Vorteil der Uthlande einen Hamburger Kaufmann heiraten soll. Der 16. Januar 1362 soll jedoch alles ändern: Ein gewaltiger Sturm entfesselt die geballte Kraft der Westsee und die Deiche brechen…

In den Vorschauen habe ich dieses Jahr gar nicht so sehr geschaut, umso glücklicher war ich als ich eine Mail zu diesem Buch bekam. „Das Erbe der Altendiecks“ hatte mir schon ganz gut gefallen und der Klappentext hat mich angesprochen. Wenn ich etwas über die Geschichte meines Bundeslandes lernen kann, bin ich gerne an vorderster Front mit dabei. Leider habe ich in meiner Schulzeit nicht wirklich etwas über die Marcellusflut gelernt, was eigentlich ein Skandal ist, wie ich finde.
Ich bin schnell in dieses Buch hineingekommen. Die Beschreibungen der Uthlande haben lebhafte Bilder vor meinen Augen entstehen lassen. Der Norden Deutschlands wird seinem Ruf gerecht und begrüßt einen mit waschechtem Schietwetter. Die Protagonisten werden gekonnt eingeführt und die Weichen für die kommende Katastrophe werden geschickt gelegt.
Der Spannungsbogen entwickelt sich über den gesamten Roman hin sehr gut. Die Spannung wird kontinuierlich aufgebaut. Doch der Autor macht nicht bei der Flut als Höhepunkt halt, sondern erzählt in der zweiten Hälfte des Romanes wie es den Uthlanden nach der Katastrophe ergeht und wie das Leben von Neuem aufgebaut wird. Die Darstellung der großen Mandränke, wie die Marcellusflut auch genannt wird, fand ich grandios. Es waren recht viele Seiten dazu, aber keine war zu viel und keine war langweilig. Ich habe so sehr bei diesen Ereignissen mitgefiebert. Nach der Flut hatte ich allerdings einen kleinen Hänger, dies wurde mit einem tollen Finale aber mehr als wieder wett gemacht.
Ich konnte viel über das Leben an der Küste der heutigen Nordsee lernen. Die herrschenden Verhältnisse werden beschrieben und wie die Menschen zusammen mit der Westsee und ihren Kräften leben, womit die Bauern ihr Geld verdienen und wie sie ihre Verwaltung organisieren. Außerdem habe ich einiges über die Rechtssprechung dort erfahren.
Gespickt ist dies natürlich mit dem ein oder anderen friesischen Begriff. Da war für mich das ein oder andere neue Wort dabei, aber auch einiges, das ich bereits kannte. Dennoch hätte es für meinen Geschmack gerne sogar noch mehr sein dürfen. Der ein oder andere friesische Ausruf oder friesische Redewendungen hätten den Roman mit Sicherheit noch bereichert und noch etwas friesischer/norddeutscher gemacht. Insgesamt ist es dem Autor aber gut gelungen das norddeutsche Flair einzufangen und auch die Besonderheit der Uthländer hervorzuheben.
Die Personen empfand ich allesamt als spannend und jeder trägt seinen Anteil zur Geschichte bei. Wir verfolgen einmal Auke und seinen Bruder Folkert. Auke ist der Ungestüme von beiden, der unbedingt die friesische Freiheit erhalten will und so manches Mal ein wenig übereilt handelt. Doch gerade dieses Verwegene spricht die Stallerstochter Griet sehr an und schon früh ist die Liebe der beiden gefestigt. Seine Entwicklung fand ich sehr spannend, aber ich möchte nicht zu viel verraten. Ich finde, der Autor ist mit ihm einen sehr konsequenten Weg gegangen.
Folkert hingegen ist ruhig und vernünftig. Die Arbeit an den Deichen erfüllt ihn und so ist es ihm ein besonderes Anliegen, dass diese ausgebessert werden, um die Bewohner der Uthlande ausreichend zu schützen. An seiner Seite ist der belesene Ansgar, der leider nicht sehr durchsetzungsstark ist, aber das Herz am rechten Fleck hat. Gerade die Freundschaft dieser beiden hat mir sehr gefallen.
Dann gibt es noch Janne und Lentje, mit denen es das Leben bisher nicht so gut meinte. Sie arbeiten auf dem Hofe des Bauern Abbo, der sie schlecht behandelt. Durch ein dramatisches Ereignis kommen sie in den Dunstkreis von Griet und werden eine wichtige Stütze für diese. Mir hat es sehr imponiert, wie Janne trotz der ärmlichen Verhältnisse versucht, ihrer Tochter eine unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. Mit den beiden habe ich tatsächlich noch am meisten mitgefiebert.
Zu den eher ungemütlichen Personen in diesem Buch zählt Ulrich Wullenwever und sein Aufpasser Burkhart. Burkhart agiert mehr im Hintergrund und ist derjenige, der für seinen Herren die Drecksarbeit erledigt. Anfangs hatte ich mit dem wenig erfolgreichen Kaufmannssohn noch ein wenig Mitleid, doch das Buch hat mit jedem Kapitel immer mehr unliebsame Eigenschaften zu Tage gefördert. Obwohl Ulrich bisher nicht viel erreicht hat, ist er dennoch sehr von sich eingenommen und duldet keinen Widerspruch. Er heischt nach Anerkennung und trifft so oftmals sehr zweifelhafte Entscheidungen.
Das Cover dieses Buches hat mir sehr gut gefallen, weil es einerseits die Warften mit seinen Kirchen oder anderen Gebäuden, die die Menschen schützen sollen, gut einfängt, andererseits aber auch die Kraft des Meeres gut darstellt. Als Zusatzmaterial gibt es lediglich ein kurzes Nachwort und ein umfangreiches Glossar. Die Personenanzahl ist überschaubar, so dass es ok ist, das Personenverzeichnis weg zu lassen. Eine Karte hätte das Buch allerdings sehr bereichert, wie ich finde. Was die Flut angestellt hat, wird auch im Buch sehr gut dargestellt, aber eine Karte zeigt das nochmal direkter. Leider hat sich an meinem Exemplar auch die Folie sehr schnell ein wenig abgelöst, was ich sehr schade finde. Der Freude an dieser Geschichte hat dies jedoch keinen Abbruch getan.

Fazit: Ein wunderbarer historischer Roman, der die Marcellusflut und seine Folgen grandios einfängt und mich bis auf einen kleinen Hänger sehr gut unterhalten hat. Ich konnte viel über das norddeutsche Leben im 14. Jahrhundert für mich mitnehmen. Empfehlenswert für alle, die einen gut recherchierten Roman zu schätzen wissen, der eine fiktive Geschichte gekonnt mit historischen Begebenheiten verbindet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.11.2022

Der letzte Band dieser Trilogie konnte mich total in seinen Bann ziehen

Die Shannara-Chroniken: Die Großen Kriege 3 - Die Flüchtlinge von Shannara
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„Die Flüchtlinge von Shannara“ ist der finale Band der „Die Großen Kriege“-Trilogie von Terry Brooks. Ein letztes Mal begleiten wir die Menschen und Elfen auf ihrem Weg in eine neue Zukunft. Erschienen ...

„Die Flüchtlinge von Shannara“ ist der finale Band der „Die Großen Kriege“-Trilogie von Terry Brooks. Ein letztes Mal begleiten wir die Menschen und Elfen auf ihrem Weg in eine neue Zukunft. Erschienen ist der Roman bei blanvalet im Oktober 2016.

Die Erde ist ihrer völligen Zerstörung nahe. Sowohl die Menschen rund um Hawk als auch die Elfen an der Seite von Kirisin machen sich auf dem Weg zu einem Ort, der ihnen Sicherheit verspricht. Begleitet werden sie von den Rittern des Lichts Angel Perez und Logan Tom. Verfolgt von einer Armee aus Dämonen und Einst-Menschen, die die Welt nun überwiegend bevölkern. Viele Gefahren lauern auf dem Weg zur Zuflucht und die sich ihnen stellenden Aufgaben scheinen kaum lösbar. Nur wenn sie es schaffen, haben die Menschen und Elfen noch eine Chance auf eine Zukunft.

Ich habe die Vorgeschichte zu den Shannara Chroniken beendet und am Ende bin ich doch wieder sehr zufrieden. Teil 2 war sehr schwach und hatte mich ein wenig die Lust an der Reihe verlieren lassen, doch dieser finale Band macht vieles wieder gut.
Diesmal habe ich nicht so viel Zeit verstreichen lassen und kam gut in der Geschichte an. Ich hatte das Gefühl, die Geschichte hat ein festes Ziel vor Augen und wird konsequent voran geführt. Das Schicksal der Elfen verbindet sich endlich mit dem der Menschen und viele schwere Aufgaben müssen gelöst werden.
Das Buch war überwiegend spannend und hat einem nur wenige Pausen gelassen, um alles auf sich wirken zu lassen. Die Düsternis dieser Welt hat einen fast erdrückt, aber ich mochte auch genau diese Düsternis. Die Welt verwandelt sich in dieser Reihe, in die Welt von Shannara, die wir aus den anderen Büchern der Reihe kennen. Wir erleben die Katastrophe, die vorher stattgefunden hat und ich bin sehr dankbar dafür, dass Terry Brooks, diese Reihe dafür geschrieben hat, denn diese Geschichte hat mich brennend interessiert, seit ich diese Andeutungen in der Serie gesehen habe.
Ich bin allen Protagonisten gerne gefolgt. Jeder hat seinen ganz eigenen Beitrag zum Gelingen dieser Mission beizutragen und ihre Gedanken beim Lösen dieser Aufgaben haben mich sehr fasziniert. Oftmals habe ich darüber etwas zu ihren Motiven und den Ereignissen, die sie geformt haben, erfahren. Gerne war ich dabei, wie einzelne Personen über sich hinausgewachsen sind, aber auch das Gemeinschaftsgefühl, dass in dieser Reihe entsteht, konnte mich sehr für sich einnehmen. Außerdem schreckt der Autor auch nicht davor zurück, einige Charaktere sterben oder ihren eigenen Weg gehen zu lassen. Das hat für mich alles nochmal einen Tick realistischer gemacht.
Kirisin, Hawk, Logan Tom und Angel Perez kommt im gesamten Gefüge eine exponierte Rolle zu. Sie sind essenziell für das Gelingen der Mission. Logan Tom und Angel Perez sind die Ritter des Lichtes. Ihnen kommt eine wichtige Rolle beim Schutz der Elfen und Menschen zu, aber sie haben auch eigene innere Kämpfe auszufechten. Gerade Logan Tom ist jemand, der sich selber viel hinterfragt, aber auch Angel
Perez muss sich einigen Herausforderungen stellen, die ihr alles abverlangen. Kirisin und Hawk haben die große Aufgabe bekommen ihr jeweiliges Volk zu schützen. Beide sind nicht auf diese große Verantwortung vorbereitet worden, wachsen aber mit ihren Aufgaben.
Wir bekommen zumindest auch kleinere Einblicke in die Welt der Dämonen und ihre Gedankengänge und auch diese sind in gewisser Weise greifbar. Dadurch hatte diese Reihe auch eine recht philosophische Komponente. Für was für eine Welt möchte man kämpfen? Worauf kommt es an? Macht oder Zusammenhalt in einer Gemeinschaft? Was sind wir bereit zu geben für unser Ziel?
An sich war diese Welt sehr greifbar. Es ist ganz klar Fantasy mit seinen unterschiedlichen Arten von Magie, aber irgendwie scheint das alles auch in unserer jetzigen Welt zu schlummern. Ich mag es echt sehr, dass diese Reihe auf unserer Erde spielt und sich halt verändert. Wer weiß, ob unsere Welt in 3.000 Jahren nicht eine magische Welt ist, in der es Elfen und viel andere Arten von Lebewesen gibt? Ich mag diese Vorstellung zumindest sehr.
Einen etwas bitteren Beigeschmack hat der Begriff Z
-Morph. Ich möchte den Begriff nicht ganz ausschreiben und ich denke, würde Terry Brooks das Buch heute schreiben, würde er das vielleicht auch anders benennen. Dieser Begriff kommt nicht häufig vor und steht halt für Hawk und seine Magie. Ich sehe da eine gewisse Verbindung zu Sinti und Roma, weil diesen in der Vergangenheit magische Kräfte nachgesagt wurden. Es ist aus heutiger Sicht kein schöner Begriff und vielleicht gibt es in zukünftigen Ausgaben eine Lösung dafür. Es würde nichts an der Geschichte ändern, wenn sich hier ein neuer Begriff ausgedacht wird.
Zusatzmaterial, wie ein Personenverzeichnis oder ein Glossar gibt es nicht und auch kein Nachwort des Autors. Ich konnte der Geschichte aber auch so gut folgen, obwohl es doch eine ganze Reihe an Personen gibt. Es ist eine fortlaufende Geschichte. Die Vorgängerbände haben also jedes Mal mitten in einer Szene geendet. Das ist dann tatsächlich auch das Einzige mit, was ich nicht so mochte. Die einzelnen Bücher haben zusätzlich nicht noch ein eigenes Ziel und das hat den mittleren Band etwas zäh für mich gemacht.

Fazit: Eine spannende Reise geht für mich zu Ende. Dieser finale Band war spannend und konnte mich mit der gesamten Reihe wieder versöhnen. Ich mochte die Düsternis und den Übergang, den sie darstellt. Empfehlenswert für alle, die wissen wollen, wie die Welt von Shannara entstanden ist und keine Angst vor Dämonen und Einst-Menschen haben.

Veröffentlicht am 05.11.2022

Highlight Anwärter 2022. Ich habe es auf Englisch gelesen.

Last night at the Telegraph Club
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„Last Night at the Telegraph Club“ von Malinda Lo erzählt die Geschichte der 17jährigen Lily Hu, die sich in ihrem letzten Highschool-Jahr auf eine Reise zu sich selbst begibt und für ihre Liebe kämpfen ...

„Last Night at the Telegraph Club“ von Malinda Lo erzählt die Geschichte der 17jährigen Lily Hu, die sich in ihrem letzten Highschool-Jahr auf eine Reise zu sich selbst begibt und für ihre Liebe kämpfen muss. Erschienen ist der Roman bei Dutton Books im Januar 2021. Auf deutsch wird dieser Roman bei dtv im April 2023 erscheinen.

San Francisco, 1954: Für die 17jährige Lily Hu beginnt ihr letztes Schuljahr. Eine Reise zu sich selbst wurde ihr von Miss Weiland versprochen und auf sie trifft das in besonderem Maße zu. Als sie Kath Miller näher kennenlernt, entsteht eine enge Freundschaft und Lily versucht sich aus der Enge Chinatowns zu lösen. Gemeinsam besuchen die beiden Mädchen heimlich den Telegraph Club, eine Bar in der sich Lesben treffen, und tauchen in eine vollkommen neue Welt ein. Fasziniert von den Darbietungen und Gästen stellt Lily fest, dass es mehr als Freundschaft sein könnte, was sie für Kath empfindet. Doch das Amerika der 50er Jahre hat keinen Platz für zwei sich liebende Mädchen, erst recht nicht, wenn eines davon aus Chinatown stammt, in dem noch mal andere Regeln gelten und Fehlverhalten sogar zur Abschiebung aus Amerika führen könnte.

Coming of Age-Geschichten sind eigentlich nicht meins und dennoch hat mich der Klappentext irgendwie angesprochen. Eine lesbische Liebesgeschichte im Jahr 1954, wo doch die 50er Jahre in unseren Köpfen mit konservativen Rollenbildern verknüpft sind: Der Mann verdient das Geld, die Frau ist brav zu Hause, macht den Haushalt und kümmert sich um die Kinder. In diesem Kontext wirkt eine Bar, in der sich Lesben treffen, geradezu skandalös. Histolicious hat auf Twitter von diesem Buch geschwärmt und da war für mich klar, ich muss dem Buch eine Chance geben und was soll ich sagen, es hat sich in diesem Fall gelohnt.
Das Buch ist gut geschrieben. Ich konnte mir alle Orte wunderbar vorstellen und die junge Lily und ihre Beobachtungen der Welt haben mir sehr gefallen. Sie beobachtet sehr genau und versucht auch die subtilen Botschaften einer Szene in sich aufzunehmen.
Die Geschichte wird größtenteils aus Lilys Sicht erzählt und spielt im Jahr 1954. Allerdings gibt es auch Zeitsprünge in die Vergangenheit und kurze Kapitel aus der Sicht ihrer Eltern sowie ihrer Tante, die deren Geschichte ein wenig beleuchten. Zeittafeln vor jedem Abschnitt beleuchten die historischen Gegebenheiten und runden das Bild ab. Mir hat diese Kombination wahnsinnig gut gefallen. Vordergründig ist es die Geschichte von Lily und Kath, durch die Hintergründe lernen wir zusätzlich etwas darüber, warum die Menschen in Lilys Umfeld so reagieren, wie sie reagieren und es gibt einen historischen Einblick in jene Zeit und die damit verbunden Herausforderungen, was im Falle der Familie Hu bedeutet, dass ihnen die Abschiebung droht.
Gleichzeitig gibt dieses Buch einen Einblick in die lesbische Szene jener Zeit. Lily sticht hier nochmal mehr heraus, weil sie chinesisch-amerikanisch ist. Ich mochte die subtile Art, wie sie ihr Umfeld beobachtet und daraus Erkenntnisse für sich selbst zieht. Ich habe mit ihr mitgefühlt, ich war selber wieder ein wenig 17Jahre alt und in einer Zeit, in der man viele neue Dinge ausprobiert und auch mal etwas Verbotenes macht. Eine Zeit, in der alles irgendwie neu und spannend ist. Mir war durchaus auch vorher klar, dass Repräsentation wichtig ist, aber dieses Buch hat mir das nochmal in einer besonderen Deutlichkeit vor Augen geführt. Das betrifft nicht nur ihr lesbisch sein, sondern auch Rassismus und Mikroagressionen im Alltag.
Lily und Kath zusammen habe ich geliebt. Ihre Art miteinander umzugehen und sich an ihre Gefühle ranzutasten. Die Freundschaft, die bei den beiden entsteht. Die beiden haben wirklich sehr schöne Szenen miteinander und ich liebe es, dass dieses Buch den beiden, diesen Raum gegeben hat. Ich bin an sich kein Fan von Liebesgeschichten. Ab und zu kann ich das haben, aber danach habe ich meist für längere Zeit wieder genug, weil es mir oftmals zu viel Drama ist. Diese Liebesgeschichte hier empfand ich komplett anders. Es gibt auch Drama, aber eben erst zum Schluss und ich hatte viel Zeit einfach nur die Interaktionen der beiden zu genießen.
In Sachen Repräsentation habe ich das Gefühl, dass dies hier ein wirklich sehr schönes Buch ist. Es ist ein Own Voice-Roman. Die Autorin ist lesbisch und chinesisch amerikanisch. In einem ausführlichen Nachwort, legt sie nochmal die historischen Gegebenheiten dar und warum sie sich für bestimmte Dinge entschieden hat, was mir sehr gut gefallen hat und was einiges für mich nachvollziehbarer gemacht hat. Dieser Roman ist wirklich sehr gut recherchiert und hat die Themen dieser Zeit wunderbar eingefangen. Es geht um die lesbische Szene, die chinesisch-amerikanische Gesellschaft und die Angst vorm Kommunismus in Amerika in jener Zeit. Ich würde gerne noch viel mehr schreiben, weil mir dieses Buch einfach so viel gegeben hat, aber ich denke, dass würde dann zu viel von der Geschichte vorweg nehmen.

Fazit: Ein absolutes Highlight für mich und eine ganz große Empfehlung von mir, dieses Buch zu lesen. Ich habe diese Geschichte von Anfang bis Ende genossen, ich habe Lily und Kath geliebt und ich mochte die besondere Mischung aus Coming of Age-Geschichte und Historie, die mir das Amerika der 50er Jahre und seine lesbische Szene sowie die historischen Herausforderungen näher gebracht haben.

Veröffentlicht am 29.10.2022

Mein Waringham-Herz ist überwiegend glücklich

Drachenbanner
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„Drachenbanner“ von Rebecca Gablé ist der 7. Band der Waringham-Reihe und spielt zeitlich gesehen erneut vor „Das Lächeln der Fortuna“. Es geht um König Henry III und Simon de Montforts Reformen, die den ...

„Drachenbanner“ von Rebecca Gablé ist der 7. Band der Waringham-Reihe und spielt zeitlich gesehen erneut vor „Das Lächeln der Fortuna“. Es geht um König Henry III und Simon de Montforts Reformen, die den Keim der Demokratie bereits im 13. Jahrhundert gelegt haben. Erschienen ist der Roman im September 2022 bei Bastei Lübbe.

England, 1238: Adela of Waringham wird an den Hof von Prinzessin Eleanor Planagenet geschickt. Sie muss ihre gewohnte Umgebung und ihren Milchbruder Bedric verlassen, der als Leibeigener in Waringham lebt. Adela heiratet einen Ritter und Bedric schuftet zunächst weiter als Leibeigener. Doch die Willkür des Earl of Waringham setzt ihm zu und so flieht er in den Dienst von Simon de Montfort, nichtsahnend, das Adela von ihm schwanger ist. Von Krieg und Missernten getrieben, bricht 1258 ein Krieg in England aus, der England maßgeblich verändern soll und den Grundstein für spätere Entwicklungen legt.

Warum ich einen Waringham unbedingt lesen möchte, sollte wohl klar sein. Rebecca Gablé ist meine unangefochtene Queen des historischen Romans und sie schafft es immer wieder mich in den Bann ihrer Romane zu ziehen. So war es auch diesmal. Es fühlt sich ein bisschen wie heimkommen an und ich mag dieses wohlige Gefühl, das ihre Romane in mir auslösen.
Sehr gefallen hat mir diesmal, dass der Fokus nicht nur auf dem Adel lag, sondern diesmal auch den Leibeigenen eine eigene Stimme verliehen wird. Adela und Bedric sind die Protagonisten dieses Romanes und wir folgen ihrem Leben und den unterschiedlichen Lebensrealitäten, in denen sie aufwachsen. Adela ist eine Waringham und gehört dem Adel an und Bedric ist ein Leibeigener, der im Dorf von Waringham lebt. Trotz der Standesunterschiede ist ihre Verbindung tief, denn sie sind gemeinsam aufgewachsen und wurden von der gleichen Person gestillt.
Rebecca Gablé hat ihre beiden Protagonisten wie eh und je geschickt platziert, doch wer das Leben am Hofe und an der Seite des Königs von England liebt, wird hier zunächst eher enttäuscht sein. Der erste Teil des Romanes widmet sich den Verhältnissen der Leibeigenen und ihren wenigen Rechten. Wir erfahren viel über das Leben in einem Dorf im 13. Jahrhundert und welche Ängste und Sorgen diese umtreiben. Wir erfahren etwas über das Gefüge der unterschiedlichen Stände und wie man diese Grenzen in seltenen Fällen vielleicht doch überwinden kann.
Erst allmählich schleicht sich mehr und mehr die Politik und das Leben der Adligen in die Geschehnisse dieses Romanes ein. Simon de Montfort und seine Reformen bilden einen wichtigen Bestandteil und zum besseren Verständnis dieser, ist es unabdingbar vorher etwas über die herrschenden Verhältnisse des England des 13. Jahrhunderts zu kennen. Mir hat diese etwas andere Fokus sehr gefallen und ich bin den Ereignissen im Buch gerne gefolgt.
Adela als auch Bedric haben Ecken und Kanten bekommen und so manche ihrer Entscheidungen konnte ich nicht gutheißen. Wer die Guten und wer die Bösen sind, war dennoch recht einfach zu erkennen, aber ich finde es gut, dass sie ihren fiktiven Charakteren auch eine gewisse Ambivalenz mitgegeben hat.
Die Darstellung der historischen Persönlichkeiten fand ich sehr gelungen. Sei es Henry III, Eleanor von Plantagenet, Prinz Edward oder Simon de Montfort. Für mich wurden diese Personen greifbar zum Leben erweckt und ich konnte ihre Beweggründe größtenteils nachvollziehen.
Rebecca Gablé hat diesem Roman die typischen waringhamschen Eigenschaften mitgegeben und dennoch hat sie es auch geschafft mich zu überraschen. Letzteres finde ich sehr wichtig, weil sonst ein Roman zu sehr ins Langweilige abdriftet, wenn dies nicht gegeben ist. Sie hat mich manches mal geschockt und doch hatte ich auch Momente, in denen ich an anderer Bücher und Protagonisten dieser Reihe gedacht habe. Nicht mit allen Entwicklungen in diesem Roman war ich zufrieden, aber in Anbetracht der Dinge, die alle richtig gemacht wurden, kann ich wohlwollend darüber hinwegsehen.
Das Buch ist umfangreichen Zusatzmaterial versehen. Es gibt eine Karte, ein Personenverzeichnis und ein ausführliches Nachwort. Bei einer Sache fand ich es schade, dass diese im Roman keinen Raum bekommen hat, aber ich kann die Beweggründe der Autorin durchaus nachvollziehen. Manchmal ist es glaube ich sehr schwierig zu entscheiden, welche Dinge in einem Roman Platz finden sollen und welche nicht. Immerhin umfasst dieser Roman mal wieder stolze 928 Seiten und dennoch gäbe es mit Sicherheit noch so viel mehr zu erzählen.

Fazit: Ich bin wieder gerne in die Welt der Waringhams abgetaucht und bin schon jetzt gespannt, auf welche historischen Abenteuer uns Rebecca Gablé das nächste Mal entführt. Für meinen Geschmack dürfte es gerne auch mal wieder ein Helmsby sein. Wer so wie ich, die Autorin liebt, kann mit diesem Roman glaube ich nicht viel falsch machen. Wer keine Zeitsprünge und dicke Schmöker mag, ist hier eher weniger gut aufgehoben.

  • Einzelne Kategorien
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
  • Atmosphäre
  • Cover
Veröffentlicht am 09.10.2022

Ein spannendes Gedankenexperiment

Mickey 7 – Der letzte Klon
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Edward Ashton hat mit „Mickey 7 - Der letzte Klon“ einen Roman geschrieben, in dem es um einen Wegwerfklon in einer Siedlungskolonie der Menschen geht. Die deutsche Übersetzung ist bei Heyne im August ...

Edward Ashton hat mit „Mickey 7 - Der letzte Klon“ einen Roman geschrieben, in dem es um einen Wegwerfklon in einer Siedlungskolonie der Menschen geht. Die deutsche Übersetzung ist bei Heyne im August 2022 erschienen.

Wir befinden uns weit in der Zukunft und haben den Weltraum kolonisiert. Doch diese Kolonisierung ist noch nicht abgeschlossen und weiterhin wird neuer Lebensraum auf fremden Planeten erschlossen. Mickey hat sich vor einigen Jahren für so eine Mission als Expendable gemeldet und ist auf dem Eisplaneten Nilfheim gelandet. Sein Job als Expendable: Gefährliche Aufgaben erledigen, bei denen der Tod droht. Stirbt Mickey bei einer Expedition wird einfach ein neuer Mickey geklont und im Biodrucker gedruckt. Das ist bereits mehrere Male passiert als Mickey 7 in eine Felsspalte stürzt. Wider Erwarten überlebt er und schafft es zurück zur Station, doch dort wartet bereits Mickey 8 und keiner von beiden möchte sein Leben aufgeben.

Das ist noch gar nicht so lange her, dass ich diesen Roman entdeckt habe und bei der Prämisse dachte ich mir gleich, das muss ich lesen. Von drucken ist im ursprünglichen Klappentext nicht die Rede, dort steht nur generieren, aber ich habe mich sofort gefragt, wie kann man denn in kürzester Zeit einen Klon generieren, der direkt dort weitermacht, wo die vorherige Version aufgehört hat?
Ganz große Klasse finde ich bei diesem Roman schon mal den Klappentext vom Verlag. Dieser gibt nur die Prämisse wieder und die Geschichte entwickelt sich von dort aus weiter. Es gibt so oft Klappentexte, bei denen man sich quasi schon denken kann, was im gesamten Roman passiert. Da war dieser mal eine echte Wohltat.
Mickey 7 gibt die Ereignisse aus seiner Sicht wieder. Ich konnte schnell eintauchen und ich mochte seine Art zu erzählen sehr gerne. Zwischendurch spricht er zum Lesenden. Mal ein bisschen fatalistisch, mal sarkastisch und manchmal auch etwas naiv, aber meist sehr pragmatisch und mit einer guten Prise Humor. Auf wundersame Weise scheint er ein gutes Gespür für die Ereignisse auf dem Planeten zu haben und er ist fasziniert von anderen Kolonisierungsprojekten.
Bei seiner Erzählung springt Mickey 7 in der Zeit hin und her. Mal erzählt er davon, wie er zu seinem Job als Expendable gekommen ist, dann erzählt er von den aktuellen Ereignissen oder von den Dingen, mit denen er sich beschäftigt. So habe ich ein breites Bild zu vielfältigen Themen bekommen: die Voraussetzungen, um Expendable zu werden, der Bewerbungsprozess, die Ausbildung, seine vergangenen Einsätze, andere Kolonisierungsprojekte und ihre Gründe fürs glücken oder scheitern. Insgesamt betrachtet ist es ein spannendes Gedankenexperiment, das auch beleuchtet, was es bedeutet ein Wegwerfklon zu sein.
In diesen 368 Seiten war wirklich so viel Interessantes zu entdecken und nebenbei müssen Mickey 7 und Mickey 8 das Problem lösen, dass es nun zwei von ihnen gibt. Das soll eigentlich nicht sein und diese Prämisse schafft Konstellationen, die in diesem Roman auf unterschiedlichste Weise angegangen werden und den Lesenden auch vor philosophische Fragen stellen. Ich fand das alles sehr nachvollziehbar beschrieben.
Die Perzonenanzahl in diesem Roman ist sehr überschaubar. Neben Mickey 7 und 8, spielen unheimliche Wesen auf dem Planeten eine Rolle, Commander Marshall, Nasha und Berto (die Piloten), einige Ärzte und Biologen sowie einige Security-Leute, u.a. Cat Chen. Es war eine gute Mischung: Berto fliegen manche Dinge einfach zu und irgendwie ist er ein Arschloch. Nasha ist Mickeys Freundin. Ich weiß nicht, ob ich das könnte, wenn mein Freund immer mal wieder wegstirbt und neu gedruckt wird. Commander Marshall ist sehr streng, hat aber einen Kern, der mehr als in Ordnung ist.
Dieser Roman hatte wirklich viele gute Ansätze, dennoch fehlt mir so der letzte Funke zur Begeisterung. Das Buch plätschert lange Zeit so vor sich hin, wenn auch mit vielen interessanten Informationen. Das Ende hingegen hat mir sehr gut gefallen, weil es neue Impulse zum Nachdenken geboten hat und ich begeistert davon war, wie Mickey 7 die Problemstellung gelöst hat. Auch die Spannung wurde am Ende nochmals deutlich angezogen und so hatte ich zum Ende hin nochmal richtig Spaß mit dem Buch.
Es gibt eine kurze Danksagung am Ende des Buches, alles andere wird während der Geschichte erklärt. Da sind einige wissenschaftliche Dinge dabei, aber für mein Empfinden wurden diese so greifbar erklärt, dass diesen gut gefolgt werden kann.

Fazit: Ein toller Science-Fiction Roman mit einem spannenden Gedankenexperiment, der einen schnell in seinen Bann zieht und mit vielen interessanten Informationen aufwarten kann. Ich bin den Ereignissen rund um Mickey 7 gerne gefolgt und mochte seine pragmatische Art, die Dinge anzugehen.