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Veröffentlicht am 11.09.2022

Fantasy mit einer guten Portion Progressivität

Das Orakel in der Fremde
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„Das Orakel in der Fremde“ ist der zweite Roman der Besakdur-Reihe von James A. Sullivan, in der es um Ardoas und seine Gefährten und die Rückgewinnung der Seelenmagie geht. Erschienen ist der Roman im ...

„Das Orakel in der Fremde“ ist der zweite Roman der Besakdur-Reihe von James A. Sullivan, in der es um Ardoas und seine Gefährten und die Rückgewinnung der Seelenmagie geht. Erschienen ist der Roman im Januar 2022 bei Piper.

Die Geschichte rund um die Elfen und den Inkarnationen der Naromee geht weiter. Ardoas III. ist die achte Inkarnation der Naromee und es sind 33 Jahre vergangen. Der Weg beginnt auf ein Neues und wird diesmal hoffentlich mit einem besseren Ausgang belohnt. Mit seinen Gefährten Jerudana und Daludred begibt er sich erneut auf die Reise und ist so gut vorbereitet wie noch nie zuvor. Doch auch die Erluniden waren nicht untätig und wollen unbedingt verhindern, dass Ardoas an seine Erinnerungen kommt und die Seelenmagie wieder erweckt.

Nachdem mich der erste Band so begeistert hat, wollte ich nicht allzu lange mit dem Weiterlesen warten. Auch wenn 33 Jahre vergangen sind, knüpft das Buch doch irgendwie direkt da an, wo der letzte Band aufgehört hat. Im ersten Teil der Geschichte erfahren wir, wie sich Beskadur in den letzten drei Jahrzenhnten verändert hat und sind erneut dabei, wie Ardoas sich auf seine Reise begibt, die diesmal hoffentlich mit einem besseren Ausgang belohnt wird. Teilweise war dieser Part für mich fast schon etwas langweilig, weil sich viel wiederholt hat. Für Personen, die sich länger Zeit gelassen haben, um diese Reihe weiterzulesen kann das allerdings auch ganz gut sein.
Die Gemeinschaft spielt auch diesmal wieder eine große Rolle im Gefüge der Geschichte. Ich fand die Konzepte und Lebensweise wieder sehr interessant. Mit dem Machtverhältnis in Beziehungen kam ein neuer Aspekt hinzu und auch in Sachen Pronomen gibt es hier einiges Neues zu entdecken. Hier kann ich nur empfehlen, sich darauf einzulassen und das ein stückweit als gegeben hinzunehmen, auch wenn das nicht unbedingt dem eigenen Empfinden entspricht und vielleicht auch der ein oder andere Zweifel besteht, dass das funktionieren kann. Zweifel kommen hier auch mit zur Sprache und mir hat es die Möglichkeit gegeben, auch Einiges für mich selber zu hinterfragen. Ich mochte das sehr. Insgesamt war das progressive hier dennoch für mein Empfinden weniger präsent als im Buch davor.
Nach der ersten etwas langatmigen Phase, wird es direkt spannend und bleibt dies auch bis zum Schluss. Neben den progressiven Elementen gibt es viel Phantastisches zu entdecken: neue Länder, neue Städte, neue Wesen, neue Arten von Magie. Es ist Fantasy vom Feinsten, die mich mitgenommen hat. Es ist Abenteuer, nach und nach werden mehr Geheimnisse aufgedeckt, es gibt Angriffe, Kämpfe, verschlungene Pfade und alles was richtig gute Fantasy meiner Meinung nach ausmacht. Einige Fragen wurden leider auch am Ende dieser Geschichte nicht beantwortet, aber wie in vielen Fantasy-Reihen bietet auch diese Welt Platz für viele weitere Geschichten, in der andere Aspekte der Welt erkundet werden könnten.
Ich mochte viele Personen in dieser Geschichte. Jerudana und Daludred sind älter geworden, haben sich verändert und können dennoch Ardoas weiterhin viel Halt geben. Ich mochte Daludreds Ruhe. Seine Unsicherheit aus dem ersten Band kam so manches Mal immer noch hervor, aber insgesamt hat er viel dazugelernt und wirkt viel selbstsicherer. Velbaree und ihre Gefährten waren wichtig für den Kampf, hatten aber insgesamt eine kleinere Rolle. Zordura konnte mit ihrer Umtriebigkeit und ihren ausgeklügelten Plänen punkten und auch Niadaris, das Orakel, lernen wir endlich besser kennen. Ardoas hatte durchaus neue Eigenschaften in dieser Inkarnation, insgesamt fand ich dennoch, dass er auch sehr nah an seiner Version aus dem Vorgänger dran war. Ich bin ihm gerne gefolgt und war sehr gespannt auf den Ausgang dieser Geschichte.
Am Ende des Buches gibt es einen gut ausgestatteten Anhang mit Personenverzeichis, Glossar, Erklärungen zur Zeitrechnung, einem Tag-Verzeichnis und Inhaltswarnungen. Sowohl die Tags, die die Geschichte beschreiben, als auch die Inhaltswarnungen fand ich persönlich gut gewählt. Guckt dort gerne vor Beginn des Lesens rein, falls ihr schon vorab mehr zum Inhalt des Buches wissen möchtet.

Fazit: Wohlfühlfantasy vom Feinsten mit einem guten Schuss Progressivität. Die Welt ist toll aufgebaut und bietet Potenzial für viele weitere Geschichten. Ich bin gerne auf den Pfaden Ardoas gewandelt und habe mit ihm und seinen Gefährten ein tolles Abenteuer erlebt.

Veröffentlicht am 03.09.2022

Ein Cyberpunk Roman mit vielen tollen Themen und starkem Start

Code X - Das Erwachen der Cybertechs
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„Code X“ von Lucinda Flynn erzählt von einer Zukunft, in der Technik und Menschen immer mehr miteinander verschmelzen und Megakonzerne die Macht haben. Erschienen ist der Cyberpunk-Roman bei Knaur im August ...

„Code X“ von Lucinda Flynn erzählt von einer Zukunft, in der Technik und Menschen immer mehr miteinander verschmelzen und Megakonzerne die Macht haben. Erschienen ist der Cyberpunk-Roman bei Knaur im August 2022.

Nach einem Vulkanausbruch 2097 ist der Data Space zusammengebrochen. Dort konnte man sich mit Hilfe des Cyberdice einloggen und in eine virtuelle Realität eintauchen. Während des Zusammenbruchs waren dort einige Menschen gefangen und nicht alle haben diesen überlebt. Doch diejenigen, die überlebt haben, haben besondere Fähigkeiten erworben, die es ihnen ermöglicht den Data Space zu verändern und ohne Hilfsmittel in ihn zu wechseln. Den Megakonzernen dieser Zeit gefällt das nicht und so machen diese Jagd auf die sogenannten Cybtertechs. Doch es lauern auch noch weitere Gefahren. Eine KI hat es sich zum Ziel gesetzt, ein weiteres Massensterben auszulösen…

Code X war eines der wenigen Bücher, in den Vorschauen, dass mich direkt angesprochen hat. KIs und der Verschmelzung von Mensch und Technik kann ich nur selten widerstehen. Irgendwie mag ich diese Themen. Diese bieten spannende Möglichkeiten, die zugleich faszinierend und gruselig sind.
Ich habe dementsprechend schnell ins Buch hinein gefunden. Es ist eine typische Cyberpunk-Welt, die sehr kapitalistisch geprägt ist, es gibt viel bunte Reklame in pink/violett, es gibt viel Technik überall und es ist alles ein wenig negativ behaftet, aber in diesem Buch schwingt auch ein Schimmer von Hoffnung mit rein.
Gerade am Anfang war die Geschichte fast schon etwas zu durchschaubar, aber das hat mich nicht großartig gestört. Es war interessant und spannend und ich bin den Ereignissen gerne gefolgt. Das erste Drittel des Buches habe ich fast in einem Rutsch gelesen. Die Art und Weise wie wir die KI kennenlernen hat mir sehr gefallen, gerade der Aspekt der unterschiedlichen Wahrnehmung der eigenen Umwelt. Erst mit der Zeit wurden mir die Dinge, die ich irgendwie hinnehmen muss, zu viel, dabei hatte das Buch davor so viel zu bieten.
Ich mochte es zum Beispiel sehr, dass komplizierte Sachverhalte in kleinere Happen aufgeteilt wurden, um sie Stück für Stück zu analysieren und so zu einem Ergebnis zu kommen. Sehr gefallen hat mir, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern auch viele Zwischentöne. Es ist nicht einfach Gut und Böse, sondern der eine kann Aspekte von jemand anderem besser nachvollziehen als jemand anderes. Es schwingt immer irgendwie eine tiefgründige Ambivalenz mit. Manche Verhaltensweisen im Buch liefen so ein bisschen meinem eigenen Werteverständnis zuwider und daran habe ich gemerkt, dass ich eben nicht mehr der jüngsten Generation angehöre.
Im letzten Drittel des Buches hat für mich leider nicht mehr viel einen Sinn ergeben und ich finde das so schade, weil ich vorher so viel gut fand und mir das Buch viel Spaß gemacht hat. Leider würde es zu viel spoilern, wenn ich darauf genauer eingehe. Ich kann nur sagen, für mich wären viele Protagonisten tot gewesen und es hat überhaupt keinen Sinn gemacht, dass sie so leicht aus manchen Situationen rausgekommen sind. Hätten die Konzerne so lax gearbeitet, dann wären die niemals so mächtig geworden, wie es dieses Buch als Prämisse voraussetzt.
Die Protagonisten in diesem Buch haben für mich eine gute Mischung ergeben. Jace ist anfangs eher ein Verlierer-Typ. Er möchte gerne in der Hierarchie seiner Arbeitsstelle aufsteigen, ist allerdings zu zögerlich und denkt manchmal sehr negativ über die Menschen. Ich fand es sehr schön, dass er in diesem Buch Leute kennenlernt, die dem ein bisschen entgegenwirken. Sam ist eine Hackerin mit einem gewissen Idealismus, die sich den Konzernen entgegenstellen und ihre Macht brechen möchte. Die Vielfalt der Nebencharaktere hat mir gut gefallen. Jede*r bringt was Eigenes in die Geschichte ein.
In Sachen Progressivität gibt es in diesem Buch die Verwendung von Neopronomen und es gibt Protagonisten mit Behinderung. Je öfter ich Bücher mit Neopronomen lese, desto normaler wird es für mich und es erscheint nicht mehr so schwierig, wie ich anfangs dachte. Beim Thema Behinderung gab es unterschiedliche Ansätze, wie damit umgegangen wird, was mir sehr gefallen hat.
Zusatzmaterial hat das Buch keines. Alles wird direkt im Roman erklärt und war für mich soweit verständlich. Ein bisschen Technik-Affinität würde ich voraussetzen und dann kann dieser Geschichte und seinen Konzepten gut gefolgt werden. Ich werde die Autorin auf jeden Fall weiter verfolgen und bin gespannt, welche Ideen sie in ihren nächsten Büchern umsetzen wird.

Fazit: Ein Cyberpunk-Roman mit vielen typischen Elementen, starkem Start und tollen Themen, der im letzten Drittel leider sehr unlogisch wurde. Insgesamt hat mich das Buch gut unterhalten und ich bin gespannt auf zukünftige Projekte der Autorin. Für Boomer ist das Buch wahrscheinlich nichts, aber für alle, die alterstechnisch darunter liegen und ein bisschen technikaffin sind, kann ich das Buch empfehlen.

Veröffentlicht am 20.08.2022

Ein bisschen mehr organische Entwicklung hätte dem Roman gut getan

Der Hunger nach Leben
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„Der Hunger nach Leben“ von Ella Zeiss ist der erste Band einer Dilogie, beider es um die Zwangskollektivierung und dem schweren Leben als Angehöriger eines verurteilten Volksverräters ergeht. Erschienen ...

„Der Hunger nach Leben“ von Ella Zeiss ist der erste Band einer Dilogie, beider es um die Zwangskollektivierung und dem schweren Leben als Angehöriger eines verurteilten Volksverräters ergeht. Erschienen ist der Roman im August 2022 bei Tinte und Feder.

Ukraine 1930: Schwere Zeiten brechen für die Familie Haffner an, als der Vater als Volksverräter verurteilt wird. Schon vorher hatte die Familie nur wenig, doch ab dann wird das Leben fast unmöglich. Noah bemüht sich verzweifelt darum, seine Mutter und seine jüngeren Geschwister zu ernähren und vor dem Verhungern zu bewahren. Auf diesen Streifzügen begegnet er eines Tages Jakobine, die zu einem leuchtenden Stern in seinem trostlosen Leben wird.

Ich habe mich sehr gefreut als ich von dieser neuen historischen Reihe von Ella Zeiss gelesen habe, denn die „Tage des Sturms“-Dilogie hat mich sehr berührt und mir die Geschichte der Russlanddeutschen in der Sowjetunion näher gebracht. Diese Reihe ist nun recht ähnlich angelegt, allerdings geht es hier nicht um die Zwangsumsiedelungen, sondern das harte Leben in einer deutschen Siedlung in der Ukraine.
Ich bin der Geschichte des Buches in weiten Teilen gerne gefolgt und die ein oder andere Sache im Buch hat mich dazu angeregt auch selber etwas zu recherchieren. Den Ort Großweide, der zusammen mit der gesamten Region in diesem Buch im Mittelpunkt steht, gibt es wirklich. Wir erfahren, welche Menschen sich in diesem Landstrich angesiedelt haben, etwas über ihren Glauben, wohin die Menschen auswandern wollten und wie sich das Leben durch die Zwangskollektivierung und die Herrschaft der Sowjets nach und nach verändert hat.
Ella Zeiss versteht es die Härten des Lebens unter dem Sowjetregime eindrücklich darzustellen. Ich war schnell in der Geschichte drin und habe mit Familie Haffner mitgefühlt. Auch wenn ich diese Schikanen bereits aus der ersten Reihe der Autorin kannte, haben mich diese doch wieder sehr mitgenommen. Allerdings war es mir diesmal fast schon etwas zu krass. Die erste Hälfte des Buches besteht eigentlich nur aus Hunger und immer größer werdender Hoffnungslosigkeit. Wie sich hier überhaupt jemand seinen Lebenswillen bewahren konnte, ist mir schleierhaft und leider konnte die Autorin dies ihrem Titel entsprechend zumindest für mich nicht klar herausstellen.
Ich war froh als es für die Familie wieder bergauf ging. Was diesen Wechsel bewirkt hat, wird allerdings nicht beschrieben. Es gibt einen Zeitsprung und das Leben ist noch immer nicht leicht, aber die Situation der Familie und Noahs hat sich bereits gebessert und geht weiterhin stetig bergauf. Es gibt plötzlich wieder Menschen, die nett zur Familie sind und wo vorher absolute Ablehnung war, wird ihnen wieder eine Chance gegeben in der Gesellschaft Fuß zu fassen.
Leider konnte mich die Liebesgeschichte in diesem Roman nicht erreichen. Jakobine erscheint einfach und Noah verliebt sich in sie. Das an sich wäre für mich sogar noch in Ordnung, aber die beiden gemeinsam hatten für mich nicht so wirklich die richtige Chemie miteinander. Die Liebesgeschichte wird quasi als Fakt mit eingeworfen, die einfach existiert. Sie ist einfach da, sie entwickelt sich nicht. Vielleicht bin ich da auch einfach anders, aber mir war das in dieser Hinsicht zu wenig. Da war für mich nichts, wo ich mitfühlen kann und daher habe ich das nicht so intensiv empfunden, dass sie Noah dem Lebenswillen gibt, der ihn die schlimme Zeit durchhalten lässt.
Es tut mir schon fast leid, dass ich auch recht viel zu kritisieren habe. Der Klappentext gehört auch dazu, denn dieser verrät die Handlung des Buches komplett. In meiner Beschreibung habe ich daher den zweiten Teil des offiziellen Klappentextes weggelassen. Das Buch erzählt eine interessante Geschichte und ich mag es gerade, dass es mal nicht in Deutschland oder England spielt. Ich bin immer wieder erstaunt darüber in welchen Gegenden Deutsche gesiedelt haben und die Geschichte der Russlanddeutschen finde ich so und so total spannend.
Um auch noch zu ein paar positiven Dingen zu kommen: Noah mochte ich gerne. Er ist zielstrebig und für seine Familie würde er alles tun und hat dementsprechend in diesem Teil auch viel gegeben. Dass er sich seinen Überlebenswillen bewahrt hat, finde ich absolut klasse und seinen Fleiß und den unbedingten Willen seinem Leben eine positive Wendung zu geben, bewundere ich sehr.
Jakobine hingegen ist in diesem Teil für mich sehr blass geblieben, es gab allerdings Anklänge, dass sich das im zweiten Band ändern könnte. Trotz meiner Kritikpunkte bin ich gespannt, wie es weiter gehen wird und welche Wendungen Noah, seine Familie und Jakobine erwarten werden.

Fazit: Ein solider historischer Roman über die Schreckensherrschaft der Sowjets, der in der Ukraine als Handlungsort, angesiedelt ist. Ella Zeiss versteht es den Leser emotional zu berühren, allerdings hätte ich mir ein bisschen mehr organische Entwicklung statt abrupter Wechsel gewünscht. Leider konnte mich die Liebesgeschichte nicht für sich einnehmen. Neugierig auf den nächsten Teil bin ich dennoch.

Veröffentlicht am 14.08.2022

Die Vermischung der Themen mochte ich leider gar nicht

München 72 - Der Tag, an dem die Spiele stillstanden.
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Petra Mattfeldt hat mit „München 72“ einen Roman vorgelegt, der sich mit dem Olympiattentat 1972 und der Flucht aus der DDR beschäftigt. Erschienen ist das Buch im Juli 2022 bei blanvalet.

München, 1972: ...

Petra Mattfeldt hat mit „München 72“ einen Roman vorgelegt, der sich mit dem Olympiattentat 1972 und der Flucht aus der DDR beschäftigt. Erschienen ist das Buch im Juli 2022 bei blanvalet.

München, 1972: Die olympischen Spiele beginnen. Alles ist heiter und friedlich. Das Bild, das Deutschland in die Welt transportiert, könnte positiver nicht sein. Die junge Sportlerin Angelika Nowak ist aufgeregt. Sie tritt als Bogenschützin für das Team der DDR an. Das erste Mal hat sie ihre Heimat verlassen und ist in ein anderes Land gereist. Zunächst scheint alles in Ordnung, doch dann passieren Dinge, die sie zweifeln lassen.
Roman Gagarin ist Ringer im israelischen Team. Auch für ihn ist es das erste Mal, dass er nach Deutschland reist. In das Land, in dem seine Familie viel Schreckliches erlebt hat. Er freut sich auf seinen Wettbewerb und ist begeistert vom weltoffenen Deutschland. Am Morgen des 5. September soll sich dies schlagartig ändern. Das israelische Team wird von palästinensischen Terroristen als Geisel genommen und das Unglück nimmt seinen Lauf.

Ich war sehr gespannt auf den neuen Roman von Petra Mattfeldt, denn es ist mal keine historische Familiensaga und vom Olympiaattentat habe ich bisher tatsächlich noch nie gehört.
Die Autorin hat sich für diesen Roman für 5 Perspektiven entschieden, aus denen die Ereignisse geschildert werden. Angelika Nowak ist eine Bogenschützin aus dem DDR-Team, die sich mit Roman Gagarin anfreundet. Roman wiederum ist ein Ringer im israelischen Team. Er ist Jude und reist zum ersten Mal in das Land, in dem seine Familie so viel Leid erfahren hat. Mit dem Journalist Robert Goldmann haben wir eine weitere jüdische Perspektive, allerdings ist dieser in Deutschland aufgewachsen. Dann gibt es noch Manfred Hofmann, einen Polizisten, dem die laxen Sicherheitsvorkehrungen bei Olympia Sorge bereiten und Djamal Rahman, ein palästinensischer Flüchtling, der sich radikalisiert hat und zum Attentäter wird.
Ich fand die unterschiedlichen Perspektiven durchaus interessant, bin mir allerdings nicht sicher, ob ich eine andere Einteilung nicht besser gefunden hätte. Gerade die Perspektive des palästinensischen Terroristen empfinde ich als problematisch. Hier hat allerdings auch das echte Vorbild das Potenzial Ressentiments gegen Ausländer zu schüren und seine Sichtweise als Palästinenser auf den Konflikt, der seit Jahrzehnten in Israel tobt, ist genauso einseitig wie die des israelischen Ringers. Petra Mattfeldt gibt im Nachwort selber zu bedenken, dass dieses Buch nur einen kleinen Einblick in diesen Konflikt gibt, was ich gut finde, allerdings ist dieser Einblick wirklich sehr, sehr klein. Für meinen Geschmack fast schon zu klein.
Dies wiederum liegt auch daran, dass mit der Flucht aus der DDR ein weiteres Thema sehr präsent ist in diesem Buch ist. Dieses Thema wird mit keinem Wort auf dem Klappentext erwähnt und das hat mich ehrlich gesagt ziemlich genervt. Ich hatte einen Roman erwartet, der sich auf die Geiselnahme des israelischen Teams konzentriert und die Dinge, die dabei alle falsch gelaufen sind, aufgreift. Stattdessen lese ich einen großen Teil des Buches davon, wie Angelika plötzlich feststellt, dass sie überwacht wird. Die Vermischung dieser beiden Themen fand ich nicht gelungen und ich empfinde es als problematisch diese beiden Themen zu vermischen. Klar, war das zu diesem Zeitpunkt auch Thema, aber für mich wäre das etwas für zwei separate Bücher gewesen.
Spoiler Anfang Als kleines Beispiel was ich hier meine. Die Geiselnahme ist beendet, 11 Juden sind gestorben, es war alles ein totales Desaster und wir wenden uns dann wieder Angelikas Flucht aus der DDR zu, weil ihr das ja noch mehr die Augen geöffnet hat und sie muss ihr Leben ändern. Genau das gleiche beim Journalisten und dem Polizisten. Alle gehen direkt dazu über an sich zu denken und keiner denkt wirklich über die Geschehnisse nach und das 11 Juden ermordet wurden. Alle gucken nur, was sie für sich persönlich aus den ganzen Ereignissen schließen können. Spoiler Ende
Nichtsdestotrotz fand ich die Beschreibungen zum Ablauf der Geiselnahme und was hier alles schief gelaufen ist, sehr spannend. Gerade beim Ablauf hat die Autorin sehr akribisch recherchiert, was ich ihr hoch anrechne. In einem fiktiven Roman gibt es auch hier kleinere Abweichungen. Diese werden aber alle in einem ausführlichen Nachwort dargelegt. Dort merkt man auch, dass der Autorin dieses Thema wirklich wichtig ist, leider ist dies meiner Meinung nach im Roman selber nicht so gelungen. Einiges war mir zu rudimentär angeschnitten, anderes zu sehr im Fokus, aber das habe ich weiter oben bereits ausführlich beschrieben. Ich bin froh, dass ich durch dieses Buch überhaupt erstmals von diesen Ereignissen erfahren habe, denke allerdings das eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Thema unerlässlich ist. Im Nachwort finden sich hierzu schon einige weitergehende Quellen.

Fazit: Ein Roman, der für eine jüngere Generation ein Ereignis in den Fokus rückt, das für diese eher weniger bekannt ist. Leider vermischt das Buch für mich zwei Themen, die ich lieber separat betrachtet hätte, und die ich in der heutigen Zeit, mit wieder erstarkendem Antisemitismus und Rassismus, als eher problematisch empfinde.

Veröffentlicht am 23.07.2022

Mit kleineren Abstrichen absolut empfehlenswert

Die Berechnung der Sterne
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„Die Berechnung der Sterne“ von Mary Robinette Kowal erzählt in einer Dilogie eine etwas andere Geschichte vom Weg der Frauen in die Raumfahrt. Erschienen ist der Roman bei Piper im Januar 2022.

Als ...

„Die Berechnung der Sterne“ von Mary Robinette Kowal erzählt in einer Dilogie eine etwas andere Geschichte vom Weg der Frauen in die Raumfahrt. Erschienen ist der Roman bei Piper im Januar 2022.

Als ein gewaltiger Meteorit die Erde trifft, ist nichts mehr wie es einmal war. Dr. Elma York ist eine der ersten, die auf die Folgen des Meteoriteneinschlags aufmerksam macht. In wenigen Jahrzehnten wird sich das Klima so deutlich ändern, dass ein Leben auf der Erde kaum noch möglich ist. Um das Überleben der Menschheit zu sichern, muss das Weltall erobert werden. Hierzu müssen auch Frauen ins Weltall fliegen. Kein leichtes Unterfangen in einer Zeit, in der das Denken, dass Frauen an den Herd gehören noch weit verbreitet ist. Doch Elma gibt nicht auf und nach einiger Zeit kann sie erste Erfolge verbuchen.

Dieses Buch ist mir schon in den Vorschauen aufgefallen. Dort wurde es als alternative Geschichte beworben, aber ich hatte es weniger wegen dem Meteoriten als mehr mit den Frauen in Verbindung gebracht. Letztendlich waren die Abweichungen zur Geschichte der Raumfahrt weniger extrem als ich angenommen hatte.
Mary Robinette Kowal lässt Dr. Elma York die Geschichte aus ihrer Sicht erzählen. Die Ich-Perspektive liegt mir bei Büchern nicht ganz so sehr und so habe ich mich anfangs etwas schwer getan, kam letztendlich aber doch sehr gut in die Geschichte rein. Wir erleben durch Elma eine weibliche Sicht auf die Entwicklungen in der Raumfahrt, was mir sehr gefallen hat.
Elma ist eine Person, die sich auch mal hinterfragen kann und mit ihr und ihrem Mann haben wir ein jüdisches Ehepaar als Protagonisten. Bis auf Bücher, die ich zu meiner Schulzeit zum Holocaust gelesen habe, kam dies, muss ich gestehen, gar nicht vor. Der Holocaust wird hier am Rande auch mal erwähnt, schließlich spielt das Buch in den 50er Jahren und der Meteoriteneinschlag ist erst nach dem zweiten Weltkrieg, aber ansonsten ist dies kein Thema.
Die Autorin lässt in diesem Buch einige Minderheiten in den Mittelpunkt treten. Neben dem jüdisch sein spielt die Rolle der Frau und ihr Wandel als auch POC eine Rolle. Das hat mir sehr gut gefallen. Wir bekommen dies immer aus Elmas Sicht mit, die in Bezug auf POC nicht immer alles richtig macht, sich im Verlaufe des Buches aber immer wieder ihrer Privilegien bewusst wird und versucht entsprechend zu handeln.
Der Feminismus kommt eher leise daher. Elma ist niemand der gerne im Mittelpunkt steht und laut ist und es ist eher der Zufall und ein kleiner Schubser von außen, der sie zur Identifikationsfigur für junge Frauen macht, doch mit der Zeit kommt sie immer besser mit ihrer Rolle zurecht und kann so einiges erreichen. In diesem Zusammenhang fand ich es toll, dass z.B. auch das Thema Angststörung und Panikattacken als Thema Einzug in dieses Buch erhalten haben. Mir hat aber auch gefallen, dass da auch Zweifel waren und die Unsicherheiten gezeigt werden, die damit einhergehen, wenn ein neuer Weg beschritten wird, der einem vorher nicht so offen stand.
Die eine Sache, die mir nicht gefallen hat, waren die Andeutungen zum Sexleben von Elma und ihrem Ehemann Nathaniel. Ich bin echt jedes Mal zusammengezuckt. Es gibt in dem Buch keine expliziten Sexszenen, aber wenn es dann mal zur Sache geht, gibt es immer Analogien zu Raketenstarts. Irgendwie hat das in diesem Buch nicht für mich gepasst und ich hätte darauf lieber verzichtet.
Viele mögen Science-Fiction nicht gerne lesen, weil sie Angst vor zu vielen technischen und wissenschaftlichen Erläuterungen haben. Das finde ich war in diesem Buch gar nicht der Fall, auch wenn ich ein neues Wort gelernt habe, dass ich vorher so noch nie gehört habe. Es gibt einige Begriffe aus dem jüdischen Sprachgebrauch. Diese werden immer gut innerhalb des Textes erläutert oder erschließen sich aus dem Kontext.
In einem Nachwort erzählt die Autorin noch etwas zu den Abweichungen zur echten Historie und bei welchen Themen sie sich Hilfe geholt hat. Ich war beeindruckt wie viele Themen dies betrifft und hier sind Themen, die Minderheiten betreffen, nicht ausgeschlossen. In der Bibliografie finden sich Bücher, die die Autorin selber zur Recherche genutzt hat und die auch selber genutzt werden können, um sein Wissen zu erweitern.

Fazit: Mir hat es mit kleineren Abstrichen wahnsinnig gut gefallen. Ich mochte den Einblick in die Welt der Raumfahrt und wie die Frauen dieses Themenfeld immer mehr für sich einnehmen und sich für immer weitere Veränderungen einsetzen. Ich bin gespannt, ob sich diese Erfolgsgeschichte im zweiten Band fortsetzt. Für mich hat sich die Geschwindigkeit der Veränderungen sehr realistisch angefühlt. Empfehlenswert für alle, die auch einer ruhigeren Geschichte etwas abgewinnen können, die das Leben zeigt und das große Veränderungen nicht unbedingt über Nacht passieren.