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Veröffentlicht am 11.09.2022

Ein Roman über das Thema Flucht, der mich größtenteils überzeugen konnte

Das Versprechen des Bienenhüters
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„The Beekeeper of Aleppo“ von Christy Lefteri erzählt von Nuris und Afras Flucht aus Aleppo nach Großbritannien. Erschienen ist der Roman erstmals 2019 bei Zaffre. Die deutsche Version ist im Juli 2021 ...

„The Beekeeper of Aleppo“ von Christy Lefteri erzählt von Nuris und Afras Flucht aus Aleppo nach Großbritannien. Erschienen ist der Roman erstmals 2019 bei Zaffre. Die deutsche Version ist im Juli 2021 unter dem Titel „Das Versprechen des Bienenhüters“ erschienen.

Nuri ist Bienenhüter. Er lebt im syrischen Aleppo gemeinsam mit seiner Familie ein glückliches Leben. Doch dann bricht der Bürgerkrieg aus und Sami, Nuris Sohn, wird bei einem Bombenanschlag getötet. Afra, seine Frau, erblindet auf Grund der schrecklichen Ereignisse. Sie beschließen zu fliehen, da es in ihrer Heimat keine Zukunft mehr gibt. Auf ihrem Weg begleiten sie die Erinnerungen an ihren Sohn und das einstmals idyllische Leben in Syrien. Angetrieben von der Hoffnung mit Nuris Cousin und den Bienen ein neues Leben in Großbritannien aufbauen zu können, ertragen die beiden die vielen Herausforderungen, die sich ihnen auf dem Weg über die Türkei und Griechenland in den Weg stellen. Sie müssen nicht nur den Weg in ein neues Leben und ein neues Land schaffen, sondern zusätzlich zu sich selbst und zueinander.

Dieses Buch habe ich irgendwann mal auf goodreads gesehen und ich fand es klang irgendwie interessant und ist eine Abwechslung zu den Büchern, die ich sonst so lese. Ich habe das Buch auf englisch gelesen. Unten werde ich euch allerdings die deutsche Version verlinken, da ich leider nur Buchhandlungen und keine Verlagsseite auf englisch zum Buch finde.
Das Buch ist aus der Sicht Nuris geschrieben, der sich an das Leben in Aleppo erinnert und von seiner Flucht nach Großbritannien erzählt. Ich mochte es sehr, wenn er das Leben in Aleppo und mit den Bienen beschrieben hat, wenn er von seiner Frau erzählt und wie er sich in sie verliebt hat. Im Kontrast dazu steht der Bürgerkrieg und ihre Flucht. Die Geschichte wird eindringlich und düster, nur gespickt von den Gedanken der Hoffnung und das jemand am Ende der Reise auf sie wartet.
Anfangs hatte ich etwas Probleme in die Geschichte rein zu finden. Ich musste erst mal ankommen und mich mit Nuri akklimatisieren und der Wechsel zwischen den Perspektiven war für mich zuerst irgendwie nicht so eindeutig zu erkennen, obwohl diese doch recht deutlich gekennzeichnet sind. Zumindest in meiner englischen Ausgabe gab es Ornamente mit einem Wort darin, dass den Absatz davor beendet und mit dem der nächste Absatz und die neue Perspektive beginnt. Im gedruckten Buch kann ich mir das richtig gut vorstellen. In meiner digitalen Version war die Funktion klar, aber es hat an Schönheit eingebüßt.
An sich die Symbolik in diesem Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Bienen und ihr Verhalten sind immer wieder im Roman eingebaut und ziehen sich so durch die ganze Geschichte und auch die ambivalente Dynamik mit dem jungen Mohammed hat mir gefallen. Das hat für mich Tiefe in die Geschichte gebracht und gerade über die Bienen habe ich mich doch immer wieder gefreut.
Was Nuri und Afra auf ihrer Flucht erleben, hat mich berührt, wenn auch nicht überrascht. Wir haben fast alle schon mal davon gelesen, was alles auf einer Flucht übers Mittelmeer passieren kann oder von den Schmugglern, die viel Geld wollen, für eine Flucht deren Ausgang ungewiss und deren Erfolg nicht garantiert ist. In diesen Berichten geht es allerdings meist sachlicher zu und so kann man diese Ereignisse besser verdrängen und von sich wegschieben. Bei diesem Buch habe ich mich doch mehr dabei beobachtet, dass ich über diese Themen anders nachdenke, wo sie für mich mit einem konkreten, wenn auch fiktiven, Schicksal verbunden sind.
Dieser Roman erzählt von der zermürbenden Wirkung des Krieges, erzählt von Traumata, Träumen, der Sehnsucht nach der Heimat und er erzählt von den verschiedenen Menschen, denen man auf einer Flucht begegnen kann. Den Menschen, die jede Hoffnung verloren haben, den Kindern, die ihre Freude verlieren, den Menschen, die scheitern und irgendwo auf ihrer Flucht stecken bleiben, von Kriminellen, die die Notsituation der Flüchtenden ausnutzen, von den Helfern, die oftmals nur wenig tun können und den Helfern, die an der schieren Anzahl an Flüchtenden abstumpfen. Ihr merkt das Buch hat also sehr viele ernste und traurige Themen, dennoch hat Christy Lefteri es geschafft, das ich der Geschichte gerne gefolgt bin und mich diese vielen traurigen Ereignisse nicht vollends runter gezogen haben. Irgendwo schwingt dann doch immer ein Lichtblick und etwas Hoffnung im Buch mit.

Fazit: Ich kann dieses Buch sehr empfehlen, wenn ihr gerne einen Roman zum Thema Flucht lesen möchtet, in dem immer auch Hoffnung mitschwingt. Nuri und Afra sind fiktiv, beruhen aber auf echten Fluchtgeschichten. Ich habe ihre Geschichte gerne gelesen und konnte einiges für mich mitnehmen.

Veröffentlicht am 11.09.2022

Fantasy mit einer guten Portion Progressivität

Das Orakel in der Fremde
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„Das Orakel in der Fremde“ ist der zweite Roman der Besakdur-Reihe von James A. Sullivan, in der es um Ardoas und seine Gefährten und die Rückgewinnung der Seelenmagie geht. Erschienen ist der Roman im ...

„Das Orakel in der Fremde“ ist der zweite Roman der Besakdur-Reihe von James A. Sullivan, in der es um Ardoas und seine Gefährten und die Rückgewinnung der Seelenmagie geht. Erschienen ist der Roman im Januar 2022 bei Piper.

Die Geschichte rund um die Elfen und den Inkarnationen der Naromee geht weiter. Ardoas III. ist die achte Inkarnation der Naromee und es sind 33 Jahre vergangen. Der Weg beginnt auf ein Neues und wird diesmal hoffentlich mit einem besseren Ausgang belohnt. Mit seinen Gefährten Jerudana und Daludred begibt er sich erneut auf die Reise und ist so gut vorbereitet wie noch nie zuvor. Doch auch die Erluniden waren nicht untätig und wollen unbedingt verhindern, dass Ardoas an seine Erinnerungen kommt und die Seelenmagie wieder erweckt.

Nachdem mich der erste Band so begeistert hat, wollte ich nicht allzu lange mit dem Weiterlesen warten. Auch wenn 33 Jahre vergangen sind, knüpft das Buch doch irgendwie direkt da an, wo der letzte Band aufgehört hat. Im ersten Teil der Geschichte erfahren wir, wie sich Beskadur in den letzten drei Jahrzenhnten verändert hat und sind erneut dabei, wie Ardoas sich auf seine Reise begibt, die diesmal hoffentlich mit einem besseren Ausgang belohnt wird. Teilweise war dieser Part für mich fast schon etwas langweilig, weil sich viel wiederholt hat. Für Personen, die sich länger Zeit gelassen haben, um diese Reihe weiterzulesen kann das allerdings auch ganz gut sein.
Die Gemeinschaft spielt auch diesmal wieder eine große Rolle im Gefüge der Geschichte. Ich fand die Konzepte und Lebensweise wieder sehr interessant. Mit dem Machtverhältnis in Beziehungen kam ein neuer Aspekt hinzu und auch in Sachen Pronomen gibt es hier einiges Neues zu entdecken. Hier kann ich nur empfehlen, sich darauf einzulassen und das ein stückweit als gegeben hinzunehmen, auch wenn das nicht unbedingt dem eigenen Empfinden entspricht und vielleicht auch der ein oder andere Zweifel besteht, dass das funktionieren kann. Zweifel kommen hier auch mit zur Sprache und mir hat es die Möglichkeit gegeben, auch Einiges für mich selber zu hinterfragen. Ich mochte das sehr. Insgesamt war das progressive hier dennoch für mein Empfinden weniger präsent als im Buch davor.
Nach der ersten etwas langatmigen Phase, wird es direkt spannend und bleibt dies auch bis zum Schluss. Neben den progressiven Elementen gibt es viel Phantastisches zu entdecken: neue Länder, neue Städte, neue Wesen, neue Arten von Magie. Es ist Fantasy vom Feinsten, die mich mitgenommen hat. Es ist Abenteuer, nach und nach werden mehr Geheimnisse aufgedeckt, es gibt Angriffe, Kämpfe, verschlungene Pfade und alles was richtig gute Fantasy meiner Meinung nach ausmacht. Einige Fragen wurden leider auch am Ende dieser Geschichte nicht beantwortet, aber wie in vielen Fantasy-Reihen bietet auch diese Welt Platz für viele weitere Geschichten, in der andere Aspekte der Welt erkundet werden könnten.
Ich mochte viele Personen in dieser Geschichte. Jerudana und Daludred sind älter geworden, haben sich verändert und können dennoch Ardoas weiterhin viel Halt geben. Ich mochte Daludreds Ruhe. Seine Unsicherheit aus dem ersten Band kam so manches Mal immer noch hervor, aber insgesamt hat er viel dazugelernt und wirkt viel selbstsicherer. Velbaree und ihre Gefährten waren wichtig für den Kampf, hatten aber insgesamt eine kleinere Rolle. Zordura konnte mit ihrer Umtriebigkeit und ihren ausgeklügelten Plänen punkten und auch Niadaris, das Orakel, lernen wir endlich besser kennen. Ardoas hatte durchaus neue Eigenschaften in dieser Inkarnation, insgesamt fand ich dennoch, dass er auch sehr nah an seiner Version aus dem Vorgänger dran war. Ich bin ihm gerne gefolgt und war sehr gespannt auf den Ausgang dieser Geschichte.
Am Ende des Buches gibt es einen gut ausgestatteten Anhang mit Personenverzeichis, Glossar, Erklärungen zur Zeitrechnung, einem Tag-Verzeichnis und Inhaltswarnungen. Sowohl die Tags, die die Geschichte beschreiben, als auch die Inhaltswarnungen fand ich persönlich gut gewählt. Guckt dort gerne vor Beginn des Lesens rein, falls ihr schon vorab mehr zum Inhalt des Buches wissen möchtet.

Fazit: Wohlfühlfantasy vom Feinsten mit einem guten Schuss Progressivität. Die Welt ist toll aufgebaut und bietet Potenzial für viele weitere Geschichten. Ich bin gerne auf den Pfaden Ardoas gewandelt und habe mit ihm und seinen Gefährten ein tolles Abenteuer erlebt.

Veröffentlicht am 03.09.2022

Ein Cyberpunk Roman mit vielen tollen Themen und starkem Start

Code X - Das Erwachen der Cybertechs
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„Code X“ von Lucinda Flynn erzählt von einer Zukunft, in der Technik und Menschen immer mehr miteinander verschmelzen und Megakonzerne die Macht haben. Erschienen ist der Cyberpunk-Roman bei Knaur im August ...

„Code X“ von Lucinda Flynn erzählt von einer Zukunft, in der Technik und Menschen immer mehr miteinander verschmelzen und Megakonzerne die Macht haben. Erschienen ist der Cyberpunk-Roman bei Knaur im August 2022.

Nach einem Vulkanausbruch 2097 ist der Data Space zusammengebrochen. Dort konnte man sich mit Hilfe des Cyberdice einloggen und in eine virtuelle Realität eintauchen. Während des Zusammenbruchs waren dort einige Menschen gefangen und nicht alle haben diesen überlebt. Doch diejenigen, die überlebt haben, haben besondere Fähigkeiten erworben, die es ihnen ermöglicht den Data Space zu verändern und ohne Hilfsmittel in ihn zu wechseln. Den Megakonzernen dieser Zeit gefällt das nicht und so machen diese Jagd auf die sogenannten Cybtertechs. Doch es lauern auch noch weitere Gefahren. Eine KI hat es sich zum Ziel gesetzt, ein weiteres Massensterben auszulösen…

Code X war eines der wenigen Bücher, in den Vorschauen, dass mich direkt angesprochen hat. KIs und der Verschmelzung von Mensch und Technik kann ich nur selten widerstehen. Irgendwie mag ich diese Themen. Diese bieten spannende Möglichkeiten, die zugleich faszinierend und gruselig sind.
Ich habe dementsprechend schnell ins Buch hinein gefunden. Es ist eine typische Cyberpunk-Welt, die sehr kapitalistisch geprägt ist, es gibt viel bunte Reklame in pink/violett, es gibt viel Technik überall und es ist alles ein wenig negativ behaftet, aber in diesem Buch schwingt auch ein Schimmer von Hoffnung mit rein.
Gerade am Anfang war die Geschichte fast schon etwas zu durchschaubar, aber das hat mich nicht großartig gestört. Es war interessant und spannend und ich bin den Ereignissen gerne gefolgt. Das erste Drittel des Buches habe ich fast in einem Rutsch gelesen. Die Art und Weise wie wir die KI kennenlernen hat mir sehr gefallen, gerade der Aspekt der unterschiedlichen Wahrnehmung der eigenen Umwelt. Erst mit der Zeit wurden mir die Dinge, die ich irgendwie hinnehmen muss, zu viel, dabei hatte das Buch davor so viel zu bieten.
Ich mochte es zum Beispiel sehr, dass komplizierte Sachverhalte in kleinere Happen aufgeteilt wurden, um sie Stück für Stück zu analysieren und so zu einem Ergebnis zu kommen. Sehr gefallen hat mir, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern auch viele Zwischentöne. Es ist nicht einfach Gut und Böse, sondern der eine kann Aspekte von jemand anderem besser nachvollziehen als jemand anderes. Es schwingt immer irgendwie eine tiefgründige Ambivalenz mit. Manche Verhaltensweisen im Buch liefen so ein bisschen meinem eigenen Werteverständnis zuwider und daran habe ich gemerkt, dass ich eben nicht mehr der jüngsten Generation angehöre.
Im letzten Drittel des Buches hat für mich leider nicht mehr viel einen Sinn ergeben und ich finde das so schade, weil ich vorher so viel gut fand und mir das Buch viel Spaß gemacht hat. Leider würde es zu viel spoilern, wenn ich darauf genauer eingehe. Ich kann nur sagen, für mich wären viele Protagonisten tot gewesen und es hat überhaupt keinen Sinn gemacht, dass sie so leicht aus manchen Situationen rausgekommen sind. Hätten die Konzerne so lax gearbeitet, dann wären die niemals so mächtig geworden, wie es dieses Buch als Prämisse voraussetzt.
Die Protagonisten in diesem Buch haben für mich eine gute Mischung ergeben. Jace ist anfangs eher ein Verlierer-Typ. Er möchte gerne in der Hierarchie seiner Arbeitsstelle aufsteigen, ist allerdings zu zögerlich und denkt manchmal sehr negativ über die Menschen. Ich fand es sehr schön, dass er in diesem Buch Leute kennenlernt, die dem ein bisschen entgegenwirken. Sam ist eine Hackerin mit einem gewissen Idealismus, die sich den Konzernen entgegenstellen und ihre Macht brechen möchte. Die Vielfalt der Nebencharaktere hat mir gut gefallen. Jede*r bringt was Eigenes in die Geschichte ein.
In Sachen Progressivität gibt es in diesem Buch die Verwendung von Neopronomen und es gibt Protagonisten mit Behinderung. Je öfter ich Bücher mit Neopronomen lese, desto normaler wird es für mich und es erscheint nicht mehr so schwierig, wie ich anfangs dachte. Beim Thema Behinderung gab es unterschiedliche Ansätze, wie damit umgegangen wird, was mir sehr gefallen hat.
Zusatzmaterial hat das Buch keines. Alles wird direkt im Roman erklärt und war für mich soweit verständlich. Ein bisschen Technik-Affinität würde ich voraussetzen und dann kann dieser Geschichte und seinen Konzepten gut gefolgt werden. Ich werde die Autorin auf jeden Fall weiter verfolgen und bin gespannt, welche Ideen sie in ihren nächsten Büchern umsetzen wird.

Fazit: Ein Cyberpunk-Roman mit vielen typischen Elementen, starkem Start und tollen Themen, der im letzten Drittel leider sehr unlogisch wurde. Insgesamt hat mich das Buch gut unterhalten und ich bin gespannt auf zukünftige Projekte der Autorin. Für Boomer ist das Buch wahrscheinlich nichts, aber für alle, die alterstechnisch darunter liegen und ein bisschen technikaffin sind, kann ich das Buch empfehlen.

Veröffentlicht am 20.08.2022

Ein bisschen mehr organische Entwicklung hätte dem Roman gut getan

Der Hunger nach Leben
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„Der Hunger nach Leben“ von Ella Zeiss ist der erste Band einer Dilogie, beider es um die Zwangskollektivierung und dem schweren Leben als Angehöriger eines verurteilten Volksverräters ergeht. Erschienen ...

„Der Hunger nach Leben“ von Ella Zeiss ist der erste Band einer Dilogie, beider es um die Zwangskollektivierung und dem schweren Leben als Angehöriger eines verurteilten Volksverräters ergeht. Erschienen ist der Roman im August 2022 bei Tinte und Feder.

Ukraine 1930: Schwere Zeiten brechen für die Familie Haffner an, als der Vater als Volksverräter verurteilt wird. Schon vorher hatte die Familie nur wenig, doch ab dann wird das Leben fast unmöglich. Noah bemüht sich verzweifelt darum, seine Mutter und seine jüngeren Geschwister zu ernähren und vor dem Verhungern zu bewahren. Auf diesen Streifzügen begegnet er eines Tages Jakobine, die zu einem leuchtenden Stern in seinem trostlosen Leben wird.

Ich habe mich sehr gefreut als ich von dieser neuen historischen Reihe von Ella Zeiss gelesen habe, denn die „Tage des Sturms“-Dilogie hat mich sehr berührt und mir die Geschichte der Russlanddeutschen in der Sowjetunion näher gebracht. Diese Reihe ist nun recht ähnlich angelegt, allerdings geht es hier nicht um die Zwangsumsiedelungen, sondern das harte Leben in einer deutschen Siedlung in der Ukraine.
Ich bin der Geschichte des Buches in weiten Teilen gerne gefolgt und die ein oder andere Sache im Buch hat mich dazu angeregt auch selber etwas zu recherchieren. Den Ort Großweide, der zusammen mit der gesamten Region in diesem Buch im Mittelpunkt steht, gibt es wirklich. Wir erfahren, welche Menschen sich in diesem Landstrich angesiedelt haben, etwas über ihren Glauben, wohin die Menschen auswandern wollten und wie sich das Leben durch die Zwangskollektivierung und die Herrschaft der Sowjets nach und nach verändert hat.
Ella Zeiss versteht es die Härten des Lebens unter dem Sowjetregime eindrücklich darzustellen. Ich war schnell in der Geschichte drin und habe mit Familie Haffner mitgefühlt. Auch wenn ich diese Schikanen bereits aus der ersten Reihe der Autorin kannte, haben mich diese doch wieder sehr mitgenommen. Allerdings war es mir diesmal fast schon etwas zu krass. Die erste Hälfte des Buches besteht eigentlich nur aus Hunger und immer größer werdender Hoffnungslosigkeit. Wie sich hier überhaupt jemand seinen Lebenswillen bewahren konnte, ist mir schleierhaft und leider konnte die Autorin dies ihrem Titel entsprechend zumindest für mich nicht klar herausstellen.
Ich war froh als es für die Familie wieder bergauf ging. Was diesen Wechsel bewirkt hat, wird allerdings nicht beschrieben. Es gibt einen Zeitsprung und das Leben ist noch immer nicht leicht, aber die Situation der Familie und Noahs hat sich bereits gebessert und geht weiterhin stetig bergauf. Es gibt plötzlich wieder Menschen, die nett zur Familie sind und wo vorher absolute Ablehnung war, wird ihnen wieder eine Chance gegeben in der Gesellschaft Fuß zu fassen.
Leider konnte mich die Liebesgeschichte in diesem Roman nicht erreichen. Jakobine erscheint einfach und Noah verliebt sich in sie. Das an sich wäre für mich sogar noch in Ordnung, aber die beiden gemeinsam hatten für mich nicht so wirklich die richtige Chemie miteinander. Die Liebesgeschichte wird quasi als Fakt mit eingeworfen, die einfach existiert. Sie ist einfach da, sie entwickelt sich nicht. Vielleicht bin ich da auch einfach anders, aber mir war das in dieser Hinsicht zu wenig. Da war für mich nichts, wo ich mitfühlen kann und daher habe ich das nicht so intensiv empfunden, dass sie Noah dem Lebenswillen gibt, der ihn die schlimme Zeit durchhalten lässt.
Es tut mir schon fast leid, dass ich auch recht viel zu kritisieren habe. Der Klappentext gehört auch dazu, denn dieser verrät die Handlung des Buches komplett. In meiner Beschreibung habe ich daher den zweiten Teil des offiziellen Klappentextes weggelassen. Das Buch erzählt eine interessante Geschichte und ich mag es gerade, dass es mal nicht in Deutschland oder England spielt. Ich bin immer wieder erstaunt darüber in welchen Gegenden Deutsche gesiedelt haben und die Geschichte der Russlanddeutschen finde ich so und so total spannend.
Um auch noch zu ein paar positiven Dingen zu kommen: Noah mochte ich gerne. Er ist zielstrebig und für seine Familie würde er alles tun und hat dementsprechend in diesem Teil auch viel gegeben. Dass er sich seinen Überlebenswillen bewahrt hat, finde ich absolut klasse und seinen Fleiß und den unbedingten Willen seinem Leben eine positive Wendung zu geben, bewundere ich sehr.
Jakobine hingegen ist in diesem Teil für mich sehr blass geblieben, es gab allerdings Anklänge, dass sich das im zweiten Band ändern könnte. Trotz meiner Kritikpunkte bin ich gespannt, wie es weiter gehen wird und welche Wendungen Noah, seine Familie und Jakobine erwarten werden.

Fazit: Ein solider historischer Roman über die Schreckensherrschaft der Sowjets, der in der Ukraine als Handlungsort, angesiedelt ist. Ella Zeiss versteht es den Leser emotional zu berühren, allerdings hätte ich mir ein bisschen mehr organische Entwicklung statt abrupter Wechsel gewünscht. Leider konnte mich die Liebesgeschichte nicht für sich einnehmen. Neugierig auf den nächsten Teil bin ich dennoch.

Veröffentlicht am 14.08.2022

Die Vermischung der Themen mochte ich leider gar nicht

München 72 - Der Tag, an dem die Spiele stillstanden.
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Petra Mattfeldt hat mit „München 72“ einen Roman vorgelegt, der sich mit dem Olympiattentat 1972 und der Flucht aus der DDR beschäftigt. Erschienen ist das Buch im Juli 2022 bei blanvalet.

München, 1972: ...

Petra Mattfeldt hat mit „München 72“ einen Roman vorgelegt, der sich mit dem Olympiattentat 1972 und der Flucht aus der DDR beschäftigt. Erschienen ist das Buch im Juli 2022 bei blanvalet.

München, 1972: Die olympischen Spiele beginnen. Alles ist heiter und friedlich. Das Bild, das Deutschland in die Welt transportiert, könnte positiver nicht sein. Die junge Sportlerin Angelika Nowak ist aufgeregt. Sie tritt als Bogenschützin für das Team der DDR an. Das erste Mal hat sie ihre Heimat verlassen und ist in ein anderes Land gereist. Zunächst scheint alles in Ordnung, doch dann passieren Dinge, die sie zweifeln lassen.
Roman Gagarin ist Ringer im israelischen Team. Auch für ihn ist es das erste Mal, dass er nach Deutschland reist. In das Land, in dem seine Familie viel Schreckliches erlebt hat. Er freut sich auf seinen Wettbewerb und ist begeistert vom weltoffenen Deutschland. Am Morgen des 5. September soll sich dies schlagartig ändern. Das israelische Team wird von palästinensischen Terroristen als Geisel genommen und das Unglück nimmt seinen Lauf.

Ich war sehr gespannt auf den neuen Roman von Petra Mattfeldt, denn es ist mal keine historische Familiensaga und vom Olympiaattentat habe ich bisher tatsächlich noch nie gehört.
Die Autorin hat sich für diesen Roman für 5 Perspektiven entschieden, aus denen die Ereignisse geschildert werden. Angelika Nowak ist eine Bogenschützin aus dem DDR-Team, die sich mit Roman Gagarin anfreundet. Roman wiederum ist ein Ringer im israelischen Team. Er ist Jude und reist zum ersten Mal in das Land, in dem seine Familie so viel Leid erfahren hat. Mit dem Journalist Robert Goldmann haben wir eine weitere jüdische Perspektive, allerdings ist dieser in Deutschland aufgewachsen. Dann gibt es noch Manfred Hofmann, einen Polizisten, dem die laxen Sicherheitsvorkehrungen bei Olympia Sorge bereiten und Djamal Rahman, ein palästinensischer Flüchtling, der sich radikalisiert hat und zum Attentäter wird.
Ich fand die unterschiedlichen Perspektiven durchaus interessant, bin mir allerdings nicht sicher, ob ich eine andere Einteilung nicht besser gefunden hätte. Gerade die Perspektive des palästinensischen Terroristen empfinde ich als problematisch. Hier hat allerdings auch das echte Vorbild das Potenzial Ressentiments gegen Ausländer zu schüren und seine Sichtweise als Palästinenser auf den Konflikt, der seit Jahrzehnten in Israel tobt, ist genauso einseitig wie die des israelischen Ringers. Petra Mattfeldt gibt im Nachwort selber zu bedenken, dass dieses Buch nur einen kleinen Einblick in diesen Konflikt gibt, was ich gut finde, allerdings ist dieser Einblick wirklich sehr, sehr klein. Für meinen Geschmack fast schon zu klein.
Dies wiederum liegt auch daran, dass mit der Flucht aus der DDR ein weiteres Thema sehr präsent ist in diesem Buch ist. Dieses Thema wird mit keinem Wort auf dem Klappentext erwähnt und das hat mich ehrlich gesagt ziemlich genervt. Ich hatte einen Roman erwartet, der sich auf die Geiselnahme des israelischen Teams konzentriert und die Dinge, die dabei alle falsch gelaufen sind, aufgreift. Stattdessen lese ich einen großen Teil des Buches davon, wie Angelika plötzlich feststellt, dass sie überwacht wird. Die Vermischung dieser beiden Themen fand ich nicht gelungen und ich empfinde es als problematisch diese beiden Themen zu vermischen. Klar, war das zu diesem Zeitpunkt auch Thema, aber für mich wäre das etwas für zwei separate Bücher gewesen.
Spoiler Anfang Als kleines Beispiel was ich hier meine. Die Geiselnahme ist beendet, 11 Juden sind gestorben, es war alles ein totales Desaster und wir wenden uns dann wieder Angelikas Flucht aus der DDR zu, weil ihr das ja noch mehr die Augen geöffnet hat und sie muss ihr Leben ändern. Genau das gleiche beim Journalisten und dem Polizisten. Alle gehen direkt dazu über an sich zu denken und keiner denkt wirklich über die Geschehnisse nach und das 11 Juden ermordet wurden. Alle gucken nur, was sie für sich persönlich aus den ganzen Ereignissen schließen können. Spoiler Ende
Nichtsdestotrotz fand ich die Beschreibungen zum Ablauf der Geiselnahme und was hier alles schief gelaufen ist, sehr spannend. Gerade beim Ablauf hat die Autorin sehr akribisch recherchiert, was ich ihr hoch anrechne. In einem fiktiven Roman gibt es auch hier kleinere Abweichungen. Diese werden aber alle in einem ausführlichen Nachwort dargelegt. Dort merkt man auch, dass der Autorin dieses Thema wirklich wichtig ist, leider ist dies meiner Meinung nach im Roman selber nicht so gelungen. Einiges war mir zu rudimentär angeschnitten, anderes zu sehr im Fokus, aber das habe ich weiter oben bereits ausführlich beschrieben. Ich bin froh, dass ich durch dieses Buch überhaupt erstmals von diesen Ereignissen erfahren habe, denke allerdings das eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Thema unerlässlich ist. Im Nachwort finden sich hierzu schon einige weitergehende Quellen.

Fazit: Ein Roman, der für eine jüngere Generation ein Ereignis in den Fokus rückt, das für diese eher weniger bekannt ist. Leider vermischt das Buch für mich zwei Themen, die ich lieber separat betrachtet hätte, und die ich in der heutigen Zeit, mit wieder erstarkendem Antisemitismus und Rassismus, als eher problematisch empfinde.