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Veröffentlicht am 11.09.2022

Ein Roman über das Thema Flucht, der mich größtenteils überzeugen konnte

Das Versprechen des Bienenhüters
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„The Beekeeper of Aleppo“ von Christy Lefteri erzählt von Nuris und Afras Flucht aus Aleppo nach Großbritannien. Erschienen ist der Roman erstmals 2019 bei Zaffre. Die deutsche Version ist im Juli 2021 ...

„The Beekeeper of Aleppo“ von Christy Lefteri erzählt von Nuris und Afras Flucht aus Aleppo nach Großbritannien. Erschienen ist der Roman erstmals 2019 bei Zaffre. Die deutsche Version ist im Juli 2021 unter dem Titel „Das Versprechen des Bienenhüters“ erschienen.

Nuri ist Bienenhüter. Er lebt im syrischen Aleppo gemeinsam mit seiner Familie ein glückliches Leben. Doch dann bricht der Bürgerkrieg aus und Sami, Nuris Sohn, wird bei einem Bombenanschlag getötet. Afra, seine Frau, erblindet auf Grund der schrecklichen Ereignisse. Sie beschließen zu fliehen, da es in ihrer Heimat keine Zukunft mehr gibt. Auf ihrem Weg begleiten sie die Erinnerungen an ihren Sohn und das einstmals idyllische Leben in Syrien. Angetrieben von der Hoffnung mit Nuris Cousin und den Bienen ein neues Leben in Großbritannien aufbauen zu können, ertragen die beiden die vielen Herausforderungen, die sich ihnen auf dem Weg über die Türkei und Griechenland in den Weg stellen. Sie müssen nicht nur den Weg in ein neues Leben und ein neues Land schaffen, sondern zusätzlich zu sich selbst und zueinander.

Dieses Buch habe ich irgendwann mal auf goodreads gesehen und ich fand es klang irgendwie interessant und ist eine Abwechslung zu den Büchern, die ich sonst so lese. Ich habe das Buch auf englisch gelesen. Unten werde ich euch allerdings die deutsche Version verlinken, da ich leider nur Buchhandlungen und keine Verlagsseite auf englisch zum Buch finde.
Das Buch ist aus der Sicht Nuris geschrieben, der sich an das Leben in Aleppo erinnert und von seiner Flucht nach Großbritannien erzählt. Ich mochte es sehr, wenn er das Leben in Aleppo und mit den Bienen beschrieben hat, wenn er von seiner Frau erzählt und wie er sich in sie verliebt hat. Im Kontrast dazu steht der Bürgerkrieg und ihre Flucht. Die Geschichte wird eindringlich und düster, nur gespickt von den Gedanken der Hoffnung und das jemand am Ende der Reise auf sie wartet.
Anfangs hatte ich etwas Probleme in die Geschichte rein zu finden. Ich musste erst mal ankommen und mich mit Nuri akklimatisieren und der Wechsel zwischen den Perspektiven war für mich zuerst irgendwie nicht so eindeutig zu erkennen, obwohl diese doch recht deutlich gekennzeichnet sind. Zumindest in meiner englischen Ausgabe gab es Ornamente mit einem Wort darin, dass den Absatz davor beendet und mit dem der nächste Absatz und die neue Perspektive beginnt. Im gedruckten Buch kann ich mir das richtig gut vorstellen. In meiner digitalen Version war die Funktion klar, aber es hat an Schönheit eingebüßt.
An sich die Symbolik in diesem Buch hat mir sehr gut gefallen. Die Bienen und ihr Verhalten sind immer wieder im Roman eingebaut und ziehen sich so durch die ganze Geschichte und auch die ambivalente Dynamik mit dem jungen Mohammed hat mir gefallen. Das hat für mich Tiefe in die Geschichte gebracht und gerade über die Bienen habe ich mich doch immer wieder gefreut.
Was Nuri und Afra auf ihrer Flucht erleben, hat mich berührt, wenn auch nicht überrascht. Wir haben fast alle schon mal davon gelesen, was alles auf einer Flucht übers Mittelmeer passieren kann oder von den Schmugglern, die viel Geld wollen, für eine Flucht deren Ausgang ungewiss und deren Erfolg nicht garantiert ist. In diesen Berichten geht es allerdings meist sachlicher zu und so kann man diese Ereignisse besser verdrängen und von sich wegschieben. Bei diesem Buch habe ich mich doch mehr dabei beobachtet, dass ich über diese Themen anders nachdenke, wo sie für mich mit einem konkreten, wenn auch fiktiven, Schicksal verbunden sind.
Dieser Roman erzählt von der zermürbenden Wirkung des Krieges, erzählt von Traumata, Träumen, der Sehnsucht nach der Heimat und er erzählt von den verschiedenen Menschen, denen man auf einer Flucht begegnen kann. Den Menschen, die jede Hoffnung verloren haben, den Kindern, die ihre Freude verlieren, den Menschen, die scheitern und irgendwo auf ihrer Flucht stecken bleiben, von Kriminellen, die die Notsituation der Flüchtenden ausnutzen, von den Helfern, die oftmals nur wenig tun können und den Helfern, die an der schieren Anzahl an Flüchtenden abstumpfen. Ihr merkt das Buch hat also sehr viele ernste und traurige Themen, dennoch hat Christy Lefteri es geschafft, das ich der Geschichte gerne gefolgt bin und mich diese vielen traurigen Ereignisse nicht vollends runter gezogen haben. Irgendwo schwingt dann doch immer ein Lichtblick und etwas Hoffnung im Buch mit.

Fazit: Ich kann dieses Buch sehr empfehlen, wenn ihr gerne einen Roman zum Thema Flucht lesen möchtet, in dem immer auch Hoffnung mitschwingt. Nuri und Afra sind fiktiv, beruhen aber auf echten Fluchtgeschichten. Ich habe ihre Geschichte gerne gelesen und konnte einiges für mich mitnehmen.

Veröffentlicht am 11.09.2022

Fantasy mit einer guten Portion Progressivität

Das Orakel in der Fremde
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„Das Orakel in der Fremde“ ist der zweite Roman der Besakdur-Reihe von James A. Sullivan, in der es um Ardoas und seine Gefährten und die Rückgewinnung der Seelenmagie geht. Erschienen ist der Roman im ...

„Das Orakel in der Fremde“ ist der zweite Roman der Besakdur-Reihe von James A. Sullivan, in der es um Ardoas und seine Gefährten und die Rückgewinnung der Seelenmagie geht. Erschienen ist der Roman im Januar 2022 bei Piper.

Die Geschichte rund um die Elfen und den Inkarnationen der Naromee geht weiter. Ardoas III. ist die achte Inkarnation der Naromee und es sind 33 Jahre vergangen. Der Weg beginnt auf ein Neues und wird diesmal hoffentlich mit einem besseren Ausgang belohnt. Mit seinen Gefährten Jerudana und Daludred begibt er sich erneut auf die Reise und ist so gut vorbereitet wie noch nie zuvor. Doch auch die Erluniden waren nicht untätig und wollen unbedingt verhindern, dass Ardoas an seine Erinnerungen kommt und die Seelenmagie wieder erweckt.

Nachdem mich der erste Band so begeistert hat, wollte ich nicht allzu lange mit dem Weiterlesen warten. Auch wenn 33 Jahre vergangen sind, knüpft das Buch doch irgendwie direkt da an, wo der letzte Band aufgehört hat. Im ersten Teil der Geschichte erfahren wir, wie sich Beskadur in den letzten drei Jahrzenhnten verändert hat und sind erneut dabei, wie Ardoas sich auf seine Reise begibt, die diesmal hoffentlich mit einem besseren Ausgang belohnt wird. Teilweise war dieser Part für mich fast schon etwas langweilig, weil sich viel wiederholt hat. Für Personen, die sich länger Zeit gelassen haben, um diese Reihe weiterzulesen kann das allerdings auch ganz gut sein.
Die Gemeinschaft spielt auch diesmal wieder eine große Rolle im Gefüge der Geschichte. Ich fand die Konzepte und Lebensweise wieder sehr interessant. Mit dem Machtverhältnis in Beziehungen kam ein neuer Aspekt hinzu und auch in Sachen Pronomen gibt es hier einiges Neues zu entdecken. Hier kann ich nur empfehlen, sich darauf einzulassen und das ein stückweit als gegeben hinzunehmen, auch wenn das nicht unbedingt dem eigenen Empfinden entspricht und vielleicht auch der ein oder andere Zweifel besteht, dass das funktionieren kann. Zweifel kommen hier auch mit zur Sprache und mir hat es die Möglichkeit gegeben, auch Einiges für mich selber zu hinterfragen. Ich mochte das sehr. Insgesamt war das progressive hier dennoch für mein Empfinden weniger präsent als im Buch davor.
Nach der ersten etwas langatmigen Phase, wird es direkt spannend und bleibt dies auch bis zum Schluss. Neben den progressiven Elementen gibt es viel Phantastisches zu entdecken: neue Länder, neue Städte, neue Wesen, neue Arten von Magie. Es ist Fantasy vom Feinsten, die mich mitgenommen hat. Es ist Abenteuer, nach und nach werden mehr Geheimnisse aufgedeckt, es gibt Angriffe, Kämpfe, verschlungene Pfade und alles was richtig gute Fantasy meiner Meinung nach ausmacht. Einige Fragen wurden leider auch am Ende dieser Geschichte nicht beantwortet, aber wie in vielen Fantasy-Reihen bietet auch diese Welt Platz für viele weitere Geschichten, in der andere Aspekte der Welt erkundet werden könnten.
Ich mochte viele Personen in dieser Geschichte. Jerudana und Daludred sind älter geworden, haben sich verändert und können dennoch Ardoas weiterhin viel Halt geben. Ich mochte Daludreds Ruhe. Seine Unsicherheit aus dem ersten Band kam so manches Mal immer noch hervor, aber insgesamt hat er viel dazugelernt und wirkt viel selbstsicherer. Velbaree und ihre Gefährten waren wichtig für den Kampf, hatten aber insgesamt eine kleinere Rolle. Zordura konnte mit ihrer Umtriebigkeit und ihren ausgeklügelten Plänen punkten und auch Niadaris, das Orakel, lernen wir endlich besser kennen. Ardoas hatte durchaus neue Eigenschaften in dieser Inkarnation, insgesamt fand ich dennoch, dass er auch sehr nah an seiner Version aus dem Vorgänger dran war. Ich bin ihm gerne gefolgt und war sehr gespannt auf den Ausgang dieser Geschichte.
Am Ende des Buches gibt es einen gut ausgestatteten Anhang mit Personenverzeichis, Glossar, Erklärungen zur Zeitrechnung, einem Tag-Verzeichnis und Inhaltswarnungen. Sowohl die Tags, die die Geschichte beschreiben, als auch die Inhaltswarnungen fand ich persönlich gut gewählt. Guckt dort gerne vor Beginn des Lesens rein, falls ihr schon vorab mehr zum Inhalt des Buches wissen möchtet.

Fazit: Wohlfühlfantasy vom Feinsten mit einem guten Schuss Progressivität. Die Welt ist toll aufgebaut und bietet Potenzial für viele weitere Geschichten. Ich bin gerne auf den Pfaden Ardoas gewandelt und habe mit ihm und seinen Gefährten ein tolles Abenteuer erlebt.

Veröffentlicht am 23.07.2022

Mit kleineren Abstrichen absolut empfehlenswert

Die Berechnung der Sterne
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„Die Berechnung der Sterne“ von Mary Robinette Kowal erzählt in einer Dilogie eine etwas andere Geschichte vom Weg der Frauen in die Raumfahrt. Erschienen ist der Roman bei Piper im Januar 2022.

Als ...

„Die Berechnung der Sterne“ von Mary Robinette Kowal erzählt in einer Dilogie eine etwas andere Geschichte vom Weg der Frauen in die Raumfahrt. Erschienen ist der Roman bei Piper im Januar 2022.

Als ein gewaltiger Meteorit die Erde trifft, ist nichts mehr wie es einmal war. Dr. Elma York ist eine der ersten, die auf die Folgen des Meteoriteneinschlags aufmerksam macht. In wenigen Jahrzehnten wird sich das Klima so deutlich ändern, dass ein Leben auf der Erde kaum noch möglich ist. Um das Überleben der Menschheit zu sichern, muss das Weltall erobert werden. Hierzu müssen auch Frauen ins Weltall fliegen. Kein leichtes Unterfangen in einer Zeit, in der das Denken, dass Frauen an den Herd gehören noch weit verbreitet ist. Doch Elma gibt nicht auf und nach einiger Zeit kann sie erste Erfolge verbuchen.

Dieses Buch ist mir schon in den Vorschauen aufgefallen. Dort wurde es als alternative Geschichte beworben, aber ich hatte es weniger wegen dem Meteoriten als mehr mit den Frauen in Verbindung gebracht. Letztendlich waren die Abweichungen zur Geschichte der Raumfahrt weniger extrem als ich angenommen hatte.
Mary Robinette Kowal lässt Dr. Elma York die Geschichte aus ihrer Sicht erzählen. Die Ich-Perspektive liegt mir bei Büchern nicht ganz so sehr und so habe ich mich anfangs etwas schwer getan, kam letztendlich aber doch sehr gut in die Geschichte rein. Wir erleben durch Elma eine weibliche Sicht auf die Entwicklungen in der Raumfahrt, was mir sehr gefallen hat.
Elma ist eine Person, die sich auch mal hinterfragen kann und mit ihr und ihrem Mann haben wir ein jüdisches Ehepaar als Protagonisten. Bis auf Bücher, die ich zu meiner Schulzeit zum Holocaust gelesen habe, kam dies, muss ich gestehen, gar nicht vor. Der Holocaust wird hier am Rande auch mal erwähnt, schließlich spielt das Buch in den 50er Jahren und der Meteoriteneinschlag ist erst nach dem zweiten Weltkrieg, aber ansonsten ist dies kein Thema.
Die Autorin lässt in diesem Buch einige Minderheiten in den Mittelpunkt treten. Neben dem jüdisch sein spielt die Rolle der Frau und ihr Wandel als auch POC eine Rolle. Das hat mir sehr gut gefallen. Wir bekommen dies immer aus Elmas Sicht mit, die in Bezug auf POC nicht immer alles richtig macht, sich im Verlaufe des Buches aber immer wieder ihrer Privilegien bewusst wird und versucht entsprechend zu handeln.
Der Feminismus kommt eher leise daher. Elma ist niemand der gerne im Mittelpunkt steht und laut ist und es ist eher der Zufall und ein kleiner Schubser von außen, der sie zur Identifikationsfigur für junge Frauen macht, doch mit der Zeit kommt sie immer besser mit ihrer Rolle zurecht und kann so einiges erreichen. In diesem Zusammenhang fand ich es toll, dass z.B. auch das Thema Angststörung und Panikattacken als Thema Einzug in dieses Buch erhalten haben. Mir hat aber auch gefallen, dass da auch Zweifel waren und die Unsicherheiten gezeigt werden, die damit einhergehen, wenn ein neuer Weg beschritten wird, der einem vorher nicht so offen stand.
Die eine Sache, die mir nicht gefallen hat, waren die Andeutungen zum Sexleben von Elma und ihrem Ehemann Nathaniel. Ich bin echt jedes Mal zusammengezuckt. Es gibt in dem Buch keine expliziten Sexszenen, aber wenn es dann mal zur Sache geht, gibt es immer Analogien zu Raketenstarts. Irgendwie hat das in diesem Buch nicht für mich gepasst und ich hätte darauf lieber verzichtet.
Viele mögen Science-Fiction nicht gerne lesen, weil sie Angst vor zu vielen technischen und wissenschaftlichen Erläuterungen haben. Das finde ich war in diesem Buch gar nicht der Fall, auch wenn ich ein neues Wort gelernt habe, dass ich vorher so noch nie gehört habe. Es gibt einige Begriffe aus dem jüdischen Sprachgebrauch. Diese werden immer gut innerhalb des Textes erläutert oder erschließen sich aus dem Kontext.
In einem Nachwort erzählt die Autorin noch etwas zu den Abweichungen zur echten Historie und bei welchen Themen sie sich Hilfe geholt hat. Ich war beeindruckt wie viele Themen dies betrifft und hier sind Themen, die Minderheiten betreffen, nicht ausgeschlossen. In der Bibliografie finden sich Bücher, die die Autorin selber zur Recherche genutzt hat und die auch selber genutzt werden können, um sein Wissen zu erweitern.

Fazit: Mir hat es mit kleineren Abstrichen wahnsinnig gut gefallen. Ich mochte den Einblick in die Welt der Raumfahrt und wie die Frauen dieses Themenfeld immer mehr für sich einnehmen und sich für immer weitere Veränderungen einsetzen. Ich bin gespannt, ob sich diese Erfolgsgeschichte im zweiten Band fortsetzt. Für mich hat sich die Geschwindigkeit der Veränderungen sehr realistisch angefühlt. Empfehlenswert für alle, die auch einer ruhigeren Geschichte etwas abgewinnen können, die das Leben zeigt und das große Veränderungen nicht unbedingt über Nacht passieren.

Veröffentlicht am 23.04.2022

Ein spannendes Gedankenexperiment

Artefakt – Sternenpforte
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„Artefakt - Sternenpforte“ von Stephen Baxter behandelt die Geschichte von Reid Malenfant, der nach über 400 Jahren aus dem Kälteschlaf geweckt wird, weil seine Ehefrau einen Notruf vom Phobos abgesetzt ...

„Artefakt - Sternenpforte“ von Stephen Baxter behandelt die Geschichte von Reid Malenfant, der nach über 400 Jahren aus dem Kälteschlaf geweckt wird, weil seine Ehefrau einen Notruf vom Phobos abgesetzt hat. Auf deutsch ist der Roman im Juni 2020 bei Heyne erschienen.

2004 bricht Emma Stoney zur ersten bemannten Mission zum Marsmond Phobos auf. Eine Anomalie soll untersucht werden, doch der Kontakt zur Erde bricht ab. Einige Jahre später stürzt ihr Mann Reid Malenfant mit einem Spaceshuttle ab, wird schwer verletzt geborgen und in einen Kälteschlaf versetzt.
Mehr als 400 Jahre später wird er aus diesem geweckt und das aus einem bestimmten Grund: Seine Frau Emma hat einen Notruf gesendet - vom Phobos - und um Malenfants Hilfe gebeten. Wie kann das sein und was erwartet ihn dort? Und wie kommt er mit der stark veränderten Welt zurecht, in der es kein Raumfahrtprogramm mehr gibt?

Bei diesem Buch habe ich zuerst den Klappentext des zweiten Bandes gelesen, der mich sehr neugierig gemacht hat und so musste natürlich auch der erste Band bei mir einziehen. Als ich das Buch begann zu lesen, hatte ich Lust auf etwas was ganz weit weg von Krieg ist und das habe ich im Großen und Ganzen bekommen, dennoch war es auf einigen wenigen Seiten erschreckenderweise sehr nah an der aktuellen Realität dran.
Der Schreibstil des Buches hat mir gut gefallen. Ich konnte mir größtenteils alles gut vorstellen, was ich gerade bei Science-Fiction durchaus wichtig finde. So technisch und wissenschaftlich es manchmal auch wird, ich muss ein Gefühl für die Idee bekommen, damit sie mich begeistern kann.
Die Perspektiven in diesem Buch wechseln sich ab. Mal erzählt Reid Malenfant aus der Ich-Perspektive, mal gibt es Kapitel, die eine Art Gespräch darstellen und über weite Strecken haben wir einen Erzähler, bei dem Malenfant oftmals etwas mehr im Fokus steht als andere.
Der Spannungsbogen entwickelt sich sehr langsam und teilweise hat auch mir das fast zu lange gedauert. Ich hatte schnell eine Idee, worum es thematisch gehen könnte, es dauert allerdings fast bis zum Ende des Buches bis zu einer umfassenden Erklärung. Zunächst einmal wurde ich mit Malenfant ins 25. Jahrhundert katapultiert und habe viel über die Veränderungen erfahren, die bei den Werten und Gepflogenheiten anfangen und sich über die Politik bis hin zum Klima ziehen. Es ist wirklich sehr viel anders und es war ein interessanter Blick auf unsere Zukunft, wenn auch für meinen Geschmack etwas zu ausführlich. Das ist alles wichtig, um die Idee der Geschichte zu verstehen, aber ich glaube, das hätte auch etwas kürzer funktioniert.
Über die Ideen und Themen in diesem Buch möchte ich gar nicht so viel verraten, denn ich glaube, es macht am meisten Spaß diese selber zu entdecken. Von meinem Gefühl her ist dieses Buch so, wie viele sich Science-Fiction typischerweise vorstellen, obwohl das Genre an sich sehr vielfältig ist und ich glaube, dass sich da für jeden etwas findet. Wenn man sich darauf einlassen kann, dann gibt einen dieses Buch ein super spannendes Gedankenexperiment, mit dem man sich stundenlang beschäftigen kann. Dieses Buch steigt da im weiteren Verlauf recht tief ein und mir begann so manches Mal ein bisschen der Kopf bei zu schwirren, dennoch mochte ich es auch total gern, weil es so viele Möglichkeiten eröffnet hat.
Malenfant war anfangs ein recht schwieriger Charakter für mich. So sehr ich seine Schwierigkeiten mit den neuen Gegebenheiten verstehen konnte, seine Handlungen blieben mir da doch eher etwas fremd. Nach und nach hat er sich allerdings doch in mein Herz geschlichen, was sicher auch Deirdra Greggson zu verdanken ist, die unerschütterlich an seiner Seite steht und ich mochte seine Referenzen zu anderen Science-Fiction Werken, wie z.B. Asimov.
Deirdra Greggson oder nach den Gepflogenheiten im 25. Jahrhundert eher Greggson Deirdra mochte ich von Beginn an. Sie wirkt die meiste Zeit im Hintergrund und dennoch weiß man, dass sie wichtig ist. Ich mochte ihre verständnisvolle Art und ihre Neugier, die sie selbstbewusst ihren Weg gehen lässt. Und auch Bartholomew, der Leibarzt Malenfants, konnte mich für sich einnehmen, über ihn möchte ich allerdings nicht zu viel verraten.
Viel Zusatzmaterial gibt es in diesem Buch nicht. Die Ideen des Buches werden bereits gut in der Geschichte umrissen. In einem kurzen Nachwort gibt der Autor einen kurzen Einblick, über die Werke, die er zur Recherche für dieses Buch genutzt hat und woher einige Zitate im Buch stammen.

Fazit: Ein Buch, das seine Zeit braucht, um sich richtig zu entfalten, dass allerdings mit einem spannenden Gedankenexperiment aufwarten kann, mit dem ich mich gerne beschäftigt habe. Das Buch kann als abgeschlossenes Werk gelesen werden, ich bin allerdings sehr neugierig auf den zweiten Teil, in dem ich hoffentlich noch tiefer in die Thematik eintauchen kann. Empfehlenswert für Menschen, die gerne Science-Fiction lesen und Lust auf ein cooles Gedankenexperiment haben.

Veröffentlicht am 09.01.2022

Hamburg und Amsterdam im 17. Jahrhundert

Gold und Ehre
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Sabine Weiß hat mit „Gold und Ehre“ den zweiten Band veröffentlicht, der in und um Amsterdam spielt. Mit Hamburg und seinem Michel ist allerdings ein weiterer Ort mit in den Fokus gerückt. Die Geschichte ...

Sabine Weiß hat mit „Gold und Ehre“ den zweiten Band veröffentlicht, der in und um Amsterdam spielt. Mit Hamburg und seinem Michel ist allerdings ein weiterer Ort mit in den Fokus gerückt. Die Geschichte der Architektenfamilie Aard wird im 17. Jahrhundert weitererzählt. Erschienen ist der Roman im November 2021 bei Lübbe.

Amsterdam, 1650: Der junge Benjamin Aard liebt die Architektur, aber auch die Wissenschaften reizen ihn sehr. Nachdem eines seiner Experimente außer Kontrolle gerät, wird er von seinem Vater nach Hamburg geschickt. Dort soll er sich beweisen und erwachsen werden. Nach einigen Rückschlägen lernt er schließlich Menschen kennen, auf die er sich verlassen kann. Unter ihnen ist die junge Lucia, die in ärmlichen Verhältnissen lebt und ihre kranke Mutter pflegt. Um sich über Wasser zu halten, muss sie auch zu Mitteln greifen, die nicht in Ordnung sind, dennoch entsteht eine zarte Liebe zwischen ihr und Benjamin, die auf eine harte Probe gestellt wird, als dieser wieder zurück nach Amsterdam gerufen wird.

Zumindest die historischen Romane der Autorin sind bei mir immer gesetzt, erst recht, wenn eine Stadt wie Hamburg einer der zentralen Handlungsorte ist. Ich lebe in der Nähe dieser wunderbaren Stadt und bin immer begierig darauf etwas über die Vergangenheit von Orten zu lernen, in denen ich häufiger verweile.
Zunächst werden wir allerdings wieder nach Amsterdam entführt, denn dort beginnt die Geschichte und Sabine Weiß versteht es direkt wieder Bilder vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Die Beschreibungen von Orten faszinieren mich jedes Mal wieder aufs Neue und oftmals habe ich direkt Lust, die Orte zu besuchen, wenn es sie denn heute noch gibt. Sowohl Amsterdam als auch Hamburg wurden wunderbar eingefangen. Mit Nieuw Amsterdam, dem heutigen New York, haben wir allerdings noch einen interessanten, wenn im Umfang auch kleineren, Schauplatz.
Die Themenvielfalt dieses Romanes ist enorm. Es geht natürlich wieder um Architektur. Der Bau des kleinen Michel spielt eine große Rolle, aber auch Bauten in und um Amsterdam. Die Wissenschaft gewinnt an Bedeutung, die Niederlande sind eine wichtige Größe auf den Weltmeeren, es geht um Seeschlachten, Kolonien und Sklavenhandel, die politische Lage jener Zeit ist sehr angespannt, der Adel ist im Niedergang begriffen, Werte wie Freiheit gewinnen an Bedeutung, aber der Weg dorthin ist auch von Rückschlägen geprägt. Für mich war das eine sehr spannende Mischung und ich verstehe das manche Themen nur angerissen werden konnten, dennoch hat mir der Gesamtüberblick, den das Buch gibt, sehr gut gefallen.
Mit den Personen im Roman habe ich mitgefiebert, auch wenn es keine Person gab, die mich so richtig für sich einnehmen konnte. Benjamins Entwicklung hat mir gefallen, ich fand es schön, dass er Fehler machen durfte und aus diesen lernen konnte, obwohl es mir manchmal fast ein bisschen zu einfach ging. Die Liebesgeschichte zu Lucia kam nicht so wirklich bei mir an, insgesamt spielt diese im Gefüge des Romanes keine so große Rolle, was mir wiederum gut gefällt. Ich mochte Lucia und ihre Wissbegierde, insgesamt betrachtet war sie für mich etwas zu blass. Theos Geschichte mit der Seefahrt hat mir gut gefallen. Mit ihm hat man die Weltmeere bereist und interessante Orte kennengelernt. Ich verstehe, warum Sabine Weiß einen bestimmten Weg nicht gegangen ist, hätte es mir allerdings dennoch insgeheim gewünscht. So kennen wir nur die Folgen, wenn man erwischt wird. Insgesamt hat mir der Personenmix sehr gut gefallen, da dieser die Vielfalt der Themen unterstützt hat und man sich so in verschiedene Sichtweisen versetzen konnte.
Der Spannungsbogen war insgesamt gut gewählt, allerdings ging es für mein persönliches Empfinden am Anfang ein bisschen zu langsam und am Ende deutlich zu schnell. Gerade zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse regelrecht und es fiel mir schwer noch richtig zu folgen. So manche Entwicklung war mir fast ein wenig zu leicht. Hier ist es glaube ich recht schwer die richtige Balance zu finden, ohne dass es am Ende dann doch zu dramatisch wirkt, manchmal hätte ich es mir dennoch etwas dramatischer gewünscht.
Das Nachwort der Autorin gibt nochmal einen guten Überblick über den gesamten Roman, seine Themenvielfalt und was das für eine wahnsinnige Recherche bedeutet haben muss. Wer sich weiter informieren will, findet im Nachwort schon einige Lesetipps, kann aber auch auf der Homepage der Autorin noch einiges zu den Hintergründen des Romanes erfahren. Ich werde dort mit Sicherheit vorbeischauen. Ich bin ein Fan von Nachworten. Für mich rückt das die Arbeit, die in so einem Roman steckt, nochmal in den Fokus und steigert meine Wertschätzung dafür.

Fazit: Ein toller Roman über Hamburg und Amsterdam im 17. Jahrhundert, der die wichtigen Ereignisse und Veränderungen wunderbar einfängt und mit einer großen Themenvielfalt aufwartet. Wer historische Romane mit tollen Ortsbeschreibungen liebt und es mag, wenn statt des Adels, Bürger, Kaufleute und Architekten in den Mittelpunkt rücken, ist hier genau richtig. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung für diesen Roman, auch wenn der letzte kleine Funke zur totalen Begeisterung gefehlt hat.

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