Profilbild von mrs-lucky

mrs-lucky

Lesejury Star
offline

mrs-lucky ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit mrs-lucky über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.03.2021

spannender Krimiauftakt mit Luft nach oben

Leichenblume
0

Braucht die Lesewelt noch eine neue Thriller-Reihe? Vermutlich nicht, bei skandinavischer Spannungsliteratur kann ich trotzdem selten nein sagen, erst Recht nicht, wenn wie in diesem Fall der Auftakt „Leichenblume“ ...

Braucht die Lesewelt noch eine neue Thriller-Reihe? Vermutlich nicht, bei skandinavischer Spannungsliteratur kann ich trotzdem selten nein sagen, erst Recht nicht, wenn wie in diesem Fall der Auftakt „Leichenblume“ der Autorin Anne Mette Hancock laut Werbung sogar Jo Nesbø und Jussi Adler-Olsen den Rang abläuft.
Die Geschichte spielt in Kopenhagen, Hauptfigur ist die Journalistin Heloise Kaldan, die sehr überrascht ist, als sie Briefe bekommt von einer mutmaßlichen Mörderin, die sich seit ihrer brutalen Tat vor einigen Jahren auf der Flucht befindet. Zudem enthalten die Briefe Details aus Heloise Leben, die eigentlich niemand außer ihr wissen dürfte. Was will Anna Kiel mit ihren mysteriösen Briefen Heloise mitteilen? Sie beginnt, Nachforschungen zu dem alten Fall anzustellen und in Annas Umfeld zu recherchieren. Zur selben Zeit erhält Kommissar Erik Schäfer Hinweise über Anna Kiel und nimmt neue Ermittlungen auf. Als ein weiterer Mord geschieht und Heloise mit Schäfer zusammentrifft, muss sie sich entscheiden, ob sie mit der Polizei zusammen arbeiten oder ihre eigene Story verfolgen will.
Die Geschichte ist spanend und wendungsreich, als Thriller würde ich ihn jedoch nicht einstufen, an die Intensität und Komplexität von Nesbø und Adler-Olsen kommt zumindest dieser Auftaktband nicht heran. Allerdings ist die Kombination aus journalistischen und kriminologischen Ermittlungen vielversprechend und sorgt für einen abwechslungsreichen Verlauf. Das Thema um Pädophilie und Selbstjustiz ist brisant, der Leser wird immer wieder auf falsche Fährten gelockt. Die Autorin lässt den Leser an vielen Stellen über die Zusammenhänge mitspekulieren, versucht aber etwas zu oft, Spannung zu erzeugen, in dem sie Tatsachen unausgesprochen lässt. In meinen Augen werden die Hauptthemen zu oberflächlich abgehandelt, da könnte man mehr einsteigen und Spannung erzeugen.
Die Hauptfiguren wirken authentisch und sind interessante Charaktere, allerdings sind es eher die Nebenfiguren, die polarisieren und beim Lesen starke Gefühle hervorrufen. Heloise und Schäfer wirken dagegen eher blass, andererseits bleibt so Potential zur weiteren Entwicklung in folgenden Bänden.
Der Vergleich mit Nesbø und Adler-Olsen ist aus meiner Sicht etwas unfair und weckt zu hohe Erwartungen, für sich genommen und eher als Krimi betrachtet, bietet dieser Auftaktband spannende Unterhaltung und weckt Lust auf mehr.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.03.2021

ein Road-Trip in die Vergangenheit

Als wir uns die Welt versprachen
0

In ihrem Roman „Als wir uns die Welt versprachen“ erzählt Romina Casagrande nicht nur eine bewegende Geschichte, sondern macht zudem aufmerksam auf ein wenig rühmliches Stück Zeitgeschichte. Vom 17. Jahrhundert ...

In ihrem Roman „Als wir uns die Welt versprachen“ erzählt Romina Casagrande nicht nur eine bewegende Geschichte, sondern macht zudem aufmerksam auf ein wenig rühmliches Stück Zeitgeschichte. Vom 17. Jahrhundert an wurden jährlich bis zu 4000 Kindern aus verschiedenen Alpenregionen als Arbeitskräfte auf Höfe überwiegend in Schwaben gebracht. Aufgrund zunehmender Armut in den ländlichen Bergregionen zogen die Kinder vor Beginn des Frühjahrs über die Berge nach Norden, um dort auf „Kindermärkten“ an die Bauern weitervermittelt zu werden.
Edna, Hauptfigur des Romans, gehört zu einer der letzten Generationen, die kurz vor dem 2. Weltkrieg diesen Weg gehen muss und auf einem Hof in der Nähe Ravensburgs landet. Dort lernt sie den gleichaltrigen Jacob kennen, der sie gegen die harte Behandlung auf dem Hof zu schützen versucht. Das Schicksal trennt die beiden, Edna fühlt sich Jacob gegenüber jahrelang schuldig, dass sie nur seinen Vornamen kennt, macht es ihr unmöglich, mit ihm Kontakt aufzunehmen.
Sie ist fast 90 Jahre alt, als sie in einer Zeitschrift ein Bild von Jacob entdeckt. Um endlich ihre Schuld begleichen zu können, bricht sie auf zu einer lange vorbereiteten Reise, die sie auf der Route zurück nach Ravensburg führt, die sie vor vielen Jahren als Kind genommen hat. Mit dabei ist auch Endas Papagei Emil, der damals auf dem Hof insbesondere Jacob viel bedeutet hat.
Der Roman wird in zwei Zeitebenen erzählt, neben der aktuellen Reise bekommt der Leser in Rückblenden Einblicke in das beschwerliche Leben Ednas auf dem Hof und die Historie der Schwabenkinder. Insbesondere die Schilderungen aus kindlicher Sicht erzeugen mit ihrer Schlichtheit und ihrem emotionalen Gewicht ein Gefühl der Beklommenheit.
Ednas Reise scheint zunächst unter keinem guten Stern zu stehen, sie muss einige Hürden überwinden, wirkt zudem verwirrt und nicht in der Verfassung, diesen schweren Weg zu überstehen. Diese Reise ist nicht nur physisch für sie eine Herausforderung, sondern auch ein Weg zurück in ihre Vergangenheit zu lange verschlossenen Erinnerungen.
Die Autorin schafft es, dieses ernste Thema auf eine unterhaltsame Weise aufzuarbeiten. Ednas manchmal schrullig wirkende Art lockert die Geschichte ebenso auf wie ihre zum Teil komisch anmutenden Begegnungen. Die Geschichte ist bewegend und regt zum Nachdenken an über den Umgang der Menschen miteinander, Freundschaft und Loyalität aber auch das Loslassen und Vergessen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.03.2021

ein empathischer Roman über das Erwachsenwerden

Was bisher geschah (und was niemals geschehen darf)
0

Finn und Paul sind seit Kindheitstagen enge Freunde, kurz vor dem Abi bekommen ihre Bande Risse, als Paul sich immer mehr von ihrem Mitschüler Khalil beeinflussen lässt, dem Finn misstraut. Kurz vor den ...

Finn und Paul sind seit Kindheitstagen enge Freunde, kurz vor dem Abi bekommen ihre Bande Risse, als Paul sich immer mehr von ihrem Mitschüler Khalil beeinflussen lässt, dem Finn misstraut. Kurz vor den Abiprüfungen kommt es zu einem tragischen Unfall, bei dem Paul schwer verletzt wird und als Folge damit leben muss, dass sein Kurzzeit-Gedächtnis jede Nacht gelöscht wird. Jeden Morgen wacht er auf ohne Erinnerung an den Unfall oder die danach vergangene Zeit. Mit einem dicken Notizbuch versucht er, an die Ereignisse Anschluss zu halten. Während dessen verliert sein ehemaliger Freund Finn nicht nur den Kontakt zu Paul, sondern auch jegliche Perspektive für die Zukunft.
Doch dann erhält Paul in der Reha einen alarmierenden Brief von Khalil, der befürchten lässt, dass er einen terroristischen Anschlag plant. Würde Khalil so weit gehen? Paul sieht den Brief als einen Hilferuf und will Khalil aufhalten. Da er dazu Hilfe benötigt kontaktiert er Finn, der sich schließlich überreden lässt, Paul mit einem Trick aus der Klinik zu holen und sich auf die Suche nach dem untergetauchten Khalil zu machen. Ihr Road-Trip führt sie über Berlin und London bis nach Hamburg, wo gerade der G20-Gipfel stattfindet.
Auf ihrer Reise entwickeln die Freunde nicht nur gezwungenermaßen ein neues Verhältnis zueinander, sie finden auch Zeit, sich sowohl mit ihrer Vergangenheit als auch mit ihrer Zukunft auseinander zusetzten, so dass die Reise auch einen Weg ins Erwachsenwerden darstellt.
Das Buch ist nicht immer einfach zu lesen, die Hauptfiguren sind nicht unbedingt Sympathieträger, die Stimmung insbesondere zu Anfang eher düster. Doch Paul und Finn entwickeln sich weiter, kommen aus sich heraus, je größer ihr Abstand von ihren Elternhäusern wird, umso mehr können sie zu sich selbst finden. Dabei gelingt es Orkun Ertener immer wieder den Leser zu überraschen. Vieles ist nicht so, wie es auf den ersten Blick scheint, die Idylle trügt ebenso wie manch scheinbar negativer Einfluss. Der Autor sät immer wieder Zweifel daran, ob das Offensichtliche Bestand hält, so dass man beim Lesen die Geschichte immer mehr zu hinterfragen beginnt. Der Roman ist ebenso lebendig wie empathisch angelegt und hat mich immer mehr in seinen Bann gezogen. Vielleicht bewegt mich das Thema besonders, da ich selbst Kinder in ähnlichem Alter habe. Auch nach der Lektüre merke ich, dass die Geschichte mich in meinem Umgang mit meinen Kindern beeinflusst, mich aufmerksamer werden lässt und bewusster darüber nachdenken, wo sie Freiräume brauchen und wo Hilfestellung auf dem Weg zum Erwachsenwerden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.02.2021

ein intensiver Roman über einen bittersüßen Teenagersommer mit viel Flair der 80er Jahre

Hard Land
0

„In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“ Dieser erste Satz aus Benedict Wells aktuellem Roman „Hard Land“ sagt kurz gefasst aus, worum es in dieser Geschichte geht. Liebe und Tod, ...

„In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“ Dieser erste Satz aus Benedict Wells aktuellem Roman „Hard Land“ sagt kurz gefasst aus, worum es in dieser Geschichte geht. Liebe und Tod, Freude und Leid sind einerseits gegensätzlich, stehen hier jedoch eng beieinander und symbolisieren die widersprüchlichen Gefühle, mit denen die Hauptfigur zu kämpfen hat. Schon der erste Satz wirkt wie ein Peitschenhieb und ist einer von vielen Sätzen, für die man beim Lesen Zeit zum Verarbeiten braucht.
Die Geschichte spielt im Sommer 1985 in der kleinen Stadt Grady irgendwo in Missouri. Sam ist zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt, ein eher schmächtiger und schüchternen Junge, dessen bester Freund vor kurzem weggezogen ist, so dass Sam mit Grauen an die bevorstehenden 12 Wochen der Sommerferien und die damit verbundene Langeweile denkt. Zudem sorgt die Krebserkrankung seiner Mutter, die jederzeit wieder auszubrechen droht, bei ihm zuhause für eine bedrückende Stimmung. Um diesem zu entgehen, nimmt Sam einen Ferienjob im örtlichen Kino an und findet Anschluss an eine Clique von Jugendlichen, die etwas älter sind als er und kurz vor dem Wechsel zum College stehen.
Der Roman ist ein Buch über das Erwachsenwerden, es spiegelt die wechselnden Gefühle eines Teenagers zwischen Freundschaft und erster Liebe einerseits, Verlustängsten und Abschied andererseits. Sam erlebt einen sehr intensiven Sommer, strampelt sich gewissermaßen frei von seinen Eltern, was in diesem Alter ein normaler Prozess ist, für Sam durch den Tod seiner Mutter jedoch eine weit größere Tragweite erlangt und in ihm Gefühle weckt, an denen er zu zerbrechen droht.
Es ist faszinierend, wie es Benedict Wells gelingt, die unterschiedlichen Stimmungen in diesem Roman einzufangen. Man spürt, wie nahe ihm die Figuren stehen, wie lange er an diesem Roman gearbeitet hat, um diesen bittersüßen Sommer in lebendigen Bildern wirklich werden zu lassen. Bei mir mag mitspielen, dass ich selbst zu dieser Zeit aufgewachsen bin mit den Coming-Of-Age Filmen, die diesen Roman geprägt haben, aber auch mit „Zurück in die Zukunft“, dessen Held Marty McFly auf Sam großen Einfluss besitzt, oder auch den Songs von Billy Idol, dessen „Dancing With Myself“ durch das ganze Buch mitschwingt.
Trotz der nostalgischen Anmutung ist das Thema alles andere als veraltet, ich erkenne auch meine eigenen Kinder wieder, die jetzt im selben Alter sind wir die Figuren des Buches, und die heute an einem ähnlich Umbruchpunkt ihres Lebens stehen mit einer ähnlichen Achterbahn der Gefühle. Für mich ist dies ein großartiger Roman, mit seiner unglaublichen Intensität und seinen liebevoll angelegten Charakteren hat er mich ebenso zum Schmunzeln gebracht wie zu Tränen gerührt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.02.2021

macht Lust aufs Gärtnern

Homefarming
0

Jetzt, wo der winterliche Frost nahtlos in Frühlingstemperaturen über gegangen ist, kommt Judith Rakers Buch mit dem Titel „Homefarming“ genau richtig.
Ein wenig Erfahrung habe ich schon mit dem Gärtnern, ...

Jetzt, wo der winterliche Frost nahtlos in Frühlingstemperaturen über gegangen ist, kommt Judith Rakers Buch mit dem Titel „Homefarming“ genau richtig.
Ein wenig Erfahrung habe ich schon mit dem Gärtnern, Rückschläge sorgen jedoch immer wieder zu Demotivation, Gartenbücher sind mir oft zu wissenschaftlich oder auf größere Flächen ausgelegt, als mir zur Verfügung steht.
An Judith Rakers aus dem GU-Verlag gefällt mir besonders, dass aus ihren eigenen praxisnahen Erfahrungen berichtet, und Anfängern Mut macht, auch ohne grünen Daumen zu gärtnerischen Erfolgen zu kommen. Das Buch enthält viele pragmatische Tipps und hilfreiche Hinweise, wie Fehler vermieden werden können.
Die Gliederung und Bebilderung finde ich sehr ansprechend, die Themenauswahl reicht vom Anlegen des ersten Beetes bis zur Verarbeitung der geernteten Produkte, dazu gibt es nicht nur Tipps zur Auswahl pflegeleichter Obst- und Gemüsesorten sondern auch zur Düngung oder Schädlingsbekämpfung. Dabei hat man nie den Eindruck, von Informationen erschlagen zu werden, kleine Geschichten aus Judith Rakers eigenen Erlebnissen mit ihrem Garten lockern die Lektüre auf. Dazu gibt es am Ende der Kapitel Kästen einer Zusammenfassung der wichtigsten Infos.
Der Ratgeber wendet sich auch an Leser, die über keinen eigenen Garten verfügen, sondern auf dem Balkon oder der Fensterbank Kräuter und Gemüse ziehen wollen, das würde ich jedoch eher als Ergänzung sehen, dieser Bereich bildet nur einen kleinen Bereich des Buchs und lohnt aus meiner Sicht die Anschaffung nicht.
Die Haltung von Hühnern nimmt ebenfalls einigen Umfang der 240 Seiten ein, ist sehr speziell und sicher nicht jedermanns Fall. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Aus den Schilderungen Judith Rakers klingt eine Begeisterung, die Ansteckend wirkt, ich habe schon einige Pläne für das kommende Frühjahr geschmiedet unter anderem für ein Hochbeet und den Anbau von Kartoffeln. Jetzt warte ich sehnsüchtig darauf, dass die Gartenmärkte in ein paar Tagen wieder öffnen und ich loslegen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere