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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.01.2020

fesselnder Roman, bildhaft erzählt

Manhattan Beach
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„Manhattan Beach“ von Jennifer Egan lag schon eine Weile auf meinem Lesestapel, die guten Bewertungen hatte mich neugierig gemacht, dennoch hatte ich keine wirkliche Vorstellung von der Geschichte.
Jetzt ...

„Manhattan Beach“ von Jennifer Egan lag schon eine Weile auf meinem Lesestapel, die guten Bewertungen hatte mich neugierig gemacht, dennoch hatte ich keine wirkliche Vorstellung von der Geschichte.
Jetzt habe ich mich doch herangetraut und bin froh, mir Zeit für dieses Buch genommen zu haben, dass mich schnell mit seiner sprachlichen Intensität in den Bann gezogen hat.
Die Geschichte spielt im New York der 30er und 40er Jahre, im Mittelpunkt steht Anna, zu Beginn des Romans ein 12-jähriges Mädchen, dass mit seinem von der Wirtschaftskrise gebeutelten Vater Eddie Kerrigan zu seinen Botengängen mitgenommen wird. Dabei lernt sie auch Dexter Styles kennen, einen erfolgreichen aber auch zwielichtigen Nachtclubbesitzer, dem Eddie seine Dienste anbietet. Diese Begegnung erweist sich später als schicksalhaft für Anna und ihre Familie.
Später begleitet der Leser die heranwachsende Anna, die nach dem spurlosen Verschwinden ihres Vaters und dem Ausbruch des Krieges ihre behütete Welt verlassen muss. Zunächst Arbeiterin in einer Marinewerft am East River in Brooklyn, kämpft sie für ihren Traum, als erste Frau zur Marinetaucherin ausgebildet zu werden, während sie gelichzeitig die Suche nach dem Verbleib ihres Vaters aufnimmt.
Der Roman besticht durch seine Sprache, die lebendige Bilder hervorruft, nicht nur von schönen Momenten wie am Manhattan Beach mit der umwerfenden Szenerie des Meeres oder schillernden Nachtclubs, sondern auch von den düsteren Mietshäusern, dem harten Leben als Taucherin oder dramatischen Szenen während des Beschusses eines Frachters.
In dem Roman werden verschiedene Handlungsstränge miteinander verwoben, verbindende Element und Szenen sorgen dafür, dass man beim Lesen nicht den Überblick verliert. Die Autorin schafft mit detaillierten Beschreibungen und intimen Szenen eine große Nähe zu ihren Charakteren und erschafft ein beeindruckendes Bild der damaligen Zeit mit seinen schönen Momenten aber auch Schattenseiten.
Das Buch ist tatsächlich schwer einzuordnen, mir hat seine Vielfalt, Spannung und Intensität gut gefallen, ich hatte beim Lesen oft das Gefühl, in meinem Kopf einen Spielfilm ablaufen zu sehen.

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Veröffentlicht am 12.01.2020

sprachgewaltiger, sehr düsterer 2. Teil der Trilogie

1794
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Der Roman „1794“ ist der 2.Teil einer geplanten Trilogie und steht in Intensität und Sprachgewalt dem Debüt in nichts nach. Wie schon „1793“ wird auch dieser Band in 4 Teile untergliedert, die den Jahreszeiten ...

Der Roman „1794“ ist der 2.Teil einer geplanten Trilogie und steht in Intensität und Sprachgewalt dem Debüt in nichts nach. Wie schon „1793“ wird auch dieser Band in 4 Teile untergliedert, die den Jahreszeiten Winter, Frühling, Sommer und Herbst folgen, und stellt eine Mischung aus historischem Roman und Krimi dar.
Im ersten Teil steht der junge Erik Drei Rosen im Mittelpunkt; während seines Aufenthalts im Hospital schildert er aus seiner persönlichen Sicht die zum Teil dramatischen Ereignisse aus seiner Vergangenheit. Unter anderem hat es ihn im Alter von nur 14 Jahren auf die Insel Saint-Barthélemy verschlagen, damals schwedische Kolonie und Hochburg des Sklavenhandels. Dort lernt Erik nicht nur einiges über die Unbarmherzigkeit der Menschen, sondern trifft außerdem auf den in Schweden in Ungnade gefallenen Tycho Ceton, eine Begegnung, die Eriks Schicksal maßgeblich beeinflusst.
Mickel Cardell ist nach dem Tod Cecil Winges, der seinem Leben einen neuen Sinn gegeben hatte, an einem Tiefpunkt angelangt. Als ihn eine Witwe um Rat bittet, deren Tochter in ihrer Hochzeitsnacht auf brutale Art getötet wurde, und er auf Cecils jüngeren Bruder Emil trifft, werden seine Lebensgeister wieder erweckt.
Im dritten Teil gibt es ein Wiedersehen mit Anna Stina Knapp, während im 4. Teil die bislang teils lose erscheinenden Fäden zusammen geführt werden.
Wie schon im ersten Band liegt der Fokus des Romans auch hier auf der historischen Stimmung der damaligen Zeit, während der Kriminalfall eher ein Beiwerk ist und ein weiteres Beispiel für die verschiedenen Formen, in der sich menschliche Abgründe personifizieren können.
Die Stimmung ist im Jahr 1794 noch düsterer, das strenge Regime Reuterholms trägt vieles dazu bei. So hat er beispielsweise in der Stadt jegliche Farbe verboten, wer nicht vermögend genug ist, um sich darüber hinwegzusetzen, muss sich in grau kleiden, was diesem Jahr auch den Beinamen „Eisenzeit“ verliehen hat. Insgesamt spielt die Ungleichheit von Arm und Reich eine zentrale Rolle in dem Roman neben dem allgegenwärtigen Kampf zwischen Gut und Böse und dem zunehmenden Verfall der Moral. Die Bilder, die Natt och Dag dabei mit seiner lebendigen Sprache herauf beschwört, sind oft sehr drastisch und blutig und geraten mehrfach an die Grenzen des Ertragbaren.
Auch wenn die Düsternis der Geschichte zum Teil abschreckend wirkt, hat mich die Trilogie nicht zuletzt aufgrund der bewegenden Schicksale Anna Stina Knapps und Mickel Cardells in den Bann gezogen. Das Ende ist in einigen Punkten offen gehalten und gibt eine Vorahnung für den Abschlussband.

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Veröffentlicht am 19.12.2019

eine schöne Erzählung um drei starke Frauen

Der Zopf
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So wie bei einem klassischen geflochtenen Zopf drei Haarsträhnen mit einander verwoben werden, verbindet Laetitia Colombani in ihrem Roman „Der Zopf“ kunstvoll die Geschichten dreier ganz unterschiedlicher ...

So wie bei einem klassischen geflochtenen Zopf drei Haarsträhnen mit einander verwoben werden, verbindet Laetitia Colombani in ihrem Roman „Der Zopf“ kunstvoll die Geschichten dreier ganz unterschiedlicher Frauen miteinander. Haare bilden dabei das verbindende Element der Erzählung.
In Indien lebt Smita unter einfachsten Verhältnissen. Sie gehört der Kaste der Dalit an, der „Unberührbaren“, und kämpft darum, ihrer Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen. Smitas größter Wunsch ist es, dass ihre Tochter zur Schule gehen darf, um Lesen und Schreiben zu lernen.
In Palermo auf Sizilien versucht Giulia nach einem Unfall ihres Vaters den Familienbetrieb zu retten, der nach vielen Generationen kurz vor dem Ruin steht. Die Perückenfabrik lebt von den Haaren, die die Sizilianer Sammeln und den Perückenmachern verkaufen, doch seit die Tradition der Cascatura schwindet, fehlen dem Betrieb die Grundstoffe für ihr Handwerk.
In Montreal führt die ehrgeizige Anwältin Sarah ein sehr strukturiertes und erfolgreiches Leben. Sie ist die einzige Frau in ihrer Kanzlei mit Chancen auf eine Partnerschaft, doch als bei ihr eine schwere Krankheit diagnostiziert wird, droht ihr mühsam aufgebautes Lebensgerüst zusammen zu brechen.
Die Frauen des Romans führen ganz unterschiedliche Leben in drastisch unterschiedlichen Lebensbedingungen. Dennoch eint sie, dass sie alle in ihrem Leben an einem Punkt des Umbruchs stehen und gegen einige Widrigkeiten ankämpfen müssen, um ihre Ziele zu erreichen.
Die Erzählungen zeigen auf, wie unterschiedlich die Wege zum Glück sein können, und dass es sich auch in der aussichtslosesten Situation lohnt, die Hoffnung nicht aufzugeben, sich gegebenenfalls kleine Ziele zu setzen und für die eigene Zukunft zu kämpfen. Der Roman zeigt auch, wie auch heute noch die Frauen in vielen Kulturen und selbst in einem hoch entwickelten Land wie Kanada um Gleichberechtigung ringen müssen.
Mir hat der Roman sprachlich und inhaltlich sehr gut gefallen, der Ton der Erzählung ist oft leicht, der Inhalt wiegt umso schwerer, die Stärke der Frauen verdient Bewunderung und Respekt. In dem Hörbuch lassen Andrea Sawatzki, Eva Gosciejewicz und Valery Tscheplanow die Figuren auf überzeugende Weise lebendig werden.

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Veröffentlicht am 19.12.2019

ein solider Thriller in einem dystopischen Szenario

Draussen
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Nach ihren Krimis mit Kultcharakter um Kommissar Kluftinger hat das eingespielte Autorenduo mit „Draussen“ ihren ersten Thriller veröffentlicht. Ich muss gestehen, dass die Krimis mich nicht allzu sehr ...

Nach ihren Krimis mit Kultcharakter um Kommissar Kluftinger hat das eingespielte Autorenduo mit „Draussen“ ihren ersten Thriller veröffentlicht. Ich muss gestehen, dass die Krimis mich nicht allzu sehr gereizt haben, in diesem Fall haben mich die Werbung und viele positive Bewertungen dazu gereizt, mir ein eigenes Bild zu machen.
Im Mittelpunkt stehen zwei Teenagerkinder, Cayenne und Joshua, die mit ihrem Betreuer Stephan seit Jahren auf der Flucht sind. Nur Stephan weiß, vor welcher Gefahr sie sich verstecken und weshalb er sie mit strengem Regime auf das Überleben in freier Wildnis aber auch in Kampftechniken unterweist.
Schon zu Beginn des Thrillers zeigt sich, dass die Bedrohung real ist und sie eingeholt hat, als Cayenne bei einem brutalen Überfall schwer verletzt wird.
Es ist lange unklar, was die drei zu ihrem Versteckspiel zwingt, ein zweiter Handlungsstrang und Rückblenden in Form von Tagebucheinträgen decken nach und nach wie bei einem Puzzlespiel Zusammenhänge auf. Beim Lesen kamen hier und da ein paar Ahnungen über die Verbindungen der Charaktere und den Hintergrund der Geschichte, die Auflösung war dann nicht völlig überraschend aber dennoch spannend.
Die Ereignisse spitzen sich im Verlauf zu bis zu einem Showdown am Ende des Buchs, einige actionreiche Szenen sorgen für weitere Spannung, das brutale Handeln einiger Figuren sorgt für Schrecken. Auch die zum Teil dystopische Szenerie trägt zu einer düsteren Stimmung bei und unterstreicht die gefährliche Lage, in der sich Stephan und seine Schützlinge befinden.
Der Thriller überzeugt mit einem durchgehenden Spannungsbogen, die Charaktere und Dialoge wirkten auf mich jedoch zum Teil etwas steif und hölzern. Die Story wirkt nicht immer realistisch, wenn man die Geschichte nicht zu ernst nimmt und sich in erster Linie auf die Thrillerelemente einlässt, wird man jedoch gut unterhalten. Ein paar Charaktere und Szenen habe ich als bewusst überspitzt empfunden, ganz so als hätte das Autorenduo beim Verfassen der Geschichte durchaus ihren Spaß gehabt. „Draussen“ ist ein solider Thriller, der mich gut unterhalten hat, dem aber ein wenig die herausragenden Momente fehlen.

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Veröffentlicht am 10.12.2019

nicht in allen Punkten glaubhaft, regt aber zur Selbstreflektion an

Der Store
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Schon die Aufmachung des Romans „Der Store“ ist ein Hingucker mit seiner an ein Versandpaket erinnernde Aufmachung.
Der Versandhandel ist in den letzten Jahren rasant gewachsen, „Der Store“ trägt in dieser ...

Schon die Aufmachung des Romans „Der Store“ ist ein Hingucker mit seiner an ein Versandpaket erinnernde Aufmachung.
Der Versandhandel ist in den letzten Jahren rasant gewachsen, „Der Store“ trägt in dieser dystopischen Geschichte den Namen „Cloud“, aber es ist unschwer zu erkennen, auf welchen Online-Händler und seinen finanzstarken Besitzer hier angespielt wird.
Die Handlung liegt einige Jahre in der Zukunft, die Umwelt ist durch den Klimawandel stark zerstört, aufgrund der gestiegenen Temperaturen sind einige Gegenden auf der Welt unbewohnbar, die Ernährungslage ist kritisch, Menschen fliehen aus ihrer überfluteten Heimat. In Amerika hat der Unternehmer Gibson Wells seinen Online-Handel zu einem Imperium ausgebaut, das die Wirtschaft dominiert. Die Arbeitsplätze bei Cloud sind trotz der Arbeitsbedingungen begehrt, die Mitarbeiter leben und arbeiten in zum Konzern gehörenden klimatisierten Oasen, alle Abläufe sind streng geregelt, ein digitales Armband öffnet die Türen und ist Fußfessel zugleich. Die Arbeiter sind ständigem Leistungsdruck ausgesetzt, wer Fehler macht fliegt raus.
Zinnia und Paxton, die Hauptcharaktere des Buchs, treffen zufällig bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter für Cloud aufeinander. Für Paxton ist Cloud eine letzte Chance nach dem Scheitern seiner Existenzgründung, Zinnia wurde beauftragt, die Anlage auszuspionieren, da trifft es sich gut, dass Paxton im Sicherheitsdienst sich dort freier bewegen kann.
Der Roman wirkt sehr strukturiert und sprachlich schlicht aber präzise, was zu dem Konstrukt der Mother-Cloud passt. Anfangs passiert nicht viel, der Leser lernt durch Zinnia und Paxton aber auch durch Blog-Einträge des Cloud-Gründers Gibson Wells das Prinzip hinter Cloud kennen.
Die Botschaft ist subtil und erschreckend, schon jetzt unterwerfen wir uns dem Konsumzwang und lassen uns unterschwellig von den großen Konzernen lenken. Wie weit würden wir gehen, bevor wir aufwachen und merken, dass es kein Zurück gibt? Es hat mir ein Schaudern versetzt zu lesen, wie subtil sich Gibson Wells selbst vormacht, der Menschheit mit seinem unterdrückenden System etwas Gutes zu tun.
Einiges wirkt in dem Roman sehr eingleisig, vieles wirkt zu glatt angelegt, das Szenario ist nicht in allen Punkten schlüssig und glaubwürdig, regt aber dennoch zum Nachdenken an und zeigt, wie sehr wir in unserem Denken und Handeln manipulierbar sind.

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