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Veröffentlicht am 22.05.2017

Ein satirischer Roman über eine schöne neue Welt und ihre Bewohner

Die Terranauten
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T.C. Boyle ist bekannt dafür, dass er in seinen Romanen oft historische Ereignisse aufgreift und auf sarkastische bis absurde Art verarbeitet. Ich kannte bislang von ihm nur „Willkommen in Velville“ und ...

T.C. Boyle ist bekannt dafür, dass er in seinen Romanen oft historische Ereignisse aufgreift und auf sarkastische bis absurde Art verarbeitet. Ich kannte bislang von ihm nur „Willkommen in Velville“ und war sehr gespannt auf die Erlebnisse der Terranauten.
Auch hier gibt es einen historischen Hintergrund, denn Anfang der 90er Jahre wurde tatsächlich das von einem texanischen Ölmilliardär finanzierte Projekt „Biospäre 2“ in der Wüste Arizonas ins Leben gerufen, in dem 4 Männer und 4 Frauen für 2 Jahre in einem abgeschlossenen Ökosystem sich selbst versorgen sollten, autark mit Tieren, Pflanzen, einem eigenen kleinen Ozean mit Korallenriff, Regenwald und simulierten Gezeiten.
Für den Roman „Die Terranauten“ bilden diese historischen Tatsachen den Hintergrund, T.C.Boyle spinnt die Geschichte jedoch weiter, denn im Gegesatz zur Realität wird das Experiment mit dem Einschluss von 8 weiteren Terranauten fortgesetzt.
Die Geschichte wird erzählt aus der Perspektive dreier Hauptcharaktere: der attraktiven Nutztierwärterin Dawn und dem Charmeur Ramsay, der für die Kommunikation der Gruppe nach Außen zuständig ist, als Teil der Crew, sowie Linda, der besten Freundin von Dawn, die "draußen" bleiben muss und das Projekt von dort begleitet. Hierin liegt schon der erste Konflikt des Projekts, denn Linda neidet trotz aller Freundschaft Dawn und den anderen ihren Erfolg und fühlt sich nicht zuletzt aufgrund ihrer asiatischen Herkunft benachteiligt.
Neben diversen zu erwartenden zwischenmenschlichen und gruppendynamischen Problemen, treiben technische Defekte wie ein Stromausfall, Sauerstoffmangel und die stets knappen Nahrungsmittelrationen die Crew an ihre Grenzen. Aber auch von die Projektleitung, von T.C. Boyles typisch sarkastisch als „Gottvater“, „Jesulein“ und „Judas“ betitelt, greift immer wieder von außen ein und forciert die Spaltung der Gruppe.
Das tatsächliche Experiment war schon eine Farce, Boyle treibt es in seiner Version auf die Spitze, führt das Engagement Crew und ihrer Helfer ins Absurde und karikiert gelichzeitig TV-Events wie „Big-Brother“ oder „ Das Dschungelcamp. Allerdings bleibt ihm nicht viel Spielraum, weil in der wahren Geschichte schon zu viel Tragik und Komik stecken.
Die Charaktere sind glaubhaft angelegt, durch die bildhafte Sprache und die wechselnden Perspektiven ist der Spannungsbogen durchweg hoch. Im Hörbuch werden die unterschiedlichen Erzählperspektiven durch die verschiedenen Sprecher verdeutlicht. Leider wirkt der Part von Dawn sehr nüchtern vorgelesen und wenig lebendig, obwohl gerade ihr Charakter sehr emotional belegt ist, das gibt für das Hörbuch einen Punkt Abzug.

Veröffentlicht am 17.05.2017

ein Psychothriller mit einer dramatischen Geschichte

Wenn das Eis bricht
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Die Geschichte beginnt mit einem grausamen Mordszenario: In einem modernen Vorort Stockholms wird im Haus des schwedischen Geschäftsmannes Jesper Orre eine Frauenleiche aufgefunden. Der Mord erinnert an ...

Die Geschichte beginnt mit einem grausamen Mordszenario: In einem modernen Vorort Stockholms wird im Haus des schwedischen Geschäftsmannes Jesper Orre eine Frauenleiche aufgefunden. Der Mord erinnert an eine Hinrichtung und lässt Ermittler Peter Lindgren an einen Fall denken, der vor 10 Jahren ungeklärt blieb. Damals war die Kriminalpsychologin Hanne Lagerlind an der Klärung des Falls beteiligt, sie soll auch diesmal bei den Ermittlungen helfen. Niemand ahnt, dass Hanne inzwischen mit einer beginnenden Demenz zu kämpfen hat und die Konfrontation mit der Vergangenheit sie vor unerwartete Herausforderungen stellt. Der Fall gestaltet sich schwierig, da sowohl die Identität des Opfers als auch der Verbleib von Jesper Orre lange im Unklaren bleiben.
Und dann ist da noch Emma, die heimliche Freundin Jesper Orres, die in Rückblenden von ihrer ungewöhnlichen und geheimen Beziehung berichtet sowie von traumatischen Ereignissen ihrer Kindheit.
Neben Emmas Erzählebene wird die Geschichte aus der Sicht von Peter Lindgren und Hanne Lagerlind erzählt. Im Fokus stehen nicht nur die Mordfälle, sondern die individuellen Schwierigkeiten der beteiligten Charaktere im Umgang mit ihren Liebesbeziehungen und die damit verbundenen zum Teil dramatischen Folgen.
Die Autorin wechselt geschickt zwischen den Erzählperspektiven, der Thriller ist sprachlich und auch psychologisch interessant, Täter und Motive bleiben lange unklar, so ganz konnte mich die Auflösung dann aber nicht überraschen. Sprachlich ist das Buch gut umgesetzt, es liest sich trotz des beträchtlichen Umfangs durchweg flüssig, die Charaktere wirken glaubhaft wenn auch nicht unbedingt sympathisch.

Veröffentlicht am 10.04.2017

eine spannende und bewegende Familientragödie

Good as Gone
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Ein Buch das offenbar polarisiert, wenn man sich das Spektrum der Rezensionen ansieht. Bei den negativen Bewertungen habe ich allerdings den Eindruck, dass hier das Buch nicht verstanden wurde, in meinen ...

Ein Buch das offenbar polarisiert, wenn man sich das Spektrum der Rezensionen ansieht. Bei den negativen Bewertungen habe ich allerdings den Eindruck, dass hier das Buch nicht verstanden wurde, in meinen Augen lohnt es sich bei diesem Thriller, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Die Geschichte beginnt mit einem albtraumartigen Ereignis. Die 13-jährige Julie wird vor den Augen ihrer jüngeren Schwester Jane aus dem Elternhaus in Houston entführt. Nach acht Jahren der Ungewissheit und Verzweiflung ist Julie plötzlich wieder da, steht einfach vor der Tür. Die erste Erleichterung weicht aber der Erkenntnis, dass der Albtraum noch lange nicht vorbei ist, zu sehr haben die vergangenen Jahre alle verändert. Und wer ist diese junge Frau, die in das Leben der Familie zurückgekehrt ist? Ist es wirklich Julie? Es gibt Anzeichen, die Zweifel säen und Julies Mutter Anna dazu bringen, Nachforschungen über Julies Vergangenheit anzustellen.

Neben diesem Handlungsstrang, der aus der Sicht von Anna erzählt wird, gibt es einen zweiten Teil, der Julies Sicht der Ereignisse darstellt. Dieser Handlungsstrang ist zunächst etwas verwirrend, da er in der Chronologie rückwärtsläuft, dieses Stilmittel macht aber auch eine Besonderheit des Buches aus. Ich finde den Aufbau des Buches gelungen, in dem zum einen die Geschichte in der Gegenwart vorangeht und die Erlebnisse nach Julies Rückkehr geschildert werden, währen in dem zweiten rückwärts laufenden Handlungsstrang der Leser nach und nach tiefere Einblicke in Julies Schicksal und Vergangenheit erhält. Ähnlich wie bei Anna werden so auch beim Leser zunehmend Zweifel an Julies Geschichte und Identität gesät. Diese wechselnden Identitäten scheinen einige Leser zu verwirren, dabei werden die Zusammenhänge eindeutig geschildert.

Das Buch ist spannend und bedrückend, vielleicht berührt mich die Geschichte auch besonders, weil ich eine Tochter habe in dem Alter, mit dem Julie verschwunden ist und es eine meiner Ängste ist, dass ich in der Pubertät die Verbindung zu ihr zu sehr verlieren könnte. Die Beziehungen innerhalb der Familie sind ein zentrales Thema des Buchs, aber auch Vertrauen, Missbrauch und der Umgang mit Schuldgefühlen.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen und mich sehr bewegt. Es wird allerdings schnell klar, dass die Geschichte ähnlich wie „Gone Girl“ oder „Girl on the Train“ auf überraschende Wendungen setzt, was beim Lesen die Sinne dafür schärft und das Buch letztendlich eher vorhersehbarer macht, dafür gibt es einen Punkt Abzug.

Ich habe das Hörbuch zum Buch gehört, das von Katharina Thalbach und ihrer Tochter Nellie gelesen wird. Nellies manchmal schleppend wirkender Vortrag passt in meinen Augen nicht zu Julies Charakter, Annas Part ist da deutlich glaubhafter.

Veröffentlicht am 20.03.2017

Ein spannender aber auch sehr schonungsloser Thriller

Ragdoll - Dein letzter Tag (Ein New-Scotland-Yard-Thriller 1)
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„Ragdoll – Dein letzter Tag“ von Daniel Cole ist ein spannender aber auch brutaler Thriller. Derart gewalttätige Geschichten sind eigentlich nicht mein Fall, der durchweg hohe Spannungsbogen und die Psychothriller-Elemente ...

„Ragdoll – Dein letzter Tag“ von Daniel Cole ist ein spannender aber auch brutaler Thriller. Derart gewalttätige Geschichten sind eigentlich nicht mein Fall, der durchweg hohe Spannungsbogen und die Psychothriller-Elemente haben mich jedoch so gefesselt, dass ich dabei geblieben bin.
Schon im Prolog gibt es eine heftige Szene, als während einer Gerichtsverhandlung der Ermittler Detective Layton-Fawkes, genannt Wolf, den Angeklagten brutal niederschlägt.
Die eigentliche Handlung setzt dann gut 4 Jahre später ein, Detective Wolf ist nach einiger Zeit in psychiatrischer Betreuung rehabilitiert und in seinen Job bei der Londoner Polizei zurück gekehrt, als er zu einem grausigen Tatort gerufen wird. Fixiert von hunderten feiner Fäden hängt eine Leiche von der Decke. Und auch der Leichnam selbst ist alles andere als gewöhnlich, denn er wurde aus den Leichenteilen 6 verschiedener Toter grob zusammengenäht. Noch dazu scheint diese Leiche auf Wolfs Wohnung zu zeigen, die in einem Block gegenüber liegt, und seine Exfrau, die als Journalistin bei einem Nachrichtensender arbeitet, erhält eine Liste mit den Namen und Todesdaten von sechs weiteren Opfern, Wolf selbst ist der letzte auf der Liste.
Dieser Fall stellt die Londoner Polizei vor einige Herausforderungen nicht nur aufgrund der emotionalen Betroffenheit der Ermittler. Der Täter ist intelligent und scheint der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein.
Der Autor schont seine Charaktere nicht, er offenbart ihre Schwächen ebenso wie ihre Stärken. Die Sprache ist oft sehr direkt und schockt den Leser so manches Mal mit grausamen Details. Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, mal aus Sicht von Wolf, mal aus der seiner Exfrau oder auch der Kollegen Baxter und Edmunds. Dann wieder werden die Geschehnisse von einer Art Erzähler zusammengefasst, was mich an einigen Stellen vom Stil an das Kino-Genre Film-Noir erinnert hat. Die Charaktere sind überzeugend und polarisierend, er entlarvt Schwächen und auch Stärken der Figuren, nimmt gleichzeitig aber auch die Reaktion der Bevölkerung und vor allem der Medien aufs Korn. Das Ende und die Auflösung konnten mich nicht ganz überzeugen, dazu ist für meinen Geschmack die ganze Geschichte zu realitätsfern, insgesamt ist dies aber ein spannender Einstig in eine neue Thriller-Reihe.

Veröffentlicht am 20.03.2017

interessanter Auftakt, es fehlt aber etwas an Spannung

Der Turm der toten Seelen
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“Der Turm der toten Seelen“ ist der Auftakt einer Krimireihe um den Stockholmer Polizisten Leo Junker, verfasst von dem damals erst 27-jährigen Autor Christoffer Carlsson. Der Autor wird hoch gelobt und ...

“Der Turm der toten Seelen“ ist der Auftakt einer Krimireihe um den Stockholmer Polizisten Leo Junker, verfasst von dem damals erst 27-jährigen Autor Christoffer Carlsson. Der Autor wird hoch gelobt und als würdiger Nachfolger von Henning Mankell oder Stieg Larsson angepriesen, was mir allerdings nach dem Hören des Hörbuchs des ersten Bandes etwas hochgegriffen erscheint.
Hauptfigur Leo Junker ist Polizist in Stockholm, wurde jedoch vom Dienst suspendiert, nachdem er bei einem Einsatz versehentlich einen Kollegen erschossen hat. Nach diesem Ereignis ist Leo physisch und psychisch stark angeschlagen, der Leser erfährt im Verlauf der Geschichte, dass dies nicht der erste Schicksalsschlag war, den Leo verkraften muss.
Durch den Mord an einer jungen Frau in seinem Wohnhaus wird er aus seiner Lethargie aufgeschreckt und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Ein Detail des Falls erinnert ihn an seine Jugend in Salem, einem kleinen Ort in der Nähe Stockholms, an die dort vorherrschende Gewalt, seine erste Liebe und seinen damaligen besten Freund John Grimberg. Tragische Ereignisse haben die Freundschaft damals zerstört, und obwohl Leo Johns Rache fürchtet, stellt dieser ein wichtiges Bindeglied zu dem aktuellen Mordfall dar.
Dieser Thriller ist sehr eng mit Leos Geschichte verknüpft. In vielen Rückblenden wird von den Ereignissen aus Leos Jugend erzählt, aber auch von den Umständen, die zu seiner Suspendierung geführt haben. Die Erzählung springt zwischen den Zeitebenen, ich brauchte ab und an einen Moment um zuzuordnen, wann das Geschehen gerade angesiedelt ist. Die Stimmung ist analog zu Leos Gemütsverfassung oft düster, wie sein durch Medikamente getrübter Geist, wirken die Schilderungen teils nicht nur schwermütig sondern auch schwerfällig, was dem Thriller leider an Spannung nimmt. Die Einblendungen der an Leo gerichteten Briefe machen zwar zunächst neugierig, sind aber dann doch zu schnell durchschaubar. Lediglich gegen Ende des Buches nimmt die Geschichte mit ein paar spannenden Wendungen Fahrt auf.
Die Schilderungen sind interessant trotz der oft kurzen Sätze, die Atmosphäre ist stimmig. Leo ist als Hauptfigur nicht immer sympathisch aber deutlich vielschichtiger als der Thriller insgesamt. Im Vergleich zu den Büchern von Stieg Larsson fehlt mir die Komplexität, und die Geschichte ist zu vorhersehbar. Gerade gegen Ende der Geschichte zeigt Leo Junker jedoch, was in ihm steckt, so dass ich dennoch neugierig bin, ob die Folgebände eine Steigerung darstellen.
Die Übersetzung des Titels ist wie so oft eher abschreckend, „Der unsichtbare Mann aus Salem“ trifft es deutlich besser.