Spektakulär, wertvoll, einzigartig - Das ist BABEL
Babel„BABEL“ von R. F. Kuang entführt den Leser in das Jahr 1828 und erzählt die Geschichte von Robin Swift, einem Waisenjungen, der vom geheimnisvollen Professor Lovell nach London gebracht wird. Dort erhält ...
„BABEL“ von R. F. Kuang entführt den Leser in das Jahr 1828 und erzählt die Geschichte von Robin Swift, einem Waisenjungen, der vom geheimnisvollen Professor Lovell nach London gebracht wird. Dort erhält er die Möglichkeit, am Königlichen Institut für Übersetzung der Universität Oxford, auch bekannt als Babel, zu studieren. In Babel wird nicht nur Übersetzung gelehrt, sondern auch Magie praktiziert. Das Silberwerk, die Kunst, verlorene Bedeutung mithilfe verzauberter Silberbarren zu manifestieren, hat dem britischen Empire großen Einfluss verliehen. Doch Robin, als chinesischer Junge in Großbritannien aufgewachsen, erkennt den Verrat an seinem Mutterland und gerät zwischen die Fronten von Babel und dem zwielichtigen Hermes-Bund, einer Organisation, die gegen die imperiale Expansion kämpft.
Der erste Aspekt, der an „BABEL“ hervorsticht, ist der bemerkenswerte Detailreichtum und die intensive Charakterausarbeitung. R. F. Kuang nimmt sich viel Zeit, um die Haupt- und Nebencharaktere zu entwickeln und ihre Motivationen und Emotionen darzustellen. Robin Swift, der Protagonist, ist ein facettenreicher Charakter, der mit seinem inneren Konflikt zwischen Loyalität und Wahrheit kämpft. Die Autorin vermittelt seine Unsicherheiten, Ängste und auch seine Wut auf das britische Empire auf eindringliche Weise. Die anderen Figuren, wie Professor Lovell, tragen ebenfalls zur Komplexität und Tiefe der Geschichte bei.
Die Beschreibung vom Turm Babel und dem damaligen Oxford ist außerordentlich detailliert und zeigt die Liebe zum historischen Setting. Die Leser werden in eine Zeit des Kolonialismus und des imperialen Britischen Empire versetzt. Kuang scheut nicht davor zurück, den Alltagsrassismus gegenüber Ausländern und Frauen anzusprechen und in den Mittelpunkt der Geschichte zu rücken. Dieser Aspekt ist von großer Bedeutung und verdeutlicht, dass das Buch keine falschen Illusionen über die damalige Zeit erzeugt, sondern die Realitäten des Rassismus und Sexismus ungeschönt darstellt. Es ist wichtig, dass solche Themen in Büchern behandelt werden, um das Bewusstsein für vergangenes Unrecht zu schärfen und auf bestehende Ungerechtigkeiten hinzuweisen.
Die Handlung von „BABEL“ ist eher ruhig und legt den Schwerpunkt auf die Charaktere und das Leben in Babel. Die Auseinandersetzung mit der Sprache und der magischen Übersetzung ist faszinierend und regt zum Nachdenken über die Macht der Worte an. Der Spannungsbogen ist nicht durchgehend hoch, dennoch schafft es die Autorin, mit der Tiefe der Geschichte und der kritischen Auseinandersetzung mit dem britischen Empire zu fesseln.
Die politischen Intrigen und der Widerstand gegen das Imperium sorgen für emotional geladene Momente und halten den Leser gut bei der Stange. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie R. F. Kuang das Thema Rassismus, Kolonialismus und Sexismus in dieser Zeit in England aufarbeitet. Sie stellt die Ungerechtigkeiten und Vorurteile unverblümt dar und schafft es, einen für diese Thematiken zu sensibilisieren.
„BABEL“ ist ein Werk von großer Tiefe und Komplexität, das mit seinem Sprachwissen und der eindringlichen Erzählweise beeindruckt. Obwohl der Spannungsbogen nicht ständig hochgehalten wird, wurde ich durch den detailreichen Schreibstil und die vielschichtigen Charaktere in den Bann gezogen.
Allerdings sollte beachtet werden, dass die Bewerbung des Buches im deutschen Raum möglicherweise falsche Erwartungen weckt! Es handelt sich hierbei nicht um einen actionreichen Fantasyroman, sondern eher um einen „Dark Academia“-Roman mit historischem Hintergrund. Daher ist es wichtig, mit der richtigen Erwartungshaltung an das Buch heranzugehen, sonst könnte man enttäuscht werden.
Insgesamt ist „BABEL“ von R. F. Kuang ein herausragender Roman, der wichtige gesellschaftliche Themen behandelt und mit seiner Intensität und Authentizität beeindruckt. Es ist ein Buch, das lange nachklingt und dazu anregt, über die Bedeutung von Sprache, Machtstrukturen und historischem Unrecht nachzudenken. Ein absolutes Lesehighlight, das durch seine Tiefe und Brisanz begeistert.
5/5 Sterne