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Veröffentlicht am 29.08.2023

Wirr und unausgegoren

Nichts in den Pflanzen
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Bis Seite 169 bin ich gekommen, dann habe ich endgültig aufgegeben. Schade um die Zeit, wo so viele – sicher lesenswertere – Romane auf mich warten. Ich begreife nicht, warum Ecco dieses Machwerk unter ...

Bis Seite 169 bin ich gekommen, dann habe ich endgültig aufgegeben. Schade um die Zeit, wo so viele – sicher lesenswertere – Romane auf mich warten. Ich begreife nicht, warum Ecco dieses Machwerk unter seine Fittiche genommen hat. Denn Ecco hat so viele wunderbare Romane veröffentlicht, an dieser Stelle seien nur „Was wir wollen“ von Meg Mason genannt oder von Katja Kettu „Die Unbezwingbare“, die ich beide mit dem allergrößten Vergnügen gelesen habe.

Aber, um was geht es hier? Die Protagonistin Leila treibt sich in verschiedenen Kneipen herum, trinkt Modegetränke und davon reichlich, wie z. B. Espresso Martini, und im Suff wird dann wirres Zeug von sich gegeben, dem man – ich zumindest – nicht folgen kann. Die Zeiten sind so durcheinander gewürfelt wie die Liebhaber, manchmal sind bei den sexuellen Spielchen auch Frauen dabei. Hin und wieder wird dann noch das Puzzleteil „Klimawandel“ in die ständig betrunkene Sippschaft geworfen, muss ja heutzutage wohl so sein.

Leila jedenfalls hat eine Schreibblockade, die Autorin Nora Haddada hatte sie wohl auch, ansonsten wäre sicher nicht so ein wirres Geschreibsel dabei herausgekommen. Dem kann ich absolut nichts abgewinnen und muss dann leider anmerken, dass ich von so jungen Autoren nichts mehr lesen werde, auch wenn ich – möglicherweise – dem einen oder anderen damit Unrecht tue. Ich habe mich buchstäblich durch die Seiten gequält, bis ich dann beschlossen habe, endgültig abzubrechen. Auch eine Struktur fehlte völlig. Denn nur andauernde Schreibblockaden, surrealistisch verunglückte Fliegen und Alkoholkonsum mit wirrem Gelaber sind für mich kein roter Faden.

Der Anfang, bzw. die Leseprobe, war ja noch ganz spannend. Aber mit der Zeit hat mich nicht mal mehr interessiert, warum denn dieses unschuldige Katzentier dran glauben musste. Vermutlich, um dem armen Herrchen eins auszuwischen, warum auch immer.

Fazit: Ein unerträgliches, wirres Geschreibsel, dem ich weder folgen, noch dass mich irgendwie abholen konnte. Mögliche surrealistische Anleihen à la David Lynch (hier die Fliegen …) sind gründlichst danebengegangen. NEIN DANKE.

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Veröffentlicht am 06.08.2023

Die große Not der kleinen Nager

Scurry 1
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Auf dem entzückenden Cover sehen wir den kleinen Wix im Wald auf einem Totenkopf sitzen. Im Hintergrund lauert eine unbekannte Gefahr. Der süße Wix mit seinem gespaltenen Öhrchen ist im ersten Teil „Anhaltendes ...

Auf dem entzückenden Cover sehen wir den kleinen Wix im Wald auf einem Totenkopf sitzen. Im Hintergrund lauert eine unbekannte Gefahr. Der süße Wix mit seinem gespaltenen Öhrchen ist im ersten Teil „Anhaltendes Licht“ mit seinem Rattenfreund Umf auf der Suche nach Futter.

Im Haus, das leider von den Menschen verlassen wurde (denn bei den Menschen ist immer viel Nahrung zu finden), wartet der Rest der Bande auf die Heimkehr des Duos. Natürlich in der Hoffnung, dass die Zwei mit gefüllten Futtertaschen zurückkehren. Aber es gibt nicht viel, leider.

Im zweiten Teil „Bestien des Winters“ beratschlagen die Hausmäuse, wie sie an Futter kommen sollen, denn die Vorräte gehen zur Neige. Und sie erwarten die Heimkehr von Umf und Wix. Ich möchte hier nicht viel mehr vom Inhalt verraten, außer, dass es weitere Protagonisten gibt, die eine Hauptrolle spielen: Die junge Pict, eine niedliche weiße Maus mit heilen Öhrchen, und ihr betagter Vater Orim, der sich nur mit Hilfe eines Stocks fortbewegen kann.

Wie in jeder häuslichen Wohngemeinschaft gibt es auch hier Zank und Streit, Verrat und schlimme Gemeinheiten. Draußen lauern die zahlreichen Feinde, und das sind nicht nur äußerst blutrünstige Katzen.

Das Ganze ist so zauberhaft in Szene gesetzt, dass man sich kaum vorstellen kann, dass ein einzelner Mensch so bravourös zeichnen kann. In der Galerie am Ende sehen wir noch einmal detailliert die vielen Figuren und ihre ganzen Feinde.

Fazit: Höchst verdiente 5 Sterne für diese wunderbare Graphic Novel mit dem verheißungsvollen Ausblick des kleinen Wix. Hier stimmt jedes noch so kleine Detail und ich habe allergrößten Respekt vor so viel Können.

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Veröffentlicht am 04.08.2023

Lesbisch, was sonst?

Nachts erzähle ich dir alles
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Tja, was hatte ich erwartet? Von der einen lesbischen Beziehung der Vergangenheit erfuhr ich ja schon in der Leseprobe, von der anderen dann danach, beim „richtigen“ Lesen. Offensichtlich geht es heutzutage ...

Tja, was hatte ich erwartet? Von der einen lesbischen Beziehung der Vergangenheit erfuhr ich ja schon in der Leseprobe, von der anderen dann danach, beim „richtigen“ Lesen. Offensichtlich geht es heutzutage nicht mehr ohne. Schade!

Das Cover ist hübsch, Frankreich-Feeling mit Zikadengesang zur Sommerzeit angenehm lässig, aber der Inhalt bietet nicht viel Neues. Da wird es mich wohl bald zu den literarischen Klassikern der Welt hinziehen, denn da bleiben mir (vermutlich meistens) die gleichgeschlechtlichen Beziehungen erspart, die ja gerade politisch so überaus angesagt sind. Damit wir unnützen Esser möglichst keine Kinder mehr kriegen und aus unserer Mitte kommen. Normale, größere Familien sind vielleicht zu stabil im Geiste und durchschauen gemeinschaftlich zu leicht die ganzen Lügengeschichten um uns herum. Könnte schon so sein.

Zum Inhalt: Léa, die Protagonistin, braucht mal eine Arbeitspause von ihrem Café in München. Sie möchte ihre Auszeit im Familienanwesen an der Côte d’Azur verbringen. Doch aus der geplanten Faulenzerei wird nichts, denn gleich am ersten Abend lernt Léa das Mädchen Alice kennen, die uneingeladen auf dem Grundstück auftaucht. Als Alice plötzlich zu Tode kommt, erscheint dann einige Zeit später ihr Bruder Émile auf der Bildfläche. Diese Konstellation hätte nun reichlich Potenzial geboten, das leider nicht ausgeschöpft wurde. Schade, denn auch das hoch-interessante Leben von Émile in Paris wäre ausbaufähig gewesen. Stattdessen langweilt dann ab der Mitte der ewige Besuch von Léas Mutter Brigitte und die Auffrischung ihrer Beziehung zur frühen französischen Freundin Claire, die sich in Abwesenheit der Kleinfamilie auch ums Haus kümmert.

Claire zu Léa auf Seite 296: „[…] Deshalb fühlt sich die Liebe so oft nach Verlust an. Nach Angst und Enttäuschung, nach Verrat und Betrug. Wie nehmen dieses opulente Gefühl, und packen es in unsere kleine egoistische Erwartungshaltung. Und wenn es dann nicht besteht, wenn wir nicht zurückgeliebt werden, schmeißen wir es aus dem Fenster. Die wenigsten wollen lieben. Aber alle wollen geliebt werden.“

Der Zusammenhang der Playlist vom Anfang mit diesem Roman hat sich mir so gar nicht erschlossen. Einzig Elton Johns „Your Song“ wird zum Ende hin gelegentlich angehört. Dazu den Neusprech: „gebärende Menschen“ statt „Mütter“ im Dankeskapitel fand ich auch voll daneben. Hat AL diese Gaga-Sprache etwa aus der Tagesschau? Die mehr oder weniger positive Erwähnung der Verbrecherorganisation WHO hat m. E. nach auch nichts in Belletristik zu suchen. (S. 200)

Fazit: Seltsam blass und unentschlossen wirkt die Protagonistin Léa. Ich konnte mit ihr wenig anfangen. Da helfen die eingeschobenen Briefe von Claire an Léa auch nicht weiter. Also: Trotz gefällig-nettem Schreibstil und schön-buntem Cover für mich eine herbe Enttäuschung. Ich runde 1,5 Sterne auf 2 auf.


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Veröffentlicht am 02.08.2023

Brachial gut

Das Feuer retten
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Wow, was für ein Buch! Guillermo Arriaga kennt sich aus und schafft es tatsächlich über – sage und schreibe – 800 Seiten den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten und sich immer wieder etwas Neues einfallen ...

Wow, was für ein Buch! Guillermo Arriaga kennt sich aus und schafft es tatsächlich über – sage und schreibe – 800 Seiten den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten und sich immer wieder etwas Neues einfallen zu lassen. Und das Ganze mit einem sehr ungewöhnlichen Schreibstil, zumindest mutet es in der Übersetzung aus dem Spanischen so an. OT „Salvar el fuego“. Ich habe fünfzehn farbige Klebchen (Pagemarker) reingepackt, aber bevor ich die durchgehe, möchte ich kurz zum Inhalt kommen.

Die Protagonistin Marina, die einzig in der Ich-Form erzählt, ist Tänzerin und Choreografin, hat drei Kinder und einen verständnisvollen, vermögenden Mann, Claudio, und reichlich Hauspersonal in Mexiko-Stadt. Ihr gehört eine Tanzschule: „Danzamantes“ und sie ist ständig auf der Suche nach ungewöhnlichen Choreografien. „Es [gemeint ist hier Chan Chan] war das Lieblingslied der Truppe, seit wir eine Choreografie zu der Wahnsinnsversion von Compay Segundo auf die Bühne gebracht hatten.“ (S. 173)

Die männliche Hauptfigur des Romans heißt José Cuauhtémoc, oft kurz als JC bezeichnet, ein großer blonder Indio, zu fünfzig Jahren Knast verurteilt wegen mehrfachen Mordes und er sitzt ein im „Reclusio Oriente“. „Der Mann hatte Gesichtszüge wie der Schauspieler >Indio< Fernandez, nur in blond. Seine Physiognomie eines aztekischen Fürsten passte irgendwie nicht zu seiner Wikingermähne und seiner imposanten Statur.“ (S. 174) Schade, dass es kein Hörbuch gibt, denn ich hätte gern gewusst, wie man JCs Namen richtig ausspricht. JC mag auf jeden Fall die Gute-Laune-Music von Celso Piña. (S. 115)

Eines Tages beschließt Marina mit ihrer Tanztruppe im Gefängnis aufzutreten und mehrere ihrer reichen und einflussreichen Freunde unterstützen dieses Vorhaben. Zusätzlich gibt es eine Schreibwerkstatt im Knast, zwei Mal pro Woche, die ein weiterer Freund von Marina leitet. Oft ist sie dann auch dabei.

Zahlreiche literarische „Knastschriftstücke“, wilde und harte Prosa, bereichern diesen Roman. Sofort erkennbar am Schrifttyp, unterschrieben jeweils vom Häftling soundso, Nummer soundso, samt Dauer der Haftstrafe und wofür.
In Kursivschrift finden wir dann noch aufschlussreiche „Briefe“ von JCs Bruder Francisco, gerichtet an deren ermordeten Vater Ceferino. Dieser war eine intelligente, aber furchtbar grausame Kreatur.

Marina verliebt sich in JC und der Leser fragt sich natürlich, wie diese von JC erwiderte Liebe, die alle Grenzen sprengt, Erfüllung finden kann, zumal JC zu fünfzig Jahren Haft verurteilt wurde. Oder ist jede zufällige Begegnung eine Verabredung? (Frei nach Borges, S. 552)

Hier werden oft die Zeitebenen gewechselt, das bringt unerwartet viel Schwung in die Handlung und stört keineswegs den Lesefluss. Im Gegenteil, so manches Geschehen erhellt sich noch im Nachhinein. Die Blickwinkel der verschiedenen Protagonisten sind ebenfalls leicht erkennbar, es schreiben Marina, JC, etliche Häftlinge vom Reclusio Oriente, z. T. wird das Gefängnispersonal beschrieben und natürlich berichtet Francisco dem toten Ceferino. Der Leser wird an mehrere Seiten der Medaille herangeführt: Das abgehobene Luxusdasein reicher Familien, wie der Longines; das unbeschreibliche Elend im Knast und die Brutalität der rivalisierenden Banden im Außen, samt korrupter Polizei und Behörden. Sprachgewaltig der Stil, oft das Englische in Lautschrift, um innezuhalten. Kein gutes Haar wird an den USA gelassen: „Die Vereinigten Staaten behaupten, sie seien das Land der Freiheit, dabei sind sie in Wirklichkeit das Land der Repression und der eigennützigen Gesetze.“ (S. 450)

Fazit: Diese 800 Seiten vergehen wie im Flug. Wir bekommen nicht nur eine Liebesgeschichte, so intensiv und von einer Wucht, die einen umhaut, wie ich sie noch nie zuvor gelesen habe, sondern wir erleben auch die gegensätzlichsten Welten Mexikos. Angereichert mit den feinsten Literatur- und Musiktipps, die die Latinowelt so zahlreich zu bieten hat. Beispiele Autoren: Álvaro Mutis oder Jorge Luis Borges. Für hartgesottene Leser überaus empfehlenswert. Von mir höchst verdiente 5 Sterne.


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Veröffentlicht am 27.06.2023

Authentisches 60er-Jahre-Gefühl

Jahrhundertsommer
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Die Hauptperson in Alice Grünfelders Roman „Jahrhundertsommer“ ist Magda. Die Geschichte beginnt etwa da, als Magda vierzig ist und geht über weitere vierzig Jahre und endet in Magdas achtzigstem Lebensjahr. ...

Die Hauptperson in Alice Grünfelders Roman „Jahrhundertsommer“ ist Magda. Die Geschichte beginnt etwa da, als Magda vierzig ist und geht über weitere vierzig Jahre und endet in Magdas achtzigstem Lebensjahr. Am Anfang unserer Geschichte hat sie schon zwei Kinder: Jürgen und Ursula. Von Jürgen ist aber wenig die Rede, er zieht weg aus dem Dorf und lässt sich nur noch selten blicken. Deshalb bekommt er auch keine Kapitelüberschrift. Magdas „Alter“ verlässt sie für eine Jüngere und obwohl das Fehlverhalten eindeutig auf seiner Seite liegt, muss sie dafür büßen. Im konservativen Dorf Murrheim (ja, hier ist konservativ mal negativ gemeint) wird sie dafür gemieden und geächtet. Noch schlimmer wird’s, als sich Magda mit einem amerikanischen Soldaten einlässt und ein uneheliches Mädchen bekommt: Ellen. John Miller, der Lover, ist da schon über alle Berge.

Magdas Tochter Ursula wird auch früh schwanger, hat aber das zweifelhafte Glück, dass der Erzeuger sie heiratet. Die Ehe ist aber keineswegs glücklich. Das Paar bekommt drei Kinder, aber nur Viktor spielt hier eine Rolle.

Zwar hatte ich mir dieses Buch ganz anders vorgestellt, so als erotische Sommerromanze, bin aber keineswegs enttäuscht, denn AG versteht es hervorragend, den Leser bei der Stange zu halten. Ich habe nur zwölf Tage dafür gebraucht und war keineswegs gelangweilt. Obwohl das Buch eine echte Minuslektüre ist, denn die Protagonisten kommen (fast) nie auf einen grünen Zweig. Auch nicht im Ausland, denn Ellen geht nach Frankreich und später in die Schweiz. Am Ende ist es dann doch wieder Murrheim, auch für Ellen. Die Familienmitglieder sind überaus kreativ und lassen sich alles Mögliche einfallen, um Geld zu verdienen, doch es reicht nie. Bis Viktor eine Idee hat …

AGs Schreibstil ist sehr ungewöhnlich und doch überaus lesbar. So verschluckt sie oft Satzenden, dennoch weiß man immer, was gemeint ist. Beispiel: "Als sie ausstieg, tat sie es schnell, schloss die Autotür leise, damit die Nachbarn." (S. 27) Die Kapitelüberschriften wechseln zwischen Magda, Ursula, Ellen & Viktor. Einen kleinen Logikfehler habe ich entdeckt auf Seite 237. Da geht es um die Zimmer im oberen Stock von Magdas Haus, die nicht leer standen, seit Ursula ausgezogen war, sondern die Magda an ausländische Männer vermietete, um zusätzliches Geld zu verdienen. Nicht nur so setzte sie sich auch über den Dorftratsch hinweg. AG fängt das jeweilige Zeitgefühl brillant ein und alles passt, von Avon bis Nagelstudio.

Fazit: Ich habe „Jahrhundertsommer“ sehr gern gelesen, hatte zwar was anderes erwartet, bin aber nicht enttäuscht. Eine Familiengeschichte, die zwar den Protagonisten viel abverlangt, aber immer wieder mit unerwarteten Wendungen überraschen kann. Vier Sterne ****

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