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Veröffentlicht am 11.04.2023

Gute Mütter

Institut für gute Mütter
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Frida ist frische Mutter, berufstätig und hatte, wie sie selbst es beschreibt, "einen wirklich schlechten Tag". Sie war übermüdet, überfordert mit allem, ihre kleine Tochter war krank, schrie ständig und ...

Frida ist frische Mutter, berufstätig und hatte, wie sie selbst es beschreibt, "einen wirklich schlechten Tag". Sie war übermüdet, überfordert mit allem, ihre kleine Tochter war krank, schrie ständig und weder sie noch Frida kamen zum Schlafen. Der Ex-Mann hat sich kurz nach der Geburt mit seiner deutlich jüngeren Affäre aus dem Staub gemacht, die Eltern von Frida leben zu weit weg, also tut sie das Unvorstellebare und lässt ihre knapp 1 Jahr alte Tochter Harriet für mehrere Stunden alleine zu Hause. Die Nachbarn hören Schreie und verständigen die Polizei und das Jugendamt. Frida verliert daraufhin das Sorgerecht und muss an einem neuen Programm der Regierung teilnehmen, bei dem sie in eine Umschulungseinrichtung geschickt wird, die „böse" Mütter in „gute" Mütter verwandeln soll. Die Kurse an denen die Mütter teilnehmen müssen, beinhalten, wie man Mutterisch spricht, wie man Empathie vermittelt, wie man sich gegen Pädophile verteidigt, wie man ein Kind vor Gefahren schützt und vieles mehr. Um dies zu lernen bekommen sie KI-Kinder, die dem Aussehen und Alter ihrer echten Kinder entsprechen und über die die "Fortschritte" der Mütter rund um die Uhr überwacht werden können.

Mein größtes Problem, das ich mit dem Buch hatte war, neben dem Erzählstil, Frida selbst. Fridas Erschöpfung und Verzweiflung ist verständlich, dennoch hat sie offensichtlich einen gefährlichen Fehler gemacht, als sie ihre Tochter mehrere Stunden unbeaufsichtigt zu Hause lässt. Auch wenn ich es zu großen Teilen nachvollziehen kann, fragte ich mich beim Lesen, warum sie ihre Tochter nicht mitgenommen oder ihren Stolz beiseite geschoben und jemanden um Hilfe gebeten hat. Die Bestrafung, die sie erfährt, ist dem Vergehen natürlich in keiner Weise angemessen, doch Frida zeigt auch keine echte Reue in meinen Augen und beim xten "Ich hatte einen sehr schlechten Tag" wollte ich Frida am liebsten schütteln und ihr sagen "Nein, du hattest nicht nur einen sehr schlechten Tag, du hast einen Fehler gemacht, steh doch wenigstens einmal dazu." Chan erwartet, dass man sich als Leser(in) in Frida einfühlt und mit einer Mutter sympathisiert, die keine Verantwortung für ihr Handeln übernimmt, wodurch es mir nicht gelungen ist, Sympathie für Frida aufzubringen. Für mich blieb sie oberflächlich und selbstzentriert ohne charakterliche Entwicklung im Laufe des Buches. Immer sind nur die anderen an ihrer Misere schuld und sie scheint nicht zu verstehen, was sie eigentlich falsch gemacht hat. Hinzu kommt Fridas ständiges Jammern und ihr in meinen Augen sehr sprunghaftes Verhalten.

Der Erzählstil und die Beschreibungen der Schule kamen mir oft seltsam abgehackt vor und mir fehlte durch viele sehr kurze Sätze etwas der Lesefluss. Die detailreichen Beschreibungen des Alltags und des Unterrichts langweilten mich und blieben mir zu sehr Oberfläche, keine der Orte oder Figuren fühlten sich für mich greifbar an. Die Schule für gute Mütter ist im besten Sinne als absurd zu bezeichnen und man kann nur froh sein, wenn man keine Mutter hat, wie sie dort 'erzogen' werden soll. Die Aufgaben für die Mütter sind kaum zu erfüllen, teils grausam und die Bestrafungen bei Nichterfüllen sehr unverhältnismäßig. Generell zeichnet sich die Schule durch ihre Unverhältnismäßigkeit, da schon kleinste Vergehen wie Unordentlichkeit gleichgesetzt werden mit Müttern, die ihre Kinder im Keller eingesperrt haben o.ä.

Die Überspitztheit der Schule ist natürlich beabsichtigt und beim Lesen wird sehr deutlich, dass Chan mit ihrem Debütroman den Blick der modernen Gesellschaft aber v.a. der Regierung auf Mütter und Familien im Allgemeinen ansprechen wollte. Der Druck, dem v.a. Alleinerziehende ausgesetzt sind, die Eingriffe von staatlichen Einrichtungen aber auch die Unterschiede, die hier zwischen weißen und farbigen Bevölkerung gemacht werden. Dabei wirkte es auf mich jedoch teilweise so, als wollte Chan zu viel in ihrer Geschichte unterbringen, wodurch alle Themen nicht allzu sehr vertieft werden konnten. Chans Schreibstil an sich ist gut, doch nachdem Frida in der Schule angekommen ist, zieht sich die Story sehr und die Abläufe und Beschreibungen wiederholen sich ohne dabei eteas neues zu bieten.

Das letzte Drittel habe ich nur noch gelesen, weil ich wissen wollte, wie die Geschichte ausgeht aber das Ende ist dann auch weider sehr beispielhaft für Fridas Kurzschlusshandlungen und lässt mich recht unbewegt zurück. Man mag mir nun 'vorwerfen', dass ich als Nicht-Mutter das Szenario und den Schmerz von Frida nicht verstehen könne, doch auch als Nicht-Mutter bin ich zu Empathie fähig. Für mich lag das Problem hier einfach in der fehlenden Auseinandersetzung aller Figuren mit ihren Taten. Die Beschreibung der Mutterschaft und der ständige Druck, die perfekte Mutter sein zu müssen hat Chan gut dargestellt, doch jede der gezeigten Mütter ist davon überzeugt, immer nur das beste für ihre Kinder zu wollen, wobei man sich bei manch einer fragt, ob sie als Mutter wirklich das beste für ihre Kinder darstellt.

Alles in allem kann ich "Institut für gute Mütter" also leider nicht empfehlen, bin aber dennoch geneigt, die Autorin weiter zu beobachten und weitere Bücher von ihr zu lesen.

Veröffentlicht am 09.03.2023

Gesetzlose

Der Paria
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Alwyn, ein junger Gesetzloser ist nicht nur gut mit einer Waffe sondern hat auch einen scharfen Verstand. Als seine Bande von Gesetzlosen verraten wird, steht er alleine da und findet sich auf dem Weg ...

Alwyn, ein junger Gesetzloser ist nicht nur gut mit einer Waffe sondern hat auch einen scharfen Verstand. Als seine Bande von Gesetzlosen verraten wird, steht er alleine da und findet sich auf dem Weg in die Minen wieder, wo er als Gefangener arbeiten soll. Dort lernt er Sihlda kennen, eine gottesfürchtige Frau, die ihn Lesen und Schreiben lehrt und ihm viel über den Glauben an die Märtyrer beibringt. Später, den Minen nur mit Müh und Not entkommen, trifft er eine weitere gottesfürchtige Frau, Evaldine, die ihn mit ihren Worten in den Bann schlägt, und anderen Seite er fortan gegen die dunklen Mächte kämpft, die das Reich bedrohen.

Der Auftakt zu Anthony Ryans neuer Trilogie ist ganz anders als ich erwartet hatte. Die erste Hälfte ist überraschend langatmig und teilweise sogar langweilig und man wird nur lagsam in die Geschichte und Alwyns Welt eingeführt. Ryan schafft es zwar eine Atmosphäre heraufzubeschwören, dies geht jedoch im Falle des "Paria" etwas auf Kosten der Spannung. Auch von den angekündigten Fantasyelementen ist nur wenig zu spüren, auch wenn mit dem Glauben an die Märtyrer hier der Grundstein für alles Kommende gelegt wird, vermute ich.

Ab der Hälfte wurde die Geschichte dann jedoch zunehmend interessanter, ich mochte den Umgang mit Intrigen und mit den zwischenmenschlichen Aspekten, sodass ich mich zunehmend für die einzelnen Charaktere erwärmen konnte. Wie von Ryan gewohnt spart er auch nicht an Blut oder Exkrementen und so geht es manchmal doch sehr brutal zu, ohne dass ich jedoch das Gefühl hatte, es wird mir zu viel. Alwyn selbst ist ein interessanter Charakter und Ryan stellt seinen erzälerischen Fokus auch sehr auf seinen Hauptcharakter ein. Was ich nicht ganz so mochte, waren die ständigen Einwürfe aus der Zulkunft à la 'Hätte ich damalas das gewusst, was ich jetzt weiß, hätte ich anders gehandelt' aber das mag ich generell nicht so in Büchern.

Alles in allem mutet "Der Paria" teilweise eher wie ein historischer Roman inklusive religiösem Eifer und Fanatikern an, statt wie ein Fantasy-Roman. Das letzte Drittel hat mir tatsächlich am besten gefallen, da ich hier wieder das für Anthony ryan typische Fantasyfeeling bekam und ich mich endlich 'angekommen' fühlte. Man mag nun sagen, das ist sehr spät um Interesse an einer Geschichte zu entwickeln, dennoch hat Anthony Ryan genug Interesse bei mir geweckt um Alwyns Geschichte weiter zu verfolgen. Man sollte allerdings im Hinterkopf behalten, dass "Der Paria" kaum mit der Rabenschatten-Trilogie o.ä. vergleichbar ist, und ein deutlich gemächlicheres Erzähltempo hat.

Veröffentlicht am 03.03.2023

Dschomba

Dschomba
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Ein regnerischer Novembertag 1954 bringt ein Spektakel auf dem Friedhof von Erferding: Auf den Gräbern tanzt ein nackter Mann während in der Leichenhalle die Kränze gerichtet werden sollten. Dieser nackte ...

Ein regnerischer Novembertag 1954 bringt ein Spektakel auf dem Friedhof von Erferding: Auf den Gräbern tanzt ein nackter Mann während in der Leichenhalle die Kränze gerichtet werden sollten. Dieser nackte Mann ist Dragan Džomba, der schließlich im Pfarrhaus unterkommt und sich langsam in die Dorfgemeinschaft eingewöhnt. Nur einer will ihn nicht akzeptieren und hetzt beständig gegen ihn.

Der Anfang ist vielversprechneder, ich mochte den Dechant und Dragan sehr gerne, generell gefallen mir die Dynamiken zwischen den Personen. Der eine, der ihn nicht akzeptieren will, der grundlos jemanden sucht um seine Wut abzulassen trübt die Stimmung und lässt Dragan doch immer das Fremde anhaften. Leider flacht die Geschichte um Dragan im Mittelteil recht schnell ab, ich mochte den Handlungsstrang der Gegenwart nicht so richtig und es fehlte mir insgesamt etwas an Tiefe. Die Geschichte wird jedoch wieder interessant und zunehmend melancholischer und entwickelt sich zu einer Geschichte über Freundschaft, Familie, Ausgrenzung und Verlust, die mir dann wieder gut gefallen hat.

Veröffentlicht am 20.02.2023

Young Mungo

Young Mungo
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Mungo ist sanfter als seine Geschwister, er versteht nicht, warum sich Protestanten und Katholiken bekämpfen müssen, doch sein Bruder will ihn als Mitglied seiner Bande, er will einen Mann aus Mungo machen. ...

Mungo ist sanfter als seine Geschwister, er versteht nicht, warum sich Protestanten und Katholiken bekämpfen müssen, doch sein Bruder will ihn als Mitglied seiner Bande, er will einen Mann aus Mungo machen. Die Mutter ist Alkoholikerin und schert sich nur wenig um ihre Kinder, Mungos Schwester sorgt sich um den kleinen Bruder, denkt jedoch vorrangig an ihre eigenen Träume und Ziele aus den ärmlichen Verhältnissen zu entkommen. Als Mungo den Nachbarsjungen trifft, entwickelt sich eine Freundschaft und Mungo scheint zum ersten Mal glücklich. Als aus der unbedarften Freundschaft mehr wird und Munos Bruder die beiden entdeckt, schickt ihn seine Mutter auf einen Angelausflug mit zwei alten Männern, sie sollen ihm zeigen, wie es ist ein Mann zu sein und ihm die Homosexualität austreiben. Denn alles ist egal, nur "so einer" darf Mungo nicht sein.

Douglas Stuart hat, wi schon bei Shuggie Bain, mit Young Mungo einen sehr deprimierenden und hoffnungslosen Roman geschrieben. Mungos Leben ist trostlos ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft. Nur die Beziehung zu James gibt ihm einen Funken Zuversicht, er will mit ihm weggehen, ausbrechen aus dem Glasgow, das er kennt. Doch diese damals verbotene Liebe ist so schambehaftet für die ausenstehenden Familienmitgliedern, dass die Mutter ihn lieber mit zwei völlig fremden, pädophilen Alkoholikern auf Angeltour schickt, statt sich mit ihrem Sohn auseinanderzusetzen.

Ich muss gestehen, mir war das Setting auf Dauer zu gewaltvoll und hoffnungslos, nirgends lauert ein Funke ZUversicht, Mungo ist auf sich allein gestellt und schwankt zwischen kindlicher Unschuld und dem gewalttätigen und starken Mann, den dieser Ausflug aus ihm zu machen droht. Denn er muss viel erleiden und viel tun um ihn zu überstehen. Young Mungo ist kein schlechtes Buch, Stuart weiß zu schreiben und Szenen eindrücklich zu beschreiben, doch v.a. in der ersten Hälfte hatte ich als Leserin teilweise das Gefühl auf der Stelle zu treten, wusste ich doch noch nicht, wohin sich diese Reise entwickelt. Erst ab der Hälfte passieren gravierende Dinge und man hat das Gefühl, die Geschichte nun zu verstehen, das ganze Ausmaß zu begreifen.

Veröffentlicht am 20.02.2023

Familien

Männer sterben bei uns nicht
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Ein prachtvolles Anwesen am See, eine Familie voller Frauen, die Männer abwesend oder tot, die Stimmung angespannt, die Kluft zwischen dem reichen teil der Familie und dem angeheirateten, der nur geduldet ...

Ein prachtvolles Anwesen am See, eine Familie voller Frauen, die Männer abwesend oder tot, die Stimmung angespannt, die Kluft zwischen dem reichen teil der Familie und dem angeheirateten, der nur geduldet wird, deutlich spürbar. Dort lebt Luise, Liebling der Großmutter, als glorreiche Erbin des Reichtums auserkoren. Als die Großmutter stirbt, kommen alle Frauen der Familie wieder zusammen, doch mit ihnen kommen auch die alten Geheimnisse und Vorwürfe.

Annika Reich erzählt hier eine Familiengeschichte, die sie solide ausarbeitet, doch die Charaktere der Frauen bleiben blass. Im Grunde passiert kaum etwas auf den knapp 200 Seiten, es geht mehr um die Gedanken und zwischenmenschlichen Verknüpfungen, auf die Geheimnisse und Wahrheiten vor denen Luise all die Jahre die Augen verschloss. Und sie muss sich fragen, will sie ihr Erbe antreten und so werden wie die Großmutter? Oder will sie entkommen aus diesem abgelegenen Anwesen, das sie immer von anderen abgetrennt hat?

Keine der Frauen hat mich sonderlich berührt, doch die Geschichte lässt sich zügig und problemlos lesen. "Männer sterben bei uns nicht" ist kein zwingend schlechtes Buch, hat mich jedoch nicht umgehauen und die Personen haben mir leider nichts gegeben. Ich hätte mir mehr charakterliche Tiefe gewünscht, mehr Einblicke in die Familie, sodass ich ihr Wesen, ihr Fundament besser verstehen kann. Deshalb gibt es von mir eine eingeschränkte Empfehlung, kann man lesen, muss man aber nicht.