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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.12.2019

Ganz anders als erwartet

London NW
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Grob betrachtet geht es in "London NW" um vier junge Menschen, die alle in der gleichen Gegend aufgewachsen sind, deren Leben sich jedoch komplett verschieden entwickelte.

Drei der Figuren kannten sich ...

Grob betrachtet geht es in "London NW" um vier junge Menschen, die alle in der gleichen Gegend aufgewachsen sind, deren Leben sich jedoch komplett verschieden entwickelte.

Drei der Figuren kannten sich schon als Kinder: Nathalie, Leah und Nathan. Nathalie scheint es geschafft zu haben, sie ist eine erfolgreiche Anwältin, hat einen guten Mann und zwei Kinder. Auch Leah geht es gut, sie konnte ausbrechen aus den ärmlichen Verhältnissen, verdient zwa rnicht so viel wie Natalie, doch auch sie hat einen Mann, der sie liebt. Nathan hingegen ist noch immer gefangen in alten Gewohnheiten, drogensüchtig & ohne Geld lebt er auf der Straße. Der 4. ist Felix. Er hat viel probiert, ist abgestürzt, doch am Ende scheint er sein Leben in den Griff bekommen zu haben. Doch wenn man hinter die Kulissen schaut, ist nicht alles so, wie es scheint. Nicht alles ist perfekt oder schlecht, alle Charaktere schwanken und hadern mit ihrem Leben und ihren Entscheidungen.

Besonders faszinierend an "London NW" fand ich den Schreibstil. Das Buch ist in mehrere Teile untergliedert und jeder Teil hat eine ganz eigenständige Art zu sprechen. Zadie Smith wechselt zwischen knappen Formulierungen, fast schon gedichtartigen Absätzen und der Abfolge von unzusammenhängenden Gedanken zu tagebuchartigen Beobachtungen und kurzen Notizen von Gedanken. Aber auch der "klassische" romanhafte Aufbau und Schreibstil findet sich. Die Sprache von zadie Smith ist mitunter nicht ganz einfach, v.a. an den Anfang musste ich mich erst gewöhnen. Doch schließlich hat es Spaß gemacht sich auf die unterschiedlichen Abschnitte und ihre eigene Sprache einzulassen und zu versuchen hinter die Sätze zu schauen.

Die Handlung scheint nur grob einem Plot zu folgen, es werden eher einzelne Momente und Gegebenheiten im Leben unserer vier Protagonisten geschildert. Am Ende führt zwar alles irgendwie zusammen, doch ich glaube, das ist gar nicht so wichtig bei diesem Buch. Es geht um die Armut und das Abstreifen selbiger, aber auch um das Kinderkriegen und den Druck, den andere auf einen ausüben, wenn man keine Kinder möchte. Durch alle Teile zog sich das Thema Kinder und war für mich ein Bindeglied im Hintergrund. Wer will sie und warum, wer will sie nicht, was bedeuten Kinder für die einzelnen Figuren? Im Vordergrund stehen dabei Natalie und Leah, denn leider erfährt man über die beiden männlichen Protagonisten eher weniger. V.a. Nathan erschließt sich dem Leser lediglich durch Leah und Natalie, da er nicht selbst zu Wort kommt. Doch auch Nathan ist irgendwie ein Bindeglied, das die drei anderen Hauptfiguren zusammenführt.

"London NW" ist kein Buch, das man mal eben zwischendurch liest. Man sollte sich Zeit dafür nehmen und gewillt sein, sich auf die Sprache und das Abenteuer damit einzulassen. Zadie Smith zeichnet Figuren, die nicht perfekt sind, die alle etwas verbergen, etwas in ihrem Inneren vergraben und gerade deshalb nicht einfach nur sympathisch oder unsympathisch sind. Ich habe "London NW" gerne gelesen, v.a. wegen dem experimentieren mit der Sprache, doch am Ende hat es mich auch irgendwie etwas unbefriedigt zurück gelassen.

Veröffentlicht am 23.12.2019

schwankt zwischen tollen Sätzen und langweiligen Passagen

Radio Activity
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Nora hat die perfekte Radiostimme und gründet mit zwei Freunden einen Radiosender. Sie ist gerade erst wieder in ihre Heimatstadt zurückgekehrt und ist noch dabei den Verlust ihrer Mutter zu verarbeiten. ...

Nora hat die perfekte Radiostimme und gründet mit zwei Freunden einen Radiosender. Sie ist gerade erst wieder in ihre Heimatstadt zurückgekehrt und ist noch dabei den Verlust ihrer Mutter zu verarbeiten. Doch nicht nur die Trauer machtihr zu schaffen, sondern auch das Verbrechen, dessen Opfer ihre Mutter alsKind wurde. Doch der Fall ist verjährt, auf die Justiz kein Verlass, also fasst sie den Plan, den Täter mithilfe einer Rätselshow in ihrem Radiosenderzu fassen.

Der Schreibstil ist flüssig, die Sprache klar und dennoch blieben mir die Charaktere zu oberflächlich. Bis auf die Geschichte der Mutter blieben mir die Figuren ziemlich gleichgültig. Die Beweggründe für ihre Handlungen konnten mich nicht erreichen und auch ihre Gedanken blieben mir fern. Insgesamt hat mir etwas die Tiefe gefehlt bei den Charakteren. V.a. am Anfang wird auch ausführlich über das Entstehen des Radiosenders geredet, auch das hat mich jetzt eher weniger interessiert, mag jedoch für manch einen das besondere an dem Buch ausmachen.

Im Endeffekt war es ganz nett zu lesen, ich habe es am Endenicht bereut, doch begeistern konnte mich "Radio Activity" auch nicht gerade. Immer wieder schwankte mein Eindruck zwischen "toller Sprache mit berührenden Sätzen" und "langweilig".

Veröffentlicht am 23.12.2019

insgesamt nette Unterhaltung

Maschinen wie ich
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Charlie ist Anfang 30 und verliebt in seine jüngere Nachbarin Miranda. Als Charlie einen ›Adam‹ geliefert bekommt, einen der ersten lebensechten Androiden, kommen sich die beiden näher und werden schließlich ...

Charlie ist Anfang 30 und verliebt in seine jüngere Nachbarin Miranda. Als Charlie einen ›Adam‹ geliefert bekommt, einen der ersten lebensechten Androiden, kommen sich die beiden näher und werden schließlich ein Paar. Doch auch Adam entwickelt Gefühle für Miranda und so entspinnt sich eine Dreiecksgeschichte, die tragische Folgen hat.

Ian McEwan hat einen sehr flüssigen Schreibstil und es hat Spaß gemacht die Geschichte um Charlie und Miranda zu lesen. V.a. der Anfang, das langsame Annähern der beiden und das gemeinsame Entdecken von Adam ist toll geschildert. Doch nach und nach verstricken sich die drei in einem Wirrwarr aus Gefühlen und Handlungen, das manchmal etwas abstrus wirkte.

"Maschinen wie ich" wirft Fragen nach den Moralvorstellungen von Maschinen auf, aber auch deren Entwickeln von Gefühlen bis hin zum eigenständigen Denken und Handeln. Hat eine Maschine wie Adam das recht über seine Mitmenschen hinweg Dinge zu entschieden, die andere direkt betreffen, ja sogar in gefahr bringt? Ist es einer Maschine möglich entgegen der fürsie als richtig programmierten Moralvorstellung zu handeln und sich somit wie ein Mensch zu verhalten? Oder ist es gerade wichtig, dass sie es nicht kann? Was bedeutet es für die Maschine, Gefühle zu entwickeln, ja sogar zu lieben? Und kann sich ein Mensch umgekehrt in eine Maschine verlieben?

Die Gedankengänge, die Ian McEwan anstellt sind interessant, konnten mich am Ende allerdings nicht 100%ig überzeugen.

Veröffentlicht am 22.12.2019

Eine Suche nach Freiheit in einer fremden Welt

Kein Teil der Welt
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"Kein Teil der Welt" erzählt die junge Esther ihre Geschichte. Esther wuchs bei den Zeugen Jehovas auf und lernt dort ihre beste Freundin Sulamith kennen. Doch die beiden werden älter und Sulamith beginnt ...

"Kein Teil der Welt" erzählt die junge Esther ihre Geschichte. Esther wuchs bei den Zeugen Jehovas auf und lernt dort ihre beste Freundin Sulamith kennen. Doch die beiden werden älter und Sulamith beginnt immer mehr zu zweifeln an dem Glauben, in dem ihre Mutter nach ihrer Flucht Hoffnung fand. Doch die Suche nach Freiheit endet tragisch.

Stefanie de Valesco erzählt hier die Geschichte zweier Mädchen, die aufwachsen in einer strengen Gemeinschaft,ausgeschlossen von den Menschen in ihrer Umgebung. Es ist die Geschichte von Sulamith, einem jungen Mädchen, das sich immer mehr eingeengt fühlt von dem Glauben ihrer Gemeinschaft, das sich verliebt und nicht weiß, wie sie beide Welten in Einklang bringen soll. Sie beginnt zu zweifeln, aufzubegehren und wird immer weniger verstanden von ihrer Mutter aber auch von ihrer besten Freundin. Sulamith beginnt hinter die Glaubensgrundlagen zu blicken, sie kann die versprochene Wahrheit nicht erkennen und möchte ihr Leben nicht als Lüge leben, sie will ausbrechen und endlich frei sein. Frei sein zu tun, was sie will und v.a. zu glauben, was sie will.
Es ist aber auch die Geschichte von Esther, die nur diese eine echte Freundin hat, mit der sie alles teilen konnte bisher. Sie hat Angst um diese Freundin und weiß nicht wie sie mit den Zweifeln und Taten der anderen umgehen soll. Nach einer Tragödie wird sie schließlich herausgerissen aus ihrer gewohnten Umgebung. Sie fühlt sich allein gelassen mit ihrem Verlust, vermisst ihre beste Freundin und will doch eigentlich nur wissen, was wirklich passiert ist. Doch ihre Eltern verstehen sie nicht, wollen sie weiter in das Konzept ihres Glaubens pressen und so beginnt auch Esther schließlich zu zweifeln und aufzubegehren. Auch Esther beginnt hinter die Kulissen zu blicken und erkennt für sich, dass der Gott an den sie so lange geglaubt hat nicht so gut sein kann, wie ihre Eltern behaupten. Die Trauer um ihre Freundin ist immer spürbar, die Welt um sie herum verstummt, es ist, "Als ob man durch einen Wald ginge und nirgendwo Vögel zwitscherten, ein Wald in dem nichts blühte und nicht mal die Äste knackten, wenn man auf sie trat".

Ich habe mir nie wirklich Gedanken über den Glauben und das Leben der Zeugen Jehovas gemacht. Wie viele habe ich sie als seltsam abgestempelt, weswegen es sehr interessant war, hier einen Einblick zu bekommen. Doch "Kein Teil der Welt" hat mich auch über andere Religionen nachdenken lassen. Über Regeln und Verbote im Namen des Glaubens, im Namen Gottes. Stefanie de Valesco hat einen sehr klaren Schreibstil und doch eine fast schon poetische Sprache. So viele Sätze, v.a. im 2. Teil des Buches, haben mich berührt oder zum Nachdenken gebracht. Es ist nicht nur das Leben als Zeuge Jehovas, auch die Verarbeitung der Trauer tritt v.a. gegen Ende immer stärker in den Vordergrund. Die Charaktere erscheinen einem wie echte Menschen, ich konnte die zunehmende Verzweiflung und den Ärger, den erst Sulamith und später Esther empfinden spüren. Aber auch die Eltern von den beiden Mädchen haben mich beschäftigt. Sie wollen ihre Kinder bei sich haben und entfremden sie doch immer weiter von sich. Man fragt sich als Leser vielleicht, wie man selbst handeln würde in so einer Situation. Was soll man tun, wenn die Kinder den Glauben ablehnen, der so tief in einem selbst verankert ist? Soll man sie einfach gehen lassen?

"Kein Teil der Welt" ist ein tolles Buch, das mich mit seiner Sprache überzeugt hat und mir ein Thema näher gebracht hat, mit dem ich mich vorher kaum befasst habe. Lediglich die Zwischensequenzen konnte ich auch am Schluss nicht einordnen, waren sie doch so anders von Sprache und Inhalt her.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.12.2019

sehr eindrucksvoll

Von dieser Welt
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"Von dieser Welt" handelt von John, einem jungen schwarzen. Er ist intelligent und die Menschen erwarten großes von ihm - nicht jedoch sein Vater. Der zeigt ihm jeden Tag, wie wenig er ihn mag. Der Vater ...

"Von dieser Welt" handelt von John, einem jungen schwarzen. Er ist intelligent und die Menschen erwarten großes von ihm - nicht jedoch sein Vater. Der zeigt ihm jeden Tag, wie wenig er ihn mag. Der Vater regiert die Familie streng, mitunter auch mit verbaler und physischer Gewalt. Doch anders als der Klappentext vermuten lässt, steht John nicht im Mittelpunkt der Geschichte. Es geht vielmehr um die Vergangenheit der einzelnen Familienangehörigen und wie die einzelnen Figuren zueinander gefunden haben. Es geht um verletzte Menschen, die viel mitmachen mussten und doch wieder eine Familie gründen, es geht um den Glauben an Gott und die Hoffnung, die viele Menschen daraus schöpfen. Aber auch um Zweifel an Gott und dem eng abgesteckten Weg, den der Glaube einem zeigt.

Die Geschichte spielt sich hauptsächlich an wenigen Tagen ab, an Johns Geburtstag und den paar Tagen danach. Im Gebet reflektieren die vier Familienmitglieder ihre Vergangenheit und erzählen so ihr Leben. Der Mittelteil über den Vater blieb mir etwas fern, er konnte mich nicht so sehr erreichen und berühren, wie die anderen Charaktere. Die anderen Teile und Figuren jedoch haben mich sehr berührt. Die inneren Konflikte, die sie mit sich selbst austragen müssen, sind sehr eindrucksvoll geschildert. Auch wenn es nur bruchstückhafte Momentaufnahmen sind, die in den Rückblenden geschildert werden, wird doch ein allumfassendes Bild geprägt. Alle Schicksale sind geprägt von Rassismus, jedes Familienmitglied wurde in der Vergangenheit auf seine Weise damit konfrontiert. Doch alle hatten unter Gewalt durch Weiße zu leiden.

Baldwin hat einen sehr klaren und mitreißenden Schreibstil, der durch die Gebete und Gesänge noch verstärk wird. Baldwin rüttelt den Leser auf und spricht viele wichtige Themen an. Hinter allem schwingt immer der Rassismus mit, den die schwarzen Protagonisten erfahren mussten. Aber auch die vordergründigen Themen wie Gewalt und Ablehnung in der Familie, Selbstmord, ungewollte Schwangerschaften und Verzweiflung, Liebe, Glaube und Zweifel an dem vorbestimmten Weg werden gut geschildert.

Fazit: Gefiel mir wesentlich besser als "Beale Street Blues", da mir der Zugang zu "Von dieser Welt" leichter fiel. Baldwin hat eine tolle Sprache und auf nur wenigen Seiten ein sehr beeindruckendes Buch geschaffen.