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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.06.2019

Wahrheit und Fiktion

Stummes Echo
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Die vier Geschwister May, Frank, Colin und Berenice Prime sind auf einem Farmhaus im Norden Englands aufgewachsen, dem Beacon. Berenice und Colin gehen nach London und bauen sich dort ein eigenes Leben ...

Die vier Geschwister May, Frank, Colin und Berenice Prime sind auf einem Farmhaus im Norden Englands aufgewachsen, dem Beacon. Berenice und Colin gehen nach London und bauen sich dort ein eigenes Leben auf. Sie kommen nicht oft zurück auf den Hof ihrer Eltern. May jedoch kehrt schon nach ihrem ersten Studienjahr zurück, sie leidet unter Panikattacken und fühlt sich nur auf dem alten Hof sicher, dort kümmert sie sich fortan um ihre Eltern. Frank hat keinen Kontakt zum Rest der Familie und erst nach einigen Seiten erfährt der Leser warum. Obwohl die Kindheit der vier anstrengend war, hatten sie dennoch eine ruhige und glückliche Zeit auf dem Hof der Eltern. Dennoch beschließt Frank eines Tages ein Buch zu schreiben, in dem er behauptet, seine Familie hätte ihn sowohl psychisch als auch physisch misshandelt. Die Geschwister verstehen nicht, wie er so etwas tun konnten. Erst nach dem Tod der Mutter treffen sie wieder auf Frank.

Das Buch ist sehr dünn, doch Susan Hill schafft es trotzdem viel zu übermitteln. Sie erzählt in einer flüssigen Sprache eine Geschichte, die eher still ist und den Lesser dennoch in seinen Bann zieht. Es passiert nicht viel, aber die Vergangenheit v.a. von May und Frank werden sehr eindrücklich geschildert. Die anderen beiden Geschwister bilden eher Nebencharaktere und man erfährt nicht allzu viel über sie, was mich jedoch nicht sonderlich gestört hat. Umso mehr wird nämlich auf die anderen beiden eingegangen, deren Lebensweg nicht unterschiedlicher sein könnte. May, geplagt von ihrer Angst, flieht zurück in die Sicherheit ihrer Kindheit während Frank in London Karriere als Journalist macht und sich von seiner Familie abkapselt.

Immer wieder kommt die Frage nach der Wahrheit auf. Kann es sein, dass Menschen ihre Kindheit so unterschiedlich wahrgenommen haben? Die Zweifel nehmen zu und Erinnerung und Fiktion verschwimmen zunehmend miteinander. "Stummes Echo" ist eine eher leise Geschichte, die dennoch eine Sogwirkung entwickelt und mich berührt und zum Nachdenken angeregt hat. Sehr empfehlenswerte Lektüre!

Veröffentlicht am 07.06.2019

erschütternd

Die Nickel Boys
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Elwood bewundert Martin Luther King und freut sich auf seinen 1. Tag am College. Doch auf dem weg dahin gerät er durch Zufall in ein gestohlenes Auto und wird nach seiner Verurteilung in die Besserungsanstalt ...

Elwood bewundert Martin Luther King und freut sich auf seinen 1. Tag am College. Doch auf dem weg dahin gerät er durch Zufall in ein gestohlenes Auto und wird nach seiner Verurteilung in die Besserungsanstalt "Nickel Academy". Dass er nur durch Zufall in dem Auto saß und nichts mit der Sache zu tun hatte, hat niemanden interessiert. Im weiteren Verlauf schildert Whitehead Elwoods Zeit in der Nickel Academy, wo es sehr brutal zugeht - zumindest im Teil der Schwarzen. Wer nicht spurt, wird bestraft. Dabei ist die Härte der Strafe sehr willkürlich, wie Elwood schon sehr bald am eigenen Leib feststellen muss. Dennoch verliert er nie seinen Mut und versucht im Stillen weiterhin gegen die ungerechte Behandlung anzugehen.

Trotz der Kürze und obwohl es die Nickel Academy nicht wirklich gab, haben mich die geschilderten Szenen sehr entsetzt. Die Geschichte - die an einer realen Besserungsanstalt orientiert ist - ist geprägt von unbegründetem Hass und Gewalt gegen die Schwarzen. Die Sprache ist eher distanziert und nach dem Klappentext hätte ich mehr direkte Taten erwartet. Dennoch - oder gerade deswegen - hat es mich schockiert wie die Jungen behandelt wurden. Whitehead schafft es meiner Ansicht nach das Schicksal der Jungendlichen sehr eindrücklich zu schildern und gerade die Szenen am Anfang und zu lesen, dass sie selbst im Erwachsenenalter noch schwer anihrer Vergangenheit zu knabbern haben. Durch die Distanziertheit und fehlende Emotionalität rücken die Handlungen und nicht die Personen selbst in den Vordergrund. Nicht die Einzelschicksale, sondern die gesamte Situation muss betrachtet werden. Der Hass und die Willkürlichkeit haben mich tief erschüttert. V.a. der Schluss hat mich sehr traurig gemacht. Dennoch hat mich auch Elwood sehr beeindruckt, er hat stets an seiner Hoffnung festgehalten, egal, wie er behandelt wurde.

Die Geschichte ist nicht chronologisch aufgebaut, immer wieder springt die Handlung zwischen Vergangenheit und Gegenwart und manches hat sich für mich erst am Schluss aufgelöst. Dennoch konnte ich den einzelnen Handlungssträngen i.d.R. sehr gut folgen. Auch der Schreibstil war sehr flüssig und im Gegensatz zu anderen fand ich auch nicht, dass sich die Handlung in die Länge zieht. Eher im Gegenteil. Das Buch hat nur knapp 200 Seiten, dennoch glaube ich nicht, dass mehr Seiten das Buch besser (oder schlechter) gemacht hätten. Trotz der Kürze schildert Whitehead den Rassismus in Amerika sehr gut, ganz ohne spannende Handlungen oder große Dialoge. Es sind die stillen Momente und das tägliche Leben in der Besserungsanstalt die eine Zeit voller Hass wieder aufleben lassen.

Definitiv eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 25.05.2019

Frauenfreundschaften

Aller Anfang
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Die vier Frauen Celia, Bree, Sally und April beginnen gemeinsam ihr erstes Jahr am berühmten Smith-College, einem reinen Frauencollege und sind dort Flurnachbarn. Obwohl sie unterschiedlicher nicht sein ...

Die vier Frauen Celia, Bree, Sally und April beginnen gemeinsam ihr erstes Jahr am berühmten Smith-College, einem reinen Frauencollege und sind dort Flurnachbarn. Obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, werden sie schnell zu besten Freundinnen.

Die eigentlich recht banale Grundidee wird hier sehr schön verpackt. Sullivan schreibt warmherzig und witzig, ist aber dennoch auch gesellschaftskritisch und zeigt mit April sehr politische Aspekte. Alle vier Frauen sind toll beschrieben und man lernt sie zunächst einmal unabhängig voneinander kennen, in wechselnden Perspektiven erzählen sie von ihrer Zeit am Smith-College. Jede hatte während der Collegezeit mit ihren eigenen kleinen oder größeren Problemen zu kämpfen und oft fühlten sie sich auch unverstanden von den anderen. Dennoch haben sie immer an der Freundschaft festgehalten. Durch die wechselnden Perspektiven werden die unterschiedlichen Träume, Gefühle, Hoffnungen und Träume der vier Freundinnen klar und auch, warum jede von ihnen die drei anderen als Freundinnen braucht. Wechselnde Perspektiven können oft langweilig werden, wenn jedes mal dasgleiche erzählt wird. Nicht jedoch hier, Sullivan schafft es, den Leser in jedem Abschnitt zu faszinieren und neue Gedanken und Aspekte einfließen zu lassen.

Nach dem College treffen sich alle vier für Sallys Hochzeit wieder, doch das "echte" Leben scheint sie voneinander entfernt zu haben und es kommt zu einem heftigen Streit. Lange Zeit reden die vier kaum ein Wort miteinander, doch als eine von ihnen in ernste Probleme gerät erinnern sie sich an ihre Freundschaft und Liebe zueinander und stehen einander bei. Auch vieles andere wird ihnen im Laufe der Zeit klar und sie trauen sich endlich zu Dingen zu stehen. Das Ende war in seiner Art vorhersehbar und dennoch hat es mich sehr berührt, dass die vier Freundinnen endlich wieder zueinander gefunden haben und am Ende mutiger in die Zukunft blicken können.

Sullivan behandelt in diesem Buch nicht nur Themen wie Freundschaft und Familie, sondern auch Zugehörigkeit, Anderssein, wie es ist, nicht akzeptiert zu werden von den Menschen, die man liebt, Homo- und Transsexualität, Feminismus. Und das alles bei einem Schreibstil, der es einem unglaublich einfach macht, in die Geschichte zu finden und komplexe Themen interessant darzustellen.

Ein sehr schöner Roman über vier Frauen, die ein Zufall zusammenführt und die dennoch eine tiefe Freundschaft zueinander entwickeln, umwoben von gesellschaftskritischen und politischen Aspekten, die Sullivan gekonnt in ihren Roman einließen lässt. Unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 23.05.2019

eine spannende Reise zu den Zwergen

Kalt wie Eis
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Der Gnom Baro & seine Leibwächterin die Vargin Marca sind unterwegs in die Zwergenstadt Zitrabyt am eisigen Firnmeer. Die Zwergenclans leben normalerweise friedlich nebeneinander doch als Baro & Marca ...

Der Gnom Baro & seine Leibwächterin die Vargin Marca sind unterwegs in die Zwergenstadt Zitrabyt am eisigen Firnmeer. Die Zwergenclans leben normalerweise friedlich nebeneinander doch als Baro & Marca in Zitrabyt ankommen zeigt sich ihnen ein ganz anderes Bild: Es liegt eine ständige Spannung in der Luft und die Clans attackieren sich gegenseitig. Die Hafenmeisterin und Friedenswahrerin Vychoda hat die Vermutung, dass der Streit bewusst geschürt wirdund bittet deshalb Baro & Marca um Hilfe.

Das Buch liest sich unglaublich flüssig, man ist sofort mitten in der Geschichte. Die Sprache mag ich sehr, alles wird sehr bildhaft beschrieben was einem den Einstieg in die neue Welt super einfach macht. Die Charaktere sind sehr liebevoll beschrieben und v.a. die beiden Hauptfiguren waren mir auf Anhieb sympathisch. Sie sind zwar ein eher ungleiches Paar,verstehen sich aber trotzdem (oder gerade deswegen?) blind und bilder somit ein super Team.
Die Zwerge scheinen erstmal nicht sehr sympathisch und Baro & Marca haben zusammen mit der Zwergin Yalia alle Hände voll zu tun um Licht ins Dunkel zu bringen. Ihre Nachforschungen ziehen sich ein wenig in die Länge, aber insgesamt hat mich das nicht allzu sehr gestört. Die Geschichte hatte für mich genug Spannung zu bieten. Die Auflösung fand ich sehr interessant, so hatte ich es tatsächlich nicht vermutet.

Toll fand ich auch die Entwicklung von einigen Nebencharakteren. So wurde nochmal ein wenig Abwechlung in die Handlung gebracht und die Figuren gleich nochmal sympathischer. Nun bin ich gespannt, ob es noch mehr Abenteuer von dem Trio um Baro, Marca und Yalia geben wird.

"Kalt wie Eis" ist kein sehr anspruchsvolles Buch, aber ich hatte viel Spaß beim Lesen und beim Eintauchen in diese neue Welt, die sich auf den ersten Blick recht frostig gibt, am Ende jedoch zurück zu friedvollem Miteinander führt.

Veröffentlicht am 20.05.2019

die Angst vor Veränderung

Milchzähne
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Skalde lebt zusammen mit ihrer Mutter Edith in einer abgeschotteten Welt, die Brücke zur Außenwelt wurde schon vor vielen Jahren gesprengt. Die Anwohner grenzten sich ab von der Welt, denn durch die Klimaveränderungen ...

Skalde lebt zusammen mit ihrer Mutter Edith in einer abgeschotteten Welt, die Brücke zur Außenwelt wurde schon vor vielen Jahren gesprengt. Die Anwohner grenzten sich ab von der Welt, denn durch die Klimaveränderungen wurde die umliegende Gegend immer unbewohnbarer und gefährlicher. Auch Edith kommt von draußen, weswegen die Bewohner sie und ihre Tochter Skalde nie wirklich akzeptierten sondern lediglich in ihrer Nähe dulden. Als Skalde plötzlich das rothaarige Mädchen Meisis im Wald findet und mit nach Hause nimmt, brechen die alten Vorurteile wieder durch und die Bewohner fordern die Auslieferung und Verbannung des kleinen Mädchens.

Ich musste mich zunächst etwas an den Schreibstil und den Aufbau des Buches gewöhnen. Alles ist recht kurz gehalten: Die Sätze, die Abschnitte und auch die Kapitel - oft endet ein Kapitel schon nach einer halben Seite. Trotz dem ungewohnten Aufbau findet man schnell in die Geschichte hinein und es fiel mir leicht mich an den Schreibstil etc. zu gewöhnen. Auch fand ich, dass die Charaktere trotz der Kürze sehr gut beschrieben wurden und man ausreichend erfährt. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase liest sich das Buch auch unglaublich flüssig - ich habe es an einem einzigen Sonntag gelesen. Etwas irritierend fand ich jedoch die kurzen Aufzeichnungen von Skalde. Sie sind sehr poetisch und nachdenklich, haben für mich jedoch nicht so recht ins Gesamtkonzept des Buches gepasst. Manchmal schienen sie mir auch etwas konfus.

Die Charaktere konnte ich mir sehr gut vorstellen. Skalde musste in ihrer Kindheit vieles alleine erleben/erlernen, einerseits durch die Ausgrenzung durch die anderen Kinder, andererseits durch die fehlende Unterstützung von Edith, die immer wieder depressive Phasen zu durchleben scheint, in denen sie sich komplett von der Außenwelt zurückzieht. Die Bewohner des Dorfes sind festgefahren in ihren Vorurteilen gegenüber Fremden und der Angst vor Veränderung. Einmal fragt Meisis Skalde "Wieso haben sie Angst vor mir?"und Skalde antwortet "Weil du nicht so bist wie sie". Das fasst die gesamte Situation und das Verhalten der Figuren zusammen. Wie auch in der Realität, fürchten sich die Leute vor allem, was ihre heile Welt bedrohen könnte, selbst, wenn es nur ein unschuldiges kleines Mädchen ist. Sie halten fest an ihrem Glauben und ihren Traditionen und jeder der davon abweicht wird ausgegrenzt und verurteilt. Festgemacht wird ihr Misstrauen hierbei wie so oft nur am Äußerlichen des Mädchens, da niemand sich die Mühe macht, sie wirklich kennen zu lernen. Sie sieht anders aus als der Rest, also muss sie automatisch für alles Unglück verantwortlich sein. Im Nachhinein finde ich auch, dass der ungewöhnliche Aufbau des Buches die deprimierende Stimmung noch besser zur Geltung bringt. Sehr interessant fand ich auch das Verhältnis von Skalde und ihrer Muter Edith. Sie fühlte sich in ihrer Kindheit oft zurückgewiesen und nun, da sie älter ist, fällt es ihr schwer, noch vernünftig mit Edith umzugehen. Auch hier wird die Stimmung sehr gut dargestellt.

Alles in allem ein gelungenes Buch, auch wenn ich lange nicht wusste, auf was alles hinauslaufen soll. Schreibstil und Inhalt haben mir sehr gefallen.