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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.03.2023

Dschomba

Dschomba
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Ein regnerischer Novembertag 1954 bringt ein Spektakel auf dem Friedhof von Erferding: Auf den Gräbern tanzt ein nackter Mann während in der Leichenhalle die Kränze gerichtet werden sollten. Dieser nackte ...

Ein regnerischer Novembertag 1954 bringt ein Spektakel auf dem Friedhof von Erferding: Auf den Gräbern tanzt ein nackter Mann während in der Leichenhalle die Kränze gerichtet werden sollten. Dieser nackte Mann ist Dragan Džomba, der schließlich im Pfarrhaus unterkommt und sich langsam in die Dorfgemeinschaft eingewöhnt. Nur einer will ihn nicht akzeptieren und hetzt beständig gegen ihn.

Der Anfang ist vielversprechneder, ich mochte den Dechant und Dragan sehr gerne, generell gefallen mir die Dynamiken zwischen den Personen. Der eine, der ihn nicht akzeptieren will, der grundlos jemanden sucht um seine Wut abzulassen trübt die Stimmung und lässt Dragan doch immer das Fremde anhaften. Leider flacht die Geschichte um Dragan im Mittelteil recht schnell ab, ich mochte den Handlungsstrang der Gegenwart nicht so richtig und es fehlte mir insgesamt etwas an Tiefe. Die Geschichte wird jedoch wieder interessant und zunehmend melancholischer und entwickelt sich zu einer Geschichte über Freundschaft, Familie, Ausgrenzung und Verlust, die mir dann wieder gut gefallen hat.

Veröffentlicht am 20.02.2023

Young Mungo

Young Mungo
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Mungo ist sanfter als seine Geschwister, er versteht nicht, warum sich Protestanten und Katholiken bekämpfen müssen, doch sein Bruder will ihn als Mitglied seiner Bande, er will einen Mann aus Mungo machen. ...

Mungo ist sanfter als seine Geschwister, er versteht nicht, warum sich Protestanten und Katholiken bekämpfen müssen, doch sein Bruder will ihn als Mitglied seiner Bande, er will einen Mann aus Mungo machen. Die Mutter ist Alkoholikerin und schert sich nur wenig um ihre Kinder, Mungos Schwester sorgt sich um den kleinen Bruder, denkt jedoch vorrangig an ihre eigenen Träume und Ziele aus den ärmlichen Verhältnissen zu entkommen. Als Mungo den Nachbarsjungen trifft, entwickelt sich eine Freundschaft und Mungo scheint zum ersten Mal glücklich. Als aus der unbedarften Freundschaft mehr wird und Munos Bruder die beiden entdeckt, schickt ihn seine Mutter auf einen Angelausflug mit zwei alten Männern, sie sollen ihm zeigen, wie es ist ein Mann zu sein und ihm die Homosexualität austreiben. Denn alles ist egal, nur "so einer" darf Mungo nicht sein.

Douglas Stuart hat, wi schon bei Shuggie Bain, mit Young Mungo einen sehr deprimierenden und hoffnungslosen Roman geschrieben. Mungos Leben ist trostlos ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft. Nur die Beziehung zu James gibt ihm einen Funken Zuversicht, er will mit ihm weggehen, ausbrechen aus dem Glasgow, das er kennt. Doch diese damals verbotene Liebe ist so schambehaftet für die ausenstehenden Familienmitgliedern, dass die Mutter ihn lieber mit zwei völlig fremden, pädophilen Alkoholikern auf Angeltour schickt, statt sich mit ihrem Sohn auseinanderzusetzen.

Ich muss gestehen, mir war das Setting auf Dauer zu gewaltvoll und hoffnungslos, nirgends lauert ein Funke ZUversicht, Mungo ist auf sich allein gestellt und schwankt zwischen kindlicher Unschuld und dem gewalttätigen und starken Mann, den dieser Ausflug aus ihm zu machen droht. Denn er muss viel erleiden und viel tun um ihn zu überstehen. Young Mungo ist kein schlechtes Buch, Stuart weiß zu schreiben und Szenen eindrücklich zu beschreiben, doch v.a. in der ersten Hälfte hatte ich als Leserin teilweise das Gefühl auf der Stelle zu treten, wusste ich doch noch nicht, wohin sich diese Reise entwickelt. Erst ab der Hälfte passieren gravierende Dinge und man hat das Gefühl, die Geschichte nun zu verstehen, das ganze Ausmaß zu begreifen.

Veröffentlicht am 20.02.2023

Familien

Männer sterben bei uns nicht
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Ein prachtvolles Anwesen am See, eine Familie voller Frauen, die Männer abwesend oder tot, die Stimmung angespannt, die Kluft zwischen dem reichen teil der Familie und dem angeheirateten, der nur geduldet ...

Ein prachtvolles Anwesen am See, eine Familie voller Frauen, die Männer abwesend oder tot, die Stimmung angespannt, die Kluft zwischen dem reichen teil der Familie und dem angeheirateten, der nur geduldet wird, deutlich spürbar. Dort lebt Luise, Liebling der Großmutter, als glorreiche Erbin des Reichtums auserkoren. Als die Großmutter stirbt, kommen alle Frauen der Familie wieder zusammen, doch mit ihnen kommen auch die alten Geheimnisse und Vorwürfe.

Annika Reich erzählt hier eine Familiengeschichte, die sie solide ausarbeitet, doch die Charaktere der Frauen bleiben blass. Im Grunde passiert kaum etwas auf den knapp 200 Seiten, es geht mehr um die Gedanken und zwischenmenschlichen Verknüpfungen, auf die Geheimnisse und Wahrheiten vor denen Luise all die Jahre die Augen verschloss. Und sie muss sich fragen, will sie ihr Erbe antreten und so werden wie die Großmutter? Oder will sie entkommen aus diesem abgelegenen Anwesen, das sie immer von anderen abgetrennt hat?

Keine der Frauen hat mich sonderlich berührt, doch die Geschichte lässt sich zügig und problemlos lesen. "Männer sterben bei uns nicht" ist kein zwingend schlechtes Buch, hat mich jedoch nicht umgehauen und die Personen haben mir leider nichts gegeben. Ich hätte mir mehr charakterliche Tiefe gewünscht, mehr Einblicke in die Familie, sodass ich ihr Wesen, ihr Fundament besser verstehen kann. Deshalb gibt es von mir eine eingeschränkte Empfehlung, kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 15.02.2023

(Ohn)Macht

Macht
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Vor Jahren gab es einen Vorfall, der Livs Leben für immer verändert hat, ein Vorfall, den sie lange nicht beim Namen nenne kann: Vergewaltigung. Sie gibt sich dem Glauben hin, die Vergangenheit hinter ...

Vor Jahren gab es einen Vorfall, der Livs Leben für immer verändert hat, ein Vorfall, den sie lange nicht beim Namen nenne kann: Vergewaltigung. Sie gibt sich dem Glauben hin, die Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben, lebt ihr Leben, sie ist glücklich mit ihren Kindern und ihrem Mann Terje. Doch immer wieder schleichen sich die Folgen in ihren Alltag ein, alltägliche Situationen machen ihr Angst und drohen sie zurück zu werfen in ein kleines Zimmer, das sie lieber verschlossen hielte. Liv ist Pflegerin und als eine neue Patientin eingeliefert wird, deren Bruder der Vergewaltigung beschuldigt war, kommt die Vergangenheit noch viel stärker zurück und Livs Leben droht auseinander zu fallen.

Mit "Macht" schildert Heidi Furre die Folgen einer Vergewaltigung ohne etwas zu beschönigen oder zu verschleiern. Die Auswirkungen auf Livs leben sind spürbar, erlebbar und doch wirkt durch Furres Schreibstil alles auch irgendwie distanziert. Liv steht mehr für ihre Geschichte, denn als eigenständige Person, sie ist eine von 10 Frauen, eine von 10 die einen Vorfall durchlebt haben, doch sie selbst ist wenig greifbar. Dadurch weckt Furre einerseits die Aufmerksamkeit, sie lenkt den Blick auf die anderen, auf alle Betroffenen, nicht nur auf einen Einzelfall. Überall könnte eine von diesen 10 Frauen stehen, vielleicht lebt sie direkt neben uns?

"Macht" ist ein wichtiges Buch, denn noch immer werden Vergewaltigungen zu oft unter dem Deckmantel des Schweigens begraben, die Scham ist zu groß, die Macht des Gegenübers zu niederschmetternd. In "Macht" geht es nicht um die Tat als solche, sondern um die Auswirkungen auf ein Leben, um die Macht, die sich alle Oper wieder zurückerobern müssen, um den Mut, die Vergewaltigung zu überleben, um den Weg, nicht mehr nur das Opfer zu sein, sondern ein(e) Überlebende(r).

Sprachlich und stilistisch hat mich Heidi Furre mit diesem Buch nicht ganz überzeugt, das Ende wirkt etwas abrupt, die Interpretation bleibt offen, doch ich sehe "Macht" als ein Buch, das für das Thema Vergewaltigung sensibilisiert und den Blick auf das Leben danach lenkt.

Veröffentlicht am 08.02.2023

In die Hölle und zurück

Wer die Hölle kennt
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Alex Stern ist zurück und vor ihr liegt ein Abstieg in die Hölle. Doch um dorthin zu gelangen, muss sie sterben.

Die Atmosphäre bleibt düster und voller Geheimnisse, es ist oft unklar, wem Alex trauen ...

Alex Stern ist zurück und vor ihr liegt ein Abstieg in die Hölle. Doch um dorthin zu gelangen, muss sie sterben.

Die Atmosphäre bleibt düster und voller Geheimnisse, es ist oft unklar, wem Alex trauen kann, wer auf ihrer Seite ist - und wer nicht. Der Schreibstil von Bardugo ist gewohnt flüssig, die Story strotzt immer wieder vor Spannung und schwarzem Humor. Sie erschafft in ihrer Geschichte rundum interessante Charaktere, sodass man ihnen gerne bis zum Schluss, in die Hölle und zurück folgt. Ich mochte auch das Setting in Yale wieder sehr, man sieht die einzelnen Gebäude förmlich vor sich und wünschte man könnte dort sein - zumindest bis wieder ein Dämon oder andere Monster auftauchen. ;)

Man könnte also sagen, "Wer die Hölle kennt" ist rundum gelungen, die Geschichte von Alex Stern ist wirklich gut erzählt, die Magie passt gut in die Welt aus Mythen und Geheimnissen hinein, versteckte Wege, rätselhafte Morde, das alles funktioniert gut und die einzelnen Personen harmonieren trotz einiger Reibereien wirklich gut. Dennoch hatte ich wie schon bei Band 1 ab und zu den Gedanken, dass es ein paar weniger Seiten auch getan hätten. Teilweise hat sich alles etwas in die Länge gezogen gefühlt. Nichtsdestotrotz hat Leigh Bardugo hier wieder ein tolles Szenario geschaffen, das ganz anders ist als ihr Grisha-Universum aber nicht weniger gut. Mit einigen kleinen Abstrichen hat mich Alex Stern sehr gut unterhalten.