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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.11.2021

Harlem

Harlem Shuffle
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Ray Carney handelt mit gebrauchten Möbelstücken und gelegentlich auch mit dem ein oder anderen Schmuckstück, dessen Herkunft er lieber nicht so genau wissen möchte. Doch eigentlich will er nichts mit den ...

Ray Carney handelt mit gebrauchten Möbelstücken und gelegentlich auch mit dem ein oder anderen Schmuckstück, dessen Herkunft er lieber nicht so genau wissen möchte. Doch eigentlich will er nichts mit den Betrügereien seines Cousins Freddy zu tun haben, weshalb er auch ausschlägt, bei dem großen Raub im Hotel Theresa dabei zu sein. Blöd nur, dass Freddy diese Absage nicht an den Boss weiter gibt und plötzlich zwielichtige Gestalten vor Carneys Tür stehen.

Anders als in vorherigen Büchern dreht es sich diesmal nicht um den Rassismus im Vordergrund sondern Whitehead nimmt die Leser mit ins Harlem der 60er Jahre. Carney ist ein herzensguter Mensch, kommt seinen Kunden immer wieder mit Ratenzahlungen und Rabatten entgegen, auch wenn dies bedeutet, dass es in seinem eigenen Leben an Geld mangelt. Dabei will er eigentlich nur seiner Frau und den Kindern ein gutes Leben bieten und eine schöne, ruhige Wohnung, raus aus dem engen und schmutzigen Haus. Doch die Stadt ist korrupt, nicht nur die Polizei wird geschmiert, auch die Kriminellen wollen einen Teil des Geldes. Das Harlem der 60er ist kein guter Platz für einen ehrlichen Menschen. Durch die Verstrickungen seines Cousins sitzt auch Carney plötzlich mittendrin in der Gaunerszene Harlems und sein groößtenteils ruhiges Händlerleben wird plötzlich zu einem echten Doppelleben, das ihn immer mehr belastet.

Wie gewohnt erzählt Whitehead gekonnt vom Leben seiner Protagonisten, er lässt das Harlem vergangener Tage mit all seinen Stars und Ganoven vor dem inneren Auge auferstehen. Drei Zeitpunkte im Leben Carneys stehen im Fokus: 1959 - 1961 - 1964; ein Zeitraum in dem aus dem gewöhnlichen Möbelhändler, ein Mann wurde, der endlich angekommen ist in der oberen Schicht, doch die Situaton in Harlem hat sich zugespitzt und gipfelt in Mord und Aufständen.

Vielleicht lag es am Hörbuch aber die Geschichte um Ray Carney konnte mich nicht so packen wie Vorgänger des Autors. Die Handlung empfand ich stellenweise als langatmig und manchmal schwer zu verfolgen. Die Personen hatten mir anfangs zu wenig Wiedererkennungsmerkmale, so dass ich manchmal überlegen musste, von wem gerade die Rede ist auch wenn ich sagen muss, dass Richard Barenberg wirklich fantastisch liest. Dennoch ist es eine gute Studie der damaligen Zeit, die durchaus wie von Whitehead gewohnt, sozialkritisch auf das Leben und die Lebensumstände und natürlich auch den immer vorherrschenden Rassismus. Polizeitgewalt, soziale Unterschiede, Diskriminierung, Drogen und Kriminalität sind die Hauptpunkte Carneys Geschichte, doch manchmal drängte sich mir das Ganovenleben zu sehr in den Vordergrund.

Harlem Shuffle ist eine sehr gut ausgearbeitete Milieustudie und Liebeserklärung an Harlem, das sich als Hörbuch wirklich angenehm hören lässt. Dennoch konnte mich die Geschichte um Ray Carney nicht 100% überzeugen.

Veröffentlicht am 26.10.2021

Monster und Magie

The Stranger Times
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Hannah Drinkwater hat ein recht ereignisreiches Jahr hinter sich, von der braven Gattin des reichen Mannes zur geschiedenen jungen Frau, die bei ihrem ehemaligen Dienstmädchen lebt. Deswegen heißt sie ...

Hannah Drinkwater hat ein recht ereignisreiches Jahr hinter sich, von der braven Gattin des reichen Mannes zur geschiedenen jungen Frau, die bei ihrem ehemaligen Dienstmädchen lebt. Deswegen heißt sie jetzt auch wieder Hannah Willis und ist auf der Suche nach einem Job. Mit mangelhaftem Lebenslauf gestaltet sich das jedoch eher schwierig, weshalb die Stelle bei der Stranger Times ihre letzte Hoffnung ist. Dort ist sie umgeben von ihrem cholerischen Chef, der tiefgläubigen Empfangsdame Grace, der rebellischen Teenagerin Stella, dem Drucker Many und den beiden Hauptmitarbeitern Ox (der an UFOs aber nicht an Geister glaubt) und Reginald (der an Geister aber nicht an UFOs glaubt). Was zunächst wie ein furchtbar Haufen aus Verrückten wirkt, wächst Hannah schnell ans Herz und als ein Unglück geschieht, macht sich die Truppe der Stranger Times daran den Fall aufzuklären. Und stellt dabei fest, dass es Monster und Magie wirklich gibt.

Ich war ja zunächst sehr skeptisch und unentschlossen, als ich gesehen habe, dass CK McDonnell ein irischer Stand-up-Comedian ist, da ich mit offensichtlichem Humor in Büchern oft so meine Probleme habe. Da es aber eigentlich genau nach meinem Geschmack klang, wollte ich dem ganzen doch eine Chance geben. Und taadaa, ich wurde nicht enttäuscht.

Es fängt alles eher gemächlich an, man lernt zusammen mit Hannah die Mitarbeiter der Stranger Times kennen und findet sich so langsam zurecht. Doch viel passieren tut eigentlich vordergründig nicht, weswegen ich zwischendurch etwas gelangweilt aber dennoch interessiert weiter las. Irgendwann wendet sich das ganze, es passieren seltsame Dinge, Menschen sterben und werden entführt, ein Monster läuft durch die Nacht und ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

CK McDonnell hat ein Talent, seine Figuren zu schreiben, die zwar etwas überzeichnet erscheinen können, mir aber sehr gut gefallen haben. Alles wirkte sehr britisch aber der Humor war für mich genau richtig. Die Mitglieder der Stranger Times wirken auf den ersten Blick etwas ruppig und distanziert, sind auf den zweiten (oder dritten) aber durchaus liebenswerte Menschen, die alle irgendwie in dieser Zeitung des Absurden und Unerklärlichen gestrandet sind. Die Handlung an sich ist grob umrissen ein klassischer Kriminalfall, der jedoch durch die eine oder andere übernatürliche Stolperfalle gehörig durchgeschüttelt wird.

Mit seinem sehr flüssigen und leichten Schreibstil hat McDonnell es so geschafft, mir eine gelungene Abwechslung vom grauen Alltag zu ermöglichen. "The Stranger Times" die Zeitung für alles was nicht so ist, wie gewohnt, für alle Spinner und Gläubigen, ist perfekt für einen gemütlichen Tag, wenn es draußen regnet und man sich eine Auszeit wünscht. Ich hatte trotz des etwas (zu) gemächlichen Einstieg sehr viel Spaß beim Lesen!

Veröffentlicht am 30.09.2021

DAFUQ?

DAFUQ
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Anja ist politisch aktiv, auf einer nichtgenehmigten Demo gegen Korruption in der Regierung wird sie verhaftet und anschließend zu 10 Tagen Arrest verurteilt. Mit ihr in der Zelle sind 5 andere junge Frauen, ...

Anja ist politisch aktiv, auf einer nichtgenehmigten Demo gegen Korruption in der Regierung wird sie verhaftet und anschließend zu 10 Tagen Arrest verurteilt. Mit ihr in der Zelle sind 5 andere junge Frauen, alle wegen mehr oder weniger kleinen wegen Ordnungswidrigkeiten.

Mit DAFUQ bringt Kira Jarmysch den Lesenden das Leben dieser 6 Frauen näher, wenn auch nur teilweise. Denn so richtig kennen lernt man sie nicht. Sie erzählen episodenhaft aus ihrer Vergangenheit, teilen ihre Ansichten miteinander und streiten auch des Öfteren darüber. Doch mir als Leserin kommen sie dabei irgendwie nicht näher. Es klingt immer wieder Kritik an der Politik Russlands und insbesondere der Arrestsituation an, auch die Unterdrückung der Frau und mitunter Willkür der machthabenden Männer werden thematisiert. Leider geht beides oft unter in vermeintlich witzigen Episoden und einem seltsamen Abdriften ins Übernatürliche. Auch den Sinn der Dreiecksgeschichte in Anjas Vergangenheit habe ich nicht wirklich verstanden, es scheint sie zu belasten, blieb mir beim Lesen aber zu vage und hätte ich nicht gebraucht. Generell waren die Szenen der Gegenwart interessanter als das was Anja in ihren Gedanken resümiert.

Kira Jarmysh ist Pressesprecherin und Assistentin des russischen Oppositionsführers Alexei Nawalny. Um Politik geht es hier jedoch eheram Rande, viel mehr sind es Ausschnitte aus dem Leben 6 Frauen, die in der Langeweile der Arrestzelle hauptsächlich in ihren vergangenen und aktuellen Liebschaften schwelgen und Episoden aus ihrer Vergangenheit darlegen. Zwischendurch erhascht man einen Blick auf den Alltag im Arrest und die Wachhabenden, die teils regelkonform, teils teilnahmslos ihrer Arbeit nachgehen.

Der Schreibstil ist recht nüchtern, was vermutlich auch dazu beiträgt, dass mich die Geschichte nicht so richtig packen konnte. Es passt zwar zur Eintönigkeit in der Arrestzelle, schafft es jedoch nicht mein Interesse zu wecken. Man kann es gut lesen aber zwischendurch, v.a. wenn Anja in Gedanken versinkt, war es auch sehr ermüdend.

Am Ende weiß ich nun nicht so recht, was ich mit diesem Buch anfangen soll und werde wohl gedanklich schnell zu einer anderen Geschichte weiter gehen. Was am Anfang ziemlich vielversprechend klang, lässt mich nach der Lektüre leider ernüchtert und etwas ratlos zurück.

Veröffentlicht am 25.09.2021

Sehr bewegend

Der Mauersegler
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Jakob hat Blasenkrebs, aggressiv und schnellwachsend. Sein bester Freund Prometheus ist Onkologe und wird bald eine Patientenstudie zu einer neuen und bisher aussichtsreichen Therapieform beginnen. Trotz ...

Jakob hat Blasenkrebs, aggressiv und schnellwachsend. Sein bester Freund Prometheus ist Onkologe und wird bald eine Patientenstudie zu einer neuen und bisher aussichtsreichen Therapieform beginnen. Trotz Bedenken nimmt Prometheus seinen besten Freund in die Studie auf und plötzlich wird das Gelingen der Studie noch viel wichtiger und Prometheus setzt alles daran. - Schnitt. - Prometheus sitzt im Auto, verzweifelt, auf der Flucht, strandet hinter der dänischen Grenze im Meer. Dort trifft er auf Helle, Aslaug und ihre Ponys, die ihn bei sich aufnehmen.

Ich gebe zu, ich war ein kleines bisschen skeptisch vor der Lektüre. Die bisherigen Bücher von Jasmin Schreiber wurden angepriesen mit ihrem feinen Humor, was viele Leser begeistert. Für mich sind solche Bücher jedoch oft nichts. Dennoch hatte mich die Leseprobe von "Der Mauersegler" auf eine Art für sich eingenommen, dass ich es lesen wollte. Und ich wurde in großen Teilen nicht enttäuscht.

Jasmin Schreiber hat hier eine sehr ergreifende Geschichte über Freundschaft, Schuld und Verzeihen geschrieben. Die Verbindung zwischen Jakob und Prometheus ist äußerst tragisch, berührend und tränenreich. Nur langsam erschließt sich beim Lesen das ganze Bild, die ganze Katastrophe, vor der Prometheus davon läuft. Er ist voller unterdrückter Trauer, die überlagert wird von der Schuld und den Selbstvorwürfen, versagt zu haben. Schreiber erzählt das alles sehr ruhig und ganz ohne (den von mir gefürchteten) erzwungenen Humor.

Die Geschichte ist gegliedert in zwei Erzählstränge. Einerseits die Handlung um Jakob und Prometheus, in der sich die Freundschaft der beiden in episodenhaften Abschnitten entfaltet. In der Gegenwart steht die Handlung um Helle und Aslaug, die mich jedoch ab der Hälfte etwas genervt hat. Der Ponyhof und die 'Therapie' für Prometheus war mir zu klischeehaft und gewollt. Das alles läuft nach dem Motto "geh in die Natur, stell dich deinem Trauma und setz dich mit deiner Scjuld auseinander". Das hat mich irgendwann gelangweilt und war einfach nicht sonderlich interessant. Da beide Handlungstränge jedoch immer abwechselnd und sehr verwoben miteinander erzählt werden, habe ich gerne weiter gelesen. Und trotz einiger Klischees habe ich am Ende ein klitzekleines Tränchen verdrückt.

Als Fazit bleibt mir zu sagen, dass "Der Mauersegler" ein ergreifendes Buch über Freundschaft, Krankheit und Trauer ist, dass mir trotz einiger Klischees wirklich gut gefallen hat.

Veröffentlicht am 14.09.2021

Sie sind zurück!

Die Rückkehr der Zwerge 1
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100 Zyklen sind vergangen seit wir zuletzt etwas von den Zwergen und dem Schicksal des Geborgenen Landes hörten. Doch nun sind sie zurück mit einem sagenhaften Fund. Goïmron aus dem Stamm der Vierten ist ...

100 Zyklen sind vergangen seit wir zuletzt etwas von den Zwergen und dem Schicksal des Geborgenen Landes hörten. Doch nun sind sie zurück mit einem sagenhaften Fund. Goïmron aus dem Stamm der Vierten ist ein miserabler Gemmenschnitzer und interessiert sich viel mehr für alte Aufzeichnungen und Artefakte. Als er zufällig ein altes Notizbuch findet ist er natürlich sofort Feuer und Flamme. Als ihm dann auch noch klar wird, dass dieses von Tungdil Goldhand, dem größten Helden der Zwergengeschichte, höchstpersönlich verfasst wurde, steht für ihn fest, er muss Goldhand suchen. Und mit seiner Hilfe die Stämme wieder vereinen und zu alter Größe führen. Natürlich gestaltet sich diese Suche alles andere als einfach, denn nicht alle sind so begeistert wie er von dem Gedanken an Goldhands Rückkehr. Dennoch kann er eine kleine Gruppe überzeugen und so begibt sich eine recht durchmischte Schar aus Zwergen, Elben und Menschen auf die Reise ins Graue Gebirge.

Ach was habe ich mich gefreut als ich in den Vorschauen gesehen habe, dass Markus Heitz seine Zwerge wieder auferstehen lässt. Ich bin ein großer Fan von Zwergen und Albae und habe die bisherigen Bücher verschlungen. Und auch nach ihrer Rückkehr haben mich die Kleinen sofort wieder in ihren Bann gezogen und ich bin mit großer Spannung ihren Heldentaten und Abenteuern gefolgt.

Der Schreibstil ist wie von Heitz gewohnt flüssig und sehr flott zu lesen. Er schafft es sowohl grandiose Kampfszenen zu schreiben als auch ruhigere Momente und die Gefühle seiner Figuren zu vermitteln. Man trifft einige wenige alte Bekannte, überwiegend treten jedoch neue Figuren, Helden und Gegner auf den Platz. So ist es auch für neue Leser ein leichtes in die Geschichte hineinzufinden, da ein Vorwissen nicht benötigt wird. Heitz zeigt oft seine Liebe zum Detail, er beschreibt sehr interessant die Erfindungen und Entwicklungen, gepaart mit Informationen zu Edelsteinen oder auch einfach nur schöne Landschaftsbeschreibungen. Dabei wird einem aber nie langweilig, sondern man lauscht interessiert. Was ich immer wieder toll finde in den Zwergen-Büchern ist, die Tiefe, die auch die gegnerischen Fraktionen bekommen, so gibt es auch hier wieder teilweise Handlungsstränge, die die Bösewichte besser beleuchten und sie sehr interessant machen.

"Die Rückkehr der Zwerge" ist in mehrere paralell verlaufende Handlungsstränge gegliedert. Nicht alle Handlungsstränge und Figuren sind dabei gleich spannend oder interessant gewesen, ich bin jedoch gespannt oben eben jene im zweiten Teil vielleicht eine größere Rolle spielen werden. Die Reise ins Graue Gebirge war jedoch unglaublich spannend geschrieben und Goïmron ist ein toller Charakter, der im Laufe des Buches beginnt über sich hinauszuwachsen. Manchmal war er mir etwas zu 'jammernd' doch überwiegend entwickelt er sich wirklich großartig. Ich hätte über einige andere gerne noch mehr erfahren, hoffe aber nun, dass sie im Laufe der Fortsetzung noch mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Heitz hatte auf einer Lesung angekündigt, dass es am Ende einen bösen Cliffhanger geben wird und er hatte sowas von Recht. Er hätte sich kaum eine bessere und gleichzeitig schlechtere Stelle aussuchen können, so dass ich nun brennend auf die Fortsetzung warte. ;)