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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.05.2021

Naja

Der Junge, der das Universum verschlang
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Der 11-jährige Eli und sein großer Bruder August wachsen nicht wie andere Kinder auf. Nachdem der Vater die beiden Kinder absichtlich oder unabsichtlich betrunken in einen See fährt und sie fast ertrinken, ...

Der 11-jährige Eli und sein großer Bruder August wachsen nicht wie andere Kinder auf. Nachdem der Vater die beiden Kinder absichtlich oder unabsichtlich betrunken in einen See fährt und sie fast ertrinken, haut die Mutter mit ihnen ab. Sie hat einen neuen Freund, der gut mit den beiden Jungs zurecht kommt, doch blöderweise ist er Drogendealer. August spricht nicht mehr seit seinem Unfall sondern schreibt die Sätze nur noch in die Luft und Elis bester Freund wird sein Babysitter und Ex-Häftling Slim, der die beiden Jungs Briefe ins Gefängnis schreiben lässt um den Häftlingen das Leben außerhalb der Mauern näher zu bringen.

Klingt alles ziemlich wirr aber mit viel Potential. Doch letzteres wurd leider nicht so richtig ausgeschöpft. Schon recht schnell zeigt sich, dass Dalton sehr ausschweifig schreibt. Eli, der Kriminaljournalist werden möchte, wird bei einem Vorstellungsgespräch einmal wie folgt beschrieben:
"Allerdings bist du ein geborener Farbenschreiber." - "Ein Farbenschreiber?" - "Ja, ein beschissener Farbenschreiber", sagte er. "Der Himmel war blau. Das Blut war burgunderrot. Alex Bermudez' verdammtes Motorrad, auf dem er von zu Hause ausbüxt, war gelb. Du stehst auf all diese kleinen Details. Du schreibst keine Nachrichten. Du malst hübsche Bilder."
So in etwa ist auch Daltons Schreibstil, was vielleicht auch daran liegt, dass er alles aus Elis Sicht erzählt. Das klingt zwar manchmal ganz hübsch, war mir aber in großen Teilen des Buches zu viel, zu ausführlich, zu detailreich. Dalton schreibt keineswegs schlecht, aber ein paar weniger Sätze und ein paar weniger Seiten hätten mir bei diesem Buch wahrscheinlich besser gefallen. Immer wieder verschiebt er auch die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, doch leider hat das für mich hier nur bedingt gepasst. Das magische und besondere der beiden Brüder kam leider nicht bei mir an und es blieb beim anfänglichen wirren Eindruck

Leider bin ich auch mit den Figuren nicht richtig warm geworden. Obwohl Eli ziemlich genau beschreibt, wie er sich seinen Mitmenschen gegenüber fühlt, konnte ich absolut keine Bindung zu ihnen aufbauen. Es ist zwar nicht so, dass man sie verwechselt o.ä. aber es war mir schlichtweg egal, was sie machen. Auch Eli selbst und was er so alles furchtbares erlebt - denn furchtbar ist seine Kindheit so manches Mal, man hat das Gefühl, er zieht Unglück irgendwie an - konnte mich überhaupt nicht berühren. Viel interessanter fand ich da seinen Bruder August aber der huscht leider immer nur am Rande des Blickfelds vorbei, selbst wenn er eigentlich gerade aktiv an der Handlung teilnimmt. Bis ich etwa das letzte Viertel erreicht hatte, war ich immer wieder kurz davor, das Buch abzubrechen und hätte es nicht so viele begeisterte Rezensionen anderer Leser gegeben, hätte ich das sicherlich auch getan. So wollte ich dann aber doch wissen, ob da noch was interessantes kommt. Und es kam was, zumindest in Teilen.

Eli und August lieben ihre Mutter über alles und würden auch alles für sie tun. Sie sorgen sich um sie und egal was sie macht oder sagt, sie halten immer zu ihr. Diese familiäre Liebe fand ich wirklich sehr toll herausgearbeitet und an dieser Stelle hat mir auch Daltons Ausschweifigkeit gar nichts ausgemacht, denn die Gefühle hat er zauberhaft beschrieben. Das letzte Viertel wurde dann auch noch richtig spannend, es geht rasant voran, die Handlung wird zum ersten Mal wirklich interessant und hat etwas von einem spannenden Krimi, so dass ich das Buch am Ende dann tatsächlich kaum aus der Hand legen konnte. Doch das reicht dann leider auch nicht um über die großen Durststrecken im Anfangs- und Mittelteil hinwegzutrösten und so endet es für mich mit mittelguten 2,5 Sternen.

Veröffentlicht am 21.05.2021

Es gibt besseres

Die Erfindung der Welt
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Aliza Berg, mehr oder minder erfolgreiche Autorin bekommt eines Tages einen mysteriösen Brief, unterzeichnet nur mit G. Sie soll nach Litstein reisen und sort ein Buch über das Leben schreiben, doch nicht ...

Aliza Berg, mehr oder minder erfolgreiche Autorin bekommt eines Tages einen mysteriösen Brief, unterzeichnet nur mit G. Sie soll nach Litstein reisen und sort ein Buch über das Leben schreiben, doch nicht über das Leben in Litstein selbst sondern über das Leben im unbewohnten Morast hinter dem Ort. Zunächst skeptisch kann sie sich der enormen Geldsumme nicht verschließen und ein Blick auf die Menschen und die Gefend schadet doch sicherlich nicht.

Die Leseprobe hat mich direkt in ihren Bann geschlagen, Alizas Art ihre Umgebung zu analysieren, ihre Art sich auszudrücken hat mir sehr gefallen. Alles klang vielversprechend. Leider kam auch recht schnell die Ernüchterung. Der Schreibstil hat mir noch immer größtenteils gefallen, doch der Autor verzettelt sich auch oft in Nebensächlichkeiten oder langatmigen Szenerien.

Es gab so einige sehr gute Momente, voller Poesie und philosophischen Ansätzen. Momente, die berühren und zum Nachdenken anregen. Nur leider bleiben solche Momente eher ind er Unterzahl und die durchaus vielversprechenden und interessanten Figuren erhalten zu wenig Tiefe. Man hat das Gefühl, an der Oberfläche ihrer Charaktere zu kratzen ohne wirklich weiter vorzudringen. Auch Aliza selbst verliert sich immer mehr im Nirgendwo, sie wird weniger greifbar, weniger echt.

"Die Erfindung der Welt" ist unumstritten gut geschrieben, doch am Ende fragt man sich "Und jetzt?" Der Roman über das Leben hat es nicht geschafft, nachzuklingen, zu bewegen, es bleibt bei distanzierten Momentaufnahmen und undurchdringlichen Figuren, weswegen ich auf lange Sicht nicht viel daraus mitnehmen werde. Ein Roman über das Leben, den ich wirklich gerne mögen wollte, der mich aber leider nicht richtig überzeugen konnte.

Veröffentlicht am 17.05.2021

Familie

Sturmvögel
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Mittlerweile ist Emmy fast 90 und kann auf ein bewegtes und ereignisreiches Leben zurück blicken. Aufgewachsen auf einer kleinen Nordseeinsel wird das aufgeweckte und wissbegierige Mädchen von der Großmutter ...

Mittlerweile ist Emmy fast 90 und kann auf ein bewegtes und ereignisreiches Leben zurück blicken. Aufgewachsen auf einer kleinen Nordseeinsel wird das aufgeweckte und wissbegierige Mädchen von der Großmutter als undankbare Göre bezeichnet. Nach dem Krieg und Tod der Eltern ist das gewohnte Leben vorbe, sie wird von ihren Geschwistern getrennt und soll als Dienstmädchen nach Berlin. Auch dort wird sie von der Hausherrin und deren Tochter als ungebildet und schmutzig bezeichnet und als Abschaum behandelt. Als sie Hauke kennen lernt und schwanger wird, steigt sie auf in die vornehme Gesellschaft Berlins, doch sie fühlt sich nie wirklich richtig in diesen Kreisen, die ihr verbieten wollen, so zu sein, wie sie will. Kurz vor ihrem Geburtstag entdecken ihre Kinder im Keller alte Dokumente und plötzlich erscheint die Vergangenheit ihrer Mutter in einem ganz anderen Licht und zwei ihrer Kinder sehen sich schon im Geld schwimmen. Doch Emmy hat eigene Pläne.

Ich hatte ehrlich gesagt gar keine allzu großen Erwartungen, das Cover und der Titel weckten bei mir das Gefühl einer leichten Lektüre. Und sprachlich liest es sich auch wirklich sehr leicht und flüssig aber ohne dabei irgendwie belanglos zu wirken. Mit sehr schönen Worten webt Manuela Golz eine sehr berührende Familiengeschichte, aber v.a. schildert sie ein sehr bewegtes Leben einer mutigen Frau, die sich nicht verbiegen lässt und so lebt, wie sie ist. Sie liebt und leidet und gibt doch nie auf, das hat mir sehr gut gefallen. Sehr einfühlsam und menschlich schreibt Golz ihre Geschichte.

"Sturmvögel" ist aufgeteilt in zwei Erzählstränge: In Rückblenden erfährt man von Emmys Kindheit und ihrem Aufwachsen, von ihrer Zeit in Berlin und schließlich auch vom Krieg. Man geht mit ihr durchs Leben um schließlich in der Gegenwart mit dem zweiten Erzählstrang zusammen zu kommen. Ihre Kinder sind mittlerweile festgefahren in ihren eigenen Lebensumständen, die Beziehungen sind teilweise geprägt von Neid und Geschwisterrivalität und so kommt es immer wieder zu Spannungen. Und zwischen allem steht Emmy, die auch im Alter noch ihre Träume verwirklichen möchte und sich gleichzeitig um ihre Kinder sorgt. Ich fand wirklich alle Figuren sehr glaubhaft und vielschichtig. Man kann sich in ihnen wiederfinden.

Abschließend bleibt nur zu sagen, dass "Sturmvögel" eine berührende Lebens- und Familiengeschichte voller Höhen und Tiefen ist, in denen die Menschen verbunden sind durch Liebe und Hoffnung auch wenn es Streitereien gibt.

Veröffentlicht am 12.05.2021

Eine besondere Geschichte

Schlief ein goldnes Wölkchen
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Erstmals 1987 erschienen, machte es Anatoli Pristawkin bekannt. Dieses Jahr ist es im Aufbau Verlag in aktualisierter und überarbeiteter Übersetzung neu erschienen. Ich muss gestehen, mir war das Buch ...

Erstmals 1987 erschienen, machte es Anatoli Pristawkin bekannt. Dieses Jahr ist es im Aufbau Verlag in aktualisierter und überarbeiteter Übersetzung neu erschienen. Ich muss gestehen, mir war das Buch vorher kein Begriff, doch der Klappentext hat mich sehr angesprochen. Es geht um die beiden Zwillinge Saschka und Kolka, die unzertrennlich sind und im Waisenhaus aufwachsen. Das Leben ist geprägt von Hunger und Verzicht. Sie halten stets zusammen, sie sind wie eine Person, einer der Kopf und einer der Körper. 1944 werden sie zusammen mit 500 anderen Kindern in den Kaukasus geschickt um dort die Gegend zu besiedeln. Doch die dort lebenden Tschetschenen setzen sich mit aller Macht zur Wehr.

Saschka und Kolka sind zwei unglaubliche Kinder, ich hab sie direkt in mein Herz geschlossen. Sie sind mutig, halten zusammen und haben mich so manches Mal zum Schmunzeln gebracht. Pristawkin beschreibt das Leben der beiden, den Hunger und was er in den Kindern auslöst, auf sehr eindringliche Weise. Man hat fast das Gefühl selbst dort in diesem Waisenhaus zu sein. Dennoch blieb mir die Geschichte im Allgemeinen etwas fern.

Das hat sich jedoch nach und nach geändert, nachdem sie im Kaukasus angekommen sind. Die Sinnlosigkeit der Kriege und der Kämpfe werden aus Kindersicht so schonungslos gezeigt, dass man sich fragt, warum kommen da die Leute, die das sagen haben, nicht drauf? Das letzte Drittel hat mich dann schließlich zu Tränen gerührt, was die beiden durchmachen müssen ist so traurig, berührend und erschütternd und es sollte eigentlich niemand erleben müssen.

"Schlief ein goldnes Wölkchen" ist ein ganz besonderes Buch, das das Schicksal dieser Kinder in sehr emotionaler Weise beschreibt. Es ist ein Buch, das die Kriege anprangert und mit Kinderaugen auf eine Welt voller Entbehrungen und Bedrohungen blickt. Kurz: Es ist ein Buch vom Überleben.

Veröffentlicht am 12.05.2021

Jahreshighlight

Der Tod des Vivek Oji
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Eines Tages liegt Vivek tot vor der Tür seiner Eltern, vollkommen nackt. Seine Mutter versucht zu begreifen, was passiert ist und so befragt sie seine Freunde. Doch die schweigen um ihn und sich selbst ...

Eines Tages liegt Vivek tot vor der Tür seiner Eltern, vollkommen nackt. Seine Mutter versucht zu begreifen, was passiert ist und so befragt sie seine Freunde. Doch die schweigen um ihn und sich selbst zu schützen.

Vivek war schon immer anders, er hatte früher Ohnmachtsanfälle und Aussetzer, bei denen er nicht ansprechbar ins Leere starrt.

Nach und nach erfährt man in Rückblicken mehr über Viveks Vergangenheit. Langsam eröffnet sich ein Bild von einem sensiblen jungen Mann, der versucht zu sich selbst zu finden ohne sich verstellen zu müssen.

"Der Tod des Vivek Oji" ist ein sehr emotionales und berührendes Buch über Vertrauen, Treue und den Mut zu seiner eigenen Identität zu stehen. Mit unglaublich toller Sprache erweckt Akwaeke Emezi ihre Figuren zum Leben. Sehr atmosphärisch schildert sie die Szenen in Viveks Leben. Immer wieder lässt sie auch ihn in kurzen Abschnitten aus dem Jenseits das Geschehen zu Wort kommen. Vivek war ein Junge, der unter der Gesellschaft leidet, der sich in sich selbst zurück zieht und nur durch die Hilfe seiner Freunde wieder ins Leben zurückkehren konnte. Emezis Geschichte ist voller Liebe und Zuneigung, es geht um erste sexuelle Erfahrungen, um die Liebe zur Familie und zu seinen Freunden, es geht um Geschlechterrollen und den Wunsch sich daraus zu befreien. Es geht um verbohrte Traditionen um Scham und Angst zu seiner Liebe und sich selbst zu stehen aber auch um den Mut, Grenzen zu überwinden.

Vivek Oji ist schon jetzt ein Jahreshighlight!