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Veröffentlicht am 12.05.2021

Monster?

Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte
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Linus Baker arbeitet bei der Behörde für die Betreuung magischer Minderjähriger, eine Art Jugendamt für alle Kinder und Wesen die anders sind als die gewöhnlichen Menschen. Er ist der Inbegriff des braven ...

Linus Baker arbeitet bei der Behörde für die Betreuung magischer Minderjähriger, eine Art Jugendamt für alle Kinder und Wesen die anders sind als die gewöhnlichen Menschen. Er ist der Inbegriff des braven Beamten, der stets objektiv bleibt, sich an die Regeln aus dem Wälzer "Vorgaben und Verordnungen" hält und die Distanz zu seinen Fällen wahrt. Beste Vorraussetzungem für einen Spezialauftrag denkt sich das höchste Management. Linus macht sich also zusammen mit seiner Katze Calliope, seinem Pyjama mit Monogramm und natürlich seinem geliebten Regelwerk auf den Weg zum Waisenhaus von Mr. Parnassus, auf einer kleinen Insel am Meer.

Dort trifft er nicht nur auf die Kinder sondern natürlich auch auf Mr. Parnassus höchstpersönlich, sowie eine Inselelementarin, die mit Argusaugen über ihre Schützlinge wacht. Über die Kinder möchte ich an dieser Stelle nicht viel mehr verraten, da es mir sehr viel Spaß gemacht hat, sie zusammen mit Linus zu entdecken. Doch so viel sei gesagt, Linus fand sie sehr furchteinflösend, er kam dem Boden so manches Mal vor Schreck ziemlich nahe. Nur langsa und sehr widerwilig gewöhnt er sich an seine neue Umgebung und die Menschen und Wesen darin.

TJ Klune hat einen herausragenden Schreibstil voller Witz und Überraschungen ohne dabei die nötige Tiefe zu verlieren. Schon lange hat mich ein Buch nicht mehr so zum Lachen gebracht beim Lesen. Jede Figur ist etwas ganz Besonderes, sehr vielschichtig und charakterilicher Tiefe, die ich in so manchn Büchern vermise. Klune denkt wirklich an jede Figur. Zusammen mit Linus entdeckt man so ihre Eigenheiten, ihre Träume und Wünsche und ihre Liebenswürdigkeit. Die Kinder wurden weggesperrt, weil sie anders sind, man hat ihnen eingeredet, dass sie böse sind, dass sie Monster sind, die eine Gefahr für alle anderen darstellen. Aber eigentlich sind sie einfach nur Kinder, die sich nach Liebe und Familie sehnen.

Auch wenn ich von den Kindern und anderen Figuren wirklich rundum begeistert war, hat mir am Ende trotzdem etwas gefehlt um ein Highlight zu werden. V.a. den Anfang empfand ich als etwas langweilig, generell war Linus für mich der schwächste Charakter. Irgendwie konnte ich zu ihm keine wirkliche Bindung aufbauen und er war mir fast schon ein bisschen zu überzeichnet. Ab der Hälfte etwa baut Klune eine, zugegebenermaßen sehr zarte und rührende, Liebesgeschichte ein, die es für mich nicht gebraucht hätte. "Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte" ist ein wundervolles Buch über Freundschaft und Anderssein, für mein Empfinden hätte es dabei bleiben sollen. Der Liebesaspekt war mir etwas zu vorhersehbar aber im Endeffekt hat es mich auch nicht allzu sehr gestört.

Mr. Parnassus zeigt uns in diesem Buch, dass jeder das Recht hat so zu sein, wie er will und dass man sich nicht von dem klein kriegen lassen sollte, was andere über einen denken. Jeder kann seinen Lebensweg selbst bestimmen, jeder hat eine Chance verdient, egal wie man aussieht oder für was man steht. Sein Heim ist eine Hommage an Wahlfamilien, Freundschaft, Zusammenhalt und ein Leben voller Toleranz und Hoffnung.

Veröffentlicht am 06.05.2021

Vergangenheit

Die Geschichte von Kat und Easy
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Kat und Easy sind unzertrennlich, sie erleben alles gemeinsam und haben den Sommer ihres Lebens. Sie machen ihre ersten Erfahrungen mit Sex, Drogen und Alkohol und auch mit der Liebe. Sie werden für immer ...

Kat und Easy sind unzertrennlich, sie erleben alles gemeinsam und haben den Sommer ihres Lebens. Sie machen ihre ersten Erfahrungen mit Sex, Drogen und Alkohol und auch mit der Liebe. Sie werden für immer Freundinnen bleiben, davon sind sie überzeugt. Aber es kommt anders als geplant und aus einem ganzen Leben wird lediglich ein Jahr. Bis sie sich viele Jahre später wieder treffen.

Abwechselnd erzählt Susann Pásztor die Geschichte von Kat und Easy in der Gegenwart und der Vergangenheit. Als Leser springt man hin und her zwischen dem Laustedt der 70er und dem Kreta der Gegenwart und deckt so nach und nach die Geschichte eines Sommers auf. Kat und Easy sind sehr unterschiedlich und vielleicht verbindet sie gerade das. Easy, die Dorfschönheit, die zunächst schüchtern und etwas naiv daher kommt und Kat, die Brillenschlange, die mutig ist und Bescheid weiß vom Leben. Aber es zeigt sich nach und nach, dass die Rollenverteilung gar nicht so festgefahren ist wie sie zunächst scheint, vielmehr ist auch Kat verletzlich und gar nicht so abgebrüht, wie sie auf andere wirkt. Und dann ist da natürlich noch Fripp, der gutaussehende junge Mann, der ihnen den Kopf verdreht und der die Freundschaft der beiden auf die Probe stellt.

Den Wechsel aus Gegenwart und Vergangenheit ist Pásztor gut gelungen, wie ich finde. Oftmals kann ein ständiger Wechsel irgendwann nerven, weil man das Gefühl hat, nicht weiter zu kommen oder zu oft aus dem Geschehen gerissen zu werden. Pásztor jedoch verknüpft die beiden Erzählstränge gut, sie verwebt sie durch die Gedanken und lässt sie ineinander übergreifen was das ganze zu einem funktionierenden Gesamtbild verknüpft. Die Vergangenheit wird zwar nur stückchenweise offenbart und man muss sich viel selbst zusammenreimen, doch das hat mich nicht weiter gestört. Viel mehr hat es mich dazu gebracht, weiter zu lesen, da man irgendwann auch wissen möchte, ob die eigenen Vermutungen zutreffen. In die beiden Hauptpersonen Kat und Easy konnte ich mich sehr gut hineinversetzen, lediglich die Nebenfiguren blieben bis zum Schluss etwas blass.

"Die Geschichte von Kat und Easy" ist ein ganz wunderbarer Roman über Freundschaft, über die Dorfjugend in den 70ern, über erste Erfahrungen und Enttäuschungen und auch über die Liebe und die Diskrepanz zwischen dem jugendlichen Ich und der erwachsenen Frau, die man irgendwann wird. Die Grundidee des Buches ist sicherlich keine neue und das große Geheimnis auch etwas unspektakulär und vorhersehbar. Dennoch habe ich Pásztors Roman wirklich sehr gerne gelesen, da sie auf einfühlsame Weise das Wesen von Kat und Easy einfängt und den Leser mitnimmt in eine Geschichte, die zwar nicht nur positives bereit hält, die mich jedoch mit einem wohligen Gefühl zurück lässt. "Die Geschichte von Kat und Easy" war für mich ein Erlebnis, das mich mitnimmt in eine Zeit, die mir unbekannt ist und gleichzeitig auf die Reise schickt, in die wundervolle Natur Kretas. Pásztor hat einen sehr flüssigen und leichten Schreibstil, der perfekt ist um abzutauchen und den eigenen Alltag für eine Weile zu vergessen. Dieses Buch ist genau richtig, wenn man etwas braucht, was einen nicht mit tiefschürfenden Gedankengängen herausfordert und das dennoch so viel mehr ist als ein leichter Roman.

Veröffentlicht am 04.05.2021

Hannah Arendt

Was wir scheinen
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Mit "Was wir scheinen" nimmt Hildegard E. Keller den Leser mit auf eine Reisen in die Vergangenheit von Hannah Arendt. Arendt selbst ist wohl den meisten ein Begriff, doch vieles war zumindest mir auch ...

Mit "Was wir scheinen" nimmt Hildegard E. Keller den Leser mit auf eine Reisen in die Vergangenheit von Hannah Arendt. Arendt selbst ist wohl den meisten ein Begriff, doch vieles war zumindest mir auch nur vage bekannt. Keller schickt die jüdische Theoretikerin, Philosphin und Journalistin hier 1975 in einen letzten Urlaub in das Tessiner Dorf Tegna. Dabei komme ihr allerhand Erinnerungen an ein bewegtes Leben, v.a. auch an den Eichmann-Prozess 1961 und ihr anschließendes Buch, aber auch an Freunde und Verwandte.

Keller wirft hier mit Informationen zu Hannah Arendt nur so um sich, doch ohne Vorwissen waren v.a. Hannahs Bekannte, die sie (logischerweise) nur mit dem Vornamen anspricht, für mich v.a. am Anfang nur schwer zuordenbar. Diese Informationsflut schildert Keller allerdings mit einer solch tollen und einnehmenden Sprache, dass ich "Was wir scheinen" wirklich gerne gelesen habe. Sprachlich sind diese fast 600 Seiten ein Genuss! Dennoch braucht man Ruhe und Geduld um dieses Buch in seiner Gesamtheit zu erfassen und keine der Informationen zu verpassen.

Nicht alles was sie schildert, ist wirklich so passiert, "Was wir scheinen" bleibt am Ende 'nur' ein Roman, der von einer fiktiven Geschichte erzählt. Diese fiktive Geschichte basiert jedoch auf wahren Begebenheiten und Dokumenten, eingebaut in Dialoge und Briefe, die Hannah Arendt hier führt.

"Was wir scheinen" hat mich sehr begeistert, berührt auch wenn ich mich manchmal von der Fülle an Informationen erschlagen gefühlt habe. Ich habe nun nicht unbedingt das Gefühl, schlauer zu sein als vorher und doch habe ich ein interessantes Portrait einer sehr interessanten Frau erhalten. Es ist ein anspruchsvoller Roman, an der Grenze zur Biografie, aber auch ein sehr lesenswerter und sprachlich herausragender.

Veröffentlicht am 29.04.2021

Zwei Schwestern

So wie du mich kennst
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Zwei Schwestern

Karla und Marie, früher unzertrennlich, leben Sie mittlerweile auf verschiedenen Kontinenten, aber noch immer telefonieren sie jeden Tag und erzählen sich alles. Doch jetzt ist Marie tot ...

Zwei Schwestern

Karla und Marie, früher unzertrennlich, leben Sie mittlerweile auf verschiedenen Kontinenten, aber noch immer telefonieren sie jeden Tag und erzählen sich alles. Doch jetzt ist Marie tot und Karla muss ihre Asche in einer Urne nach Deutschland bringen und in New York maries Wohnung auflösen. Dabei entdeckt Sie Dinge über Marie, die sie nicht wusste und plötzlich gerät ihr Bild von ihrer Schwester aber auch das von sich selbst ins wanken.

Durch den Klappentext hatte ich eine berührende Geschichte über Trauer und Geheimnisse erwartet. Was ich jedoch bekommen habe war nicht ganz so rührend wie erwartet und auch die Trauerbewältigung spielt eher am Rande eine Rolle. Viel mehr geht es um die Geheimnisse, die Marie vor ihrer Familie aber auch vor ihren Freunden hatte. Sie ist schon früh nach Amerika gegangen, nachdem sie auf einer Ausstellung den jungen Amerikaner Adam kennen lernt. Es ist Liebe auf den ersten Blick und sie heiraten und sie folgt ihm in seine Heimat. Doch die Ehe zerbricht recht schnell wieder, die Trennung aber dann nicht mehr wirklich weiter thematisiert.

Landsteiner hat einen sehr soliden Schreibstil, er ist nicht besonders bildhaft oder poetisch aber was sie schreibt ist flüssig lesbar. Leider bleibt sie doch bei allem etwas zu sehr an der Oberfläche fand ich. Ihre Figuren kommen ohne große Ecken und Kanten daher, ich hatte am Ende nicht wirklich das Gefühl ihnen irgendwie näher gekommen zu sein. Abwechselnd erzählt sie aus der Sicht von Karla in der Gegenwart und Marie in der Vergangenheit. So soll ergründet werden, wie es zu dem tragischen Unfall kam, der Marie das Leben kostet. In ihrem Leben lief nicht alles so glatt, wie alle dachten. Es geht hier um Themen wie häusliche Gewalt und die Scham darüber ein Opfer zu sein. Das als Teil des großen Geheimnisses anzulegen empfinde ich auch als etwas schwierig, es sollte zumindest auf dem Klappentext erwähnt werden, um Betroffene darauf vorzubereiten. Wie schon bei den Figuren selbst, fand ich auch den Umgang mit diesem sensiblen Thema viel zu oberflächlich. Wie Marie und andere Menschen damit umgehen, zeigt eher den Weg, den man nicht gehen sollte, finde ich, eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema findet weder durch Marie noch durch Karla statt.

"So wie du mich kennst" ist ein gut geschriebenes Buch, dem es für mich leider etwas an Charakter und Tiefe gemangelt hat. Man kann es jedoch schnell lesen und auch wenn das 'große Geheimnis' sehr vorhersehbar ist hatte das Buch doch ein paar schöne Szenen für mich, v.a. die Nebencharaktere mochte ich sehr. Alles in allem ein Buch, das man Lesen kann aber nicht unbedingt muss.

Veröffentlicht am 20.04.2021

Drei Kameradinnen

Drei Kameradinnen
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Ein Haus brennt. Menschen sterben. Der Zeitungsartikel beschuldigt eine radikalisierte Islamistin, die Schüler zum Krieg aufruft. Es könnte so einfach sein oder? Nichts spricht dagegen oder? Wir alle kennen ...

Ein Haus brennt. Menschen sterben. Der Zeitungsartikel beschuldigt eine radikalisierte Islamistin, die Schüler zum Krieg aufruft. Es könnte so einfach sein oder? Nichts spricht dagegen oder? Wir alle kennen solche Artikel.

Ob es wirklich so einfach ist, darum geht es in diesem Buch. Denn die radikalisierte Islamistin ist eigentlich weder radikalisiert noch Islamistin und Krieg führen will sie wohl auch eher nicht. Saya ist einfach nur eine junge Frau wie du und ich. Und irgendwie doch nicht ganz so wie du und ich. Denn sie sieht anders aus und spricht anders, was sie im Auge der Gesellschaft anders sein lässt. Und sie ist unfassbar wütend. Auf die Gesellschaft im Allgemeinen, auf die Ignoranten die ihren Namen immer wieder falsch aussprechen und allen voran auf die Nazis, die ungestraft davon kommen, mit allem.

Drei Kameradinnen, das ist aber nicht nur Saya sondern auch Kasih und Hani, Freundinnen seit Kindheitstagen, alle mit unterschiedlicher Herkunft und Vergangenheit. Woher sie kommen, erfährt man als Leser nicht, das ist aber für dieses Buch auch gar nicht so wichtig. Kasih erzählt uns die Geschichte von Saya, die von Hani und ihre eigene. Sie erzählt von einer Kindheit, vom gemeinsamen Aufwachsen, von gemeinsamen Erfahrungen und sie erzählt wie es zum anfangs erwähnten Zeitungsartikel kommen konnte. Sie erzählt von Alltagsrassismus, vom vermeintlichen Nicht-Nazi, der trotzdem irgendwie alles nachplappert, von Arbeitslosigkeit und Verzweiflung, von Ausgrenzung und Wut.

Leider kann ich mich den vielen begeisterten Stimmen nicht so ganz anschließen und das "Problem" ist Kasih oder vielmehr ihre Art zu erzählen. Sie spricht mich die ganze Zeit mit Du an und doch fühle ich mich irgendwie nicht angesprochen, sie hält mich auf Distanz. Sie provoziert, sie will den Leser wütend machen und es ist ohne Frage wichtig, das was sie sagt laut in die Welt zu schreien. Und doch komme ich nicht immer mit ihrer Art und der Sprache zurecht, ihre Provokationen erreichen nicht das Gewollte bei mir.

Shida Bazyar kann ohne Frage sehr gut schreiben, sie spielt mit dem Leser, führt ihn an der Nase herum und setzt auf seine Sensationsgeilheit. Das funktioniert, denn man will natürlich wissen, wie aus der jungen Frau eine Brandstifterin werden soll. Man fühlt sich am Ende ertappt. Hat man aufgehört Dinge zu hinterfragen, anzuzweifeln, die man immer wieder überall hört und sieht?

"Drei Kameradinnen" ist ein gutes Buch, das uns allen in Erinnerung ruft, wie viel sich noch ändern muss in unserer Gesellschaft. Auch wenn ich fürchte, dass diejenigen, die solche Bücher wirklich lesen sollten, sie nie lesen werden. Ich mochte die Art zu erzählen nicht sonderlich, über weite Strecken war ich versucht, das Buch einfach abzubrechen und auch das Ende lässt mich etwas zwigespalten zurück. Ich hatte mir insgesamt mehr erhofft, dennoch ist es gut, dass es das Buch gibt.