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Veröffentlicht am 29.04.2018

Auf der Suche nach dem Seeschlangzahn

Die Phileasson-Saga - Schlangengrab
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Auf geht’s ins Perlenmeer und das bunte und schrille Maraskan! Es gilt, den Zahn einer Seeschlange zu erbeuten, um in dieser fünften Runde einen Punkt zu erringen, der sowohl den Foggwulf als auch den ...

Auf geht’s ins Perlenmeer und das bunte und schrille Maraskan! Es gilt, den Zahn einer Seeschlange zu erbeuten, um in dieser fünften Runde einen Punkt zu erringen, der sowohl den Foggwulf als auch den Blender näher an den ersehnten Titel „König der Meere“ bringt. Dazu müssen die Koontrahenten jedoch zuerst ein Schiff und Mannschaft zu finden, welche sie bei ihrer Aufgabe unterstützt. Was gar nicht so einfach ist, gelten die Seeschlangen doch als Ausgeburten der Dämonen und selbst die waghalsigsten Haijäger machen einen Bogen um die Bestien. Während Phileasson verzweifelt nach einer Mitfahrgelegenheit sucht, konnte Beorn bereits einen alten Bekannten dazu überreden, ihm sein Schiff und seine Mannschaft zur Verfügung zu stellen. Jedoch vermeidet es Beorn, ihm die ganze Wahrheit über die Mission zu erzählen.

Es geht weiter bei der Wettfahrt um den Titel „König der Meere“: die Aufgabe ist diesmal eine besonders gefahrvolle Herausforderung, bei der es alles andere als sicher ist, wieviele der Recken aus den beiden Ottajaskos dieses Abenteuer überleben werden. Kein Wunder also, dass dieses Buch besonders spannend ist.

Direkt zu Beginn der Handlung habe ich mich mal wieder über Pardona und den Namenlosen geärgert, als klar wird, dass der Gott die Prophezeiung, welche Shaya erhalten hat, etwas abgewandelt hat, um die Ottajasko um Phileasson in die Irre zu leiten. Und als ob das noch nicht genug ist, gelingt es dem Foggwulf einfach nicht, ein Schiff zu finden, welches ihre wahnwitzige Mission unterstützen würde. Dagegen ist Beorn schon längst Schiffsplanken unter den Füßen und auf dem Weg, einen Zahn zu erbeuten. Es bleibt also die ganze Zeit sehr spannend, wer es diesmal schaffen wird, sich den Punkt zu verdienen.

Die Reise führt die Helden des Buchs und den Leser in das laute, bunte, schrille und chaotische Maraskan. Solch einer verrückten Stadt sind wir in den letzten Abenteuern noch nicht begegnet. Ihre Bewohner sind der Meinung, ihre Stadt ist schön, das Leben ist schön und sollte das nicht der Fall sein, dann wird es eben schön gemacht. Ich musste einige Male über die Besonderheiten dieser Stadt lachen. Sie ist zwar ziemlich anstrengend, aber gleichzeitig finde ich es auch ein bisschen schade, dass wir diesen quirligen Ort wieder verlassen. Die Flora und Fauna, die es auf Maraskan gibt, ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, weil sie völlig anders und fremdartig ist.
Für die Traviageweihte Shaya stellt Maraskan und eine ihrer Bewohnerin eine besondere Herausforderung dar.

Den Prolog habe ich mit besonderem Interesse gelesen, da wir diesmal einen wichtigen Teil aus Beorns Vergangenheit erfahren, der ein ganz neues Licht auf ihn wirft. Ich mus gestehen, ich hoffe zwar, dass Phileasson am Ende den Titel erringen wird, aber Beorn hat bei mir zwischenzeitlich auch einige Sympathiepunkte erringen können. Außerdem werden im Prolog wieder ein paar interessante Figuren vorgestellt.

Aber auch die Nebenschauplätze, wie das brisante Dreiecksverhältnis Tylstyr-Zidaine-Tjorne, kommen nicht zu kurz. Und auch Abdul der Magier hat seine spannenden Auftritte, bei denen man sich immer wieder fragt, ob er wirklich weiß, was er tut.

Die Mischung aus Tropenmeer und den spannenden Jagdszenen, das verrückte Maraskan mit seinen schillernden Bewohnern und der fremdartigen Tier- und Pflanzenwelt, alte Kulte und neue Götter machen dieses Buch für mich zu einem der Highlights dieser sowieso schon grandiosen Serie.

Veröffentlicht am 27.03.2018

Eine beeindruckende Geschichte mit einem wichtigen geschichtlichen Hintergrund

Die geliehene Schuld
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Berlin 1949: Als die Redakteurin Vera Lessing vom Tod ihres Kollegen und engen Freunds Jonathan Jacobsen erfährt, ist sie zutiefst erschüttert. Kurz darauf hält sie die letzten Recherchen von Jonathan ...


Berlin 1949: Als die Redakteurin Vera Lessing vom Tod ihres Kollegen und engen Freunds Jonathan Jacobsen erfährt, ist sie zutiefst erschüttert. Kurz darauf hält sie die letzten Recherchen von Jonathan in den Händen: er war ehemaligen Kriegsverbrechern auf der Spur, deren Spuren über die Alpen bis zu dem Gefangenenlager in Rimini führen. Eigentlich wollte Vera das alles und die damit verbundenen persönlichen traumatischen Erfahrungen hinter sich lassen, aber ihr ist klar, dass sie es ihrem toten Freund schuldig ist, dessen Aufgabe zu Ende zu bringen. Noch weiß Vera nicht, dass ihre Nachforschungen sie in die höchsten Geheimdienstkreise führen werden. Zeitgleich versucht Vera Marie Weißenburg finden, mit der Jonathan in Kontakt stand.

Mit Spannung habe ich den dritten Roman von Claire Winter erwartet – und meine Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Der Autorin gelingt es hervorragend, historische Fakten mit Fiktion zu verbinden und dadurch eine komplexe Handlung auferstehen zu lassen. Das Ergebnis ist eine tragische und spannende Geschichte mit Thriller-Elementen, die einen Einblick in unsere eigene Vergangenheit gibt. Sie ist um die Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland angesiedelt, mit der die NS-Diktatur ein für alle mal überwunden und ein politischer Neuanfang auf demokratischen Prinzipien eingeleitet werden sollte.

Der Roman zeichnet sich durch zwei mutige Frauen aus: zum einen Vera Lessing in Berlin, die während des Krieges ihren Mann und ihre Familie verloren hat und die ihrem Freund Jonathan das Leben verdankt. Daher ist für sie schnell klar, dass sie den letzten Willen ihres toten Freundes erfüllen möchte, auch wenn sie dazu in Abgründe steigen muss, aus denen es kein Zurück mehr gibt. Vera ist sehr mutig, zumal sie nicht weiß, wem sie überhaupt trauen kann, aber sie geht ihren Weg und setzt schlussendlich alles auf eine Karte.

Zum anderen haben wir die junge Marie Weißenburg, die in Bonn als Sekretärin im Parlamentarischen Rat unter Adenauer arbeitet, der die neue Verfassung für die junge Republik ausarbeiten soll. Marie und ihrer Familie geht es verhältnismäßig gut, auch wenn sie immer noch unter dem Verlust ihres geliebten Vaters leidet, der im Krieg gefallen ist. Über Politik hat sie sich bis zur ihrer Arbeit für den Rat nicht allzu viele Gedanken gemacht, bis sie eines Tages aus der Zeitung davon erfährt, dass ein alter Kollege und Freund ihres Vaters in den Nürnberger Prozessen unter Anklage steht. Marie plagen zunehmend Zweifel und Fragen über die frühere Tätigkeit ihres Vaters im Reichsicherheitshauptamts. Diese Fragen werden für sie immer drängender, je mehr sie auf eine Mauer des Schweigens und der Ablehnung innerhalb ihrer Familie trifft.

Als Marie bei den Nürnberger Prozessen Lina Löwy kennenlernt, eine junge Jüdin, die beinahe ihre komplette Familie im Holocaust verloren hat, will sie unbedingt die Wahrheit herausfinden und ist nicht mehr gewillt, wegzusehen. Die Freundschaft zwischen den beiden jungen Frauen ist so berührend beschrieben, zumal die Autorin verraten hat, dass es für diese ungewöhnliche Freundschaft ein reales Vorbild gibt.

Die Handlung ist in zwei sich abwechselnde Erzählstränge aufgeteilt: im ersten Strang begleiten wir Vera, wie sie den Spuren von Jonathan und seinen Recherchen folgt. Der zweite Erzählstrang spielt einige Monate und Wochen vorher und begleitet Jonathan und Marie, was mir sehr gut gefallen hat, denn nach den Erinnerungen von Vera an ihren alten Freund hatte ich es anfangs bedauert, nicht mehr von ihm erfahren zu haben.

Neben diesen beiden Frauen, die sich gegen alle Widerstände mutig der Vergangenheit stellen, bekommt der Leser auch einen Einblick in historische Fakten, die in ihrer Gesamtheit erschütternd und einfach nur skandalös sind. Es geht um ehemalige Kriegsverbrecher, die sich über die sogenannte Rattenlinie über die Alpen nach Italien abgesetzt haben und deren Spuren sich dort entweder verloren haben oder deren Akten nachträglich beschönigt wurden, so dass diese Menschen plötzlich mit einer weißen Weste dastanden und es ihnen damit möglich war, mächtige Positionen in der jungen Republik einzunehmen. Und das alles mit dem stillschweigenden Einverständnis der Alliierten bzw. der Unterstützung der italienischen katholischen Kirche, welche damals äußerst zweifelhafte Prioritäten setzte, um eine Machtergreifung der Kommunisten zu vermeiden.

Es handelt sich dabei nicht um Einzelfälle, sondern um Zahlen, die mich einfach sprachlos zurücklassen. Um politische Interessen zu wahren, wurde die Moral mit Füßen getreten und das Schlimme dabei ist, dass das kein Einzelfall war bzw. sein wird. Zudem fragt man sich, inwiefern die Übernahme der alten Welt- und Feindbilder in die Geheimdienststrukturen der jungen Republik sich auch heute noch auswirken.

Ein tolles und wichtiges Buch, das aufwühlt und zum Nachdenken anregt. Auch wenn wir erst März 2018 haben, so wage ich doch zu behaupten, dass dieses Buch eines meiner Highlights dieses Jahres darstellen wird.

Veröffentlicht am 27.03.2018

Zwei Morde und eine gemeinsame Spur nach Kenia

Der Preis des Todes
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Der Staatssekretär des Gesundheitsministerium Christian Wagner wird in Berlin tot in seiner Wohnung aufgefunden. Was zuerst wie Selbstmord aussieht, stellt sich jedoch bald als Mord heraus. Wagners Freundin, ...

Der Staatssekretär des Gesundheitsministerium Christian Wagner wird in Berlin tot in seiner Wohnung aufgefunden. Was zuerst wie Selbstmord aussieht, stellt sich jedoch bald als Mord heraus. Wagners Freundin, die bekannte Polit-Moderatorin Sarah Wolf, konnte von Anfang an nicht an eine Selbsttötung glauben und beginnt in der Vergangenheit ihres Freundes nach möglichen Motiven für seinen Tod zu suchen. Als in Düsseldorf die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, die zuvor mit Wagner Kontakt aufgenommen hatte, führt eine gemeinsame Spur nach Dadaab in Kenia, eines der größten Flüchtlingslager der Welt.

In dem neuesten Politthriller von Horst Eckert bekommt es der Leser mit zwei Morden zu tun, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben – eine Meinung, die auch die ermittelnde Polizei vertritt. Sarah Wolf, bekanntes Gesicht einer erfolgreichen Polit-Talkshow, sieht das jedoch anders: durch ihr Verhältnis mit Christian Wagner hat sie ein persönliches Interesse daran, die Hintergründe für den Mord an ihrem Freund aufzudecken. Zudem entdeckt sie in Wagners Unterlagen Hinweise, die sie daran zweifeln lassen, wie gut sie ihren Geliebten wirklich kannte und ihren journalistischen Spürsinn wecken.

Über die Figur Sarah Wolf erhält der Leser einen vielschichtigen und spannenden Einblick in den Medienalltag, vom Planen einer Talkshow über die Auswahl der Gäste, die nicht immer so unabhängig ist, wie man denken sollte, bis zu dem erbitterten Kampf um die Einschaltquoten und damit das eigene Überleben in der Fernsehwelt.
Auch Sarah muss sich nach den Einschaltquoten und den politischen Interessen in Berlin und ihrer Vorgesetzten richten, um mit einer Verlängerung ihres Vertrags durch den Sender den Fortbestand ihrer eigenen Produktionsfirma zu sichern. Aber Sarah hat sich einen Teil ihres Idealismus bewahrt und schwimmt eben nicht immer im Strom mit, was sie mir sehr sympathisch gemacht hat. Außerdem hat sie Prinzipien, zu denen sie steht.

Mit Paul Sellin lernen wir den ermittelnden Kommissar im Fall der toten jungen Frau in Düsseldorf kennen, der schwer erkrankt ist und der einen Wettlauf gegen die Zeit gewinnen will, denn dieser Fall könnte sein Letzter sein – und er will ihn unbedingt lösen, zur Not auch gegen die Widerstände eines manchmal allzu trägen Amtsschimmels. Gerade diese Hartnäckigkeit und Sellins Bereitschaft, in alle Richtungen zu ermitteln, hat mir bei ihm sehr gut gefallen.

Bei den Nebenfiguren haben mir besonders gut Nils und Laura, zwei mutige und engagierte Kollegen von Sarah, gefallen, die genauso geradlinig sind wie sie. Aber auch der junge Krankenpfleger Henry in Kenia, der sich mutig für die Wahrheit einsetzt, obwohl er sich damit in Lebensgefahr bringt.

Sarah reist zusammen mit ihren Kollegen im Rahmen ihrer Nachforschungen und einer Reportage nach Dadaab in Kenia, dem größten Flüchtlingslager der Welt, da ihr einige Hinweise vorliegen, dass dort der Grund für den Tod von Christian Wagner verborgen liegt. Das Zusammenleben so vieler Menschen unterschiedlicher ethnischer und religiöser Herkunft unterliegt eigenen Gesetzen und führt zu Schwierigkeiten und Zuständen, die mir in dieser Weise bisher nicht bekannt waren und mich entsetzt haben. Durch das Hervorheben einzelner Schicksale erhalten die Bewohner von Dadaab in diesem Buch ein Gesicht und ihre eigene Geschichte, was ich sehr gut fand.

Was die Ermittlungen von Sarah Wolf und Paul Sellin angehen, bietet das Buch sehr viel Raum für Spekulationen. Teilweise lag ich mit meinen Ahnungen gar nicht so falsch, aber die endgültige Auflösung hat mich dann doch wieder überrascht.

„Der Preis des Todes“ konnte mich in seiner Spannung und den interessanten Einblicken in eine breite Thematik wieder voll und ganz überzeugen.

Veröffentlicht am 22.03.2018

Gelungener Abschluss der Trilogie um Harald von Nordvegr

Herrscher des Nordens - Die letzte Schlacht
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Konstantinopel im April 1042: Harald und seine Mannen erklären sich bereit, die Stadtbewohner bei ihrem Aufstand gegen den verhassten Basileus Mikhael zu unterstützen. Wird es ihnen gelingen, seine Schreckensherrschaft ...

Konstantinopel im April 1042: Harald und seine Mannen erklären sich bereit, die Stadtbewohner bei ihrem Aufstand gegen den verhassten Basileus Mikhael zu unterstützen. Wird es ihnen gelingen, seine Schreckensherrschaft zu beenden und endlich nach vielen Jahren in die Heimat zurückkehren zu können?

Der dritte Band schließt nahtlos an die Ereignisse aus dem Vorgängerbuch an: Harald lässt sich davon überzeugen, sich und seine Männer dem Aufstand der Byzantiner anzuschließen, obwohl ihn dieser Kampf eigentlich nichts angehen müsste. Natürlich war ich nun gespannt, ob diese Unterstützung erfolgreich sein wird, denn die Erfolgschancen sind nicht allzu hoch. Aber Harald hat schon mehrmals bewiesen, vermeintlich aussichtslose Herausforderungen meistern zu können, vielleicht gelingt ihm dieses Meisterstück in Grikaland noch einmal.

Am meisten gespannt war ich aber auch darauf, ob und wann Harald endlich in seine Heimat zurückkehren wird. Und wie er dort empfangen werden wird, immerhin wurde ihm vor einigen Jahren, als er seinen jungen Neffen Magnus nach Nordvegr hat gehen lassen, damit dieser König werden kann, unmissverständlich klar gemacht, dass er in seiner alten Heimat unerwünscht wäre.
Besteht diese Ablehnung immer noch? Und wie wird Magnus seinen Onkel empfangen, nachdem er jahrelang unter dem Einfluss von Menschen stand, die Harald zu seinen Feinden zählt?

In diesem Buch gibt es zwei größere Zeitsprünge, die jedoch keine weißen Flecken hinterlassen, sondern durch Rückblenden gefüllt werden. Ich fand es spannend zu sehen, wie sich Harald im Laufe der vielen Jahre verändert hat und wie er dies selbst wahrnimmt. Wie er ernüchternd feststellen musste, dass die Königswürde mit zahlreichen diplomatischen und politischen Stolpersteinen verbunden ist.
Nicht alle seine Entscheidungen waren weise oder klug – und auch Freundschaften blieben deswegen auf der Strecke. Aber Harald ist ein typischer Nordmann, wie er sie selbst sieht: Nordmänner greifen schnell zu den Waffen, um Konflikte zu lösen.

Ich habe die Trilogie in einer autorenbegleiteten Leserunde gelesen und was mich immer wieder fasziniert hat, waren die Erläuterungen von Ulf Schiewe, wieviele der in den Romanen erwähnten Details aus Haralds Leben tatsächlich überliefert sind – immerhin geht es hier um Ereignisse, die beinahe 1000 Jahre zurückliegen.

Mich konnte die Trilogie um König Haraldr Sigurðarson harðráði, Harald der Harte, absolut überzeugen.

Veröffentlicht am 08.02.2018

Wenn Mären lebendig werden …

Die Chroniken von Azuhr - Der Verfluchte
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Der junge Milan Tormeno will sich nicht ohne weiteres den Wünschen seine Vaters Nandus beugen, was seine Zukunft angeht: Nandus setzt alle Hoffnungen auf seinen jüngsten Sohn, erfolgreich die Ausbildung ...

Der junge Milan Tormeno will sich nicht ohne weiteres den Wünschen seine Vaters Nandus beugen, was seine Zukunft angeht: Nandus setzt alle Hoffnungen auf seinen jüngsten Sohn, erfolgreich die Ausbildung zum Erzpriester zu durchlaufen und damit sein Nachfolger zu werden. Mit einem Streich will Milan seinen Vater an dessen empfindlichster Stelle treffen – die Aktion läuft jedoch aus dem Ruder und Milan wird dabei verletzt. Unerwartete Hilfe erhält er von der Diebin Felicia und deren Begleiter Rainulf, die wiederum den jungen Mann für ihre Ziele einspannen möchten. Milan muss sich zwischen dem Gehorsam seinem Vater gegenüber oder der Sache der Diebe entscheiden. Als plötzlich Mären und alte Legenden beginnen, Wirklichkeit zu werden, nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Dieses Buch bildet den Auftakt der Trilogie um die Chroniken von Azuhr, ein Auftakt, der meiner Meinung sehr gelungen ist. Wenn man das Buch öffnet, fällt einem zuerst die wunderschöne Karte von Cilia ins Auge. Danach folgt ein Prolog, der sich über beinahe 70 Seiten erstreckt und eine unheimliche und drastische Geschichte erzählt. Umso neugieriger war ich danach, welche Auswirkungen die Geschehnisse des Prologs auf die Haupthandlung haben werden, die 53 Jahre später spielt.

Die Handlung überrascht durch unerwartete Wendungen und spannende Charaktere. Wirft die Geschichte anfangs einige Fragen auf, so klären sich diese teilweise im Laufe der Lektüre. Aber nicht alle Fragen werden beantwortet, schließlich wird es noch zwei weitere Bände geben. Erfreulicherweise endet das Buch jedoch nicht mit einem fiesen Cliffhanger, dennoch bin ich sehr gespannt wie es weitergehen wird.

Absolut gelungen empfinde ich die breitfächrige Darstellung der Figuren, welche überraschend und alles andere als langweilig daherkommen. Milan ist ein pubertierender junger Mann, der sich von den Hoffnungen seines Vaters, in dessen Fußstapfen zu treten, erdrückt fühlt und sich dagegen auflehnt. Er hat noch zu wenig Erfahrung, um zu erkennen, wann seine Mitmenschen ihn für ihre Ziele einspannen wollen und lässt sich schnell für eine Sache begeistern. Jedoch muss nicht nur er feststellen, dass seine Taten nicht folgenlos bleiben, sondern unheimliche Dinge heraufbeschwören und ihn dadurch zwingen, seinem Schicksal zu folgen.

Sein Vater Nandus gehört für mich zu den Charakteren, die mich absolut zwiespältig zurücklassen. Seinen Söhnen gegenüber zeigt er unnachgiebige Strenge, er kann jedoch auch anders, wie der Lauf der Geschichte zeigt. Sein Wort und Freundschaft bedeuten Nandus sehr viel und er ist sogar bereit, dafür seine eisernen Prinzipien aufzuweichen. Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass er diese Seite auch seinen Kindern gegenüber zeigt.
Ich hatte auch das Gefühl, dass Nandus Tormeno im Schatten seines Vaters Lucio steht, der im Prolog eine entscheidende Rolle spielt. Am Ende des Prologs lernt der Leser den jungen Nandus kennen, der sich völlig von dem Nandus 53 Jahre später unterscheidet, und man fragt sich natürlich, was zu dieser Wandlung geführt hat. Die Erfahrung seiner Lebensjahre oder die Ausbildung zum Erzpriester im Roten Kloster?

Aber auch die anderen Charaktere konnten mich voll und ganz überzeugen und ich bin sehr gespannt, welche Rolle sie noch spielen und welche Überraschungen sie für den Leser parat halten werden. Der erste Band zeigt, dass alles möglich ist und nichts so sein muss, wie es scheint. Und Handlungen, die dem Leser nicht so wichtig erscheinen, können plötzlich einen entscheidenden Platz einnehmen.

Nach diesem gelungenen Start der vielversprechenden Trilogie freue ich mich umso mehr auf die Fortsetzung.