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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.06.2019

Unterschiedliche Realitäten

F
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02.06.2016:
Ich war neugierig und musste F gleich lesen, schnell und mit möglichst wenigen Unterbrechungen.
Allerdings weiß ich nun nicht , was ich von dem Roman halten soll. Erstaunlicherweise war dies ...

02.06.2016:
Ich war neugierig und musste F gleich lesen, schnell und mit möglichst wenigen Unterbrechungen.
Allerdings weiß ich nun nicht , was ich von dem Roman halten soll. Erstaunlicherweise war dies für mich der dritte Roman in Folge, der sich mit der Brüchigkeit der realen Welt befassst bzw. mit unterschiedlichen Realitäten, die in Wechselwirkung zueinander stehen. Aber nicht das war es, was mich bei F irritiert hat. Es war vielmehr die Figur des Hynotiseurs. Und aus irgendeinem Grund hatte ich den (irrigen) Eindruck, es gebe einen anderen Roman von Kehlmann, in dem der Hynotiseur Mesmer eine Rolle spielt. Seltsam.
Wie auch immer, obgleich mir nicht ganz schlüssig, hat mir F dennoch gut gefallen.

Veröffentlicht am 29.05.2019

Beklemmend

Er ist wieder da
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Erwartet hatte ich Klamauk. Thema und Buchcover ließen mich das vermuten, außerdem hatte ich Ausschnitte der Verfilmung gesehen. Aus dem Grund wollte ich das Buch lange nicht zur Hand nehmen.

Der Roman ...

Erwartet hatte ich Klamauk. Thema und Buchcover ließen mich das vermuten, außerdem hatte ich Ausschnitte der Verfilmung gesehen. Aus dem Grund wollte ich das Buch lange nicht zur Hand nehmen.

Der Roman ist weit entfernt von Klamauk, die Story simpel: Adolf Hitler erwacht auf einem brachliegenden Grundstück mitten in Berlin im Jahre 2011, muss sich in der veränderten Welt zurechtfinden und wird schließlich zum TV- und YouTubestar.
Das ist liest sich zunächst sehr spaßig. Die Orientierungsversuche in der neuen Welt, seine Wahrnehmung und seine ersten Kontaktaufnahmen sind urkomisch (die Kioskszenerie, "Yilmaz' Blitzreinigung", die "verwirrten" Frauen im Park, der Besuch im NPD-Büro usw.). Der erste humorige Eindruck trügt. Je vertrauter sich Herr Hitler mit den Gegebenheiten macht, desto klarer wird dem Leser, wie präzise seine Beobachtungen sind, wie logisch seine Schlussfolgerungen, zumindest in seiner Weltsicht. So beengt diese auch sein mag, schafft er es in kürzester Zeit sich den Verhältnissen nicht etwa nur anzupassen sondern sie für seine Zwecke zu nutzen. Was anfangs amüsant war, wirkt mehr und mehr nur beklemmend.

Ich habe diesen Roman nicht gern gelesen, denn am Ende ist das, was bleibt, nur Unbehagen.

Veröffentlicht am 22.05.2019

"Die Trauer vergeht bei Botticelli, die Angst bei Rembrandt und der Kummer bei Chagall."?

Die Frau im Musée d'Orsay
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Was bringt einen Hochschulprofessor dazu, seinen Posten zu kündigen und eine Anstellung als Museumswärter anzunehmen?
Antoine Duris ist ein respektierter und beliebter Professor an der Hochschule der Schönen ...

Was bringt einen Hochschulprofessor dazu, seinen Posten zu kündigen und eine Anstellung als Museumswärter anzunehmen?
Antoine Duris ist ein respektierter und beliebter Professor an der Hochschule der Schönen Künste in Lyon. Eines Tages kündigt er seinen Posten, löst seine Wohnung auf, lagert seinen Besitz ein und verlässt Lyon, nachdem er sich bei Freunden und Verwandten per Mail abgemeldet hat. In Paris bewirbt er sich auf eine Stelle als Wächter im Musée d'Orsay. Er ist erleichtert, diesen Job zu bekommen und verrichtet seinen Job als Saalaufsicht, wobei er viel Zeit in stummer Zwiesprache mit seinem bevorzugten Bild, Modiglianis Bildnis der Jeanne Hébuterne, verbringt.
Bals muss er feststellen, dass er auch in Paris in Zeiten des Internets nicht untertauchen kann, seine Schwester spürt ihn auf, und dass er auch dort nicht völlig Kontakten aus dem Weg gehen kann, seien es nun Kollegen oder Nachbarn.
Man ahnt, dass der Flucht aus seinem bisherigen Leben eine Krise vorangegangen sein muss. Aber man erfährt aber gleich zu Beginn, dass die Trennung von seiner langjährigen Partnerin Louise nicht der Auslöser war, sondern dass es eine andere, schwerere Erschütterung gegeben hat.
Die Geschehnisse in Lyon vor Antoines Flucht werden erzählt in Rückblenden, die nicht nur seine sympathischen Züge offenbaren, und bei denen oftmals die Erzählperspektive mitten im Absatz wechselt. Irritierend sind zunächst auch die vielen eingestreuten Fußnoten, die den Lesefluss ausbremsen. Diese erlauben dem Leser jedoch zusätzlich eine ironische Distanz.

"Die Frau im Musée d'Orsay" hat mir nicht so ganz gut gefallen wie erst kürzlich "Das geheime Leben des Monsieur Pick", dazu fand ich manche Figuren zu blass und auch das Ende zu vage. Dennoch habe ich wieder die Leichtigkeit, mit der die teilweise tragische Handlung daherkommt und den feinfühligen Erzählstil des Autors sehr genossen. Ich bin gespannt auf weitere Romane von David Foenkinos.

Veröffentlicht am 19.05.2019

Wie ein sonniger Herbsttag, ein Lesegenuss!

Alte Sorten
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Sally und Liss trennen nicht nur dreißig Jahre, sie sind darüber hinaus grundverschieden: Sally ist abweisend, sehr intelligent, zornig und artikuliert ihren Hass auf alles Mögliche lautstark. Liss dagegen ...

Sally und Liss trennen nicht nur dreißig Jahre, sie sind darüber hinaus grundverschieden: Sally ist abweisend, sehr intelligent, zornig und artikuliert ihren Hass auf alles Mögliche lautstark. Liss dagegen ist in sich gekehrt, beherrscht und wortkarg.
Sally ist aus einer therapeutischen Einrichtung geflüchtet, als sie unterwegs auf Liss trifft, die allein ihren Hof bewirtschaftet. Liss bittet Sally, kurz mit anzupacken, um einen Hänger aus dem Graben zu ziehen und bietet ihr eine Unterkunft für die Nacht an. Liss stellt Sally keine Fragen, und so bleibt Sally nicht nur über Nacht sondern für Wochen auf Liss Hof. Durch gemeinsame Arbeiten, auf die sich Sally nach und nach einlässt, nähern sich die beiden Frauen ohne große Worte einander an. Beide haben ein Gespür für die Verletzungen, die beide erlitten haben, deren Ursachen allmählich enthüllt werden.
Der Autor versteht es, das Innenleben der beiden Frauen, ihre Erfahrungen, Enttäuschungen auf eine so feinfühlige Art zu schildern, wie man es einem Mann kaum zutrauen möchte, und dazu noch ohne Anflug von Kitschig-Sentimentalem.
Ihre gemeinsamen Arbeiten sind so geschildert, dass der Leser sie mit allen Sinnen miterleben kann, man hört förmlich das Summen der Bienen, riecht die frische Erde bei der Kartoffelernte, schmeckt die unterschiedlichen Birnensorten und erfährt dazu noch einiges über Weinernte, Schnapsbrennen usw.
Das schön gestaltete Cover hat mich sofort angezogen, und dann fühlt sich das Buch auch noch so gut in der Hand an.
Ich bin froh, auf diese Weise den Autor Ewald Arenz und seinen einzigartigen Schreibstil kennengelernt zu haben. "Alte Sorten" gehört zu meinen Lesehöhepunkte in diesem Jahr. Es ist ein Buch , das traurig, wütend und letztlich hoffnungsvoll macht, danke dafür.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 16.05.2019

Ein wunderbares Buch für Bücherfreunde

Das geheime Leben des Monsieur Pick
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Eigentlich geht es nur um den Roman des Monsieur Pick, eins von zahlreichen Manuskripten, das in der Bücherei für abgelehnte Manuskripte in Crozon gelagert worden war, und die Frage, wie und ob überhaupt ...


Eigentlich geht es nur um den Roman des Monsieur Pick, eins von zahlreichen Manuskripten, das in der Bücherei für abgelehnte Manuskripte in Crozon gelagert worden war, und die Frage, wie und ob überhaupt der verstorbene Pizzabäcker in der Lage gewesen ist, solch ein Meisterwerk ganz im Geheimen zu verfassen.
Aber die Geschichte schlängelt sich dahin, streift dabei Autoren und ihre Werke, teilweise erfunden, die meisten tatsächlich existent, den Literaturbetrieb und das Verlagswesen, verweilt sogar kurz bei Barbaras Chanson "Göttingen" und lässt dabei die auftretenden Figuren immer mehr Gestalt annehmen und beeinflusst sogar deren weiteres Leben.
Das ist spannend und durch die Leichtigkeit, mit der die Story sich entwickelt, ausgesprochen positiv, denn der Leser hat den Eindruck, dass im Grunde immer alles möglich ist. Einem schlüssigen und anrührenden Ende folgt ein Epilog, der wieder alles auf den Kopf stellt.
So ein feiner Roman! Ich bin schwer angetan.