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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.09.2018

zu derb

Bülent Rambichler und die fliegende Sau
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Der deutsch-türkische Kommissar Bülent Rambichler muss mit seiner Kollegin Astrid einen Todesfall in seinem fränkischen Heimatdorf aufklären. Vor Ort treffen die beiden auf eine mehr als skurille Dorfgemeinschaft, ...

Der deutsch-türkische Kommissar Bülent Rambichler muss mit seiner Kollegin Astrid einen Todesfall in seinem fränkischen Heimatdorf aufklären. Vor Ort treffen die beiden auf eine mehr als skurille Dorfgemeinschaft, die den Tod der jungen Frau eher als belustigendes Ereignis denn als Verbrechen bewertet. Leider werden diese Bewohner sehr überzeichnet, ohne Anstand und Benehmen, vorlaut und provokativ. Eben viel zu einseitig: nur derb, rotzig und ungehobelt.

Sicher braucht es auch die Übertreibung beim humorvoll regionalen. Aber der ganze Schreibstil ist irgendwie aufs derb-witzige ausgerichet. Wäre womöglich ein liebenswerter Charakter, ein bißchen Bauernschläue und Cleverness mit eingeflossen, hätte es meine Meinung zum Buch sicher verbessert. Humor ist definitiv eine Geschmacksache und hier hats meinen Humor leider nicht getroffen.

Veröffentlicht am 12.08.2018

Lesehighlight

Kleine Feuer überall
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Es beginnt mit einem brennenden Haus und der fassungslosen Familie Richardson davor. Direkt im Anschluss erzählt uns Celeste Ng eine unglaubliche Geschichte. Shaker Heights, ein wohlhabender Vorort in ...

Es beginnt mit einem brennenden Haus und der fassungslosen Familie Richardson davor. Direkt im Anschluss erzählt uns Celeste Ng eine unglaubliche Geschichte. Shaker Heights, ein wohlhabender Vorort in Cleveland, ist eine Hochburg von Wohlstand, Regeln und Moral. Speziell Elena Richardson, die dort selbst aufgewachsen ist, hat diese Regeln alle verinnerlicht und ihre Ehe und Familie vollkommen darauf ausgerichtet. Alles beginnt, als die alleinerziehende Mutter Mia Warren mit ihrer Teenager-Tochter Pearl in ein kleines Mietshaus der Richardsons in Shaker Heights zieht.

Schnell begegnen sich die Mitglieder beider Familien in ihrem Alltag und es gibt immer weitere enge Beziehungen von Mia und Pearl zu allen vier Richardson-Kindern. Bis sich aber im Umfeld beider Familien eine „Störung“ ereignet, deren Entstehung die Mutter Elena Richardson direkt Mia Warren zuschreibt. Von da an verfolgt Elena mit einer Verbissenheit und auch krimineller Energie Mias Leben. Für sich immer gerechtfertigt als Schutz ihres eigenen Umfelds und dem Einhalten ihrer moralischen Vorstellungen. Es ist unfassbar, was Elena damit an Schaden anrichtet. Es ist klar, dass sich das Bild der vielen kleinen Feuerstellen direkt auf das zerstörerische Treiben von Elena bezieht, die dies in ihrer Selbstherrlichkeit allerdings zu keinem Zeitpunkt wahrnimmt.

Ich fand diese Begegnungen der beiden Familien Richardson und Warren perfekt erzählt und alle Charaktere perfekt gestaltet. Mich persönlich haben die beiden Töchter Izzy und Pearl besonders berührt, beide gleichermaßen ehrlich, empfindsam und sehr intelligent. Schon das erste Buch von Celeste Ng hatte ich begeistert gelesen und nun hat mich „Kleine Feuer überall“ in seinen Bann gezogen und ist mein Lesehighlight für dieses Jahr.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Erstlingswerk

Der Sprengmeister
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Der Einstieg ins Buch ist rasant. Der Leser ist gleich vor Ort bei der Sprengung und dem schlimmen Unfall. Mir ist allerdings nicht klar, wieso das Dynamit explodiert ist, da doch extra überprüft wurde, ...

Der Einstieg ins Buch ist rasant. Der Leser ist gleich vor Ort bei der Sprengung und dem schlimmen Unfall. Mir ist allerdings nicht klar, wieso das Dynamit explodiert ist, da doch extra überprüft wurde, ob das Zündkabel gezogen ist. Es ist ein Wunder, dass der junge Sprengmeister Oskar Johansson diese Explosion überlebt. Die Schilderungen von verstümmelten und abgerissenen Gliedmaßen beim Auffinden durch die Kollegen sind schon heftig.

Bemerkenswert ist, dass er nach dieser Explosion im Jahr 1911 weiterhin als Sprengmeister arbeitet. Er erlebt noch seine Rente und wird über 80 Jahre alt. Seine erste Beziehung geht nach seinen schlimmen Verletzungen in die Brüche. Aber er freundet sich schnell mit Elvira an, die seine politische Meinung teilt und mit der er wohl eine gute Ehe geführt hat. Sie hat sich von den vielen Verletzungen und Entstellungen Oskars nicht abschrecken lassen. Er selbst nannte diese nie Behinderung sondern Schäden.

Ein unbekannter Erzähler berichtet über das Leben des Oskar Johansson. Er trifft sich wohl regelmäßig im Sommer mit ihm bei seiner Saunahütte. Uns Lesern bleibt verborgen, wer dieser Erzähler ist und warum Oskar gerade ihm viel aus seinem Leben erzählt. Die Geschichte fand ich ansich nicht schlecht. Die Erzählweise hat es mir allerdings etwas schwer gemacht: Abgehackte, abgebrochene Sätze in manchen Kapiteln und längere durchgehende Texte bewegen sich sprunghaft durch das ganze Leben. Der Erzähler schildert auch, dass Oskar selbst nicht sehr viel von sich preisgegeben hat und dass er viele seiner Informationen nur als Nebensache bei anderen Schilderungen Oskars zusammengesammelt sind. Die Schreibweise bildet wohl gut ab, wie Oskar ist: wortkarg und schweigsam, besonders was den Unfall betrifft.

Interessant fand ich noch das Nachwort von Mankell aus dem Jahr 1997. Er stellt fest, dass die von Oskar bemängelten gesellschaftlichen Gegebenheiten in Schweden sich leider nicht zu Besserem entwickelt haben.

Veröffentlicht am 21.07.2018

Suchen und Finden

Helle Tage, helle Nächte
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Erzählt wird die Geschichte von Anna und Frederike. Anna ist die Tante von Frederike und hatte diese als Kind zu sich genommen, als deren Eltern jung starben. Nun ist Anna 72 Jahre alt und hat die erschütternde ...

Erzählt wird die Geschichte von Anna und Frederike. Anna ist die Tante von Frederike und hatte diese als Kind zu sich genommen, als deren Eltern jung starben. Nun ist Anna 72 Jahre alt und hat die erschütternde Prognose Lungenkrebs erhalten. Anna informiert ihre Nichte Frederike über ihren Gesundheitszustand und diese macht sich unverzüglich von einem Auslandsaufenthalt auf den Heimweg. Neben der Information über ihre Erkrankung bittet Anna Frederike inständig, für sie einen Brief nach Lappland zu bringen und diesen an einen Petter Svakko persönlich zu überbringen. Frederike hat wenig Interesse an dieser Aufgabe, zumal Anna sich keinerlei Informationen über Petter oder über die weiteren Zusammenhänge entlocken lässt. Doch geschockt durch die Krebsdiagnose kann sie Anna den Wunsch nicht abschlagen und macht sich mit ihrem VW Bus auf die lange Reise. Lappland ist die Heimat von Ibba, der Mutter von Anna und Marie, Frederikes verstorbener Mutter. Ibba kam durch eine Heirat nach Deutschland auf die Schwäbische Alb und hatte hier sehr unter Heimweh zu leiden. Auch sie ist jung verstorben.

In den von Anna erzählten Abschnitten ist viel von Schuld und großer Lebenslüge zu lesen. Es ist dem Leser schnell klar, dass Anna etwas Wichtiges aus der Vergangenheit aufklären will bzw. muss und dies wohl auch Frederike betrifft. Frederike selbst weiß bei diesem Auftrag nicht, dass sie auch für sich selbst einen Brief von Anna transportiert. Wer viele Bücher und Filme kennt, müsste eigentlich jedes vorstellbare Geheimnis erahnen können. Doch hier ist mir das nicht gelungen. Ich fand ich es sehr originell, eine Variante zu lesen, die mir bisher noch nie begegnet ist.

Man merkt deutlich, dass die Autorin sowohl mit der Schwäbischen Alb als auch mit Lappland sehr vertraut ist und den Lesern gerne diese Landschaften beschreibt. Insgesamt eine schön erzählte Geschichte.

Veröffentlicht am 08.07.2018

Falco ermittelt in Wien

Die verlorenen Kinder
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Michael Seitz nutzt als Basis für seinen Krimi einen tatsächlichen Missbrauchsskandal um ein ehemaliges Kinderheim in Wien. Nachdem in Wiener Pflegeheimen zwei Bewohner innerhalb weniger Tage ermordet ...

Michael Seitz nutzt als Basis für seinen Krimi einen tatsächlichen Missbrauchsskandal um ein ehemaliges Kinderheim in Wien. Nachdem in Wiener Pflegeheimen zwei Bewohner innerhalb weniger Tage ermordet wurden, wird der ehemalige Polizist Falco Brunner von einer der Witwen als Privatdetektiv beauftragt.

Falco Brunner wird hier nicht sonderlich sympathisch dargestellt: der Rückblick auf seine Ehe mit Christina zeigt ihn doch sehr rücksichtslos und es ist nicht verwunderlich, dass sie ihn aufgrund seiner vielen Seitensprünge verlassen hat. Und immer, wenn er Bruno, seinem ehemaligen Freund, Kollegen und jetzigem Partner von Christina begegnet, wird er aggressiv und lässt auch mal die Fäuste fliegen. Aber da ich schon den 2. Band um Falco kenne, weiß ich, dass der Autor für Falco eine Entwicklung in Planung hat.
Der eigentliche Fall liest sich etwas zähflüssig und die große Anzahl an Beteiligten inclusive Ehefrauen und Kindern fand ich verwirrend.
Mit diesem ersten Band wird die Figur des Privatdetektivs Falco Brunner geschaffen. In meinen Augen gibt es in der Fortsetzung eine gute Steigerung, die der Figur gut tut und deshalb gibt’s hier von mir nur 3 Sterne.