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Veröffentlicht am 05.06.2024

Ich liebe diese Verrückten!

Vater unser
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Wie cool war das denn bitte gerade? Hab Angela Lehners „Vater Unser“ in einem Rutsch durchgelesen und bin ziemlich angetan von diesem Debüt, was mich kaum mehr wundert, denn anscheinend bin ich a. innerlich ...

Wie cool war das denn bitte gerade? Hab Angela Lehners „Vater Unser“ in einem Rutsch durchgelesen und bin ziemlich angetan von diesem Debüt, was mich kaum mehr wundert, denn anscheinend bin ich a. innerlich selbst Österreicherin oder b. war ich früher selbst Österreicherin oder c. mag ich einfach die österreichische Literatur unheimlich gerne.

Familienzusammenführung (und Aufarbeitung) in der Klappse - klingt etwas surreal und crazy, ist es auch, dabei aber auch sehr herzerwärmend, berührend, traurig und humorvoll. Eva Gruber wird ins Spital eingeliefert, weil sie behauptet eine Kindergartengruppe erschossen zu haben, was schon ein starkes Stück ist und durchaus neugierig auf die Dame und deren Geschichte macht. Dort trifft sie dann zufällig auf ihren magersüchtigen, wirklich arg bedauernswerten Bruder Bernhard, zu dem sie vor Ewigkeiten den Kontakt abgebrochen hat und spätestens jetzt schwant einem so langsam, dass in der Familie vielleicht nicht alles perfekt lief. Wir begleiten die junge Protagonistin nun zurück in die Vergangenheit, begleiten ein sensibles Mädchen in sein fragiles Elternhaus; dabei bleibt immer etwas unklar was Sein und was Schein und wer hier eigentlich verrückt ist, die Grenzen zwischen Gesund und Krank verschwimmen, chapeau für diesen gelungenen Kniff, liebe Angela Lehner. Seit „Einer flog über das Kuckucksnest“ habe ich keine so liebenswert gezeichneten Verrückten mehr erlebt, eine große Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Ein so wichtiger Anstoß!

Der Bastard von Istanbul
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Armanoush, entwurzelt und auf der Suche nach ihrer Vergangenheit und Asya, die die ihre am liebsten auslöschen würde; zwei junge Frauen, hin und hergerissen zwischen Vergangenheit und Zukunft, Tradition ...

Armanoush, entwurzelt und auf der Suche nach ihrer Vergangenheit und Asya, die die ihre am liebsten auslöschen würde; zwei junge Frauen, hin und hergerissen zwischen Vergangenheit und Zukunft, Tradition und Moderne, überwinden ein altes, kulturelles Trauma.

Elif Shafak beweist in „Der Bastard von Istanbul“ wieder einmal großes erzählerisches Talent. Kunstvoll verwebt sie die Geschichten der Türken und Armenier miteinander und legt Stück für Stück eine gemeinsame Vergangenheit frei, die den Hass der Gegenwart Lügen straft und tief mit Istanbul, dieser besonderen Stadt, die niemandem und allen gehört, verflochten ist. Kritisch, doch mit viel Empathie und Zärtlichkeit betrachtet Shafak ihre Figuren und deren Verhalten; umso unfassbarer erscheint mir die Tatsache, dass die Autorin damals wegen dieses Romans (zum Glück erfolglos) von der türkischen Regierung verklagt wurde. Ein dunkles Stück Geschichte gilt es noch aufzuarbeiten und der Autorin gelingt mit diesem Roman ein Anstoß, der nicht urteilt aber aufzeigt - wichtig, bitte lesen!

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Schlichtweg umgehauen

Was Nina wusste
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„Was Nina wusste“ beruht auf wahren Begebenheiten, die David Grossman basierend auf vielen Gesprächen mit seiner Freundin (und Vorbild der Figur Vera) Eva Panić-Nahir in einen eindrucksvollen Roman verwandelt ...

„Was Nina wusste“ beruht auf wahren Begebenheiten, die David Grossman basierend auf vielen Gesprächen mit seiner Freundin (und Vorbild der Figur Vera) Eva Panić-Nahir in einen eindrucksvollen Roman verwandelt hat. Von ganz großen Gefühlen und seelischen Abgründen erzählt diese drei Generationen und einen grausamen Krieg umspannende Geschichte; von einer Liebe größer als das Leben selbst, von Verlust und Scham, von einer unsäglichen Traurigkeit und der heilsamen Kraft der Worte und Erinnerungen, ja, des Wissens um die eigene Biografie und Identität. Vera, Nina, Gili - drei Frauen aus drei Generationen, vereint und gleichzeitig getrennt durch ein unausgesprochenes Trauma, begründet in einer Lüge. Als junge Frau verbringt Vera, nach dem Selbstmord ihres geliebten Ehemannes Miloš gebrochen und als Verräterin Titos bezichtigt, drei Jahre im sogenannten Umerziehungslager für Frauen von Goli Otok. Doch während es Vera bei aller Grausamkeit, die ihr auf der Insel widerfährt, gelingt Mensch zu bleiben, aufrecht zu stehen, zerbricht die kleine Nina an der Trennung von ihren Eltern und dem großen Schweigen, das darauf folgt. „Was Nina wusste“ ist die schmerzhafte Aufarbeitung eines Familiengeheimnisses, das sich wie Gift ausbreitet, von der Scham nährt und keine Liebe in seiner Nähe wachsen lässt.

Kennt ihr dieses Gefühl, dass eure Gedanken zu viel, zu groß und gleichzeitig zu klein und schwach sind, um eine Geschichte von solcher Intensität und Wucht, so einer Wahrhaftigkeit in Worte zu fassen? So geht es mir gerade mit David Grossmans „Was Nina wusste“ - es hat mich schlichtweg umgehauen

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Schöne Anekdoten

Erste Person Singular
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Ich mag Haruki Murakami sehr, das ist kein Geheimnis. Ich fühle mich in seinen Geschichten und Romanen ziemlich ausnahmslos wohl, falle hinein und genieße sowohl die schlichten, kleinen Momente als auch ...

Ich mag Haruki Murakami sehr, das ist kein Geheimnis. Ich fühle mich in seinen Geschichten und Romanen ziemlich ausnahmslos wohl, falle hinein und genieße sowohl die schlichten, kleinen Momente als auch die fantastischen Aspekte seiner Literatur. „Erste Person Singular“ ist nach „Von Beruf Schriftsteller“ mein zweiter Erzählband Murakamis und während in VBS ganz klar persönliche Anekdoten gesammelt wurden, verschwimmen die Grenzen von Realität und Fiktion in seinem neuen Erzählband und lassen mehr Raum für eigene Gedanken und Interpretationen. Tiefgründig und doch spielerisch leicht erscheinen Murakamis Geschichten; seine klassischen Lieblings-Themen wie Jazz und Baseball greift er hier ebenso wieder auf wie den Zauber der ersten Liebe und die mitunter geheimnisvollen Wege des Schicksals.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Etwas zwiegespalten

Die Optimisten
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„Die Optimisten“ von Rebecca Makkai (übersetzt von Bettina Abarbanell) haben mich in mancherlei Hinsicht heraus gefordert. Meine Erwartungen waren aufgrund der extrem positiven Bewertungen hier bei Bookstagram ...

„Die Optimisten“ von Rebecca Makkai (übersetzt von Bettina Abarbanell) haben mich in mancherlei Hinsicht heraus gefordert. Meine Erwartungen waren aufgrund der extrem positiven Bewertungen hier bei Bookstagram sehr hoch, was selten eine gute Voraussetzung ist. Bereits nach den ersten Seiten fühlte ich mich ganz arg an die Männergruppe rund um Jude in Hanya Yanagiharas „Ein wenig Leben“ erinnert, was mich dann eine ganze Weile beschäftigt und leider auch ein bisschen von dieser Geschichte distanziert hat, weil sie dem direkten Vergleich mit diesem Herzensbuch von mir einfach nicht standhalten konnte. Die erste Hälfte des recht umfangreichen Romans verging dann unspektakulär und ohne, dass ich mich nennenswert mit den Figuren identifizieren oder tiefere Sympathien entwickeln konnte, was auch daran lag, dass mir manches Verhalten nicht nachvollziehbar oder geradezu irrational erschien (wie auch Yales Entscheidungen gegen Ende des Romans). Doch irgendwann merkte ich plötzlich, dass ich weiterlesen wollte; wissen wollte wie es den Protagonisten weiterhin ergeht. Sehen, ob der Kunstdeal mit der interessanten, alten Nora klappt oder doch noch von ihrem unsympathischen Sohn verhindert wird; erfahren, ob Yale und Charlie sich trotz der furchtbaren Diagnose und dem Vertrauensbruch wieder annähern können; dabei sein, wenn Fiona (hoffentlich) ihre Tochter wieder findet und ihr Leben eine neue Wendung nimmt. Doch, ich begann diese Geschichte und ihre Protagonisten zu mögen, sie als eigenständig wahrzunehmen und nicht mehr im direkten Vergleich zu Jude und seinen Freunden; sie nabelte sich quasi ab und konnte aus deren Schatten treten. „Die Optimisten“ ist mitunter wirklich harte Kost, thematisiert es doch den Ausbruch von AIDS in den 80er Jahren in Amerika und die daraus resultierende Konfrontation mit der eigenen Existenz und Vergänglichkeit; den Umgang mit unfassbarem Verlust und Schmerz, den besonders Fiona ertragen muss und der ihr weiteres Leben stark prägen soll. Über ein paar Längen und die mir persönlich etwas zu arg sexualisierte (Beziehungs-)Ebene der Protagonisten habe ich einfach beherzt hinweg gelesen und der Abschluss der Geschichte hat mich dann doch sehr berührt zurück gelassen. Abschließend kann ich sagen, dass es mir große Freude gemacht hat, dieses Buch zu lesen, dem enormen Hype kann ich mich wegen der oben genannten Kritikpunkte aber nicht ganz anschließen.

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