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Veröffentlicht am 05.06.2024

Tolle Sprache, unsympathische Figuren.

Heiße Milch
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Deborah Levys Roman „Heiße Milch“ erzählt von einer jungen Frau, deren Dasein sich von Kindesbeinen an um die Leiden ihrer egozentrischen Mutter dreht. Vom Vater früh verlassen und alleine aufgewachsen ...

Deborah Levys Roman „Heiße Milch“ erzählt von einer jungen Frau, deren Dasein sich von Kindesbeinen an um die Leiden ihrer egozentrischen Mutter dreht. Vom Vater früh verlassen und alleine aufgewachsen mit dieser von unzähligen diffusen Krankheitssymptomen geplagten Frau, ist Sofia nicht in der Lage, sich abzunabeln und auf eigenen Beinen zu stehen; sie muss im wahrsten Sinne des Wortes die ihrer lahmen Mutter ersetzen. In einer Spezialklinik in Spanien versuchen die beiden Frauen endlich Hilfe zu bekommen und der Ortswechsel, sowie die interessanten Methoden des etwas spleenigen Chefarztes, haben bald deutliche Auswirkungen auf die krankhaft symbiotische Beziehung von Mutter und Tochter. Sofia beginnt Stück für Stück ihre neu gewonnene Freiheit auszukosten und ist gleichzeitig heillos von ihr überfordert; sie gerät von einer problematischen, von Abhängigkeit geprägten, Verbindung in die nächste, verliebt sich in die undurchschaubare Ingrid und beginnt verschiedene Affären auf der Suche nach... ja, nach was überhaupt? Einem eigenen Leben? Eigenen Entscheidungen? So ganz erschließt es sich mir nicht; Traumhaftes vermischt sich mit der Realität, die Grenzen verlaufen unscharf und lassen mich etwas unbefriedigt zurück. Trotz vieler wirklich interessanter Ansätze und Gedanken wird mir der Sinn des Ganzen nicht ganz klar; teils allzu abstruse Ausschmückungen, seltsame Dialoge und gedankliche Ausschweifungen der Protagonistin begannen mich im Laufe der Geschichte leider zunehmend zu nerven. Obwohl ich Levys Sprache als sehr angenehm empfunden habe, konnte sie doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass mir die Figuren fast durchweg unsympathisch und fremd blieben; zumeist unverständlich in ihren Verhaltensweisen und (toxischen) Beziehungen zueinander. Übersetzt von Barbara Schaden.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Abgebrochen

Krötensex
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Ich hatte zu Beginn etwas Sorge, ob mir Franka Freis „Krötensex“ nicht ein bisschen zu leicht (um nicht zu sagen seicht) daher kommt, aber ich muss zugeben, dass es mich anfangs köstlich unterhalten hat. ...

Ich hatte zu Beginn etwas Sorge, ob mir Franka Freis „Krötensex“ nicht ein bisschen zu leicht (um nicht zu sagen seicht) daher kommt, aber ich muss zugeben, dass es mich anfangs köstlich unterhalten hat. Ja, es ist albern und politisch unkorrekt und man muss glaube ich auch in der richtigen Stimmung und Verfassung für dieses Buch sein, aber das war ich anscheinend, denn ich fand es mitunter zum Schreien komisch und dabei ziemlich scharfsichtig.

Ein Semester in Amerika - klingt nach nem super Plan - zumindest bis Frieda feststellt, dass es sich um das kleine Amerika in Sachsens tiefster Provinz und nicht um das große Amerika einmal quer über den Atlantik handelt. Der Alptraum schlechthin für die junge Großstädterin; doch erstmal im Kaff angekommen trifft sie nicht nur auf jede Menge treuherzige Verehrer, sondern vor allem auf deutlich weniger Nazis und mehr Antifa-Anhänger als erwartet und fühlt sich überraschend wohl. Die eher tragisch-komische als erotische Sexszene von Frieda und ihrem Degenhard (der Name ist eher mäßig Programm) ist legendär und wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Tja, und dann neigt sich das Semester dem Ende zu und wie es so schön heißt - man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist. In der zweiten Hälfte des Buches ist Frieda zurück in ihrer WG in Berlin, wo es leider eher eklig statt lustig zugeht (saufen, kiffen, kotzen um es kurz zu machen) und ich weiß nicht mehr so ganz, was die Autorin mir sagen möchte. Du bist alt und spießig? Ja, das bin ich dann vielleicht wirklich. Ich werde das Buch hier abbrechen und so hinterlässt es in mir vor allem eine große Dankbarkeit dafür, dass ich dieses Alter bereits hinter mir und diese Art von Leben direkt ganz übersprungen habe.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Welch ein großartiges Buch!

Frau im Dunkeln
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Leda ist 47 und gönnt sich den ersten Urlaub ganz alleine an der italienischen Küste - das freie, unabhängige Leben breitet sich süß vor ihr aus, nun, da die beiden erwachsenen Töchter bei deren Vater ...

Leda ist 47 und gönnt sich den ersten Urlaub ganz alleine an der italienischen Küste - das freie, unabhängige Leben breitet sich süß vor ihr aus, nun, da die beiden erwachsenen Töchter bei deren Vater in Kanada leben. Doch im Laufe des Sommers entwickelt sie eine seltsame Obsession, die einen unbegreiflichen Ausgang nimmt.

Die ganze Widersprüchlichkeit der Beziehung zwischen Müttern und Töchtern; diese unbändige Liebe und tiefe Nähe auf der einen, unterschwellige Konkurrenz um Jugend und Schönheit und „der Wunsch mich selbst zu spüren, meine Verdienste, die Reichweite meiner eigenen Fähigkeiten“ (S. 131) auf der anderen Seite, beschreibt Ferrante auf einmalige Art und Weise. Ihre Sprache ist einfach und klar, schnörkellos und verfügt dabei über eine Natürlichkeit, die dem Erzählten große Authentizität verleiht. Ferrante zeichnet in diesem schmalen Büchlein das höchst interessante Psychogramm einer zerrissenen, moralisch irrenden und damit zutiefst menschlichen Frau. Große Leseempfehlung! Ich habe die Geschichte in einem Atemzug inhaliert und denke, wirklich jede Frau wird sich darin irgendwie, irgendwo (wieder) erkennen. Erschienen als Taschenbuch bei Suhrkamp, richtig gut übersetzt von Anja Nattefort.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Leider nicht mein Buch

Fast genial
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Der Benedict Wells kann schreiben. Soll heißen er bildet mit Wörtern schöne Sätze, die ich gerne lese. Manchmal beschreibt er mit diesen schönen Sätzen aber Szenen, die unschöne Gefühle der Fremdscham ...

Der Benedict Wells kann schreiben. Soll heißen er bildet mit Wörtern schöne Sätze, die ich gerne lese. Manchmal beschreibt er mit diesen schönen Sätzen aber Szenen, die unschöne Gefühle der Fremdscham in mir auslösen und die ich ihm einfach nicht abnehme. Das ging mir bei seinen Kurzgeschichten schon so und bei „Fast Genial“ kam es leider auch vermehrt vor, dass ich den Eindruck hatte, eine einstudierte Situation vor meinem inneren Auge zu haben und keine authentische, wirklich gefühlte Szenerie - sich plakativ und klischeehaft verhaltende Figuren störten meinen Lesefluss enorm und irgendetwas verhakte sich bei mir beim Lesen. Zusätzlich fiel es mir bei diesem Buch ziemlich schwer, über das pubertäre Gehabe der Protagonisten einfach hinweg zu lesen. Ja, es ist ein Coming of age-Roman und der Autor war selbst sehr jung als er dieses Buch schrieb; und möglicherweise bin ich mittlerweile auch einfach zu alt für das Genre und meine Kinder altersmäßig zu dicht dran denn nervige Streitigkeiten und kindische, Testosteron bedingte Eifersüchteleien habe ich mitunter selbst genug im Haus, darüber muss ich nicht auch noch lesen.

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Veröffentlicht am 05.06.2024

Sprecht über dieses Buch!

Identitti
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Niveditas verehrte, indische Dozentin und Mentorin Saraswati ist eigentlich weiß und heißt Sarah Vera Thielmann. Nachdem Nivedita die letzten drei Jahre deren Worte und Haltung über Identität und Rassismus ...

Niveditas verehrte, indische Dozentin und Mentorin Saraswati ist eigentlich weiß und heißt Sarah Vera Thielmann. Nachdem Nivedita die letzten drei Jahre deren Worte und Haltung über Identität und Rassismus aufgesaugt und sich nahezu komplett zu eigen gemacht hat, ist sie nun gezwungen, alles, was sie bisher über sie und sich zu wissen geglaubt hatte, neu zu überdenken. Und ich ebenso. „Identitti“ hat eine unfassbare Kraft und Intensität, die mir buchstäblich den Atem geraubt hat. So viele neue Denkanstöße und kluge Fragen wirft Mithu M. Sanyal auf, dass es unmöglich ist sich auf Anhieb mit allen zu beschäftigen aber das wird noch kommen; dieses Buch lesen heißt (sich) Fragen stellen, viele und mitunter auch ungemütliche, schwierige Fragen. Es trifft so zielgenau einen Nerv und hört einfach nicht auf zu vibrieren und irgendwie möchte ich das auch gar nicht.

Lest bitte einfach alle dieses Buch, sprecht darüber und lasst die Ideen wachsen und sich vermehren. Gebt ein bisschen Liebe!

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