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Veröffentlicht am 25.06.2024

Manchmal ist es eine Nacht ohne Morgen

Nacht ohne Morgen
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„𝘌𝘳 𝘸𝘪𝘳𝘥 𝘯𝘪𝘦𝘮𝘢𝘭𝘴 𝘰̈𝘧𝘧𝘦𝘯𝘵𝘭𝘪𝘤𝘩 𝘦𝘳 𝘴𝘦𝘭𝘣𝘴𝘵 𝘴𝘦𝘪𝘯 𝘬𝘰̈𝘯𝘯𝘦𝘯. 𝘌𝘪𝘯 𝘈𝘭𝘣𝘵𝘳𝘢𝘶𝘮. 𝘚𝘦𝘪𝘵 𝘚𝘢𝘪𝘯𝘵-𝘓𝘰𝘶𝘪𝘴 𝘪𝘴𝘵 𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘦𝘯𝘥𝘭𝘰𝘴𝘦 𝘕𝘢𝘤𝘩𝘵 𝘶̈𝘣𝘦𝘳 𝘴𝘦𝘪𝘯 𝘓𝘦𝘣𝘦𝘯 𝘩𝘦𝘳𝘦𝘪𝘯𝘨𝘦𝘣𝘳𝘰𝘤𝘩𝘦𝘯.
𝘌𝘪𝘯𝘦 𝘕𝘢𝘤𝘩𝘵 𝘰𝘩𝘯𝘦 𝘔𝘰𝘳𝘨𝘦𝘯.“ (𝘚.242)

Catherine erhält mitten in ...

„𝘌𝘳 𝘸𝘪𝘳𝘥 𝘯𝘪𝘦𝘮𝘢𝘭𝘴 𝘰̈𝘧𝘧𝘦𝘯𝘵𝘭𝘪𝘤𝘩 𝘦𝘳 𝘴𝘦𝘭𝘣𝘴𝘵 𝘴𝘦𝘪𝘯 𝘬𝘰̈𝘯𝘯𝘦𝘯. 𝘌𝘪𝘯 𝘈𝘭𝘣𝘵𝘳𝘢𝘶𝘮. 𝘚𝘦𝘪𝘵 𝘚𝘢𝘪𝘯𝘵-𝘓𝘰𝘶𝘪𝘴 𝘪𝘴𝘵 𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘦𝘯𝘥𝘭𝘰𝘴𝘦 𝘕𝘢𝘤𝘩𝘵 𝘶̈𝘣𝘦𝘳 𝘴𝘦𝘪𝘯 𝘓𝘦𝘣𝘦𝘯 𝘩𝘦𝘳𝘦𝘪𝘯𝘨𝘦𝘣𝘳𝘰𝘤𝘩𝘦𝘯.
𝘌𝘪𝘯𝘦 𝘕𝘢𝘤𝘩𝘵 𝘰𝘩𝘯𝘦 𝘔𝘰𝘳𝘨𝘦𝘯.“ (𝘚.242)

Catherine erhält mitten in der Nacht einen Anruf von einem Fremden. Marc stellt sich als Freund ihres Sohnes Alexis vor und teilt ihr mit, dass dieser einen Autounfall hatte und im Koma liegt. Er hat bereits Ticket nach New York gebucht und bietet Cathrine an, sie abzuholen.
Auf der mehrstündigen Reise von Frankreich in die USA lernen sich Marc und Cathrine ein wenig besser kennen und Cathrine muss schmerzlich einsehen, dass sie ihren Sohn nicht so gut kennt, wie sie bisher angenommen hat.
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D‘Halluin steigt direkt mit Spannung in die Geschichte ein. Gleich in der ersten Szene wird Alexis angefahren und es wird klar, dass dies kein Unfall war. Eine Erkenntnis, die ich als Lesende zu der Zeit den Protagonisten voraus habe und die mir von Anfang an einen anderen Blick auf die Geschehnisse ermöglicht.
Im Verlauf des Romans entspannt sich ein schönes Gesamtbild. Wir werfen einen Blick in Alexis und Marcs Vergangenheit, die unterschiedlicher nicht sein könnte. Alexis ist wohlbehütet aufgewachsen, wird im Alter von 12 Jahren von einem Lehrer sexuell missbraucht und von diesem Ereignis bis heute verfolgt und in seinem Handeln beeinflusst. Der Missbrauch ist auch ein Grund, warum er seinen Eltern bis heute nichts davon erzählt hat, dass er homosexuell ist.
Marc dagegen ist sehr offen damit umgegangen, wurde aber von seinem Vater rausgeschmissen, als dieser es erfahren hat und dieser Riss konnte bis zum Tod des Vaters nicht gekittet werden. Lange Zeit versucht er sich über seine Arbeit zu profilieren, schufftet an der Grenze zum Zusammenbruch.
Innerhalb der Beziehung kommt es immer wieder zu Problemen, die den Ursprung in Vergangenem suchen.
Auch in Cathrines Vergangenheit wird ab und an gesprungen. Sie fragt sich, wem sie trauen kann und inwieweit sie Schuld daran trägt, dass Alexis ihr und der restlichen Familie seine Beziehung bzw. überhaupt die Tatsache, dass er auf Männer steht, verschwiegen hat.
D‘Halluin versteht es eine Geschichte zu erzählen, die einmal mehr klar macht, welch große Bedeutung die Vergangenheit für das Leben in der Gegenwart hat. Wie Ereignisse uns jahrelang beeinflussen können, unser Denken und Handeln bestimmen und sich letztendlich auch auf unsere Umgebung auswirken. Dies alles verflechtet er wunderbar mit einer spannenden Story auf der Suche nach dem Unfallverursacher, sowie einem ansprechendem Schreibstil.
Erwähnenswert finde ich im Übrigen auch die Haptik des Buches.
Von mir eine große Empfehlung für dieses gelungene Debüt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.06.2024

Ein etwas anderer Blick auf die Menschheit

Ganz wie ein Mensch
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„𝘐𝘤𝘩 𝘷𝘦𝘳𝘴𝘶𝘤𝘩𝘦 𝘥𝘪𝘦 𝘔𝘦𝘯𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘻𝘶 𝘷𝘦𝘳𝘴𝘵𝘦𝘩𝘦𝘯 𝘢𝘣𝘦𝘳 𝘴𝘪𝘦 𝘮𝘢𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘦𝘴 𝘦𝘪𝘯𝘦𝘮 𝘴𝘤𝘩𝘸𝘦𝘳“ (𝘚.8)

In „Ganz wie ein Mensch“ wirft Henry Hoke durch die Augen eines Berglöwen einen Blick auf unsere Welt und die Menschen.
Der ...

„𝘐𝘤𝘩 𝘷𝘦𝘳𝘴𝘶𝘤𝘩𝘦 𝘥𝘪𝘦 𝘔𝘦𝘯𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘻𝘶 𝘷𝘦𝘳𝘴𝘵𝘦𝘩𝘦𝘯 𝘢𝘣𝘦𝘳 𝘴𝘪𝘦 𝘮𝘢𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘦𝘴 𝘦𝘪𝘯𝘦𝘮 𝘴𝘤𝘩𝘸𝘦𝘳“ (𝘚.8)

In „Ganz wie ein Mensch“ wirft Henry Hoke durch die Augen eines Berglöwen einen Blick auf unsere Welt und die Menschen.
Der Puma wurde aus seinem Gebiet vertrieben und lebt nun einsam in den Hollywood Hills. Er beobachtet und belauscht vorüberziehende Menschen, sieht ein Obdachlosencamp als sein Rudel an, leidet an Nahrungsknappheit, Hitze und fehlendem Wasser. Als ein Feuer ausbricht, ist er genötigt in die Stadt umzusiedeln. Ein vorerst gefährlicher Plan, der sich aber schnell dreht, als er Zuflucht bei einem Teenager findet und vorübergehend zu einem zahmen „Haustier“ wird.

Henry Hokes Betrachtung fesselt… Ich hab das Bich an einem Abend durchgelesen, konnte es einfach nicht weglegen.
Die Sicht des Puma auf den Menschen ist schonungslos. Auf der einen Seite werden immer wieder Gesprächsfetzen, die er aufnimmt, und die von den Problemen der Menschen erzählen, eingebaut. Probleme, die in Anbetracht dessen, dass er selbst täglich um sein Überleben kämpft, absolut nichtig werden. Andererseits erfasst er grundlegende Problematiken, sei es Ressourcenverschwendung, die Leugnung der Klimakrise oder Kämpfe untereinander und kann kein Verständnis dafür aufbringen.
Am Beispiel der „kleinen Slaugther“, die ihn aufnimmt, als er in die Stadt flüchten muss, wird zwar klar, dass nicht alle Menschen „böse“ sind, doch auch hier zeigt sich ein Phänomen, dass den Menschen eigen ist: die Tatsache, dass sie versuchen wilde Tiere zu domestizieren. Der Ausgang ist daher nicht weiter überraschend.

„𝘌𝘴 𝘨𝘦𝘩𝘵 𝘩𝘪𝘦𝘳 𝘯𝘪𝘤𝘩𝘵 𝘶𝘮 𝘔𝘶̈𝘴𝘴𝘦𝘯
𝘕𝘦𝘪𝘯 𝘦𝘴 𝘨𝘦𝘩𝘵 𝘶𝘮 𝘞𝘰𝘭𝘭𝘦𝘯
𝘌𝘴 𝘪𝘴𝘵 𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘧𝘶̈𝘳𝘤𝘩𝘵𝘦𝘳𝘭𝘪𝘤𝘩𝘦 𝘌𝘯𝘵𝘴𝘤𝘩𝘦𝘪𝘥𝘶𝘯𝘨 𝘢𝘣𝘦𝘳 𝘪𝘤𝘩 𝘵𝘳𝘦𝘧𝘧𝘦 𝘴𝘪𝘦
𝘎𝘢𝘯𝘻 𝘸𝘪𝘦 𝘦𝘪𝘯 𝘔𝘦𝘯𝘴𝘤𝘩“ (𝘚.180)

„Ganz wie ein Mensch“ ist ein witziges Buch, auch wenn es sich offensichtlich größtenteils um Galgenhumor handelt. Henry Hoke klagt die Menschheit an, stößt den Finger in die offene Wunde und ermahnt, schafft es aber gleichzeitig (durch die Sicht eines Tieres) eine unglaubliche Leichtigkeit in seine Zeilen zu legen.

Ein großartiger Roman, ein tolles Konzept und eine absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 27.02.2024

Gedanken in der Einsamkeit

Die Verletzlichen
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Eine Frau in New York, ein Papagei und ein ungebetener Mitbewohner…
Corona greift um sich. Es ist der erste Lockdown. Eine Frau erklärt sich bereit den Papagei einer Freundin, welche bei ihren Eltern festsitzt, ...

Eine Frau in New York, ein Papagei und ein ungebetener Mitbewohner…
Corona greift um sich. Es ist der erste Lockdown. Eine Frau erklärt sich bereit den Papagei einer Freundin, welche bei ihren Eltern festsitzt, zu betreuen. Sie überlässt einer Ärtzin, die dringend gebraucht wird, ihre Wohnung und zieht bei dem Papagei ein. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: auch ein junger Mann, der gerade mit seinen Eltern ein nicht allzu harmonisches Verhältnis hat, wird bald als Gast in der Wohnung sein und ihre Geduld mehr als einmal auf die Probe stellen.
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Handlungstechnisch passiert in diesem Roman nicht besonders viel. Es ist Lockdown, alles liegt auf Eis, der Beruf der Protagonistin ist nicht systemrelevant und somit sitzt sie in der Wohnung fest. Bis auf vereinzelte Spaziergänge, verlässt sie diese nicht. Sie hat viel Zeit zum Nachdenken und nimmt die Lesenden genau in diese Gedankenwelt mit.
Es ist ein Ausflug in die Welt der Literatur, in die Vergangenheit, in Einsamkeit und Angst. Sigrid Nunenz reflektiert eine Zeit, die sicher für uns alle schwierig war. Gerade in der Anfangszeit von Corona, war Angst ein vorherrschendes Gefühl. Es gab so viele Infizierte, so viele Tote… beim Verlassen der eigenen vier Wände wurde plötzlich jeder andere Mensch zu einem potenziellen Risiko.
Praktisch über Nacht hat sich unser aller Leben geändert und es wurde zu einer Zeit die jeder Person mal mehr, mal weniger abverlangt hat. Dies hat die Autorin sehr schön eingefangen.
Die Rolle des Papageien in dem Ganzen fand ich beeindruckend. Zum einen symbolisiert er die Wichtigkeit einer Aufgabe in Zeiten, in denen man sonst nicht zu tun hat. Sich um ein Lebewesen zu kümmern, dass auf einen angewiesen ist, kann nachweislich dazu beitragen, sich selbst aus tiefen Gräben heraus zu holen. Durch sein buntes Gefieder bringt er außerdem etwas Farbe in den trostlosen Alltag.
Durch das ungewollte Zusammenleben mit dem jungen Mann, wird überdies die Notwenigkeit von sozialen Kontakten und das Zwischenmenschliche thematisiert.
Wie anfangs schon erwähnt, passiert auf der Handlungsebene fast nichts. Dahingehend ist sicher der Klappentext etwas irreführend. Zumindest mir suggeriert er eine wesentlich eingängigere Erzählung.
„Die Verletzlichen“ ist ein leiser Roman. Es passiert hier sehr viel zwischen den Zeilen und man muss gewillt sein, sich darauf einzulassen. Wenn man dies tut, wird man mit einer literarisch hochwertigen und sprachlich wunderschönen Betrachtung von Individuen in Krisenzeiten belohnt.

Veröffentlicht am 18.02.2024

Die Leichtigkeit zurück erlangen

Der Traum vom Fliegen
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Sofia ist 20 Jahre alt als sie in eine psychiatrische Privatklinik eingeliefert wird. Durch eine immense Gewichtszunahme halten es ihre Väter für wichtig, dass sie sich helfen lässt und um ihnen die Sorgen ...

Sofia ist 20 Jahre alt als sie in eine psychiatrische Privatklinik eingeliefert wird. Durch eine immense Gewichtszunahme halten es ihre Väter für wichtig, dass sie sich helfen lässt und um ihnen die Sorgen zu nehmen, spielt Sofia dieses Spiel mit. Sie hat nicht vor abzunehmen, denn es gibt einen Grund warum sie sich die Kilos erarbeitet hat, nur das sie niemandem davon erzählen kann.
In der Klinik findet sie nicht nur nach und nach wieder zu sich selbst, sondern knüpft auch Freundschaften und erfährt ungeahnte Unterstützung.
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Milena Moser versteht es mit Metaphern zu spielen und eine einzigartige, rührende Geschichte voller Emotionen, Spannung und Einsichten zu kreieren.
Sie zeichnet ein tiefgreifendes Porträt ihrer Protagonistin Sofia, sowie anderer Patientinnen und während man dem Klinikalltag, welcher in meinen Augen sehr gute Ansätze vertritt, folgt, ergibt sich mehr und mehr ein Bild. Psychische Erkrankungen, seien es Essstörungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen oder Ängste, werden auf leichte und dennoch eindrucksvolle Weise eingebaut. In der Klinik selbst herrscht ein sehr wohlwollendes und wertfreies Klima.
Den Griff zum „Übernatürlichen“ (um die Symtomatiken und Probleme der Patient
innen zu beschreiben) finde ich sehr geschickt. Die doch sehr schwere Thematik wird dadurch weicher und sicher auch für Lesende, die kein Bezug zu den Thematiken haben, einfacher greif- und erklärbar.
Einen kleinen Kritikpunkt habe ich dennoch: Sofia setzt bei dem Kampf gegen ihre Angst Schmerzreize ein, was ihr auch von ihrer Therapeutin empfohlen wurde. Ich weiß, dass das teilweise auch heute noch als adäquates Mittel gesehen wird, finde es aber im Rahmen des Buches schwierig.
Nichtsdestotrotz ist es ein großartiges Buch und eine klare Empfehlung für euch.

Veröffentlicht am 18.02.2024

Tiefgreifende politische und persönliche Einblicke

Land der vielen Wahrheiten
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Åsne Seierstad ist Kriegsberichterstatterin und Korrespondentin. Sie hat mehrere Sachbücher geschrieben, sowie zwei internationale Bestseller.
In „Land der vielen Wahrheiten - 3 Leben im Afghanistan“ taucht ...

Åsne Seierstad ist Kriegsberichterstatterin und Korrespondentin. Sie hat mehrere Sachbücher geschrieben, sowie zwei internationale Bestseller.
In „Land der vielen Wahrheiten - 3 Leben im Afghanistan“ taucht sie tief in die Politik des Landes ein. Sie erzählt die Geschichte dreier Menschen und ihrer Familien, zeigt verschiedene Lebensrealitäten auf, verschiedene Möglichkeiten mit Geschehnissen umzugehen.
Afghanistan ist ein Land, welches sich seit langer Zeit im Krieg befindet, welches sehr viele politische Umbrüche durchlebt hat, aus welchem viele Menschen geflohen sind.
Eine dieser Geflohenen ist Jamila. Als Vorsitzende einer Frauenrechtsorganisatuon ist es nach der Machtübernahme der Taliban zu gefährlich für sie und ihre Familie geworden und sie sucht Asyl erst in Norwegen, später in Kanada. Durch ihre Geschichte lernt man viel über die Rechte von Frauen in Afghanistan. Über verschiedene Zeiträume hinweg waren diese mal besser, mal schlechter, aber nie mit den Privilegien vergleichbar, die wir in der westlichen Welt genießen. Bildung ist für Mädchen nicht vorgesehen und so musste auch Jamila den Besuch der Schule und der Universität hart erkämpfen. Diesen Kampf führt sie nun für andere weiter, da sie überzeugt ist, dass für einen Umbruch in ihrer Heimat Bildung unerlässlich ist.
Außerdem lernen wir Bashir, einen bekennenden Talibal, kennen. Er ist im Jugendalter von zu Hause weggelaufen um sich den Taliban anzuschließen. Schon immer hat er ihre Überzeigungen geteilt, steigt in der Hierarchie schnell auf, wird einer der Führer. Seine Erzählung führt tief in den Glauben der Taliban, in das verwurzelte, rückständige Bild, in eine Gesellschaft, die geprägt ist durch Hass auf und Gewalt gegen Ungläubige. Zum einen ist diese Tiefe Verwurzelung mit der Religion bemerkenswert, auf der anderen Seite aber auch beängstigend, da über Leichen gegangen wird und die Koran-Verse im eigenen Ermessen ausgelegt werden. Sehr interessant an Bashir‘s Geschichte fand ich den Blick auf die Familie und was im Alltag als normal angesehen wird. So wird sich bspw. nicht aufgelehnt, wenn es für Mädchen ab einem bestimmten Alter heißt, dass sie das Haus nicht mehr verlassen dürfen und teilweise schon im Baby-/Kindesalter verlobt und später zwangsverheiratet werden. Auch die Tatsache das die Familie zum gemeinsamen Bomben basteln zusammen kommt hat mich erschreckt.
Und zu guter Letzt lernt man noch Ariana kennen. Sie ist die jüngste im Bunde, profitiert anfangs von einer relativ humanen Politik, besucht die Schule, beginnt ein Jura-Studium… Durch die Machtübernahme der Taliban verliert sie von einem auf den anderen Tag ihre Freiheit und ihre Aussicht auf eine Zukunft. Zwar gelingt es ihr letztendlich ihr Studium zu beenden, nützen tut es ihr nichts, da sie als Frau den Beruf nicht ausüben darf. Der Gesellschaftliche Druck ist enorm, auch die Eltern üben immer mehr aus, sodass auch Ariana zwangsverheiratet soll. Dies ist aber in Afghanistan gleichbedeutend mit einer kompletten Selbsaufgabe, da man als Frau keinerlei Entscheidungen treffen darf und als Besitz des Ehemanns gilt.
Die Autorin zeichnet ein sehr komplexes Bild der Gesellschaft und trotz der Tatsache, dass ich mit Büchern, die einen starken (außen)politischen Hintergrund haben, sonst eher weniger anfangen kann, war ich regelrecht gefesselt von dem Erzählten. Es ist spannend erzählt und wahnsinnig gut geschrieben und recherchiert.
Neben den Geschehnissen in Afghanistan selbst, bekommt man auch einen Einblick in die Politik Amerikas nach den Terroranschlägen, sowie in die Asylpolitik Norwegens, die es Einwanderern nicht gerade leicht macht Fuß zu fassen.
Das Ende ist wenig hoffnungsvoll, aber das kann es auch nicht sein, da Zuviel noch im Argen liegt, zu viel Leid und Ungerechtigkeit herrscht, sodass man dem Land und den Menschen, die geblieben sind, nur wünschen kann, dass Ruhe einkehrt.
Im Fazit ein grandioses Porträt dreier Menschen, einer Gesellschaft und des ganzen Landes. Absolute Leseempfehlung.