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Veröffentlicht am 19.09.2023

Auf in neue Leben?

In allen Spiegeln ist sie Schwarz
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Drei Schwarze Frauen unterschiedlicher Herkunft. Drei Lebensgeschichten, die sich in Schweden kreuzen. Drei Schicksale, die von Rassismus, Priviliegien und dem Leben als Frau erzählen.
Muna flüchtet aus ...

Drei Schwarze Frauen unterschiedlicher Herkunft. Drei Lebensgeschichten, die sich in Schweden kreuzen. Drei Schicksale, die von Rassismus, Priviliegien und dem Leben als Frau erzählen.
Muna flüchtet aus Somalia und erhofft sich ein neues, sicheres Leben, muss aber schnell einsehen, dass es sehr viel schwerer ist in einem fremden Land Fuß zu fassen, als gedacht.
Brittany fühlt sich toll, als sie von Jonny angesprochen wird. Schnell will er, dass sie ihr Leben in den USA aufgibt und zu ihm nach Schweden zieht. Anfangs im siebten Himmel und mit dem Gefühl es endlich geschafft zu haben, fühlt sie sich mehr und mehr wie in einem goldenen Käfig und muss heraus finden, dass die Liebe ihres Mannes auf einem Fetisch beruht.
Kemi ist erfolgreich im Marketing, wird zwei mal hintereinander zur Marketingexpertin des Jahres gewählt und wird von Lundin Marketing abgeworben. Mit gemischten Gefühlen nimmt sie den Job an, hofft dort etwas zu bewegen, findet sich aber in der Position wieder, in der sie nur dafür da ist Diversität in der Firma zu repräsentieren und Fehler auszubügeln.
Sie alle sind nach Schweden gekommen, um ihrem alten Leben zu entfliehen, etwas zu erreichen, neu anzufangen und müssen doch am Ende feststellen, dass dies gar nicht so einfach ist.
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Die Autorin hat einen wunderbar fesselnden Schreibstil und erzählt die Geschichte jeweils abwechselnd aus den Perspektiven der Protagonistinnen.
Man bekommt einen sehr tiefen Einblick in ihre Leben, in ihr Denken und auch in die schwedische Gesellschaft. Letztere wird sehr zurückhaltend gegenüber Fremden und ein bisschen überheblich dargestellt. Ob dies wirklich so ist, kann ich schwer beurteilen, da ich das Land noch nicht bereist habe, gehe aber davon aus das Lolá Ákínmmádé Åkerström, die selbst in Schweden lebt, hier auch eigene Erfahrungen und Beobachtungen einfließen lässt und sich daher nah an der Realität bewegt.
Rassismus, Sexismus, Misogynie und Klassengesellschaft sind vordergründige Themen, aber auch die Flüchtlingspolitik wird kritisch betrachtet.
Am Beispiel der drei Frauen sieht man gut, wie unterschiedlich die Gesellschaft auf verschiedene angeborene oder erarbeitete Privilegien reagiert und sollte man es nicht ohnehin schon tun, wird man sich spätestens beim Lesen der Lektüre mit den eigenen auseinander setzen. Es wird mal wieder mehr als klar wie patriarchalisch unsere Welt noch immer ist, wie viel noch verändert werden muss, auch im Denken und Handeln der Frauen selbst.
Ein weiterer interessanter Aspekt war das Einflechten einer Autismus-Spektrum-Störung am Beispiel von Jonny. Durch die natürliche Erzählweise wird entabuisiert, allerdings fand ich, dass hier eine sehr starke Ausprägung ausdefiniert wurde, was mir persönlich nicht so gut gefallen hat, da es unter Umständen zu Vorurteilen führen könnte. Mitunter konnte es aber einfach auch daran liegen, dass Jonny‘s Familie dies nie erkannt hat oder erkennen wollte und ihm damit die Möglichkeit genommen hat, sich weiter zu entwickeln. Hier sollte sich gern jede*r selbst ein Bild machen.
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Ein wirklich toller Roman, mit sehr nahbaren Charakteren, der zum Nachdenken einlädt. Große Empfehlung meinerseits.

Veröffentlicht am 14.09.2023

Tiefe Auseinandersetzung mit Mutterschaft und Familiengeschichte

Im Prinzip ist alles okay
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Myriam ist 30. Sie ist gerade Mutter geworden, liebt ihr Kind über alles, lebt mit ihrem Freund zusammen, der ein liebe- und verantwortungsvoller Vater ist und sollte eigentlich rundum glücklich sein. ...

Myriam ist 30. Sie ist gerade Mutter geworden, liebt ihr Kind über alles, lebt mit ihrem Freund zusammen, der ein liebe- und verantwortungsvoller Vater ist und sollte eigentlich rundum glücklich sein. Zumindest redet sie sich das ein. Im Prinzip ist ja alles ok… die Realität allerdings ist eine Andere: sie leidet an postnataler Depression, fühlt sich von allem überfordert und als schlechte Mutter. Sie hat Angst mit ihrem Kind allein zu sein, denk sogar, dass ihr Kind sie gar nicht leiden kann, weiß nicht, wie sie die Tage füllen soll, rutscht mehr und mehr in die Isolation ab und ihre Vergangenheit holt sie immer wieder ein.
Aufgewachsen mit zwei narzisstisch anmutenden Elternteilen, fällt es ihr nicht leicht ihren eigenen Wert zu sehen. Sie hat starke Selbstzweifel, möchte jedem gefallen, geht damit stark über ihre Grenzen (die sie wahrscheinlich selbst gar nicht so recht benennen kann). Die Beziehung der Eltern war geprägt von Gewalt, Myriam selbst hat davon zwar nichts (körperliches) abbekommen, dennoch aber feine Sensoren entwickelt. Auch ihre Beziehungen zu Männern sind überaus toxisch. Ihr erster Freund schlägt sie, ist permanent eifersüchtig und kontrollierend. Ihr jetziger Freund trägt selbst viele unbewusste Narben aus der Kindheit mit sich herum, was immer wieder großes Eskalationspotential bietet.
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„Im Prinzip ist alles ok“ ist ein Debüt… und was für eins. Es hat mich nachhaltig beeindruckt, wie die Autorin hier verschiedene Lebenswege erfasst und vor allem wie tief sie gerade bei Myriam dabei geht.
Schon der Titel hat bei mir für Aufmerksamkeit gesorgt, denn ich finde damit ist alles gesagt. Was bedeutet es „ok“ zu sein? Und was bedeutet in diesem Zusammenhang „im Prinzip“? Solch eine Formulierung sagt so viel über das Gegenüber aus: am Ende das genaue Gegenteil. Es ist ein Zustand in dem man gerade so funktioniert, manchmal besser, manchmal schlechter, aber eben nie darüber hinaus. Es hat nichts mit leben zu tun, ist auf das Nötigste beschränkt und fühlt sich besch… an.
Am Beispiel von Myriam wird sehr deutlich bewusst, was es für ein Kind und die spätere Erwachsene bedeutet, Gewalt ausgesetzt zu sein, sich nicht gesehen zu fühlen, die eigene Wahrnehmung angezweifelt zu bekommen. Auch fehlende Unterstützung ist ein Problem. Trotz vorheriger Therapie und Abspaltung von der Familie, wird ihr immer wieder suggeriert nicht gut genug zu sein, undankbar zu sein, zu emotional zu sein… was dazu führt, dass sie in alte Muster zurück fällt. Sie will eine heile Familie, wobei sich dieser Wunsch sowohl auf die derzeitige, als auch auf die Herkunftsfamilie bezieht. Dies ist utopisch, zumindest wenn man die Schuld nur bei sich selbst sucht. Es ist schwer einzusehen, dass man andere Menschen nicht ändern kann und es fühlt sich erstmal egoistisch an, auf sich selbst zu schauen, aber manchmal ist das der einzige Weg sich zu retten.
Auch die Frage, was seine gute Mutter ausmacht, ob Liebe bedingungslos und auf Knopfdruck funktioniert, steht im Raum. Darf eine Mutter überfordert und traurig sein? Darf eine Mutter sich um sich selbst kümmern? Darf eine Mutter Angst vor ihrem Kind haben? In Myriams Fall wird schnell klar, wie schädlich das allseits akzeptierte und propagierte Bild einer Mutter ist. Denn dies schürt Druck, vermehrt Selbstzweifel und ist nun mal auch schlichtweg falsch. Jede Mutter weiß, dass Babys und Kleinkinder anstrengend sein können, das man an seine Grenzen stößt, manchmal auch einfach nur am Boden ist, weil man nicht weiter weiß und es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dies auch auszusprechen.
Yasmin Polat verarbeitet hier so viele wichtige Themen, angefangen mit einem realistischen Blick auf Mutterschaft und postnatale Depression. Themen die gern tabuisiert werden… auch toxische Familiengebilde werden analysiert, Grenzen und Bedürfnisse ausgelotet. Es wird nicht beschönigt, dafür ist dieser Roman auch nicht gedacht. Es ist kein Wohlfühlbuch, es tut teilweise weh es zu lesen und trotzdem ist es eine sehr große Empfehlung von mir. Ich finde wichtig, dass darüber geschrieben und gesprochen wird, einige werden sich sicher wiederfinden und damit vielleicht auch ein bisschen verstanden fühlen, anderen hilft es vielleicht das Gegenüber besser zu verstehen, wieder anderen wird klar, dass nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist.

Veröffentlicht am 05.09.2023

Detaillierte Suche nach dem Warum

Simone
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„𝘌𝘪𝘯𝘦𝘯 𝘛𝘢𝘨 𝘷𝘰𝘳 𝘪𝘩𝘳𝘦𝘮 𝘛𝘰𝘥 𝘳𝘪𝘦𝘧 𝘚𝘪𝘮𝘰𝘯𝘦 𝘮𝘪𝘤𝘩 𝘯𝘰𝘤𝘩 𝘦𝘪𝘯𝘮𝘢𝘭 𝘢𝘯. 𝘋𝘢𝘴 𝘸𝘦𝘪ß 𝘪𝘤𝘩 𝘨𝘦𝘯𝘢𝘶, 𝘥𝘦𝘯𝘯 𝘪𝘤𝘩 𝘩𝘢𝘵𝘵𝘦 𝘬𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘡𝘦𝘪𝘵.“ (𝘚.5)

Mit diesen Worten beginnt Anja Reich ihren Roman, ihre Homage, ihre Recherche über das Leben ...

„𝘌𝘪𝘯𝘦𝘯 𝘛𝘢𝘨 𝘷𝘰𝘳 𝘪𝘩𝘳𝘦𝘮 𝘛𝘰𝘥 𝘳𝘪𝘦𝘧 𝘚𝘪𝘮𝘰𝘯𝘦 𝘮𝘪𝘤𝘩 𝘯𝘰𝘤𝘩 𝘦𝘪𝘯𝘮𝘢𝘭 𝘢𝘯. 𝘋𝘢𝘴 𝘸𝘦𝘪ß 𝘪𝘤𝘩 𝘨𝘦𝘯𝘢𝘶, 𝘥𝘦𝘯𝘯 𝘪𝘤𝘩 𝘩𝘢𝘵𝘵𝘦 𝘬𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘡𝘦𝘪𝘵.“ (𝘚.5)

Mit diesen Worten beginnt Anja Reich ihren Roman, ihre Homage, ihre Recherche über das Leben und den Tod ihrer Freundin Simone und zieht mich als Lesende sofort in den Bann.
Simone stirbt im Alter von 27 Jahren, im Jahr 1996, durch einen Sprung (oder Sturz?) aus dem Fenster und reiht sich damit in den Klub 27 ein.
10 Jahre später lässt Anja der Freitod immer noch nicht los. Sie macht sich Vorwürfe, fragt sich, ob sie irgendwas an der Entscheidung hätte ändern können, ob sie mehr für Simone hätte da sein müssen und beginnt eine umfangreiche Spurensuche in Simones Leben.

„𝘚𝘪𝘮𝘰𝘯𝘦𝘴 𝘎𝘦𝘴𝘤𝘩𝘪𝘤𝘩𝘵𝘦 𝘣𝘦𝘨𝘪𝘯𝘯𝘵 𝘮𝘪𝘵 𝘪𝘩𝘳𝘦𝘳 𝘍𝘢𝘮𝘪𝘭𝘪𝘦, 𝘈𝘯𝘧𝘢𝘯𝘨 𝘥𝘦𝘴 20. 𝘑𝘢𝘩𝘳𝘩𝘶𝘯𝘥𝘦𝘳𝘵𝘴, 𝘪𝘯 𝘦𝘪𝘯𝘦𝘮 𝘵𝘴𝘤𝘩𝘦𝘤𝘩𝘪𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘋𝘰𝘳𝘧 𝘶𝘯𝘥 𝘦𝘪𝘯𝘦𝘳 𝘯𝘰𝘳𝘥𝘥𝘦𝘶𝘵𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘒𝘭𝘦𝘪𝘯𝘴𝘵𝘢𝘥𝘵.“ (𝘚.13)

Dazu holt sie weit aus, beginnt mit dem Leben der Großeltern und arbeitet sich durch die Generationen vor. Es ist eine Geschichte von Entbehrungen, Umorientierung, Krieg, Verfehlungen, Suche nach Identität.
Angekommen bei Simone stellt sich die Frage: Was davon hatte Auswirkungen auf ihre Entwicklung? Waren es transgenerationale Traumata, die Zeit in der Wochengrippe, die nachweislich viele Kinder der damaligen Zeit in ihrem Beziehungs- und Sozialverhalten geschädigt hat oder war Simone, über ihre immer wieder auftretenden Depressionen hinaus, psychisch krank? Hat sie die Wende nicht verkraftet, war auf der Strecke geblieben? Dies Liste ließe sich noch ewig weiter führen…
Reich rollt das komplette Leben von Simone auf, spricht mit den Eltern und dem Bruder, trifft sich mit Freunden aus der Schul- und späteren Zeit, sowie Beziehungspersonen und Liebschaften, liest die Tagebücher und zieht Experten zu Rate. Auch ihr eigenes Leben reflektiert sie in diesem Zusammenhang.
Dabei heraus kommt eine fast lückenlose Lebensgeschichte, die bewegt, die aufklärt, aber auch Raum für eigene Interpretationen lässt, da Simone selbst sich dazu nicht mehr äußern kann. Auch dies ist ein Punkt dem viel Aufmerksamkeit geschenkt wird und der unglaublich mitschwingt: Die Frage nach dem Warum. Durch die Gespräche mit den Personen aus Simones Leben wird klar, was ein Suizid mit Angehörigen oder Hinterbliebenen macht, wie lange ein solcher Tod nachwirkt, wie unfassbar und damit auch ungreifbar die Geschehnisse sind, wie viele Fragen offen bleiben und wie oft die Frage nach Schuld eine Rolle spielt. In diesem Zusammemhang fand ich die Aussagen von psychologischenFachkräften sehr aufschlussreich.
Anja Reich ist es nicht nur gelungen eine Erinnerung an ihre Freundin zu erschaffen, sondern auch ein Tabuthema zu verarbeiten, Hinterbliebenen eine Stimme und eventuell auch ein bisschen Hoffnung zu geben.
Es ist ein gewaltiges, berührendes Buch, dass ich euch allen ans Herz legen kann.

Veröffentlicht am 05.09.2023

Gar nicht meins

Zeiten der Langeweile
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Mila ist 30 und krempelt ihr Leben komplett um. Ihre Stele an einer Uni läuft aus und sie beschließt vorerst eine Auszeit zu nehmen. Außerdem hat sie wahnsinnige Angst vor einem Shitstorm im Netz, für ...

Mila ist 30 und krempelt ihr Leben komplett um. Ihre Stele an einer Uni läuft aus und sie beschließt vorerst eine Auszeit zu nehmen. Außerdem hat sie wahnsinnige Angst vor einem Shitstorm im Netz, für den es im Übrigen nicht den geringsten Anlass oder Grund gibt, und entschließt sich auf SocialMedia zu verzichten. Was anfangs als Experiment startet, geht nach und nach in eine Obsession über. Sie löscht alle Spuren im Netz, meldet sich von sämtlichen Websites und Streamingdiensten ab, meidet öffentliche Räume (zwecks der Gefahr ungewollt auf einem Foto zu erscheinen) und entfernt zuletzt sogar alle technischen Geräte die Strahlung aussenden können.
Nach dem Austieg aus SocialMedia wird ihr schnell langweilig, sie weiß nichts mit sich anzufangen, vereinsamt, da es ihr schwer fällt mit Leuten in Kontakt zu bleiben und ist schlussendlich gefangen in ihren Vorstellungen, in der die Welt des Internets einfach nur noch unglaublich gefährlich ist.
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Ich hab mich sehr auf das Buch gefreut. Die Leseprobe fand ich super spannend, der Stil hat mit zugesagt und das Thema ist interessant.
Nun ja, leider war der Titel für mich dann Programm, denn ich hab mich streckenweise arg gelangweilt. Mein Lesetempo war so langsam wie sonst nie und ich musste mich schon ein bisschen zwingen weiter zu lesen.
Dies lag zum einen sicherlich daran, dass ich mich mit der Protagonistin Mila nicht im Geringsten identifizieren konnte. Sie ist die ganze Zeit gelangweilt, bemitleidet sich selbst, gibt zeitweise anderen die Schuld für ihre Lage und ich dachte mir oft: Dann tu halt was dagegen… Such dir einen Job, such dir ein Hobby, mach irgendwas… Wahrscheinlich bin ich einfach auch die falsche Zielgruppe. Mila und mich trennen fast 10 Jahre und so hab ich zwar auch den ein oder anderen Account irgendwo, nutze es aber bei weitem nicht so intensiv. Ich bin da nicht so reingewachsen wie sie und damit auch nicht so verwurzelt in der digitalen Welt.
Durch meinen Beruf weiß ich sehr genau um die Gefahren des Netz und bin teilweise erschüttert darüber, wie freizügig manche Menschen mit ihren Daten umgehen, von daher kann ich die Beweggründe von Mila zum Teil nachvollziehen, weiß aber auch, dass die Technik nicht nur Fluch ist und ein sorgsamer Umgang damit auch hilfreich sein kann. Überdies denke ich, dass ein Leben, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen gänzlich unmöglich ist oder wie in Milas Fall in einem panikgesteuertem Zwangsverhalten endet, dem jegliche Reflexion fehlt.
Ein paar Verschwörungstheorien und bisschen Queerdenkertum in Form von Milas Bruder sind auch noch mit von der Partie. In meinen Augen ziemlich unnötig, nur die dahingehende kritische Auseinandersetzung mit Telegram fand ich bereichernd (wenn auch nicht neu) für die Thematik.
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Im Fazit: Sprachlich war es top, die Autorin weiß mit Worten umzugehen. Thematisch war es wider Erwarten nicht meins.
Wie immer gilt: Macht euch gern selbst ein Bild. Ich denke viele werden es sehr mögen… für mich war es nix.

Veröffentlicht am 01.09.2023

In den Fängen des MfS

Gittersee
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Wir befinden uns in Gittersee, in der Nähe von Dresden. Es ist das Jahr 1976. Karin ist 16 Jahre alt, besucht die Schule, kümmert sich um ihre kleine Schwester, da ihre Mutter nicht dazu in der Lage ist, ...

Wir befinden uns in Gittersee, in der Nähe von Dresden. Es ist das Jahr 1976. Karin ist 16 Jahre alt, besucht die Schule, kümmert sich um ihre kleine Schwester, da ihre Mutter nicht dazu in der Lage ist, hält die Familie irgendwie am Laufen. Und sie erlebt ihre erste große Liebe mit dem zwei Jahre älteren Paul, der im Schacht arbeitet und von einem Künstlerleben träumt. Von einem Ausflug zu den Tschechen kehrt Paul nicht zurück… die Rede ist von Republikflucht und Karin gerät ins Visier der Stasi.
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Charlotte Gneuß‘ Roman steht auf der Longlist des deutschen Buchpreises und war jetzt zwar kein Highlight, konnte mich aber überzeugen.
Sehr eindringlich zeigt die Autorin die damaligen Verhältnisse auf. Das Leben, das zwar gelebt wird, aber irgendwie von einer gewissen Unzufriedenheit geprägt ist, die Träume, die nicht realisierbar waren, die Strukturen und Abläufe, sowie die Konsequenzen für Zurückgebliebene, wenn eine Bekannter die DDR verlassen hat.
Die Methoden des MfS werden beleuchtet und es wird klar: fair gespielt wurde da nicht. Es ging um Manipulation, Druck, das Schpren von Angst und ich glaube tatsächlich, dass es im Roman noch ziemlich human beschrieben wurde.
Das Buch ist aus Sicht von Karin geschrieben. Der Schreibstil anfangs sehr gewöhnungsbedürftig. Es findet viel wörtliche Rede statt, allerdings ohne Auszeichnung, was sich tatsächlich erstmal falsch anfühlt, mit der Zeit aber das Gefühl vermittelt, als wäre man direkt in Karins Kopf. Viele Gedanken konnte ich gut nachvollziehen, so z.Bsp. sperrt sich Karin lange der Erkenntnis, dass Paul aus freien Stücken gegangen ist. Auch im Umgang mit dem ihr zugeteilten Beamten der Staatssicherheit zeigt sich gut die Naivität, wie sie nun mal mit 16 einfach noch vorhanden ist. Es entsteht schon fast ein Vertrauensverhältnis, da ja der Beamte vom Staat ist und dieser ja nichts Böses wollen kann…
Ich denke Frau Gneuß ist es hier sehr gut gelungen, die damaligen Machenschaften einzufangen, auch wenn mir eine Beurteilung recht schwer fällt, da ich zwar in der DDR gelebt habe, aber noch sehr jung war, als die Mauer gefallen ist.
Die Geschichte von Karin ist nur eine von Vielen, dennoch wird dadurch klar, wie wahrscheinlich viele damals gedacht haben. Wie viele damals zwischen Vaterlandstreue und Autonomie festhingen und teilweise auch gegen ihren Willen oder ohne es besser zu wissen Informationen preis gegeben haben.
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Ein sehr gutes Buch und eine Empfehlung an alle, die sich für das Thema interessieren.