Kleinstadtleben
DunkelzeitAlma und Clyle beschäftigen den jungen Hal auf ihrer Farm. Hal ist nach einem Unfall in seiner Kindheit geistig beeinträchtigt, führt aber trotzdem ein relativ selbstständiges Leben, hat seine Arbeit und ...
Alma und Clyle beschäftigen den jungen Hal auf ihrer Farm. Hal ist nach einem Unfall in seiner Kindheit geistig beeinträchtigt, führt aber trotzdem ein relativ selbstständiges Leben, hat seine Arbeit und seine Freunde. Als ihn zwei Kumpels zu einem Jagdausflug einladen ist er begeistert, allerdings läuft das Ganze nicht wie geplant.
Vorab! Schon das Cover des Buches gibt Hinweise auf das landwirtschaftlich geprägte Kleinstadtleben, das den Leser hier erwartet. Und eben dieses Kleinstadtleben, dieses spezielle soziale Gefüge, die Atmosphäre sind es auch, was das Buch vorrangig behandelt. Natürlich ist das Buch als Kriminalroman untertitelt und der Klappentext unterstreicht diesen Eindruck. Der Kriminalfall um die verschwundene Peggy ist dann auch Thema, allerdings nicht in dem Maße, wie man es in einem klassischen Krimi erwarten würde.
Ich würde das Buch eher in die Kathegorie Milieustudie, oder Gesellschaftsdrama einordnen. Die Figuren sind gefangen in den festgefahrenen Strukturen ihres Umfelds. Lebensläufe scheinen vorgezeichnet, Andersartigkeit wird zwar oberflächlich akzeptiert, aber immer auch argwöhnisch beäugt. So verwundert es den Leser nicht, dass recht schnell nach dem Verschwinden der jungen Frau der "Dorftrottel" als Täter präsentiert und vorverurteilt wird. Hier zeigt die Autorin dann auch ihre Stärken, denn das Verhalten der Figuren ist hier sehr klar und treffend gezeichnet.
Großen Raum in der Geschichte nimmt die Beziehung von Alma und Ehemann Clyle ein. Bei den Bemühungen Hal zu verteidigen kommen die Beiden nicht umhin ihre Beziehung zueinander zu überdenken. Der Leser nimmt hier an der Aufarbeitung lang verdrängter Gefühle teil und erlebt eine Ehe auf dem Prüfstand. Hier ist man als Leser manchmal etwas von den Figuren und ihrerm "herumgeeiere" genervt, aber letztlich passt das ganz gut, den so sind die Charaktere eben. Einen erfrischenden Kontrast dazu bietet die Figur von Milo, dem Bruder der verschwundenen Peggy, der in seiner Trauer so echt ist und mit seiner kindlichen, aber gleichzeitig so reifen Art hinter die Fassade der Erwachsenen blickt und so letztlich als Erster die Wahrheit erkennt. Allein das macht den Roman sowas von lesenswert.
Der Roman lebt von den leisen Tönen, das kleinstädtische, landwirtschaftliche Leben Mitte der achtziger Jahre wird treffend dargestellt, die Träume und Hoffnungen der Jugendlichen ebenso, wie das Hadern der Erwachsenen mit verpassten Möglichkeiten und Chancen. Wer hier einen spannungsgeladenen Krimi erwartet wird enttäuscht sein, wer sich aber auf die Geschichte einlässt und einen Blick unter die Oberfläche riskiert, wird sich gut unterhalten fühlen. Eine absolut lesenswerte Milieustudie mit starken Figuren. Der Stern Abzug bezieht sich nur auf die, für mich falsche, Genrezuordnung des Buches.