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Veröffentlicht am 01.03.2022

Verwirrend

Die dritte Hälfte eines Lebens
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Krimmwing, ein kleines Dorf in dem die Uhren noch ganz in althergebrachten Traditionen ticken. Ein Dorf in dem jeder jeden kennt, in dem einer Familie ein Fehltritt noch Generationen später angekreidet ...

Krimmwing, ein kleines Dorf in dem die Uhren noch ganz in althergebrachten Traditionen ticken. Ein Dorf in dem jeder jeden kennt, in dem einer Familie ein Fehltritt noch Generationen später angekreidet wird. Ein Dorf in dem es wichtig ist dazuzugehören und sich einzufügen, denn Anderssein, egal in welcher Form wird nicht toleriert. Ein Dorf, das lebt von Klatsch und Tratsch in dem jeder etwas zu erzählen weiß über den Nachbarn. Ob dieses Wissen der Wahrheit entspricht, oder der Phantasie des Erzählers entspringt spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Anne Herzig legt auf nur rund 130 Seiten ein sehr spezielles Debüt vor. Sie seziert mit chirurgischer Präzision die Einwohner ihres fiktiven Ortes und legt den Fokus dabei besonders auf das Anderssein von Menschen, auf das Nicht in die Norm passen. Dreh - und Angelpunkt ist dabei das Leben des kleinen Seppi, der durch seine dunkle Hautfarbe, Erbe seines südafrikanischen Vaters, schon optisch aus dem Rahmen fällt und so schon früh Opfer von Anfeindungen und Misshandlungen wird.

Die Thematik des Buches hat mich direkt angesprochen und da ich selbst aus einem kleinen Kuhkaff stamme, war ich neugierig, wie gut die Autorin hier beobachtet hat, um die verstrickten Strukturen zu durchschauen. An Beobachtungsgabe fehlt es der Autorin nicht, natürlich stellt sie Vieles etwas überspitzt dar, aber das ist Bestandteil der Inszenierung und macht beim Lesen durchaus Spaß. Weniger Spaß machte mir allerdings der Schreibstil. Die Autorin ist recht sprunghaft in ihren Gedankengängen und schreibt diese auch so nieder. Oft ist gerade der Zeitlinie nur schwer zu folgen, die Ereignisse werden teils ohne erkennbaren Zusammenhang aneinander gereiht. Zum Ende ergibt sich dann zwar ein erkennbares Gesamtbild, der Weg dorthin ist aber für mich eher schwergängig und verwirrend gewesen. Die Botschaft des Buches geht dadurch etwas unter.

Der Autorin gelingt zweifellos ein bemerkenswertes Debüt zu einem intensiven Thema, sei du selbst, lebe dein Leben, gib nichts auf das Gerede der Anderen. Ich fürchte allerdings, dass letztlich nur eine begrenzte Anzahl von Lesern auch Zugang zu ihrem Buch finden.

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Veröffentlicht am 01.03.2022

Bunte Mischung

DIE RESIDENZ IN DEN HIGHLANDS
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In einem Altersheim, oder besser einer Altersresidenz treffen Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zusammen und verbringen, ob nun gewollt, oder ungewollt, ihre verbleibende Zeit miteinander. ...

In einem Altersheim, oder besser einer Altersresidenz treffen Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zusammen und verbringen, ob nun gewollt, oder ungewollt, ihre verbleibende Zeit miteinander. In dieser speziellen Einrichtung in der Einsamkeit Schottlands sind es allerdings keine Menschen, die ihren Ruhestand genießen, sondern eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Fantasiegestalten, magischen Wesen, Monstern und sogar Stofftieren. In jeder Geschichte des Buches wird einer dieser speziellen Bewohner näher vorgestellt und der Leser macht dabei teils merkwürdige, teils skurile, aber auch witzige Bekanntschaften.

In dieser Anthologie, oder auch Episodenroman haben sich wieder verschiedene Autoren, aus verschiedenen Genres zusammengefunden. Jeder von ihnen steuert seinen ganz eigenen Bewohner, mit seiner ganz eigenen Geschichte zur Residenz bei. Natürlich ist dabei der Stil der Autoren verschieden, die eine Geschichte mag man vielleicht mehr als eine Andere. Jede von ihnen könnte ebenso allein stehen. Das Grundgerüst ist allerdings vom Herausgeber vorgegeben, in diesem Fall zb die groben Örtlichkeiten und die Grundzüge der beiden Hauptfiguren, der Leiterin der Residenz und dem Chefarzt der Selben.

Dieses beiden Figuren, genau wie einige weitere des Personals sind wiederkehrend innerhalb der einzelnen Geschichten. Leider macht es manchmal den Eindruck, dass hier die Abstimmung unter den Autoren nicht ganz funktioniert hat, da sie oft etwas widersprüchlich beschrieben werden.

Die Geschichten decken verschiedene Elemente ab, klassische Figuren aus dem Bereich Horror trifft man ebenso unter den Bewohnern, wie solche aus dem magischen Bereich, oder das typische Meeresungeheuer, das nun im Pool der Residenz Schiffeversenken spielt. Die Storys sind teils bitterböse, ironisch, traurig, oder eben total witzig. Man muss sich aber auf diese Art Thema und Ausführung auch einlassen können. Die Sammlung ist sicher nicht für jeden Leser etwas.

Marianne Labisch hat hier wieder ein gutes Händchen bei der Zusammenstellung gehabt ich fühlte mich wieder gut unterhalten und werde sicher den ein, oder anderen Autoren weiterverfolgen.

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Veröffentlicht am 20.02.2022

Beck bekommt seine Chance

Eiszeit für Beck
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Das Leben von Nick Beck hat sich nach den Ereignissen im Sommer wieder beruhigt, Kollegin Cleo ist mittlerweile hochschwanger und sitzt ihre letzten Tage vorm Schwangerschaftsurlaub im Büro ab, als eine ...

Das Leben von Nick Beck hat sich nach den Ereignissen im Sommer wieder beruhigt, Kollegin Cleo ist mittlerweile hochschwanger und sitzt ihre letzten Tage vorm Schwangerschaftsurlaub im Büro ab, als eine übel zugerichtete Frauenleiche gefunden wird. Alles deutet darauf hin, dass der Elbripper seine, durch Nicks Eingreifen nötige Zwangspause beendet hat. Er scheint zurück und anscheinend hat er die Zeit genutzt, um sein Vorgehen zu optimieren.

Der zweite Band der Reihe um Nick Beck und Cleo Torner bringt die beiden Ermittler ungewollt wieder zusammen. Nick wird hier von der Vergangenheit eingeholt und kämpft wieder mit den Erinnerungen an den Fall, der zeitlich vor Band eins angelegt ist. Man könnte das Buch auch ohne Vorkenntnisse zu diesem Fall, rund um den Elbripper, lesen, allerdings ist es einfach intensiver, wenn man weiß um was es dabei geht.

Der Autor wählt für das zweite Buch eine interessante Form. Direkt zu Anfang wird die Identität des Täters offengelegt und der Leser kann teilhaben an dessen Alltag und dessen Gedankenwelt. Dies nimmt einen Großteil des Buches ein und erzeugt eine ganz eigene Dynamik, da der Leser hier den Ermittlern weit voraus ist. Trotzdem leidet die Spannung nicht, den der Autor hat durch einen clever eingebauten Spin dafür gesorgt, dass man weiter mitfiebert.

Die Figuren agieren in bekannter Art und Weise, Nick und Cleo können eben nicht aus ihrer Haut und so kommt es zu teils witzigen, aber auch gefährlichen Situationen. Gerade bei Nick geht der Autor durch die Einführung einer neuen Figur etwas mehr in die Tiefe. Obwohl Nick sich letztlich treu bleibt und man mit seiner Handlungsweise im Finale vielleicht hadern kann, ist er mir in diesem Band eindeutig sympathischer als noch in Band eins und sein Handel wird nachvollziehbarer.

Während ein Dämon aus Nicks Vergangenheit in diesem Buch ausgetrieben wird, gibt es eindeutige Hinweise darauf, dass es im nächsten Buch nicht unbedingt leichter wird für Nick Beck. Der Autor schlägt hier mit Cleo und ihrer Hartnäckigkeit den Bogen zurück zum Fall des toten Mädchens im ersten Buch. Ein guter Schachzug um die Spannung aufrecht zu halten und den Leser bei der Stange. Bin gespannt, wie das im nächsten Buch weiter gesponnen wird.

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Veröffentlicht am 10.02.2022

Geschwisterliebe

Meine Schwester
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Bettina hat gerade Besuch von einer guten Freundin, als ein Anruf von ihrem Vater ihr ganzes Leben aus der Bahn wirft.

Mit diesem Anruf, der Nachricht vom Selbstmord ihrer älteren Schwester beginnt das ...

Bettina hat gerade Besuch von einer guten Freundin, als ein Anruf von ihrem Vater ihr ganzes Leben aus der Bahn wirft.

Mit diesem Anruf, der Nachricht vom Selbstmord ihrer älteren Schwester beginnt das Buch und eine wahnsinnig, wunderbar berührende Reise in die Vergangenheit beginnt. Die Autorin gibt uns Lesern intime Einblicke in ihre Kindheit, Jugend, das Erwachsenenalter. Immer eng verbunden mit ihrer Schwester, ihren Eltern und Großeltern. Sie beschreibt Allragssituationen so plakativ, dass ich quasi hinter den Beiden hergeschlichen bin, um heimlich in den Schrank zu schauen. Ich hatte fast ein Deja vu, auch ich kenne diese Situation. Bei mir war es der kleinere Bruder mit dem ich die Treppe herunter geschlichen bin und auch wir wussten genau, welche Stufe man meiden muss, um nicht durch das Knarren das ganze Haus aufzuwecken. solche Szenen sind so humorvoll beschrieben, dass man automatisch schmunzeln muss.

Das ganze Buch ist durchzogen von solchen Erinnerungen, leider aber nicht nur von glücklichen. Die Autorin beschreibt offen auch das schwierige Familienleben, wie beispielsweise die Depression der Mutter, oder die Anforderungen, die die Eltern an ihre Töchter stellen.

Die Autorin nutzt ihre Erinnerungen als Trauerbewältigung, immer im Hintergrund die Frage nach dem Warum, danach, ob man mehr hätte tun können, sollen, danach, ob man Anzeichen übersehen hat. Es ist ein wenig die Aufarbeitung von Schuldgefühlen, wie sie sicher jeder nachvollziehen kann, der Angehörige mit einer psychischen Erkrankung hat.

Ein sehr berührendes Buch, mit viel Herz geschrieben, ohne dabei rührselig zu werden, oder die Erinnerungen zu verklären. Sensibler Umgang mit dem Thema Depression und Suizid.

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Veröffentlicht am 30.01.2022

Schauriger Fund

Gezeitenmord
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Ein junger Lehrer ist mit einem Schüler im Watt unterwegs. Als sie von dichtem Nebel überrascht werden, werden sie getrennt und versuchen verzweifelt sich wiederzufinden. Und plötzlich ist da diese halb ...

Ein junger Lehrer ist mit einem Schüler im Watt unterwegs. Als sie von dichtem Nebel überrascht werden, werden sie getrennt und versuchen verzweifelt sich wiederzufinden. Und plötzlich ist da diese halb im Sand vergrabene Leiche und ein merkwürdiges Husten im Nebel.

Gezeitenmord ist ein sehr passender Titel für den ersten Auftritt von Lykke Teit, der dänischen Ermittlerin von Autor Dennis Jürgensen. Das der Autor lange Zeit Kinder- und Jugendbücher geschrieben hat, merkt man dem Krimi in keinster Weise an. Das Buch ist der Beginn einer neuen Reihe des dänischen Autors.

Interessant wird der Krimi nicht nur durch den spannenden, vielschichtigen Fall, sondern auch durch die Interaktion der Figuren. Der jungen Ermittlerin wird ein erfahrener älterer Beamter aus Deutschland, Rudi Lehmann, zur Seite gestellt, wodurch das Buch eine binationale Ausrichtung bekommt. Die Beziehung zwischen Dänen und Deutschen wird mit teils etwas schwarzem Humor in den Fall eingebaut. Hierzu muss ich sagen, dass mir die Frotzeleien manchmal etwas drüber waren, allerdings weiß ich nicht, ob das im Umgang der Nationalitäten tatsächlich so üblich ist. Die Ermittlerfiguren sind Beide sehr speziell und kommen mit "Vergangenheit" in die Geschichte. Gerade bei Lykke gibt diese Vergangenheit der Figur Substanz und erklärt ihr Verhalten. Als Vertrauensbeweis folgt auch von Rudi eine Lebensbeichte, die ich allerdings nicht wirklich einordnen kann. Sie kam für mich aus dem Nichts, hat nichts mit dem Fall zu tun und ich hätte sie nicht unbedingt gebraucht. Ich kann mir nur vorstellen , dass es da in einem späteren Buch noch Bezug zu gibt.

Der beschriebene Fall ist sehr vielschichtig aufgebaut, zum anfänglichen Mord kommen schnell Verbindungen zu einem früheren Verbrechen zu Tage. Der Autor greift hier das sehr emotionale Thema verschwundener Kinder auf. Geschickt konstruiert er eine mehrere Jahre umspannende Geschichte mit letztlich stimmigen Zusammenhängen. Er schafft es den Leser immer wieder aufs Glatteis zu führen, streut Hinweise und schlägt dann doch wieder einen Haken. Ich hatte zwar recht früh eine Ahnung vom Täter, aber auch ich musste am Ende feststellen, dass nicht alles so war wie gedacht. Wirklich gut umgesetzt.

Ein spannender, emotionaler Fall mit Substanz und interessanten Figuren, der einen super Auftakt für die neue Reihe bildet. Bin gespannt auf das nächste Buch.

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