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Veröffentlicht am 04.07.2021

Berührend

Die vier Winde
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Elsa ist eine kränkliche junge Frau, die kaum das elterliche Haus verlässt. Ihr Leben scheint vorherbestimmt, als unverheiratet Tochter des Hauses fällt ihr irgendwann die Haushaltsführung und Pflege ihrer ...

Elsa ist eine kränkliche junge Frau, die kaum das elterliche Haus verlässt. Ihr Leben scheint vorherbestimmt, als unverheiratet Tochter des Hauses fällt ihr irgendwann die Haushaltsführung und Pflege ihrer Eltern zu. Einziger Lichtblick in ihrem Alltag sind die Bücher, in die sie sich flüchtet. Als sie eines Tages einen jungen Italiener kennenlernt beginnt sie sich zu verändern, wird mutiger, traut sich zu leben, doch dieses kurze aufblitzen von Mut hat Konsequenzen, die ihr ganzes Leben verändern.

Schon bei "Liebe und Verderben" konnte ich mich vom einzigartigen Erzähltalent der Autorin überzeugen. Ihre Kraft beim Lesen Bilder zu erzeugen ist enorm, man kann quasi die Hitze auf der Haut spüren, hat das Gefühl den heißen Staub einzuatmen, mit den Fingern durch die Ähren auf den kilometerlangen Feldern zu streifen. Ihre Figuren sind stark, ohne sich dieser Stärke bewusst zu sein, Menschen, die von den äußeren Umständen gezwungen werden über sich hinauszuwachsen.

Der Haupteil der Geschichte umfasst den Zeitraum von 1921 bis 1936. Harte Jahre für die Getreidebauern in Texas, genauso wie für viele andere Amerikaner, eine schwere Dürre bedroht die Ernten, Sandstürme zermürben die Menschen, es herrscht Rezession und viele verlieren ihr Hab und Gut und sogar ihre Heimat. Die Autorin beschreibt diese Zeit sehr authentisch, verbindet geschickt ihre fiktionalen Figuren mit tatsächlichen geschichtlichen Ereignissen, ihre Recherchearbeit ist dem Roman anzumerken. Ihre Geschichte steht stellvertretend für so viele Familien, die damals erleben mussten, was es bedeutet alles zu verlieren, ums Überleben zu kämpfen, Hoffnung zu suchen und nur auf Hass und Ablehnung zu stoßen.

In meinen Augen besitzt das Buch nicht nur einen historischen Hintergrund, sondern ist mit dem Grundtenor der Geschichte auch unglaublich gegenwahrtsbezogen. Der aufmerksame Leser kann durchaus Parallelen ziehen zum aktuellen Umgang mit Flüchtlingen, den Vorurteilen und Ängsten, die ihnen oft begegnen. Auch der Punkt extremer Wetterlagen und die Folgen von jahrzehntelanger Monokultur sind heute bedeutsam.

Die Autorin schafft eine atmosphärisch dichte Familiengeschichte, stellenweise eine Art Roadmovie, aus der Sicht von Elsa's Tochter eine Coming of Age Geschichte, eine Geschichte in der die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern eindringlich thematisiert wird. Die verschiedenen Standpunkte der Generationen werden deutlich, in dem sich Mutter und Tochter abwechseln in der Erzählerrolle. Die Mutter erscheint hier als Mahnerin, als Bewahrerin, als Beschützerin von Traditionen und Werten, während die Jugend die Rolle der Rebellion übernimmt. Dadurch entstehen Konflikte und Reibungspunkte. Im Mittelteil des Buches hat die Autorin mich kurzzeitig etwas verloren, weil sie nach meinem Empfinden auf der Stelle getreten ist, Elsa's Selbstzweifel und Lethargie wurde etwas überreizt, mit vielen emotionalen Momenten konnte sie mich dann aber wieder in die Geschichte zurück holen.

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Veröffentlicht am 13.06.2021

Klassische Krimikost

Mord in Sussex
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Die Brüder John und William leben zusammen auf dem Familienbesitz. Kurz nachdem John zu einem Wochenendausflug aufgebrochen ist wird sein Auto verlassen aufgefunden, Blutspuren im Inneren, von John fehlt ...

Die Brüder John und William leben zusammen auf dem Familienbesitz. Kurz nachdem John zu einem Wochenendausflug aufgebrochen ist wird sein Auto verlassen aufgefunden, Blutspuren im Inneren, von John fehlt jede Spur. Die Polizei nimmt ihre Arbeit auf und bald deutet alles darauf hin, das der Täter wohl aus der Familie stammt und Bruder William rückt ins Visier des ermittelnden Beamten.

Der Leser bekommt hier einen klassisch aufgebauten Kriminalfall geboten. Kurz werden die Figuren der Brüder eingeführt und dann wird man auch schon mit dem Tatort konfrontiert. Zusammen mit der Polizei erarbeitet man sich die Fakten, ist Teil der Ermittlungsarbeit und weiß immer genausoviel wie diese. Im Laufe der Geschichte werden weitere Figuren eingeführt, die Geschehnisse werden anhand der vorhandenen Informationen rekonstruiert, wobei es natürlich auch passieren kann, dass sich das Ganze später als falsche Fährte erweist.

Die Geschichte zeigt vom Aufbau und der Ausarbeitung her Ähnlichkeit mit Romanen von Agatha Christie, inklusive detaillierter Rekapitulation des Falles am Ende. Während der Lektüre hab ich mich mehrfach über das recht altmodische Setting gewundert. Ich dachte, dass der Autor hier sehr bemüht war, die klassische Stimmung zu erzeugen. Erst am Ende des Buches habe ich dann erfahren, dass das Buch tatsächlich authentisch aus der Zeit stammt und der Autor bereits lange verstorben ist. Im Nachhinein erklärt das natürlich mein Gefühl beim Lesen und die Geschichte wirkt so wieder rund.

Die Geschichte an sich ist vielschichtig aufgebaut, war allerdings für mich schnell vorhersehbar. Es entstehen leichte Längen, wenn der ermittelnde Beamte das Verbrechen minutiös wieder und wieder anhand neuer Spuren gedanklich durchspielt, allerdings ist es gerade diese Ermittlerfigur, die die Geschichte trägt.

Liebhaber klassischer, englischer Krimis werden sich hier gut unterhalten fühlen. Das Buch setzt weniger auf blutige Details, sondern vielmehr auf eine gut konstruierte Geschichte mit Schwerpunkt auf dem Motiv für den Mord. Ich fühlte mich gut unterhalten.

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Veröffentlicht am 13.06.2021

Langatmig

SØG. Dunkel liegt die See
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Nina Portland ist Polizistin in einem dänischen Küstenort. Ein mysteriöser Fall aus ihrer Anfangszeit lässt die Ermitterin nicht los. Ein Frachtschiff wird führerlos entdeckt, Blutspuren an Bord deuten ...

Nina Portland ist Polizistin in einem dänischen Küstenort. Ein mysteriöser Fall aus ihrer Anfangszeit lässt die Ermitterin nicht los. Ein Frachtschiff wird führerlos entdeckt, Blutspuren an Bord deuten auf ein Verbrechen hin, von der Besatzung fehlt jede Spur. Kurz darauf wird eine Rettungsinsel mit einem russischen Crewmitglied entdeckt und der Verdacht kommt auf, dass er seine Kollegen an Bord auf brutale Weise ermordet hat. Jahre später entdeckt Nina zufällig ein Foto des Seemanns und ihre Suche nach ihm zieht bald unbeabsichtigte Kreise.

Wie man am Ende des Buches lesen kann, beruht die Geschichte um die mit einer Axt getöteten Seeleute auf einem realen Kriminalfall, der Rest der Geschichte ist frei erfunden. Der Autor verbindet hier Themen wie Spionage, kalter Krieg und Terrorismus mit dem normalen Polizeialltag und den alltäglichen Sorgen einer alleinerziehenden Mutter. Leider ist nichts davon wirklich spannend.

Die Figur von Nina bildet den Mittelpunkt der Geschichte, sie wirkt sehr sympathisch auf den Leser, allerdings auch etwas manisch, wenn es um die Geschichte mit dem Schiff geht. Im Verlauf des Buches trifft sie oft Entscheidungen, die einen kopfschüttelnd zurück lassen, die letztlich aber der Entwicklung der Geschichte geschuldet sind. Diese Entwicklung wirkte auf mich sehr konstruiert. Der Autor hat hier Elemente eines klassischen Spionageromans eingearbeitet, inklusive MI5 und MI6. Nie weiß der Leser, oder die Ermitterin, wer Freund, oder Feind ist, das Ganze ist ziemlich verwirrend und auch die auftauchenden persönlichen Verwicklungen tragen nicht unbedingt zum besseren Verständnis bei.

Die Geschichte entwickelt sich sehr langsam, bis zum Kapitel neun passiert nicht wirklich viel, obwohl die anfängliche Suche nach dem russischen Seemann noch ganz spannend ablief. Der Autor verliert sich sehr in Beschreibungen des Familienlebens der Hauptfigur, ihren Problemen in Liebesdingen, oder der alltäglichen Polizeiarbeit. Ich habe tatsächlich so nach den ersten einhundert Seiten mit mir gerungen, ob ich das Buch überhaupt weiterlese. Im zweiten Teil dann hab ich stellenweise Absätze einfach nur noch quergelesen.

Mich konnte die Geschichte leider überhaupt nicht packen. Von wenigen spannenden Momenten abgesehen fand ich sie sehr langatmig und bemüht, oft viel es mir schwer mich auf das Geschehen zu konzentrieren. Es war für mich das erste Buch des Autors, auch wenn um die Ermitterin Nina Portland wohl eine Reihe geplant ist, werde ich nicht wieder dabei sein.

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Veröffentlicht am 07.06.2021

Man hat es ja eigentlich geahnt

Ohne Rücksicht auf Verluste
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Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mich als unwissender Ossi nach Öffnung der Grenze auf Coca Cola, Ü-Eier und eben auch die Bild Zeitung gestürzt habe. Irgendwie war das Inbegriff der neuen ...

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mich als unwissender Ossi nach Öffnung der Grenze auf Coca Cola, Ü-Eier und eben auch die Bild Zeitung gestürzt habe. Irgendwie war das Inbegriff der neuen Lebensart und sollte den bisherig ungestillten Hunger nach Informationen befriedigen. In meinem Fall ist das Interesse schnell abgekühlt, zu viel Gewalt, zu viel Sport, zu viel nackte Haut. Für meinen Geschmack zu grell, zu bunt, zu laut, zu sensationslüstern. Auch heute stehe ich der Bild sehr kritisch gegenüber. Wenn ich das Blatt berufsbedingt fast täglich in Händen halte, schüttel ich ganz oft den Kopf, bin aber leider auch manchmal von der Schlagzeile angezogen.

Die beiden Autoren setzen sich kritisch mit dem Phänomen Bild und dem Einfluss den dieses Medium hat auseinander. Als rational denkender Mensch dürften einen die Erkenntnisse eigentlich nicht überraschen, allerdings ist man trotzdem ganz oft einfach nur sprachlos. In verschiedenste Themenbereiche unterteilt bekommt der Leser hier in kurzen Abschnitten Einblick in die Maschinerie hinter der Schlagzeile, in die zweifelhaften Methoden der Redakteure und Reporter. Es wird ungeschönt gezeigt, wie dreist hier ein Medium genutzt wird um Stimmung zu machen, wie leicht Karrieren gepuscht werden können, wie schnell man aber auch in Ungnade fallen kann. Es werden nach steretypen, austauschbaren Mustern Feindbilder kreiert, wobei es weniger um echte Fakten geht, als vielmehr darum, was möglichst reisserisch klingt.

Erschreckend finde ich, dass teils seriöse Nachrichtendienste sich an Meldungen der Bild orientieren und diese unbesehen übernehmen. Auch ich muss mir eingestehen, dass ich die ein, oder andere Polemik schon genutzt habe, ohne zu wissen, das sie ihren Ursprung bei Bild genommen hat und letztlich auf falschen, teils erfundenen, oder aus dem Kontext gerissenen Fakten und Aussagen besteht. Die Autoren zeigen auf, wie leicht es eigentlich in Zeiten des Internets wäre diese Fakten zu überprüfen, aber der typische Bildleser macht sich diese Mühe natürlich nicht, spricht die Zeitung ihm doch meist aus dem Herzen wenn Themen wie Kriminalität, Unfähigkeit der Politik, oder Migrationsproblematik behandelt werden. Der Leser fühlt sich verstanden, eingebunden, was immer wieder durch Leseraktionen ausgenutzt wird.

Trotz sinkender Verkaufszahlen ist Bild eine der stärkste Kraft auf dem Medienmarkt und hat somit eine unglaubliche Macht. Mit dieser Macht kommt natürlich auch Verantwortung, aber davon das diese übernommen wird findet man leider nichts im Buch. Wenn nach einer Falschmeldung Kita Mitarbeiter Morddrohungen erhalten wird das billigend in Kauf genommen. Richtigstellung, oder Bemühung um Deeskalation Fehlanzeige.

Knapp die Hälfte des Buches ist mit Beispielen zur Arbeitsweise der Bildzeitung früher, aber vorallem heute gefüllt. Die andere Hälfte wird eingenommen von weiterführenden Links, hier kann der Leser noch umfangreich nachrecherchieren, den hier sind die Autoren, anders als bei Bild, um Transparenz und Wahrheit bemüht.

Das Buch regt auf, sollte aber unbedingt gelesen werden.

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Veröffentlicht am 31.05.2021

Die Antwort liegt irgendwo da draußen

Behemoth
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Die Menschheit hat es wiedereinmal verbockt! Im 24. Jahrhundert ist die Erde unbewohnbar geworden, es gibt zwar Kolonien auf dem Mond und dem Mars, aber auch hier werden die Menschen nicht auf Dauer überleben ...

Die Menschheit hat es wiedereinmal verbockt! Im 24. Jahrhundert ist die Erde unbewohnbar geworden, es gibt zwar Kolonien auf dem Mond und dem Mars, aber auch hier werden die Menschen nicht auf Dauer überleben können. Einzige Rettung könnten drei riesige Generationenschiffe sein, die im Orbit des Mars bereitstehen für eine Reise in die Tiefen des Alls, zu einem Planeten, dessen Existenz durch den Fund eines Alienartefakts auf dem Mars bekannt wurde. Bald schon sind die Schiffe einsam auf ihrer Reise unterwegs, Kontakte zwischen den einzelnen Schiffen gibt es schon lange nicht mehr, jeder hat mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen. Der Zahn der Zeit hat den Raumschiffen genauso zugesetzt, wie die Unwirtlichkeit des Weltraums und langsam werden die Ressourcen knapp. Als die Schiffe auf ein geheimnisvolles Objekt stoßen, beginnt ein Wettrennen darum dieses möglichst als Erster in Besitz zu nehmen.

T.S.Orgel steht für die Brüder Tom und Stephan Orgel, die schon sehr erfolgreich im Bereich Fantasy unterwegs sind und hier bevölkern eher Orks und Zwerge ihre Bücher, eher nicht mein Genre. Glück für mich, dass das Duo sich vor einer Weile entschieden hat in den SiFi Kosmos vorzudringen und direkt mit dem Debüt "Terra" haben sie bei mir einen Nerv getroffen.

In gewohnt spannender Weise kreieren die Beiden eine Zukunftsvision. Direkt zu Beginn des Buches wird der Leser in die Geschichte geworfen, um dann im zweiten Kapitel zurückzukehren zu den Ereignissen, die Grundlage für die Geschichte sind. Dadurch erhält der Leser Informationen, die ihm später im Buch einen Vorteil gegenüber den Figuren verschafft. Die Geschichte wird erstmal in drei Handlungsstränge aufgespalten, die auf den einzelnen Raumschiffen spielen und erst später zusammengeführt, so lernt der Leser nach und nach alle wichtigen Figuren und Besonderheiten der verschiedenen Schiffe kennen. Wer "Terra" kennt wird vielleicht den ein oder anderen Namen wiedererkennen. Die Bücher sind zwar unabhängig voneinander, ein paar kleine Insider für Fans sind aber eingebaut und solch liebevollen Details mag ich.

Was ich auch mag, ist, wie die Brüder es schaffen, Konstanten des Genres in ihre Geschichte zu integrieren und das teilweise mit einer guten Prise Humor. Schließlich kann man ja auch im Weltall das Rad nicht neu erfinden und so ist es legitim auf bereits Bekanntes zurück zu greifen, solange es nicht abgeschrieben wirkt. Wenn es doch einmal einer Erklärung bedarf, findet man diese am Ende des Buches in einem Glossar und natürlich fehlt auch ein Namensverzeichnis nicht. Das Buch ist für Genrefans eine wahre Fundgrube, es gibt hier Parallelen zu Raumschiff Enterprise, Star Trek Discovery, The Expanse und sogar die Alien Reihe. Der Leser erfährt so unglaublich viel über die persönlichen Vorlieben der Autoren, das macht sie sympathisch und authentisch.

Mit Behemoth ist den Brüdern ein weiterer Science Fiction Page Turner gelungen, der für mein Gefühl gut auf eine Kinoleinwand passen würde, bitte dann einen schön langsame Kamerafahrt um die Dimensionen der Schiffe einzufangen, untemalt von epischer Musik natürlich. Ich hoffe sehr, dass demnächst ein entsprechender Anruf eintreffen wird. Bis dahin aber bitte nicht ausruhen, ob es nun eine Fortsetzung, oder eine komplett neue Idee wird, da lasse ich mich gern überraschen.

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