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Veröffentlicht am 30.04.2024

Das Ende eines Märchens

Schneeweißchen stirbt
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Nora Rothmann versucht nach ihren traumatischen Erlebnissen aus dem letzten Buch wieder in ihren Arbeitsalltag zurückzufinden, doch immer noch sind die Ermittlungen zu den berüchtigten Grimm Akten nicht ...

Nora Rothmann versucht nach ihren traumatischen Erlebnissen aus dem letzten Buch wieder in ihren Arbeitsalltag zurückzufinden, doch immer noch sind die Ermittlungen zu den berüchtigten Grimm Akten nicht abgeschlossen, die Verstrickungen und der Mord an ihrer Familie nicht aufgeklärt. Zudem tritt Fiona, Noras Freundin aus Kindertagen wieder in Noras Leben und das ist ziemlich beängstigend.

Mit Schneeweißchen stirbt liefert Elias Haller den Abschluss zu seiner Grimm Trilogie rund um Kommissarin Nora Rothmann. Auch in diesem Band spielen die düsterern Versionen der Märchen der Gebrüder Grimm eine wichtige Rolle. Die Mitglieder der elitären Gemeinschaft rund um Grimm stellen diese Märchen auf brutalste Weise nach und filmen sie, und das schon seit Generationen, wie die Ermittlungen ergeben. Nun geht es darum das Erbe, die Grimm Akten, zu schützen.

Schon in den ersten beiden Teilen wird immer wieder auf Noras Familie, deren Anteil an Grimm und deren Ermordung eingegangen. Hier wird es aber nun so richtig persönlich, Nora muss sich ihrer Vergangenheit stellen und so auch ihrer Freundin Fiona, die sich immer mehr zur Gefahr für Noras Umfeld entwickelt.

Da das Buch das letzte der Reihe ist, ist natürlich klar, dass es auf alle offenen Fragen eine Antwort geben muss. Den Weg dorthin gestaltet der Autor wieder sehr spannend. Ich hatte recht schnell ein bestimmtes Gefühl, in welche Richtung sich das Buch entwickeln würde, bin aber immer wieder davon abgekommen, weil der Autor mir sehr glaubhaft dargestellt hat, das es so eben doch nicht sein kann. Hier hat Elias Haller wieder ganze Arbeit geleistet. Die Auflösung kam dann letztlich nicht ganz unerwartet, war logisch erklärt. Ich kann mir aber vorstellen, das einige Leser vielleicht damit hadern.

Das Buch ist wieder typisch für den Autor und seinen Stil, die Beschreibungen sind nichts für schwache Nerven, gerade, da auch immer wieder Gewalt gegen Kinder beschrieben wird. Das Buch sollte auf keinen Fall außerhalb der Reihe gelesen werden, die Vorkenntnisse aus den anderen Büchern sind zwingend nötig um die geschichte zu verstehen.

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Veröffentlicht am 21.04.2024

Alte weiße Männer

Der letzte Genderman
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Peter kann nicht aus seiner Haut, als alter weißer Mann steckt er fest in den seit Jahrhunderten anerzogenen Geschlechterstereotypen. Seine toxische Männlichkeit macht ihn zum Pflegefall und seine weiblichgelesene ...

Peter kann nicht aus seiner Haut, als alter weißer Mann steckt er fest in den seit Jahrhunderten anerzogenen Geschlechterstereotypen. Seine toxische Männlichkeit macht ihn zum Pflegefall und seine weiblichgelesene Partnerin Maria kümmert sich um ihn. Unterstützung bekommt sie dabei von Ingo/Penelope, ihrer Freundin und verschiedenen Therapeuten, doch bald wird klar, Peter ist wohl ein hoffnungsloser Fall.

Kaum ein Thema hat in der jüngsten Vergangenheit die Gemüter so erhitzt, wie die Genderdebatte. Während es für die Einen der logische Schritt in die richtige Richtung ist, verweigern sich Andere komplett. Auch an Autoren geht die Thematik nicht vorbei und so habe ich bereits Bücher gelesen, in denen zu Beginn ersteinmal darauf hingewiesen wurde, dass das Geschriebene genderkonform ist. In einer SciFi Geschichte wurde so zum Beispiel eine Begfrüßungsformel angewendet, in der man bei der Vorstellung seinem Gegenüber nicht nur den Namen sagt, sondern eben auch direkt die Pronomen mitteilt, mit denen man sich identifiziert. Guten Tag, mein Name ist Doreen, meine Pronomen sind sie/ihr. Vielleicht ist das die Zukunft, vielleicht aber auch etwas völlig anderes.

Autor Mark Jischinski nähert sich dieser Thematik nun auf satirische Weise und damit man ihn hier keinesfalls falsch versteht, ist auf dem Buchrücken direkt eine entsprechende Triggerwarnung zu lesen. Wer also mit Satire nicht so umgehen kann, sollte das Buch besser wieder ins Regal stellen, alle Anderen, Herzlich Willkommen in einer nicht näher bezeichneten Zukunft. Amüsant treibt der Autor es hier auf die Spitze und manchmal sogar ein Stück darüber hinaus, wenn er beschreibt welche irrwitzigen Auswüchse Gleichstellung und Geschlechterneutralität bekommen können. Einer Frau die Tür aufhalten wird so zum Ausdruck männlicher Dominanz und Unterdrückung, Vegetarismus allein aus Gesundheitsgründen gilt als zutiefst egoistisch, schließlich geht es darum die Welt zu retten und nicht nur sich selbst.

Das Lesen war ein sprachliches Vergnügen und man folgt Hauptfigur Peter gern bei seinem Weg von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen. Herrlich, wie er sich immer wieder Schlupflöcher überlegt, oder wie er in Erinnerungen an Zeiten schwelgt, in denen seine Frau noch Gefallen an seiner eindeutigen Männlichkeit gefunden hat (hier wollte ich eigentlich eine weitere Warnung einfügen, aber ich fürchte meine Rezi wäre mit meinem beabsichtigten Wortlaut nicht veröffentlicht worden, sagen wir es mit den Worten des Autors bei einer Lesung - seine Eltern sind anwesend, also muss diese Passage jetzt ausfallen).

Natürlich haben die im Buch beschrieben Thematiken einen ernstzunehmenden Hintergrund, das steht außer Frage. Der ein, oder andere Leser könnte jetzt fragen - Darf der das? Und ja, er darf das, oder sollte es, in einer demokratischen Gesellschaft, die die Meinungsfreiheit hochhält, dürfen. Das Buch ist eine Satire und bedient sich hier eindeutig dem Stilmittel der Übertreibung. Es ist als gesellschaftsrelevante Kritik zu verstehen, aber eben in erster Linie einfach nur als ein humorvolles Leseerlebnis. Manchmal ist ein Buch eben einfach nur ein Buch und dieses noch dazu ein ziemlich unterhaltsames.

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Veröffentlicht am 21.04.2024

Tiefgang mit Humor

Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat
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Drei Frauen, drei Künstlerinnen, drei Freigeister, drei Freundinnen geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, setzten sich zusammen und diskutieren. Ihre Gespräche zeichnen sie auf und wandeln sie ...

Drei Frauen, drei Künstlerinnen, drei Freigeister, drei Freundinnen geboren und aufgewachsen in der ehemaligen DDR, setzten sich zusammen und diskutieren. Ihre Gespräche zeichnen sie auf und wandeln sie später in dieses Buch um, ein Buch voller tiefgründiger Gedanken, zum Nachdenken, zum mitdiskutieren, aber vor allem zum Schmunzeln.

An sieben Abenden treffen sich die drei Freundinnen, um über vorher festgelegte Themen zu fachsimpeln. Mal bei der einen in der Wohnung, mal bei einer anderen in der Datsche, mal auf dem Gelände eines ehemaligen Ferienheims, immer mit reichlich Alkohol im Gepäck. Die Themenwahl ist ziemlich breit gefächert, da wird natürlich über Ost und West im Allgemeinen diskutiert, aber eben auch über die "Ostfrau" im Besonderen. Themen wie Demokratie, das Abtreibungsgesetz, oder Rechtspopulismus kommen da neben Erinnerungen an den Fahnenapell, oder die Pädagogik in der DDR zur Sprache.

Da ich alterstechnisch ziemlich gut da rein passe, hab ich mich natürlich im Buch wie zu Hause gefühlt. Es war herrlich so in Erinnerungen zu schwelgen und immer wieder zu denken - ja, genauso war es, aber eben auch - das hab ich anders erlebt. Auch die Art und Weise der Umsetzung hat mir gut gefallen. Da protokolliert nicht einfach jemand ein Gespräch, sondern man sitzt als Leser quasi mit am Küchentisch, auf dem Balkon, am Ufer des Sees, man folgt den Gesprächen der Frauen, die dann eben auch mal durcheinanderquatschen, zwischendurch hüsteln, kauen, oder nach einer Mücke schlagen. Das ganze Drumherum fließt so selbstverständlich in das Buch ein, das man eben mittendrin, statt nur dabei ist. Obwohl die Aussagen im Buch ganz persönliche Einzelmeinungen darstellen, merkt man, das die Autorinnen sich Gedanken gemacht haben und auch über entsprechendes Hintergrundwissen verfügen. Da wird nicht einfach so was dahergeplappert. So wird in Nacht drei ein Flugblatt von 1989 nochmal gegengelesen, an dem Autorin Anett mitgearbeitet hat und die Frauen geben hier auch ehrlich zu, dass sie einige Aussagen so heute nicht mehr unterstützen würden.

Die Gespräche im Buch wirken echt auf mich, selbstkritisch, selbstreflektiert, es geht nicht unbedingt um political correctness, so würde ich auch mit meinen Mädels zusammensitzen und das macht mir die Autorinnen unglaublich sympathisch. Ich bin eigentlich kein Freund von Höhrbüchern, aber dieses hier ist natürlich prädestiniert dafür, auch ein Podcast wäre eine tolle Form sich die Gespräche anzuhören, einfach, weil dann der Humor der Frauen noch besser zum Ausdruck käme. Für mich dürfen die Drei gern weiter fachsimpeln und dabei den Recorder laufen lassen.

Unbedingt bitte auch den Anhang mitlesen, die Erklärungen zu den Fußnoten, die hier zusammengefasst sind, sind nochmal ein zusätzliches Schmankerl.

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Düster

Vom Krähenjungen
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Ein kleines Dorf in Bayern, ein paar Häuser, ein einsamer Wald und ein See, um dessen Entstehung sich eine düstere Geschichte rankt. Kein Wind kräuselt das Wasser, keine Tiere leben im, oder auf dem See, ...

Ein kleines Dorf in Bayern, ein paar Häuser, ein einsamer Wald und ein See, um dessen Entstehung sich eine düstere Geschichte rankt. Kein Wind kräuselt das Wasser, keine Tiere leben im, oder auf dem See, die Öberfläche friert selbst in den eisigsten Wintern nicht zu und nie, unter keinen Umständen würde jemand aus dem Ort hier schwimmen. Bis auf den Krähenjungen, der immer wieder im Dorf auftaucht und Unglück bringt.

Sonja Kettenring erzählt hier eine Art modernes Märchen. Ihr Erzählstil ist dabei eher ungewöhnlich, fast etwas gewöhnungsbedürftig. In teils recht kurzen Kapiteln, in denen immer eine andere Person zu Wort kommt, wird die Geschichte um Sam, den Krähenjungen erzählt. Wie sein Großvater einst mit dem Cabrio ins Dorf kam und die anna direkt vom Tresen der Bäckerrei wegholte und wie nun sein Enkel immer wieder das Dorf besucht, ängstlich beäugt von den Dorfbewohnern. Der Leser lernt so die junge Mutter Karolina kennen, die heute in der Bäckerei im Dorf arbeitet, oder Lissi, die Schwester von Jan, der Sam in der Schule angehimmelt hat und natürlich später auch Gärtner, den Münchner Polizisten.

Durch die Augen der verschieden Figuren lernt man den Krähenjungen kennen und auch er selbst bekommt seinen Auftritt und nimmt den Leser mit in seine düstere Kindheit unter der Hand des Großvaters. Die Atmosphäre die hier beschrieben wird ist dicht und bedrückend, ohne, dass die Autorin ins Detail geht. Vieles wird angedeutet, aber letztlich bleibt es dem Leser überlassen das Bild zusammenzufügen. So im Nebel wie die Kindheit des Jungen, der eigentlich gar kein Junge mehr ist, bleiben auch die Gründe für die Ängste, die im Dorf umgehen. Ängste, die genährt werden durch Aberglaube und Vorurteile und denen einzig ein kleines Mädchen vollkommen unbedarft gegenübertritt.

Als Leser kann man sich der Anziehungskraft des Krähenjungen nicht entziehen, ohne das eigentlich wirklich klar wird, worin diese Anziehungskraft besteht. Die Geschichte beginnt zwar wie ein klassisches Märchen mit "Es war einmal" entwickelt sich dann aber in verschiedene Richtungen und lässt sich nicht richtig fassen. Man findet leichte Grusel/Horrorelemente neben Mystischem und einem klassischen Kriminalfall. Auf ein "und sie lebten glücklich bis an ihr Ende" wartet man allerdings vergeblich. Das Buch lässt sich in keine Schublade einordnen und irgendwie bin ich mir auch gar nicht sicher, ob ich die Story tatsächlich so verstanden habe, wie sie von der Autorin gemeint ist, aber das ist am Ende gar nicht so wichtig, denn ich fand sie gut.

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Unglaublich detailliert

Meuterei im Paradies
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Die Geschichte der Seefahrt ist vor allem eine der unerschrockenen Männer, die oft monatelang auf See waren. Unberechenbares Wetter, die Enge des Schiffes, Mangelernährung, oder Unstimmigkeiten zwischen ...

Die Geschichte der Seefahrt ist vor allem eine der unerschrockenen Männer, die oft monatelang auf See waren. Unberechenbares Wetter, die Enge des Schiffes, Mangelernährung, oder Unstimmigkeiten zwischen der Besatzung und den Offizieren sind nur einige der Dinge, die eine lange Schiffsreise zu einem gefährlichen Unternehmen machen konnten. Die Literatur ist voll von Erzählungen über die Seefahrt und eine der berühmtesten ist wohl die über die "Bounty", das Schiff Kapitän Blighs, unterwegs in der Südsee und die Meuterei, die sich im April 1789 an Bord ereignete.

Der Autor erzählt hier die Geschichte, die wahrscheinlich jeder durch mehrere Verfilmungen kennt, oder, die er zu kennen glaubt. Die Crew der Bounty befreit sich von ihrem tyrannischen Kapitän, in dem sie ihn und seine Getreuen auf einem Beiboot aussetzt. Eine Geschichte, die so nicht ganz richtig ist.

Stellenweise liest sich das Buch wie ein Roman, der Autor versteht es die Ereignisse und die beteiligten Personen so bildhaft darzustellen, dass man fast vergisst, dass man hier ein Sachbuch vor sich hat. Penibel recherchiert werden die geschichtlichen Fakten dargelegt und nach neuesten Erkenntnissen gedeutet und analysiert. Als Leser erfährt man hier interessante Hintergründe zur damaligen Reise, die dazu dienen sollte Brotfruchtpflanzen in die englischen Kolonien einzuführen, um auf den dortigen Plantagen die Ernährung der Sklaven zu gewährleisten. Die Meuterei machte dieses Vorhaben zunichte, aber einige Jahre später war Bligh auf einer weiteren Reise erfolgreich.

Die beiden Reisen werden nun vom Autor gegenübergestellt und anhand unzähliger Details erklärt er, warum die Fahrt der Bounty praktisch schon vor ihrem Ablegen in England zum Scheitern verurteilt war. Die Akribie, mit der er hier zu Werke geht ist bemerkenswert. So wird zum Beispiel bis ins Kleinste dargelegt, wie die Hierarchie auf einem Schiff der englischen Flotte aussah, welche Manschaftsmitglieder auf einer solchen Reise dabei waren, zu welcher Gruppe sie innerhalb des Schiffes gehörten, welche Aufgaben diese Gruppen hatten und wessen Befehl sie letztlich unterstanden. Die Bürokratie, die für eine solche Reise nötig war wird erläutert, genauso wie die politische Situation im betreffenden Zeitraum der Reisen, die Kolonialpolitik Englands und die wirtschaftlichen Zusammenhänge der damaligen Zeit. All dies ist unglaublich interessant und gibt einen guten Blick auf die damaligen Verhältnisse und einen noch besseren auf die Geschichte der wohl berühmtesten Meuterei in der Geschichte der Seefahrt.

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