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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.08.2018

Konnte mich nicht überzeugen

Keiner trennt uns
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Seit dem Tod der Mutter versucht die 21-jährige Hanna diese für ihre drei jüngeren Geschwister zu ersetzen und die Familie so gut es geht am Laufen zu halten. Als plötzlich auch noch der Vater verstirbt, ...

Seit dem Tod der Mutter versucht die 21-jährige Hanna diese für ihre drei jüngeren Geschwister zu ersetzen und die Familie so gut es geht am Laufen zu halten. Als plötzlich auch noch der Vater verstirbt, steht die junge Medizinstudentin ganz allein da und findet sich in einem Sorgerechtsstreit mit ihrer Tante wieder. In ihrer Verzweiflung sucht sie bei dem mitfühlenden Polizisten Mark Halt und spinnt ein fragiles Konstrukt aus Halbwahrheiten und Lügen. Doch auch Mark trägt einige Geheimnisse mit sich herum, die er niemanden anvertraut. Hat eine Beziehung auf einer solchen Basis überhaupt eine Zukunft?
Ich muss sagen, dass ich von dem Cover absolut angetan war. Es ist schlicht, elegant, ein bisschen mädchenhaft und für mein Verständnis einfach traumhaft schön. Doch so schön der Einband auch ist, so wenig konnte mich das Buch mit seinen inneren Werten überzeugen und ich erkläre euch natürlich gern woran das lag.

Die Idee der Story an sich gefällt mir immer noch unheimlich gut. Dass zwei Menschen über die Widrigkeiten von Tod, Familienproblemen und Sorgerechtsstreitigkeiten zueinander finden, finde ich sehr spannend. Leider konnte ich mit den Protagonisten absolut nichts anfangen und kam so nur schwer in die Handlung rein und war nach etwa der Hälfte mehrfach versucht das Buch abzubrechen.

Hanna ist für mich einfach zu perfekt. Sie ist die aufopfernde Schwester, die alles, also wirklich alles hinter der Familie anstehen lässt. Selbst ihre eigene Zukunft steht auf dem Spiel, da sie wegen der Sorgerechtsfrage auch ihr Studium vernachlässigt. Leider fand ich dadurch überhaupt keinen Zugang zu ihr. Ich persönlich könnte ihr gar keine weiteren Merkmale zuordnen, die nicht irgendwie Bezug auf ihre Familie nehmen, was ich ausgesprochen schade finde. Auch macht sie im Laufe der Geschichte keine nennenswerte Entwicklung durch. Für sie steht fest, dass die Familie zusammengehalten werden muss; komme was wolle und das wird beinhart durchgezogen. Dadurch ist noch bevor man das Buch aufschlägt völlig klar, wie es enden wird.

Marks Entwicklung hingegen entbehrt für mich jede Logik. Ich war einfach nicht in der Lage seine Beweggründe nachvollziehen zu können, denn oftmals läuft es bei ihm nach Schema F: er wird mit einer Situation konfrontiert, es wird erklärt, dass er das niemals könnte, er tut es dann doch. Er handelt immer wieder entgegen seinem Naturell, seinem Charakter und seiner eigenen Gedankengänge. Nachdem dies zwei, drei mal passierte, war ich einfach nur genervt. Obwohl er zwar seine eigenen Sorgen, Ängste und Nöte hat, wandelt er sich innerhalb eines Wimpernschlags, nachdem er Hanna kennen gelernt hat, in eine völlig andere Person. Das einzige, was er die ganze Zeit beibehält, ist seine Geheimniskrämerei, die einen völlig vorhersehbaren Konflikt mit sich bringt.

Auch der Schreibstil der Autorin konnte mich nicht wirklich überzeugen. Für ich wirkte er leider an vielen Stellen zu gezwungen. Vor allem die ständigen Beschreibungen von Gerüchen in den einzelnen Kapiteln wurde mir irgendwann einfach zu viel. Vielleicht bin ich einfach nicht der Typ Mensch, der ständig darauf achtet, wie andere riechen und ich verbinde auch selten ganz bewusst Düfte mit bestimmten Situationen, daher konnte ich diesen Beschreibungen, die sich teils auch wiederholten, nichts abgewinnen.

Im nachhinein betrachtet, ist der Aufbau der Story zwar irgendwie logisch, doch gefühlsmäßig kam bei mir leider überhaupt nichts davon an. Die einzige Person, die ich wirklich mochte, war Hannas kleiner Bruder Mika. Doch leider reicht mir das nicht, um das Buch weiterempfehlen zu können. Somit muss ich leider sagen, dass es für mich in die Kategorie Fehlschlag fällt. Ich muss sagen, dass ich schon sehr leichte Lektüre erwartet habe und das Buch meine Erwartungen dennoch untertroffen hat, da ich bei fast allen Charakteren die Tiefe und Persönlichkeit vermisst habe und mir viele Momente sehr unrealistisch vorkamen.

Veröffentlicht am 15.08.2018

Wichtige Thematik furchtbar umgesetzt

Du wolltest es doch
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Emma ist jung und schön– und weiß das auch. Tagtäglich spielt sie mit ihren Reizen, gibt in der Schule das nette Mädchen, um nicht für arrogant gehalten zu werden, doch wenn man hinter die Fassade blickt, ...

Emma ist jung und schön– und weiß das auch. Tagtäglich spielt sie mit ihren Reizen, gibt in der Schule das nette Mädchen, um nicht für arrogant gehalten zu werden, doch wenn man hinter die Fassade blickt, merkt man, dass sie genau das ist. Neidisch, missgünstig und am liebsten immer im Mittelpunkt des Geschehens setzt sie alles daran andere Mädchen auszustechen. Dabei macht sie auch vor ihren Freundinnen nicht Halt und nimmt keine Rücksicht auf Verluste. Doch auf dieser einen Party verliert Emma die Kontrolle und jede Erinnerung an das, was geschehen ist. Und die Realität reicht nicht einmal ansatzweise an ihre schlimmsten Vorstellungen heran…
Ich muss sagen, dass ich unheimlichen Respekt vor dem Lesen dieses Buchs hatte. Das Thema Vergewaltigung ist weiß Gott kein einfaches und ich hatte Bedenken wegen der Umsetzung. Tatsächlich muss ich sagen, dass ich auf dieses Gefühl hätte vertrauen sollen, denn mir hat das Buch nicht gefallen und ich erkläre euch sehr gern, was mich daran so sehr gestört hat. Denn letztendlich soll jeder selbst entscheiden, ob er mit meinen Kritikpunkten leben könnte und ob er das Buch dennoch lesen möchte.

Wie bereits erwähnt, hat Emma so viele wirklich miese Eigenschaften, dass sie keinem Leser auch nur ansatzweise sympathisch sein kann. Ich wurde selten mit einer so falschen Person konfrontiert oder einer Protagonistin, die mich so abgestoßen hat. Sie bestiehlt ihre Freundin, sie macht sich an den Freund einer anderen Freundin ran, nur um sich zu beweisen, dass sie ihn haben könnte, wenn sie wollte und spielt jedem das nette Mädchen von nebenan nur vor. Auch mit dem Einsatz ihrer Reize geizt die 17-Jährige nicht. Tiefe Ausschnitte, kurze Röcke, ein verführerischer Blick– da fällt es doch leicht ihr selbst die Schuld an der Tat zu geben, oder?

Denn genau in diese Richtung wird der Leser gedrängt. “Man kann Emma für ihr Wesen einfach nicht mögen, also ist es doch nur gerecht, dass ihr sowas widerfährt!”, schreit die Autorin einem mit jedem Satz entgegen und ich fühle mich als Leser entmündigt. Ich bin der festen Überzeugung, dass es für Taten wie Vergewaltigung und Missbrauch keine Entschuldigung gibt. Kein Opfer hat auch nur einen Hauch Mitschuld, an dem, was ihm passierte, doch in diesem Buch wird der Gedanke “Selbst schuld” so dermaßen forciert, dass ich das Buch am liebsten abgebrochen hätte. Ich hatte schlichtweg keine Lust mehr mir ständig vorbeten zu lassen, was ich jetzt denken soll, nein– denken muss! Alles an diesem Buch hat mich abgestoßen. Das Verhalten Emmas vor dem Ereignis, das Verhalten ihrer Eltern (vor allem das der Eltern. Wie widerlich sind die denn bitte???) nach dem Ereignis und das der Nachbarn und Freunde. Für mein Empfinden gab es in dieser Geschichte genau zwei Personen, die nicht von allen guten Geistern verlassen waren: Emmas Bruder und ihr Freund und Nachbar Conor.

Auch der Schreibstil der Autorin sagte mir wenig zu. Vor allem den Dialogen konnte ich nur schwer folgen, da man oft nicht wusste, wer überhaupt nicht sprecht. Teilweise musste ich Absätze zwei oder drei mal lesen, um den Überblick zu behalten. Dass Emmas Gedanken in Klammern geschrieben wurden, verwirrte mich zunächst ein wenig, da das Buch ohnehin in der Form des Ich-Erzählers geschrieben wurde. Vor allem im zweiten Abschnitt häufen sich diese Gedanken natürlich, weil Emma sich nach dem Vorfall immer mehr in sich selbst flüchtet und kaum noch Kontakt zur Familie und noch weniger zur Außenwelt zulassen möchte.

Was mir gut gefallen hat, war der starke Kontrast zwischen der Emma vor und der nachdem es passierte. Von dem selbstbewussten, ja selbstverliebten Mädchen war nichts mehr übrig. Sie war verängstigt, depressiv, in Selbstzweifeln gefangen und sehnte sich schlichtweg danach aufgefangen zu werden. Doch nicht einmal von ihren Eltern bekam sie den Halt, den sie so dringend benötigte, sodass sie immer mehr in ihre suizidalen Gedanken abrutschte und sich für alles selbst die Schuld gab und sich immer wieder vorwarf, dass sie diejenige war, die Leben zerstörte. So konnte ich das Ende auf jeden Fall nachvollziehen, auch wenn es mich als nicht betroffene Person etwas enttäuschte, auch wenn ich ihr Vorgehen verstehe.

Auch fand ich es gelungen wie die Autorin die Schwierigkeit mit den sozialen Medien eingebaut hat. Emma selbst hat keine Erinnerungen mehr an das, was ihr zugestoßen ist und ist anfangs verwirrt, als ihr am nächsten Tag die Abneigung und Häme ihrer Mitschüler entgegenschlagen. Doch dann wird sie auf die Facebook-Seite aufmerksam, auf der Fotos des besagten Abends kursieren. Es sind die abwertenden, hasserfüllten und ekelerregenden Kommentare, die das Mädchen nicht mehr loslassen. Es war äußerst realistisch und unheimlich erschreckend, was die Anonymität des Internets mit den Menschen machen kann.

Schlussendlich kann ich nur sagen, dass das Thema, das das Buch aufgreift unheimlich wichtig ist, denn es ist beschämend, dass in unserer heutigen Gesellschaft immer noch Sätze wie “Die hatte ja getrunken, da ist sie selbst schuld!” oder “Mit dem Klamottenstil war ja nichts anderes zu erwarten!” fallen, wenn es um Vergewaltigungsopfer geht. Ein Opfer ist niemals schuld! Als umso abstoßender empfand ich es, dass die Autorin den Leser scheinbar genau in diese Schublade pressen will. Ich hatte nicht das Gefühl, dass mich dieses Buch zum Nachdenken anregt, sondern dass ich mich permanent gegen das, was mir hier aufgezwungen werden soll, wehren muss. Ich lese in letzter Zeit sehr gern Bücher mit solchen wichtigen Themen und ich finde es gut und unterstützenswert, dass immer mehr Bücher sich solcher Dinge annehmen, aber ich hatte noch nie das Gefühl so sehr gegen ein Buch ankämpfen zu müssen. Für mich persönlich war dies einfach der falsche Weg.
Da ich das Buch dennoch als wichtig empfinde, möchte ich es an dieser Stelle keiner Kategorie zuordnen. Nur eins möchte ich noch sagen: Nicht alle Opfer von Gewalttaten, Vergewaltigung und Missbrauch sind Emmas. Es ist nicht immer die Person, mit dem kürzesten Rock, dem tiefsten Ausschnitt, der engsten Jeans oder dem offensivsten Flirtverhalten. Es kann jeden treffen. Jeder kann Opfer werden und daran ist man niemals, wirklich in keinem einzigen Fall selbst schuld. Denn kein anderer Mensch hat das Recht ohne Zustimmung über den Körper eines anderen zu verfügen. Nein heißt nein. Und selbst wenn es kein ganz klares Nein ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es ein Ja ist.

Veröffentlicht am 28.06.2018

Angenehme Lektüre für Zwischendurch

Vicious Love
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milia LeBlanc hat es denkbar schwer, als sie als Teenager mit ihren Eltern umzieht. Sie ist nur die Tochter der Haushaltshilfen und das bekommt sie auch von jedem an der Schule zu spüren– besonders von ...

milia LeBlanc hat es denkbar schwer, als sie als Teenager mit ihren Eltern umzieht. Sie ist nur die Tochter der Haushaltshilfen und das bekommt sie auch von jedem an der Schule zu spüren– besonders von Baron Spencer, der sich von allen nur “Vicious” nennen lässt und für dessen Familie die LeBlancs arbeiten. Doch Emilias Unbeliebtheit erweist sich fast noch als ihr kleinstes Problem, denn um ihre Eltern und ihre kleine Schwester zu schützen, ist sie plötzlich gezwungen sie zu verlassen und allein völlig neu anzufangen…

…um zehn Jahre später festzustellen, dass sie am Ende ist. Emilia versucht sich und ihre kranke Schwester mit kleinen Jobs über Wasser zu halten, doch es reicht vorn und hinten nicht. Als sie Vicious nach all der Zeit plötzlich wieder begegnet, macht dieser ihr ein unglaubliches Angebot und es entflammt ein Kampf zwischen Kopf und Herz – Verstand und Gefühl.

Vicious Love fiel mir bereits in der Verlagsvorschau ins Auge. Das schlichte, aber schöne und hochwertig gestaltete Cover zog meinen Blick praktisch magisch an und auch der Klappentext reizte mich. Ich hatte zwar zunächst einige Vorbehalte, doch L.J. Shen schaffte es schnell diese aus dem Weg zu räumen.

Ich bin ein kleiner Emilia-Fan! Die Protagonistin kann man eigentlich nur lieben, denn sie hat eine wundervoll unkonventionelle, kreative und unangepasste Art, die sie unheimlich sympathisch macht. Obwohl sie sich schon als junges Mädchen scheinbar kaum von den Mobbingversuchen ihrer Mitschüler beeindrucken lässt, kann ich mich nicht des Gefühls erwehren ein bisschen Mitleid mit ihr zu haben. Sie ist einfach so eine liebe Frohnatur, fast unschuldig und immer unvoreingenommen, dass man sie einfach ins Herz schließen und für sie kämpfen muss. Ich glaube, eine Freundin wie sie, hätte jeder gern. Und danke danke danke, dass es sich endlich mal nicht um eine kleine graue Maus handelt, die sich ihrer Schönheit angeblich gar nicht bewusst ist und der dennoch alle Herzen zufliegen! Zumindest ein Klischee wurde hier mal nicht bedient!

Komplett gegensätzlich dazu ist Baron “Vicious” Spencer, der unheimlich düster, zerknirscht und geheimnisvoll dargestellt wird. Schon zu Schulzeiten ist er sich seiner Macht und seinem Einfluss bewusst und nutzt all das schamlos aus. Loyalität kennt er nur gegenüber seinen drei Freunden, mit denen er auch später zusammen ein Unternehmen gründet. Er ist der Inbegriff des Bad Boys und ich bin mir sicher, dass ihm trotz seiner arroganten Ausstrahlung die Fan-Herzen nur so zufliegen!

Insgesamt hat es L.J. Shen geschafft tolle Charaktere zu kreieren. Vor allem Emilia und ihre Schwester haben mich ziemlich schnell auf ihre Seite gezogen. Nur Vicious konnte mich nicht völlig von sich überzeugen, denn für meinen Geschmack ist er zu rücksichtslos, zu manipulativ, zu arrogant, um mein Herz höher schlagen zu lassen. Dass er dennoch bookboyfriend– Potential hat, habe ich bereits in einigen Büchergruppen in den sozialen Netzwerken mitbekommen und zum Glück sind diese Einschätzungen ja subjektiv.

Der Schreibstil kommt recht schlicht und einfach daher, dennoch mit einer Prise Humor, die wir vor allem Emilias Kapiteln zu verdanken haben. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht beider Protagonisten, meistens im Wechsel, was mir hier wirklich gut gefallen hat. Vor allem Vicious’ Handlungen wären sonst in vielen Momenten absolut unsinnig erschienen.

Vicicous Love bietet dem Leser eine spannende Geschichte voller Geheimnisse mit wohl dosierter Erotik und sogar ein bisschen Gefühl, was ich unheimlich angenehm fand. Das Buch hat mich gut unterhalten, die Seiten flogen nur so dahin. Doch auch wenn es einige Klischees bedient, bin ich froh, dass ich mal wieder einen Ausflug in einen Literaturbereich unternommen habe, den ich lange gemieden habe und würde dieses Buch definitiv als leichte Lektüre für zwischendurch empfehlen, auch wenn ich nun immer noch nicht der größte Fan dieses Genres bin, kann ich es auf jeden Fall als Lesetipp einordnen.

Veröffentlicht am 22.06.2018

Großartiger Klassiker in tollem Gewand!

Lieber Daddy-Long-Legs
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Der geneigte Leser wird nun denken “Nanu? Im September 2017 erschienen und dann für das Genre Klassiker gelesen?”, doch der in Briefformat geschriebene Roman stammt bereits aus dem Jahre 1912, was man ...

Der geneigte Leser wird nun denken “Nanu? Im September 2017 erschienen und dann für das Genre Klassiker gelesen?”, doch der in Briefformat geschriebene Roman stammt bereits aus dem Jahre 1912, was man einigen Passagen auch anmerkt. Zunächst möchte ich aber etwas mehr über Judy und den Inhalt berichten.

Judy, die eigentlich Jerusha Abbott heißt, wächst in einem amerikanischen Waisenhaus auf. Um die Schule zu beenden, darf Judy ein wenig länger in der Einrichtung bleiben, als es üblich ist und hilft dort die anderen Kinder zu betreuen. Eines Tages wird das Mädchen darüber informiert, dass ein Mann, der geheim bleiben möchte, ihr das College finanzieren wird, damit sie Schriftstellerin werden kann. Bedingung ist aber, dass er per Brief über ihre Fortschritte informiert wird und sie ihm, obwohl sie ihn nicht kennt, wie einem Familienmitglied schreibt. Für Judy beginnt die großartigste Zeit ihres Lebens. Zwar bemerkt die junge Frau immer wieder, dass ihre Kindheit in keinster weise mit der ihrer Kommilitoninnen vergleichbar ist, doch sie wächst mit ihren Aufgaben, entdeckt die Welt, lernt das Leben kennen und mit der Zeit auch die Liebe.

Lieber Daddy Long Legs ist schlicht und ergreifend bezaubernd. Ich habe die Stimmung in dem Buch geliebt und habe dank Judy wieder einen Blick für die kleinen Dinge im Leben entwickelt. Für sie ist so vieles so neu und all diese Erfahrungen durch sie erneut zu machen, war ein unglaublich schönes Gefühl und ließ mich für viele Dinge, die für uns heutzutage so selbstverständlich sind, wieder Dankbarkeit empfinden.

Doch mit all den Erfahrungen, die sie macht, spürt man auch, dass ihr bisher einiges verwehrt geblieben ist, das für andere Menschen völlig normal und selbstverständlich ist, allen voran die Liebe, Wärme und Geborgenheit einer Familie. Vor allem diese von Grund auf ehrlichen und offenen Briefe gingen mir unheimlich nah und ich konnte die ein oder andere Träne nicht zurückhalten. Und es war erstaunlich, dass Judy trotz allem eine so positive, wissbegierige, tolle Frau geworden ist.
Die Briefform verleiht dem Roman das gewisse Etwas. Es liest sich ein klein wenig wie ein Tagebuch, denn Judy berichtet von jeder Kleinigkeit, die ihr widerfährt. Der spritze, lebensfrohe und gefühlvolle Schreibstil macht dieses Buch zu etwas ganz Besonderen und ich konnte es kaum aus der Hand legen. Man möchte einfach immer wissen, wie es mit ihr weitergeht und von welchen Entdeckungen sie als nächstes berichten möchte!

Um die inneren Werte mal kurz beiseite zu legen, möchte ich noch die wunderschöne Aufmachung des Buches erwähnen. Die dezente Hintergrundfarbe mit den filigranen Blumen finde ich einfach unsagbar schön. Doch auch ohne Umschlag ist das Buch ein wahrer Hingucker, denn auf mintfarbenen Grund ziehen sich die weißen Silhouetten der Blumen über den ganzen Einband. Für mich kleines Cover-Opfer könnte es nichts Schöneres geben als so viel Liebe zum Detail!

Eine Stelle ist mir allerdings sauer aufgestoßen und hat mir so richtig vor Augen geführt, wie alt diese Geschichte wirklich ist. “Sind Frauen überhaupt Bürger? Wahrscheinlich nicht.” heißt es auf Seite 205 im dritten Absatz und ließ mich schwer schlucken. Zu Beginn des Buches wird erklärt, dass der Gönner, der ihr die Ausbildung am College finanziert, bisher nur Jungs unterstützt hat. Für mich war das in diesem Moment nur eine vage Nebeninformation, doch betrachtet man es vor dem Hintergrund in welcher Zeit wir uns befinden, war diese Ausnahme etwas ungemein Besonderes und ließ mich das ganze Buch nochmal unter einem völlig anderen Blickwinkel betrachten.

Mein erstes Königskind hat mein Herz berührt und sich dort einen festen Platz verdient. Ich bin immer noch so begeistert, dass ich kaum Worte finde, um dieses Buch gebührend zu feiern, daher mache ich es wieder kurz und schmerzlos: Lest es bitte alle! Ihr werdet es nicht bereuen. Willkommen auf der Liste meiner Highlights!

Veröffentlicht am 18.06.2018

Wie Wellengang: ein einziges Auf und Ab!

Woman in Cabin 10
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Die Luft trägt den salzigen Duft des Meeres mit sich, wo man auch geht und steht, hört man das stetige Rauschen der Wellen, Möwen kreischen und man kann die Seele baumeln lassen. Ja, so stelle ich mir ...

Die Luft trägt den salzigen Duft des Meeres mit sich, wo man auch geht und steht, hört man das stetige Rauschen der Wellen, Möwen kreischen und man kann die Seele baumeln lassen. Ja, so stelle ich mir eine Kreuzfahrt vor. Ob ich so schnell mal eine machen werde? Nach dieser Lektüre eher unwahrscheinlich, denn dank dem Rezensionsexemplar des Thriller “Woman in cabin 10” ist mir die Lust auf Urlaub auf hoher See erst einmal vergangen. An dieser Stelle möchte ich mich aber noch beim dtv Verlag für das zur Verfügung gestellte Buch bedanken! Und nun legt die Rettungswesten an, denn dieser Beitrag kann nicht nur Spuren von Werbung enthalten, sondern könnte euch auch seekrank machen. Es wird holprig!
Was könnte es Schöneres geben, als das Naturschauspiel der Nordlichter auf einem Luxuskreuzfahrtschiff genießen zu können? Gutes Essen, nette Gesellschaft und eine spektakuläre Aussicht auf die norwegischen Fjorde– das alles bietet sich Lo Blacklock, als sie ihre Chefin auf der Jungfernfahrt eines exklusiven Kreuzfahrtschiffs vertreten soll. Doch was ihr neue Kontakte und Jobchancen verschaffen sollte, entpuppt sich für die Journalistin als Albtraum, denn als Lo glaubt Zeugin eines Verbrechens zu werden, will ihr nicht nur niemand glauben, es scheint auch gar kein Opfer zu geben…
Mit der Protagonistin Lo bin ich leider nicht so richtig warm geworden. Mit ihren psychischen Problemen und einem Hang zum Alkohol, der mich an Suchtverhalten denken ließ, erinnerte sie mich sehr an die Protagonistin Rachel aus Paula Hawkings “Girl on the train“. Dass mir dieses Buch damals so überhaupt nicht gefallen hat, sei hier nur am Rande erwähnt. Immerhin hat Lo auch ihre lichten Momente, kann mich aber leider trotzdem nicht von sich überzeugen. Für meinen Geschmack reagiert sie in vielen Situationen viel zu naiv, vor allem unter Alkoholeinfluss handelt entgegen jeder Logik und am Ende gab es einige Momente, die zwar viel Platz einnehmen, für den Verlauf der Story aber keinerlei Bedeutung haben.

Unter anderem trugen diese Szenen dazu bei, dass der Spannungsbogen der Story oft ins Leere lief. Die Autorin schaffte es zwar immer wieder Spannung aufzubauen und mich leichten Nervenkitzel spüren zu lassen, aber oftmals löste sich diese dann in Wohlgefallen auf, woran auch das unlogische Verhalten oder die überspitzen Reaktionen der Hauptfigur meistens nicht ganz unschuldig waren. Doch auch die Nebencharaktere brachten mich nicht wirklich wieder auf Spur. Sie waren teilweise zu blass oder so klein gehalten, dass sie zur Geschichte kaum etwas beitragen konnten, obwohl ja fast alle von ihnen auch potentielle Täter waren. Hier hätte ich mir vielleicht weniger Personen gewünscht, um ihnen aber auch ein Gesicht geben zu können.

Zwischen den einzelnen Kapiteln gab es immer wieder eingestreute Forenbeiträge mit Spekulationen oder Suchmeldungen bezüglich vermisster Personen, die sich auf die Geschehnisse auf dem Schiff bezogen. Dies fand ich sehr spannend, weil sie den Leser auf eine neue Spur lockten und man so immer wieder neue Erkenntnisse erlangte, die nochmal dazu animierten sich selbst Gedanken über den Täter zu machen. Schade ist nur, dass die Auflösung für mich leider sehr konstruiert und wenig überzeugend wirkte. Vor allem der Geistesblitz, der Lo durchfährt und sie der Lösung nahe bringt, macht in meinen Augen wenig Sinn und ließ bei mir einige offene Fragen zurück.

Der klare Schreibstil der Autorin sorgt allerdings dafür, dass man recht schnell durch das Buch durchkommt und sich auch gut in gewisse Situationen hineinfühlen kann. Vor allem die beklemmende Enge unterhalb des Wasserspiegels und die Angst, Selbstzweifel und Unsicherheit von Lo nach der Tat werden sehr gut beschrieben, sodass man sich– zumindest so lange sie nüchtern ist– recht gut in sie hineinfühlen kann, auch wenn sie deshalb nicht unbedingt mehr Sympathiepunkte gewinnen kann. Zu kurz kam mir dann auch die Wechselwirkung zwischen den Mengen an Alkohol und den Antidepressiva, die Lo zu sich nimmt. Und dafür, dass sie vorher scheinbar keinen Tag ohne Tabletten übersteht, hat sie erstaunlich wenig Entzugserscheinungen, als sie sie gezwungenermaßen absetzen muss, wo wir wieder bei dem Punkt realistisch und unrealistisch wären.
hnlich wie bei starkem Seegang war dieses Buch für mich ein ganz schönes Auf und Ab. Es gab einige Dinge, die mir gefallen haben, wie der Schreibstil der Autorin und ihre Beschreibungen von Umgebung und Stimmung, aber auch ein paar, die die Leselust gedämpft haben. Schlussendlich kann ich sagen, dass mich das Buch für den Moment ganz gut unterhalten hat, aber nicht vollends überzeugen konnte. Damit landet es bei mir bei den Mitteldingern, konnte mich aber ohne Zweifel davon abbringen in den nächsten Jahren eine Kreuzfahrt zu buchen. Als Urlaubslektüre auf hoher See würde ich das Buch also eher nicht empfehlen. Vom Bootssteg aus ist es aber bestimmt erträglich!