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Veröffentlicht am 22.02.2019

Spannende und unterhaltsame Geschichte

Rheinblick
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1972, Wahlsonntag in Bonn. Die SPD mit Kanzlerkandidat Willy Brandt fährt einen überragenden Sieg ein und nun stehen in Bonn die Koalitionsverhandlungen an – doch Brandt muss sich einer Operation unterziehen. ...

1972, Wahlsonntag in Bonn. Die SPD mit Kanzlerkandidat Willy Brandt fährt einen überragenden Sieg ein und nun stehen in Bonn die Koalitionsverhandlungen an – doch Brandt muss sich einer Operation unterziehen. Logopädin Sonja, die in einer Bonner WG lebt, soll ihm helfen und versucht gleichzeitig die jüngere Schwester, die ausgerissen ist, zu finden. Hilde Kessel dagegen hat ganz andere Probleme. Die Betreiberin des bei Politikern sehr beliebten „Rheinblick“ wird in politische Verstrickungen reingezogen und droht sich in dem Schlamassel zu verheddern.

Nach einer recht kurzen Eingewöhnungszeit und dem Kennenlernen der wichtigsten Charaktere, konnte ich das Buch kaum mehr aus den Händen legen. Es handelt sich um eine fiktive Geschichte, unterfüttert mit allgemein bekannten Fakten zur Politik, die sich theoretisch genauso hätte zutragen können, was die Geschichte sehr spannend für mich machte.
Wer spielt Spielchen? Wer verrät und verkauft einen Dritten? Ist die Politik wirklich so ein dreckiges Geschäft, wie es an vielen Stellen den Eindruck macht? Wie schnell wird man in etwas reingezogen? Lauern wirklich immer überall Intrigen? Alles Fragen, die mich unheimlich angetrieben haben.

Gut dargestellt finde ich auch die Zeit und den Zeitgeist – zumindest entspricht er dem, was ich mir darunter vorstelle. Ich bin selbst Kind der 80er und kann es daher nicht aus eigenem Erleben beurteilen. In Bonn war ich schon öfter und hatte daher meist ein Bild vor Augen, wenn von der Innenstadt die Rede war. Sehr schön ausgearbeitet sind die verschiedenen Charaktere – allen voran Wirtin Hilde vom Rheinblick und Logopädin Sonja, die Willy Brandt nach einer Operation helfen soll. Je weiter die Geschichte voranschritt, desto interessanter wurde die WG samt Bewohnern und man fieberte mit, sei es bei der jungen Journalistin Lotti oder dem Hallodri Max.
Unterhaltsam fand ich auch den Strang mit dem Mord an einem jungen Mädchen. Welche Verwicklungen dazu führten war ebenfalls spannend, wenn auf anderer Ebene als die politischen Ränkespielchen. Die Hintergründe habe ich so nicht erwartet – echt toll konstruiert!

Die Zeit war politisch spannend, von Brandts Kehlkopfoperation wusste ich ehrlich gesagt vorher nichts (ich habe mich beim Lesen gefragt, warum ich im Sozialkundeunterricht nie hinterfragt habe, warum er nicht bei den Koalitionsverhandlungen teilgenommen hat…) und vieles, was wir heute nicht nur kennen, sondern alltäglich geworden ist, steckt da gerade in den Kinderschuhen, z.B. Logopädie, Akupunktur.

Natürlich benötigt man ein gewisses Interesse an Politik, um an dem Buch Gefallen zu finden, großartige Vorkenntnisse benötigt es allerdings nicht. Dank eines Glossars am Ende des Buches werden möglicherweise noch offene Fragen geklärt (ich habe es erst entdeckt, als ich das Buch beendet hatte, aber ich hatte es auch nicht benötigt).

Der Schreibstil ist rund und flüssig. Die Perspektiven wechseln immer wieder, sodass die Geschichte sehr lebendig wird.

Ich empfehle das Buch gerne!

Veröffentlicht am 21.02.2019

Sehr tiefgründig und berührend

Nachtblumen
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Jana soll einen Neustart auf Sylt beginnen. In einer Wohngemeinschaft mit anderen jungen Erwachsenen, die ebenso Probleme haben wie sie, lebt sie nun und beginnt eine Ausbildung zur Bauzeichnerin. Jana ...

Jana soll einen Neustart auf Sylt beginnen. In einer Wohngemeinschaft mit anderen jungen Erwachsenen, die ebenso Probleme haben wie sie, lebt sie nun und beginnt eine Ausbildung zur Bauzeichnerin. Jana findet sich nur nach und nach zurecht und das verdankt sie unter anderem Collin, der auch mit seinen Dämonen zu kämpfen hat…

Schon der Beginn hat mich positiv überrascht. Anstelle einer „gewöhnlichen“ Liebesgeschichte, beginnt die tiefgründige Geschichte anders, als ich erwartet hatte und ich war wirklich sehr angetan. Janas Probleme sind schnell offensichtlich, aber die Ursache bleibt lange im Dunklen. Ich wollte unbedingt wissen, was ihr widerfahren ist und somit wurde die Geschichte irgendwie auch spannend. Erst nach und nach wird in Nebensätzen und kleineren Andeutung offenbart, was los ist. Ihr Schicksal und die Probleme der anderen jungen Erwachsenen im Wohnprojekt haben mich bewegt. Gefühlvoll und tiefgründig webt die Autorin die Liebesgeschichte ein, die wenig gewöhnlich, aber umso mehr überzeugend gelungen ist. Nur zum Schluss hin war irgendwann die Luft für mich raus und ich habe das Buch nicht mehr so begeistert gelesen, daher ziehe ich doch einen Stern ab.

Der Schreibstil ist sehr flüssig, kurzweilig und fesselnd. Jana ist ein sehr spannender Charakter und die Autorin ermöglicht es einen tiefen Einblick in die Psyche der jungen Erwachsenen zu bieten. Toll auch, wie sie sich nur schrittweise in einem langen Prozess weiterentwickelt. Eine tolle Nebenfigur ist die Therapeutin, die der Geschichte ordentlich Schwung verleiht. Unter dem Strich erschien es mir gut recherchiert und ich empfehle das Buch gerne weiter!

Veröffentlicht am 18.02.2019

Dramatische Familiengeschichte

Das Seehospital
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Frida hat sich schon immer durchgesetzt. Sie sollte Amrum eigentlich nur verlassen, um eine Ausbildung zur Krankenschwester abschließen, um dann im Hospital, dass in Erinnerung an ihren Vater betrieben ...

Frida hat sich schon immer durchgesetzt. Sie sollte Amrum eigentlich nur verlassen, um eine Ausbildung zur Krankenschwester abschließen, um dann im Hospital, dass in Erinnerung an ihren Vater betrieben wird, zu arbeiten. Auch als ihr Großvater ihr die finanzielle Unterstützung versagt, setzt sie sich durch und nimmt ein Medizinstudium gegen alle Widerstände auf. Als ihr Großvater stirbt kehrt sie zur Insel zurück und kämpft für den Erhalt des Hospitals.

Frida habe ich direkt als starke Frau kennen und schätzen gelernt, sodass man unbedingt erfahren möchte, was auf sie zukommen wird. Amrum war sehr schön beschrieben und der Leser lernt nach und nach Fridas Familie kennen. Schnell wird deutlich, dass in der Familie so einiges nicht stimmt, aber die gesellschaftliche Stellung aufrecht erhalten werden soll. Das Geld scheint knapp und zu allererst soll die Klinik für lungen- und hautkranke Kinder geschlossen werden – doch dagegen kämpft Frida mit allen Mitteln. Hilfe bekommt sie dabei zunächst vor allem von ihrer Schwester Lou, die jedoch so von ihren Eltern unter Druck gesetzt wird, dass sie daran zerbricht. Das Schicksal der kranken Waisenkinder scheint lange Zeit ungewiss und es geht weiter drunter und drüber in der Familie. Die Ereignisse überschlagen sich nahezu und das Hospital rückt immer mehr in den Hintergrund. Auch Fridas Schwester Emily wird von ihren Eltern in den Sumpf von gesellschaftlichen Erwartungen herabgezogen und soll einen reichen, alten Mann heiraten, der sie schlecht behandelt und ihr zuwider ist. Lou ist derweil in Hamburg in die Fänge eines Kriminellen geraten, tritt im Varieté auf und droht immer mehr abzurutschen. Frida möchte da nicht zusehen und versucht ihrer Schwester zu helfen. Darüber tritt das Hospital immer mehr in den Hintergrund. Das fand ich äußerst schade.

Der Schreibstil ist durchgängig rund und die wechselnden Erzählperspektiven machen die Geschichte lebendig. Durchweg hat sich das Buch sehr gut lesen lassen, allerdings gefiel mir die erste Hälfte deutlich besser. Je weiter das Buch fortschritt, desto mehr entfernte es sich vom Seehospital und dem ursprünglichen Plot und vor allem den Erwartungen, trotzdem blieb es interessant. Die fast unglaubliche Familiengeschichte ist recht dramatisch und nimmt großen Raum ein, während das ursprüngliche Thema immer mehr in den Hintergrund tritt. Leider sind mir viele der Figuren zu blass geblieben.

Es war kein typischer Inselarzt-Roman, was mich letztens eher positiv überraschte, die Geschichte der Familie ist dramatisch wie fesselnd, aber für mich über weite Strecken irgendwie ein wenig am Thema vorbei. Trotzdem haben mich die Schilderungen der damaligen Zeit (z.B. die Zustände nach dem ersten Weltkrieg in Heimen) unterhalten und ich empfehle das Buch weiter.

Veröffentlicht am 13.02.2019

Das war einfach kein Buch für mich

Das Fundbüro der Wünsche
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Martha Lost ist ein Findelkind, welches im Fundbüro des Liverpool Lime Street Bahnhofs abgegeben wurde und den Bahnhof noch nie verlassen hat. Dort fristet das Kind unter der „Erziehung“ von der sogenannten ...

Martha Lost ist ein Findelkind, welches im Fundbüro des Liverpool Lime Street Bahnhofs abgegeben wurde und den Bahnhof noch nie verlassen hat. Dort fristet das Kind unter der „Erziehung“ von der sogenannten Mutter ein wenig erquickliches Leben, arbeitet im Fundbüro und hofft irgendwann doch mehr über ihre Herkunft herauszufinden. Nach dem Tod der Ziehmutter versucht sie sich selbst zu finden – mithilfe ihrer Freunde, die sie auf dem Bahnhof getroffen hat und die immer für sie da sind.

Die Protagonisten waren mir – allen voran die Erzählerin Martha – ein wenig zu eigen und manche zu skurril. Ich wurde vor allem mit der Erzählerin so gar nicht warm. Martha ist so dermaßen naiv, dass es einfach nur noch genervt hat, wenn sie auch ein herzensguter Mensch ist und es nach der „Erziehung“ schon irgendwie stimmig ist. Ein Kind kann sich unter solchen Bedingungen einfach nicht „normal“ entwickeln, dazu kommt noch ihre Gabe...
Die Geschichte war fast durchgängig für mich ein wenig langweilig, sodass ich mich immer wieder beim querlesen erwischte und zwischendrin ein paar andere Bücher gelesen habe. Es passiert einfach recht wenig und was geschieht ist für mich weder spannend, noch unterhaltsam gewesen. Auch die Beatles sind nicht so mein Fall und die, bzw. ein Freund derer, sind in der Geschichte recht zentral.

Warum ich es nicht einfach abgebrochen habe? Weil ich irgendwie doch wissen wollte, was noch kommt und der Schreibstil war auch recht angenehm zu lesen war. Leider hat mich das Ende auch nicht wirklich positiv überraschen können. Doch nicht alles war schlecht. Es gibt schöne Bezüge zu Büchern und einiges lässt auch den weniger positiv gestimmten Leser nicht kalt.

Wer ungewöhnliche Geschichten, fast schon Märchen, mit speziellen Protagonisten mag, wird wahrscheinlich Gefallen an dem Buch finden, drum möchte ich auch nicht davon abraten, nur würde ich vor dem Kauf eine Leseprobe empfehlen. Wem die nicht zusagt, wird auch später eher wenig Gefallen am Buch finden.

Veröffentlicht am 12.02.2019

Die neue, kalte Welt

Die Mauer
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Klimawandel, Migration und Brexit haben ihre Spuren in Großbritannien hinterlassen. Um sich vor den Wassermassen und den „Anderen“ zu schützen, ist die komplette Insel von einer Mauer umgeben. Zur Bewachung ...

Klimawandel, Migration und Brexit haben ihre Spuren in Großbritannien hinterlassen. Um sich vor den Wassermassen und den „Anderen“ zu schützen, ist die komplette Insel von einer Mauer umgeben. Zur Bewachung werden alle jungen Briten zu zwei Jahren Dienst auf der Mauer verpflichtet. Es ist kalt, grau und düster dort nach dem Wandel…und immer droht der Ernstfall über die Bewacher einzustürzen.

Ich lese selten Dystopien, vielleicht bin ich deshalb etwas unkritischer als andere Leser, aber mir hat das Buch recht gut gefallen, wenn ich auch vom Ende deutlich mehr erwartet hätte.

Aktuelle Entwicklungen und deren mögliche Auswirkungen werden aufgegriffen. Die Folgen – wenn sie denn so eintreten würden, wie hier – wären dramatisch. Mit dem Verteidiger Kavanagh erlebt der Leser, was der Dienst auf der Mauer bedeutet, wie sich die düstere Welt auf das Seelenleben der Menschen auswirkt. Er, wie auch seine Mitstreiter, sind völlig austauschbar und nur kleine Nummern in der neuen Welt. Persönliche Beziehungen sind nichts oder nur wenig wert, daher erfährt auch der Leser recht wenig zu Nebenfiguren. Einerseits wirken sie dadurch blass, andererseits passt es irgendwie auch, unterstreicht es doch die neue, kalte Welt. Die jungen Leute scheinen auch nicht ganz genau zu wissen, warum sie und ihre Mitstreiter den Dienst übernehmen und was das Ganze soll.

Der Schreibstil ist leicht verständlich und gut nachvollziehbar und wie ich finde, werden manche Dinge geschickt in Nebensätzen eingebaut. Dass es genauso kommen kann, vielleicht in gar nicht zu weiter Zukunft, macht das Buch irgendwie erschreckend. Ich konnte das Buch kaum mehr aus den Händen legen, weil ich wissen wollte, wohin das Ganze führt. Erstaunlich fand ich dies vor allem, da insgesamt recht wenig geschieht. Leider hat mich das Ende nicht richtig überzeugen können und die Lesefreude ein wenig getrübt.