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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.10.2022

Wichtiges Thema dystopisch erzählt

Unsre verschwundenen Herzen
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Bird ist 12 Jahre alt und er lebt mit seinem Vater allein auf dem Campus. Seine Mutter hatte die Familie drei Jahre zuvor verlassen. Über sie wird nicht gesprochen, doch plötzlich erreicht Bird, der nun ...

Bird ist 12 Jahre alt und er lebt mit seinem Vater allein auf dem Campus. Seine Mutter hatte die Familie drei Jahre zuvor verlassen. Über sie wird nicht gesprochen, doch plötzlich erreicht Bird, der nun Noah genannt wird, ein Brief mit Katzen ohne Ende und das weckt seine Erinnerung an eine Erzählung. Nun will er sich auf die Suche nach seiner Mutter machen.

Gewöhnlich lese ich keine dystopischen Bücher, greife ich doch mal zu einem, dann muss es mich thematisch wirklich interessieren. Das war hier ganz klar der Fall. Rassismus ist einfach ein wichtiges Thema und ich finde ihn gut dargestellt. Nach einer Wirtschaftskrise ungekannten Ausmaßes, wird China als Ursache für alles Übel ausgemacht. Mit dem neuen PACT-Gesetz soll nun alles besser werden, „America first“ in Reinkultur…Hier wird unter dem Deckmäntelchen des Schutzes und der Sicherheit auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein proamerikanischer Kurs gefahren, der alles Unamerikanische und besonders alles Asiatische verbietet. Das führt zu Diskriminierung, Verleugnung der eigenen Persönlichkeit, Zwangsadoptionen und vielem mehr. Das Dramatische: Hier handelt es sich um eine dystopische Erzählung – doch sie mutet sehr realistisch an…vielleicht nicht in diesen Dimensionen (bisher!), aber das ist eben keine reine Phantasie.
Sprachlich ist das Buch nicht abgehoben sieht man von dem einen oder anderen poetischen Element ab. Gerade zu Beginn, als weder die Krise noch die Hintergründe für das Verschwinden der Mutter klar sind und nur das triste Leben von Bird und seinem Vater geschildert wird, konnte ich mich für das kaum erwärmen. Mir war es einfach ein wenig zu deprimierend, zu beklemmend. Die gesellschaftlichen Bedingungen waren mir einfach zu heftig. In so einer Welt, in der Überwachung und Unterdrückung allgegenwärtig sind, möchte man einfach nicht leben, auch nicht, wenn man rein optisch den Maßstäben entspricht. Nachdem ich ein anderes Buch gelesen hatte, konnte ich mich jedoch auf die Geschichte einlassen. Ab dem zweiten Teil hatte mich das Buch dann auch. Heißt konkret: Ab da hatte ich das Buch fast in einem Rutsch gelesen. Die Situationen sind unerhört, die Hintergründe und Ursachen werden deutlich. Irgendwie habe ich aber leider nie auf emotionaler Ebene zu Bird oder einem anderen Protagonisten gefunden, das Ende kam zu prompt.

Unter dem Strich hat mich das Buch doch weitgehend überzeugt und es wirkt bestimmt noch lange nach, aber ich bin der festen Überzeugung, dass man den richtigen Moment für das Buch erwischen muss oder allgemein Fan dystopischer Bücher zu sein.

Veröffentlicht am 01.10.2022

Selbst Tennismuffel kommen auf ihre Kosten

Carrie Soto is Back
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Carrie Soto war vor allem in ihrer 20ern eine sehr erfolgreiche Tennisspielerin, holte die meisten Grand Slams, führte die Weltrangliste an. Eine Knieverletzung ließ sie ihrer Karriere beenden, bis zu ...

Carrie Soto war vor allem in ihrer 20ern eine sehr erfolgreiche Tennisspielerin, holte die meisten Grand Slams, führte die Weltrangliste an. Eine Knieverletzung ließ sie ihrer Karriere beenden, bis zu dem Tag, als sich eine junge Britin anschickt, ihr den Rekord zu nehmen. Carrie entscheidet mit ihren Vater, dass es Zeit für ein Comeback ist und Carrie den Rekord weiterhin halten soll. Ein großes Ziel, für das Carrie einige Opfer bringen muss…

Ich bin kein Tennisfan – ich glaube, dass ich in meinem ganzen Leben noch nicht genug Ausschnitte und Szenen gesehen habe, die in Summe auch nur ein Match ergeben würden, aber Carrie Soto hatte mich direkt am Wickel. Sie ist eine extrem ehrgeizige und dabei auch unsympathische Sportlerin, die für Tennis lebt. Sofort hatte ich das Gefühl eine Art Dokumentation zu verfolgen, über jemanden, den man vielleicht nicht wirklich mag, aber der einem dennoch Respekt abringt. Carrie wird von den Medien verunglimpft – sie macht weiter. Das Knie zwickt – sie macht weiter. Sie liegt hinten – sie macht weiter.

Von der Autorin hatte ich bis dato noch kein Buch gelesen, aber ich werde sie mir merken, denn der Schreibstil und die Gestaltung dieser Geschichte haben mir wirklich gut gefallen. Die Matches fand ich grandios und spannend, auch wenn ich manchen Fachbegriff nicht kannte, so entstanden dennoch Bilder in meinem Kopf. Auch der ganze Tenniszirkus wird aus meiner Sicht gut, authentisch und kurzweilig dargestellt. Das erscheint mir aus meiner Laiensicht sehr gut recherchiert – wie das ausgewiesene Tennisfans beurteilen kann ich natürlich nicht sagen. Für mich waren der Medienzirkus, der Konkurrenzkampf, die Vermarktungsaspekte etc. auf jeden Fall realistisch dargestellt. Es fühlte sich für mich oft so echt an, dass ich manchmal fast vergessen hätte, dass die ganze Geschichte fiktional ist.

Es ist auch nicht der von mir leise befürchtete Liebesroman geworden – ja, das Thema spielt in die Geschichte rein, ist aber nicht dominierend – sondern die gelungene fiktive Romanbiografie einer beeindruckenden Frau und Lebensleistung. Auch das Thema (Tennis-)Familie ist hier gut eingebunden.

Man muss Tennis, nicht einmal Sport mögen, um dieses Buch zu lesen. Einzig Interesse an einer Sportlerbiografie sollte man schon mitbringen. Carrie Soto bietet dann mit ihren vielen Facetten schon genug Unterhaltung. Das einzige was mich manchmal ein wenig irritierte, war wahrscheinlich der Übersetzung geschuldet, aber es gab ein paar holprigen Momente, die meinen Lesefluss kurz beeinflussten, aber das war unterm Strich nicht so dramatisch, daher vergebe ich gerne vier Sterne.

Veröffentlicht am 26.09.2022

Gemächlicher "Thriller"

Das siebte Mädchen
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Psychologin Chloe geht es nicht gut und das verwundert bei ihrer Vorgeschichte auch wenig. Vor 20 Jahren wurde ihr Vater für den Mord an sechs Mädchen verurteilt, ihre Mutter wollte sich umbringen und ...

Psychologin Chloe geht es nicht gut und das verwundert bei ihrer Vorgeschichte auch wenig. Vor 20 Jahren wurde ihr Vater für den Mord an sechs Mädchen verurteilt, ihre Mutter wollte sich umbringen und ihr Bruder ist mit ihrem Verlobten nicht so ganz einverstanden. Ihren Vater hat sie nicht mehr gesehen, seit er von Beamten zuhause abgeholt wurde, doch nun verschwinden wieder Mädchen. Zufall? Ein Nachahmungstäter?

Vorweg: Es ist ein ruhiger Thriller, der seine Momente hat, ansonsten aber eher gemächlich vorankommt, manchmal auch für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr auf der Stelle tritt. Das Kennenlernen der Erzählerin nimmt einiges an Text in Anspruch. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass sich manches zu oft wiederholt, die Rechtfertigungen ihres Medikamentenmissbrauch war ich irgendwann satt und nicht selten hätte ich sie gerne mal geschüttelt. Als Erzählerin wirkt sie dennoch oder gerade deshalb authentisch, weil sie nicht so stringent erzählt, sondern eher so, wie man das von einer traumatisierten Frau erwartet. Die Einblicke in ihre Psyche fand ich an sich auch nicht schlecht, aber ich hätte einfach zwischendurch gerne mehr Spannung gehabt, als es hier über weite Strecken der Fall war.
Ich hatte einen gewissen Verdacht schon recht früh, fand ihn dann aber aufgrund der einen oder anderen Sache nicht so ganz stimmig. Also habe ich zig andere Personen verdächtigt, also quasi jeden einzelnen Charakter im Buch. Ich hatte zwar immer diese eine Idee – wie ich glaubte, eine fixe Idee – aber es gab immer wieder Aspekte, die mal jenen, mal diesen Verdächtigen sinnvoll erschienen ließen. Was will der Nachahmungstäter? Ist es das „Jubiläum“, welches den Täter motiviert die Täter zu kopieren? Warum ist Chloe quasi immer im Mittelpunkt des Geschehens?
Das Ende des Buches hingegen ist plötzlich richtig spannend und unterhaltsam. Es geht dann endlich mal Schlag auf Schlag, fast zu schnell, aber immerhin. Unter dem Strich hat das Buch schon Potenzial, aber ganz genutzt hat es die Autorin aus meiner Sicht nicht - drei Sterne.

Veröffentlicht am 22.09.2022

Eher ein laues Lüftchen

Der Sturm
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Tasmanien. Vor zwölf Jahren gab es einen schweren Sturm – einen der Menschenleben forderte, darunter das von Kierans Bruder. Schuld daran trägt Kieran, für dessen Rettung sein Bruder sowie ein weiterer ...

Tasmanien. Vor zwölf Jahren gab es einen schweren Sturm – einen der Menschenleben forderte, darunter das von Kierans Bruder. Schuld daran trägt Kieran, für dessen Rettung sein Bruder sowie ein weiterer Mann sich aufs Meer wagten und mit dem Leben zahlten. Gleichzeitig verschwand auch ein junges Mädchen spurlos. Gibt es einen Zusammenhang? Was geschah damals? Nun ist Kieran trotz aller Schuldgefühle mit seiner kleinen Familie zurückgekehrt, um seine Eltern zu unterstützen und bald wird eine Tote am Strand gefunden. Hat er Mord was mit ihm und den anderen Überlebenden zu tun?

Ich mag den flüssigen Schreibstil der Autorin an sich und ich war von ihren Titeln „Dry“ und „Ins Dunkel“ ziemlich begeistert, entsprechend hatte ich hier auch recht hohe Erwartungen. Gebannt startete ich und war auch über lange Zeit recht angetan, doch der Sturm der Emotionen oder der Spannung blieb weitgehend aus. Es war eher ein laues Lüftchen, nicht übel, aber eben auch nicht turbulent und kraftvoll. Doch von Beginn an. Das Setting mit seinem Inselfeeling, in dem fiktiven Ort Evelyn Bay bietet einen gelungenen Rahmen, abgeschieden, jeder kennt jeden, die raue See und der Strand direkt vor der Tür.

Je besser man die Figuren kennenlernt, desto mehr Aspekte sieht man, die dafürsprechen, dass der eine oder andere mit der Toten etwas zu tun haben könnte. Fast keiner entkam meinen Verdächtigungen, denn Motive, ob für das Verschwinden des Mädchens vor zwölf Jahren oder der Mord an der angehenden Künstlerin heute, gab es für so einige Bewohner. Viele scheinen Geheimnisse zu haben und ich war schon neugierig, wie sich alles auflösen würde, doch vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt, vor das Ende des Buches hat die Autorin teilweise recht langatmige Wiederholungen, Landschaftsbeschreibungen und scheinbare Nichtigkeiten gesetzt. Überraschungen und/oder Wendungen gab es quasi keine, die Spannung war bestenfalls subtil und ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich das Ende nicht so begeistert hat. Ja, es ergab Sinn, die wichtigsten offenen Fragen wurden beantwortet und leider gab es keine Überraschungen. Das Buch plätschert dahin, ist nett, aber eben nicht der Sturm, den man erwartet. Dabei hatte das Buch bzw. hatten dessen Charaktere durchaus Potenzial. Insgesamt ist es vielleicht auch eher ein Drama als ein Thriller. Die Autorin schafft es auf jeden Fall wieder sehr atmosphärisch zu schreiben und man kann sich gerade in Kieran sehr gut hineinversetzen.

Wahrscheinlich hätte mich die Geschichte deutlich gestrafft mehr überzeugen können, vielleicht wäre ich auch versöhnlicher gestimmt, hätte ich nicht schon deutlich besser Bücher aus der Feder der Autorin gelesen, aber so komme ich wohlwollend noch auf drei Sterne.

Veröffentlicht am 18.09.2022

Packende Familiengeschichte

Die Rückkehr der Kraniche
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Wilhelmine Hansen lebt mit ihrer Tochter Grete in einem alten Haus in der Elbmarsch. Ihr Leben zieht in geregelten Bahnen vorbei, bis Grete ihre Mutter zusammengebrochen in deren Küche findet. Die Sorgen ...

Wilhelmine Hansen lebt mit ihrer Tochter Grete in einem alten Haus in der Elbmarsch. Ihr Leben zieht in geregelten Bahnen vorbei, bis Grete ihre Mutter zusammengebrochen in deren Küche findet. Die Sorgen sind enorm, so groß, dass Grete auch ihre Schwester Freya, die erfolgreich in Berlin arbeitet und ihre Tochter Anne, die in Bremen studiert nach Hause ruft. Trotz zahlreicher familiärer Spannungen…

Ich kannte im Vorfeld schon die Krimis der Autorin, die ebenfalls in der Region spielen, darum musste ich auch bei diesem Buch zugreifen, wenngleich der Plot weniger spannend klang. Zu Beginn war ich auch nicht so ganz angetan, musste erst einmal in die Geschichte mit all ihren leisen, feinen Tönen und Nuancen rein finden – als das gelungen war, hatte ich dann Gefallen an der Geschichte gefunden. Ja, es gab immer wieder einmal Momente, bei denen ich den Kopf schütteln musste (bei allen der vier Frauen, am meisten nervte mich dann aber doch Anne, die jüngste) und manches mag vielleicht ein wenig voraussehbar gewesen sein und dennoch: Ich habe die Geschichte, das Setting und den Schreibstil ansonsten sehr genossen. Ich bin normal nicht so der Typ für Naturbeschreibungen in Büchern, hier sind die jedoch sehr gut gelungen, tatsächlich konnte ich es mir vorstellen, wie die Vögel am Himmel ihre Kreise zogen, irgendwo im Gebüsch versteckt ein Lied anstimmten oder der Regen die Protagonisten kalt erwischt. Die Charaktere sind typisch nordisch gestaltet und wirken authentisch, manchmal möchte man sie schütteln und ihnen die Augen öffnen, genauso oft hätte ich sie aber auch mal in den Arm nehmen wollen.
Die Themen, die angesprochen werden sind vielfältig und solche, wie sie in Familien vorkommen, normal wahrscheinlich nicht so geballt wie hier, aber dennoch sind es Themen mitten aus dem Leben. Vaterfragen und auch Beziehungsgeschichten, Geheimnisse und viele Spielarten des Kummers werden hier angesprochen.

Die Auflösung hat mich wenig bis gar nicht überrascht, aber das war hier in Ordnung. Das Buch ist eher leise, für gemütliche Stunden, voller Atmosphäre und einer Familiengeschichte, die für mich so – trotz der einen oder anderen Kritik – packend war.